B
Baran Ruciyar
Gast
Hallo,
ich habe im Forum lesen können, dass das Thema "Kurden" bereits mehrfach diskutiert wurde. In diesen Diskussionen wird das Thema "Kurden" ziemlich umfangreich behandelt. Ich möchte nun eine kleine Ergänzung anführen, in der die 5 kurdische Dynastien kurz beschrieben werden:
Das Werk des Fürsten von Bidlis Sheref Xan, das im Jahre 1596 abgeschlossen wurden, nimmt einen hervorragenden Platz unter den Quellen zur kurdischen Geschichte ein. Die eigentliche Geschichte der Kurden besteht aus vier Teilen: der erste behandelt die kurdischen Dynastien, die tatsächlich die Vorrechte des Königtums (Saltanat) bessesen haben; der zweite – die Dynastien, deren Herrscher zuweilen Geld prägten und die Xutba in ihrem Namen verkünden ließen; der dritte zählt die Häuser der erheblichen Stadthalter (Hukkmat) auf; der vierte ist der ausführlichen Geschichte der Fürsten von Bidlis gewidmet. Teil I erwähnt 5 Dynastien: die Marwaniden von Diyarbakir und Cizre; die Hassanwaihiden von Dainawar und Shahrazur; die Fedlewiden von Großluristan; Die Fürsten von Lurî Kûçik (Atabekê Loristan) und die Ayyubiden.
Fedlewiden: Eines von dieser Dynastien war die Dynastie der Atabeg in Ost- und Südluristan zwischen 1155 und 1423 mit der Hauptstadt Malamir (Malayîr). Diese Dynastie führt auch den Namen Fedlewi, nach einem Kurdenhäuptling aus Syrien, namens Fedlûya genannt. Seine Nachkommen verliessen ihre Heimat und gelangten über Mayafarikin und Gûran, wo sie sich mit Mîr Dibac aus Gîlan verschwägerten, um 1006 in die Ebene nördlich des Uşturan-Kuh.
Lurî Kûçik: Dieser Dynastie mit der Hauptstadt Xûrramabad, existierte zwischen 1184 und 1597 als ein selbständiger Staat im südlichen Kurdistan.
Ayyubiden: Die bekannteste islamische Dynastie kurdischer Herkunft ist die Ayyubiden-Dynastie (Mitte des 12. Jahrhunderts bis Mitte des 13. Jahrhunderts). Ihr Herrschaftsgebiet erstreckte sich von Ägypten, Syrien, Teile Mesopotamiens und Kurdistans bis nach Jemen. Der berühmteste Herrscher der Ayyubiden war Saladin (Salah ad-Dîn) der Große. Die arabischen Historiker des Mittelalters bezeichneten die Herrschaft der Ayyubiden als jene der Kurden (al-Akrad).
Marwaniden: In der Geschichte der Kurden bezeichnet vorwiegend das 11. Jh. n.Chr. eine Epoche der staatlichen Eigenständigkeit mehrerer Fürstentümer. Von jenen kurdischen Emiraten hatte das der Marwâniden die deutlichsten Spuren hinterlassen. So zeugen die Berichte in den muslimischen und christlichen Chroniken des mittelalterlichen Orients sowie manche bis heute erhaltenen baulichen Überreste von der kulturellen Blüte und dem wirtschaftlichen Reichtum im Staate der Marwâniden.
Statt in den bisherigen kurdischen Kerngebieten, den Gebirgen östlich des Tigris, richteten sich die Marwâniden mit ihrer Herrschaft über die Region Diyâr Bakr und die Gegend nördlich des Van-Sees in einem für den städtischen Handel bedeutenden Land ein, welches bis dahin noch zum Großteil von Christen - Jakobiten und Armeniern - bewohnt war. In erster Linie sind die Marwâniden für die kurdische Geschichte von Bedeutung, da sie in den noch von ihrer byzantinischen und arabischen Vergangenheit geprägten reichen Handelsstädten Diyâr Bakrs, wie Âmid (heute Diyarbakir) oder Mayyâfâriqîn (heute Silvan), eine kurdische Herrschaft errichteten und da ihre Herrschaft die verstärkte kurdische Immigration nach Diyâr Bakr einleitete - eine Entwicklung, die schließlich Diyâr Bakr zu einem Zentrum des kurdisch bewohnten Gebietes werden ließ.
Die äußeren Bedingungen für das Entstehen des Marwânidenemirates waren die guten diplomatischen Beziehungen zu dem unter Kaiser Basileios II. mächtigen Byzantinischen Reich (mit Zentrum in Konstantinopel), die Schwäche der in Bagdad residierenden 'Abbâsidenkalifen, die Zerstrittenheit ihrer buyidischen Schutzherren sowie die Unterstützung jeglicher Unabhängigkeitsbestrebung von Vasallen der Herrscher Bagdads durch die Fâtimidenkalifen in Kairo.
