v. Chr. (Zeitangaben bis 152 "um das angegebene Jahr")
6000
Vor rund 10.000 Jahren zieht sich die letzte Eiszeit zurück und wahrscheinlich wandern ab 6.000. v. Chr. wilde Holzäpfel (Malus sylvestris) und Holzbirnen (Pyrus communis) in die mitteleuropäischen Eichenmischwälder ein.
Jungsteinzeit
4000 Im Bodensatz historischer Pfahlbauten am Ufer des Bodensees (Unruhldin-gen) fand man Nahrungsreste der wilden Holzäpfel und -birnen, aber auch von größeren Früchten: der „Pfahlbauapfel” war kultiviert worden.
Mesopotamien, Ägypten
2000 Assyrer „erobern” bei Kriegszügen auch Samen aus Apfel- und Birnenwäldern des Nordkaukasus und kultivieren in Kleinasien den Obstbau.
1500 Ägypten importiert die Früchte aus Mesopotamien und liefert uns die erste bekannte Darstellung von Äpfeln und Birnen in einem Königsgarten (siehe nächste Seite).
1000Ägäische Bronzezeit
Die frühen Griechen eignen sich das Wissen Kleinasiens um den Obstbau an und bringen den Obst- und Weinbau mit in ihre Kolonien, z. B. Unteritalien.
830 Der Dichter Homer liefert die ersten Schriften über den Obstbaus und be-schreibt verschiedene Sorten - in der „Odysee”: Da wachsen große Bäume, kräftig sprossend: Birnen und Granaten und Apfelbäume mit glänzenden Früchten (...)”
Homer prägt auch den berühmten Satz: „Die Birne ist eine Gabe der Götter.” Die Griechen der ägäischen Bronzezeit züchten aus der Wildbirne (Pyrus pyraster), die ihnen heilig war (magenreinigend und stuhlfördernd), erste weiche Speisebirnen, die „Phlocische und Apische Birne”. Sie verbreiten diese und bringen auch die Apfelkultur zu einer ersten Blüte. Der Apfel als höchster Lohn geht in die früheste Literatur ein, schön rot im Urteil des Paris in Homers Ilias und golden bei den Hesperiden. (Die Goldenen holte sich Herakles/Herkules.)
Hallstattzeit
800 Zahlreiche Reste von Kulturäpfeln werden für das Salzkammergut von 1100 bis 500 v. Chr. nachgewiesen. Unsere Seen werden heute noch von alten bodenständigen Apfelbaumsorten umrahmt, man nimmt daher an, dass der „Brünnerling” und seine Formenkreise Oberösterreichs bodenständige, ureigenste Kultursorte aus Eisen- und Bronzezeit darstellt.
Frühes Rom
800 Pomona, der römischen Göttin der Früchte, wird die Erfindung des Okulierens (Veredeln mittels eines Triebauges unter der Rinde des Wildlings) zugeschrieben.
Babylon / Persisches Reich
600 Nebukadnezars II. „hängende Gärten der Semiramis" enthalten auch viele Obst-bäume. In der trockenen Ebene des Zweistromlandes gelegen, waren die prachtvollen Gärten Babylons ein unglaubliche Tat,- ein klass. Weltwunder.
540 Die Perser unterwerfen Babylon, führen dessen Obstkultur weiter. Der Apfel wird in Keilschrift gefasst (Persepolis). Die Ernährungslage sichernd, pflanzt Kyros II. Obstbäume an Heerstraßen und in den Städten. Seine Königsgärten bezeichnen griech. Historiker (Xenophon) als Parádeisoi - das Paradies war somit gefunden und zwar dort, wo just auch das Christentum den Garten Eden lokalisiert: im östl. Kleinasien am Fuße des Kaukasus, der Wiege des Obstbaus.
Klassisches Griechenland
500 Pythagoras, Philosoph und Mathematiker, lehrt den Vegitarismus (und fördert damit bis heute den Obstabsatz). Die Griechen erweitern die Obstbau-kunst: die Vermehrung der Sorten durch Pfropfung. Das Geheimnis dieser Technik der vegetativen Vermehrung über Edelreiser wussten sie 1000 Jahre zu wahren! Ihre süßen Birnen wurden zum mediterranen Exportschlager. Boden und Klima waren so günstig, dass man die Peloponnes symbolisch „Apia”, Birnenland nannte.
455 Konsul Appius Claudius bringt von „Apia” die Apfelsorte „Api” nach Italien.
400 Demokrit verfasst die erste Schrift über Landbau (überliefert von Columella im „Liber Georgicon“ s.u.) 360 Hippokrates beschreibt die Theorie des richtigen Okulierens. 320 Mit Theophrast aus Lesbos betritt der erste Pomologe die „Obst-weltbühne”. Er hält alle Künste des Veredelns fest und zählt in „Historia-” und „Causae plantarum” auch 6 kultivierte Apfel- und 4 Birnensorten auf.
Römisches Reich
Rom wird zur mächtigen „Brücke zwischen Asien und Europa” und zum „Schöpfer des modernen Gartenbaus“. 152 Cato schreibt mit „De Agricultura" das erste latein. Werk über Feldbau.
100 Roms Legionäre bringen veredelte Obstsorten nach Gallien und Germanien. Aber: die „Transit-Amphore” findet seinen Meister: Keltischen Stämmen im Badischen ist die Erfindung des Holzfasses für die Lagerung von Flüssigem nachzuweisen. Wir dürfen darin auch den ersten Hinweis auf Most sehen.
nach Christus
Die Obstbauförderung führt zu einem Sortenboom im römischen Reich. Anbautechnik, Pomologie beschäftigen große Geister der Zeit wie Virgil, Varro, Columella, letzterer als eigentlicher Vater der Pomologie. Seine „12 Bücher de re rustica” geben ein vollständiges Bild vom Wissen über die Landwirtschaft. 60 Rom beliefert nun seinerseits Griechenland mit Edelreisern.
77 Plinius Secundus (d. Ä.) beschreibt in seiner Natur-Enzyklopädie insgesamt 1000 Pflanzen, darunter 39 Sorten Birnen, 23 Sorten Äpfel. An erster Stelle stand die Weinrebe mit 71 Sorten.
Den germanischen Völkern jenseits des Limes dürfte der Obstbau in dieser Form nicht geläufig gewesen sein, der einzige historische Bericht der klassischen Welt über die Germanen von Tacitus beschreibt deren Landschaften „aus Wald und Sumpf - für den Obst- und Weinbau ungeeignet”. 80
185 Galenus, Leibarzt von Kaiser Marc Aurel - welcher die längste Zeit seines Lebens in Carnuntum weilte - lehrt Wein und Essig aus Birnen herzustellen.
Der Ausbreitung Roms sind die heute kultivierten Apfelsorten und die Kunst der Obstbaumveredelung in ganz Europa zu verdanken. Der höchste Sorten-stand (von 32 auf 192!) und das Moselgebiet werden vom Obstbau erreicht: 200
Völkerwanderungszeit
Mit dem Niedergang röm. Kultur geht auch der Obstbau einher: Im 5 Jhdt. ist die einstige Vielfalt auf insgesamt 7 Apfel- und Birnensorten geschrumpft. 480 Der endgültige Zusammenbruch des Römischen Reiches lässt den Obstbau erliegen und den Wein versiegen: Landgüter und Gärten werden von durchziehenden Heervölkern verwüstet. Man hatte es auf die Vernichtung des Weinstocks abgesehen. Dieser rankte sich um die eingestreuten Apfel- und Birnbäume - eine uralte Symbiose-Anbautechnik. „Krieg gegen die Gärten” erklärt auch später (12. Jhdt, 17. Jhdt) immer wieder das Entstehen reiner Streuobstwiesen. Man trinkt „tresterwein”, aber nur dort, wo einst Rom herrschte.
540 Dem Ordensgründer Bendikt von Nursia folgend, beginnen Mönche mühsam den Obst- und Weinbau zu rekultivieren. Schwerste Strafen für Beschä-digung der (wenigen) Obstbäume sprechen die „Bayrischen Gesetze” aus. 600
Fränkisches Reich / Heiliges Römisches Reich
772 Oberösterreich weist von 772 bis 930 n. Chr. 14 Weinbauorte nach, u. a. Rohr-bach/St. Florian, Polsing/Eferding, Aschach/D., Ottensheim, Attersee-Dorf, Aist/Naarn
812 Karl der Große befiehlt in der „Capitulare de Villis” Apfel- und Birnenbaum als Kulturgewächs in die landwirtschaftliche Nutzung aufzunehmen. Die kaiserlichen Pfalzen empfehlen die Apfelsorten „Gomaringer und Geroldinger”.
890 Oberösterreich kann auf die erste deutschsprachige Bezeichnung eines Poumgartins - Baumgartens am Attersee verweisen (Schenkung König Anrulfs)
1050 Der erste Stauferkönig Konrad III. bringt vom 1. Kreuzzug - erneut - die (alte peleponnesische) Apfelsorte „Api” ins Deutsche Reich. Der „Reichsapfel” gehört zu den Reichsinsignien. Hildegard von Bingen rät in ihrer medizinisch-kulinarischen „Physika” vom Genuss roher Äpfel ab, was nicht verwundert, kannte man damals gerade 3, wohl nicht sehr süße, Sorten.
Hoch- und Spätmittelater
1240 Nieder- und Oberösterreich besitzen die ältesten Nachrichten über Most-erzeugung in Mitteleuropa. Nur das westliche Frankreich (also das heutige Gebiet der Cidrekultur) kann noch ältere Belege um 1190 erbringen.
1259 wird die größte Eruption eines Vulkans des Jahrtau-sends nachgewiesen. Ein Jahrzehnt lang wird von dauerhafter Kälte, Missernten, Hochwassern, Viehseuchen, Kriegen und Auswanderungswellen berichtet. Mittelalterlicher Tiefststand beim Obstbau: 1260 Albertus Magnus’ „De vegetabilis” berichtet wenig davon. „Apfelmost- und Essigbereitung” wird erwähnt.
1305Pier’ de Creszenzis „Summa” der mittelalterl. Landwirtschaft löst eine Erneu-erung des Obstbaus in Europa aus. 15 Sorten zählt der Mann aus Bologna.
1312Unter Markgraf Waldemar beginnt für Brandenburg Förderung und Blüte des Obstbaus, die „rechte Lagerung gärender Säfte in Fässern” wird geboten.
1371Das Herzogtum ob der Enns bringt im „Schaumburger Urbar” erstmals eine Baumschule - Pfeltzpewnt in die Geschichtsschreibung, ebenso die erste Kultur- Birne, die Regelspuren - Regelsbirnen (Tuenheim b. Eferding). Der „Haustrunk” Most „wird Landeskultur”, da den Bauern verboten wird, Bier zu brauen.
Renaissance
1424 Poggio Bracciolini entdeckt die Schriften Columellas wieder, ein Anknüpfen an die röm. Sorten war aber nicht möglich. Der Orient lieferte neue Züch-tungen, Europa hatte inzwischen neue Arten hervorgebracht- Für unseren Raum waren dafür die bodenständigen „Wildlinge” segensreich. Bis tief in das 19. Jhdt. holen die Bauern wilde Obstbäume aus dem Laubwald und veredeln sie zu unseren heutigen Mostobstsorten. Kälteperiode ca. 1420-1460
1545 Padua errichtet einen Lehrstuhl für Botanik. Viele Universitätsstädte folgen. Es gibt wieder 21 Obstsorten. Eine Flut von neuen Namensgebungen folgt.
Anhaltende Kälteperiode 1570-1590
1582 Kurfürst August von Sachsen fördert den Obstbau rigoros, gibt ein Obstgar-tenbüchlein” heraus und führt stets Obstsamen zur Aussaat mit sich. Sein „Ehe-standsbaumgesetz” verpflichtet frisch Getraute, zwei Obstbäume zu pflanzen
Barock und Rokoko
1629 In England beschreibt John Parkinson 57 Apfel- und 64 Birnensorten
1648 Der Dreißigjährigen Krieg vernichtet das mitteleuropäische Wirtschaftsleben. Klimaeinbrüche vernichten verbliebene Rebflächen, im süddt. Raum entstehen großflächige Streuobstwiesen. „Dörrobst, Most und getrocknete Trebern” sichern die Ernährungslage im Winter. Die Wiedererrichtung des Obstbaus wird „Chefsache” (Staatsprogramm Brandenburg-Preussen). Windhaag bei Perg (Herrschaft des oö. Statthalters, ein erfolgreicher Rekatholisierer) zählt 1691 im Schloßgarten wieder 26 Sorten Äpfel, 19 Birnen (auch: 11 Kirschen)
1670 La Quintinye, Frankreichs „Vater der Pomologie” beschreibt 164 Birnen- und 57 Apfelsortenorten (siehe Bild rechte Seite). 30 Jahre Später kannte das Reich Ludwigs XIV. bereits 300 Sorten, 1850 sollte man bei 1.000 angelangen.
1723 Kälteeinbruch und folgende Hitzewelle, Hungersnot in Franken/Hessen,
in Oberösterreich beginnt das Sterben des bis dahin blühenden Weinbaus.
1725 Landgraf Karl von Hessen lässt eine staatl. Obstbaumschule errichten. Jedes
junge Ehepaar erhält (gegen einen Symbolgroschen) 2 Bäume zur Auspflanzung.
1791 Schlesien (bis 1742 österr.) zählt den Stand von 1,4 Millionen Obstbäumen
1793 Johann Caspar Schiller, Vater des großen Dichters, gibt ein Standardwerk über die wissenschaftliche Obstbaumzucht heraus. Alle damaligen Fachwer-ke zielen auf eine Agrar-Industrialisierung ab, Rebsorten werden nun in Reihen gepflanzt, die Ur-Anbausymbiose Apfel-Birne-Wein stirbt aus.
Das 19. und 20. Jahrhundert
1815 Der Ausbruch des Vulkans Tambora (Indonesien) verdüstert den Himmel, was die kältesten, jemals in Europa gemessenen Temperaturen nach sich zieht. Die Napoleonischen Kriege finden ein Ende. Die Mostkultur blüht.
1850 Nach deutschen Vorbildern gedeihen in den österr. Erblanden die Baumschulen. Erzherzog Johann gibt großzügig Sämlinge an die Bauern weiter.
1870 Gerade in Aschach/Donau geht eine alte - flächendeckende - oö. Tradition zu Ende: wo anno 777 der Weinbau begann, wird die letzte Rebfläche gerodet.
1880 Dem so genannten Polarwinter 1879/80 fallen im süddt. Raum große Teile des Obstbaumbestandes zum Opfer. Umgehend werden Kreis-Baumschulen und „Pomologenvereine” gegründet. Diese empfehlen Erwerbsobstbauern auch die Vernichtung „unwerter Sorten”, das Ende der Sortenvielfalt wird eingeläutet.
1890 Rebkrankheiten (Mehltau u.a.) werden mit neuen Rebsorten aus den USA eingeführt, Totalausfälle der Weinernte folgen - und: die Innovation der „Haltbarmachung des Bieres”, der größte Trumpf der Brauereien.
1906 Der „Mehltau” führt z.B. Franken in eine „Weinbauernkrise”. Den Bauern blieb nur noch das Streuobst und/oder die Auswanderung (übrigens nach Amerika; die großflächige Weinbaukultur Frankens wurde erst in den 1960er-Jahren erneut begründet!)
1912 Eine K.u.K Mostbirnenschau in Linz stellt 108 österr. Sorten fest. 48% dieser Züchtungen kommen alleine aus Oberösterreich und dem nö. Mostviertel.
1923 Der Landwirtschaft gewährte „Hausbrandkontingente” dienen vornehmlich der Förderung des Streuobstbestands (D und Ö).
1950 „Standard-Obstsorten”, „Abholzungsprämien” und andere Fehleinschätzungen greifen den Streuobstbestand radikal an. Sie führen in der Waldwirtschaft zu Fichtenmonokulturen und dabei zur Ausrottung der letzten Obst-„Wildlinge”. Plantagenobst-Import tut sein übriges: die Sortenvielfalt geht stark zurück.
1957 wird der bakterielle „Feuerbrand” aus den USA nach England eingeschleppt und erreicht den ersten Streuobstbaum Österreichs in Vorarlberg: 1993
1996 Die EU-Verordnung Nr. 2200/96 bestimmt Qualitätsnormen für Obst. Viele „alte Sorten” haben - außer bei Direktvermarktung - keine Handelsschance mehr.
Der Mensch und der Baum..
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PS:
Für Interessierte: Feuerbrand, Birnenverfall und andere Krankheiten zum einen und ein einigermaßen blindes Beharren auf diesbezüglich zu wenig resistente, sogenannte "Unterlagen-Baumsorten" zum Veredeln (welche übrigens hauptsächlich aus den Baumzucht-Hochburgen Deutschlands stammen) haben auch zu dieser Statistik geführt:
1938 Streuobstbestand Oberösterreich, Zählung:
3,4 Millionen Streuobstbäume
(25% Apfel- und 75% Birnenbäume)
1968 Streuobstbestand Oberösterreich, Zählung:
1,8 Millionen Streuobstbäume
(50% Apfel- und 50% Birnbäume)
1986 Streuobstbestand Oberösterreich, Schätzung:
1,2 Millionen Streuobstbäume
(60% Apfel- und 40% Birnbäume)
Womit der großartigen Kulturgeschichte des Obstbaus leider ein düster-elegischer Schlusspunkt gesetzt ist.
Viele Grüße, Ning