Zwar bildete Diyâr Bakr damals ein in das Byzantinische Reich hineinragendes muslimisches Fürstentum, mit den Marwâniden waren jedoch erstmals in diesem Grenzbereich dauerhaft friedliche Beziehungen und ein gemeinsames Vorgehen gegen Streifzüge der Beduinen möglich. Die Situation im 'abbâsidischen Kalifenreich war geprägt durch wirtschaftlichen Niedergang, Bürgerkrieg und Nomadisierung. So gelang es den Vasallen Bagdads, unterstützt durch die ägyptische Diplomatie, ihre Machtposition auszubauen bzw. das Reich ihrer Lehnsherren durch Rebellionen zu erschüttern.
Der Kurdenführer Bâd (1)
Die Dynastie der Marwâniden ging aus dem kurdischen Stamm der Hârbuxtî hervor. Sie wurde nicht unter dem Namen ihres Wegbereiters Bâd Ibn Dûstak bekannt, sondern unter dem des Müllers Marwân, der Bâds Schwester geheiratet hatte und von dem drei Söhne nacheinander Bâd in der Herrschaft nachfolgten. Der Chronist Ibn al-Atîr berichtet, dass Bâd, bevor er mächtig wurde, Schafe gehütet habe. Obwohl er demnach arm war, opferte er freigiebig seine Schafe, um anderen etwas zu essen geben zu können. So war er sehr angesehen, und es schlossen sich ihm viele an, um nun in einer Bande Wegelagerei zu betreiben. Zu diesem Zeitpunkt beschränkten sich Bâds Aktivitäten auf die Region um Hîzân südlich des Van-Sees.
Demgegenüber schreiben die Chronisten Sibt Ibn al-Djawzî und Ibn al-Azraq über die Söhne Marwâns, sie seien die Oberhäupter in dem Ort Kurmâs gewesen. Jeder von ihnen führte eine Truppe und ihr Vater Marwân besaß eine Mühle. Somit ist der aus dem einfachen Volk aufgestiegene Führer Bâd durch die Heirat seiner Schwester mit Marwân eine Verbindung mit einer angesehenen kurdischen Familie eingegangen. Möglicherweise war es dieses Ansehen der Familie Marwâns, welches es seinen Söhnen nach Bâds Tod ermöglichte, unter den Kurden umgehend die Anerkennung ihrer Herrschaft durchzusetzen. So wurde die Dynastie schließlich nach der einflussreichen Familie Marwâns benannt und nicht nach der des Bâd.
Laut Ibn al-Atîr soll Ardjîš am Nordufer des Van-Sees die erste Stadt gewesen sein, die Bâd in Besitz nahm. Eine Miniatur aus dem 16. Jh. (Nasûhü’s-Silâhî Matrâqçî, Beyân-i menâzil-i sefer-i 'Irâqeyn-i Sultân Süleymân Xân, Hg.: Hüseyin G. Yurdaydin, Ankara 1976, TTKY, Reihe 1, Nr. 3, fol. 25b) zeigt die Lage der Stadt zwischen dem Gebirge im Norden und dem Ufer des Wan-Sees im Süden. Aufgrund dessen gehörte die Stadt zu den strategischen Punkten auf der Ost-West Passage am Nordufer des Wan-Sees. Dass der Herrschaftsraum des Kurdenführers zuerst in jenes armenische Land hinein expandierte, hängt sicherlich mit der Gewohnheit der damaligen muslimischen Glaubenskämpfer zusammen, ihre Streifzüge in den christlichen Grenzgebieten durchzuführen.
Untergang des Emirates
Die äußeren Bedingungen für den Niedergang des Marwânidenemirates waren in erster Linie das Vordringen der Selçuken und die damit zusammenhängende Wanderung türkischer Nomaden nach Westen. Die Selçuken beendeten durch ihre weiträumigen Eroberungen in Mesopotamien, Anatolien und Syrien die dortige Herrschaft konkurrierender Großmächte, welche ja zuvor - indem sie sich gegenseitig in Schach hielten - auch das Bestehen der mesopotamischen Regionalfürstentümer ermöglicht hatten.
Die byzantinische Macht in Anatolien brach angesichts des türkisch-selçukischen Vordringens zusammen. Nur der energische Kaiser Romanos IV. Diogenes (R. 1068-1071) unternahm noch einmal militärische Vorstöße in die Van-See-Region und nach Nordsyrien. Sein Versuch, die Gebiete von Axlât und Aleppo, die den Türken als Stützpunkte für ihre Streifzüge nach Anatolien dienten, unter seine Kontrolle zu bekommen, scheiterte jedoch. Im Entscheidungskampf bei Mantzikert (1071) zeigte sich noch einmal, welche strategische Bedeutung das marwânidische Territorium um die Stadt Axlât für beide Seiten hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Marwâniden jedoch bereits so sehr in die Abhängigkeit der Selçuken geraten, dass es allgemein als türkischer Stützpunkt angesehen wurde.
Alleine aufgrund seines landwirtschaftlichen Reichtums war Axlât schon ein wichtiger Anlaufpunkt für die verschiedenen Heere, denn die bisherige Politik der Marwâniden gegenüber den Türken hatte die Stadt vor den Verwüstungen bewahrt, durch welche die christlichen Nachbarregionen entvölkert worden waren. Als das schützende Mächtegleichgewicht in der Region beseitigt war, machte jedoch gerade dieser wirtschaftliche Wohlstand das Marwânidenemirat zum Ziel selçukischer Eroberungspläne.
Dem türkischen Sultan Malek Šâh (R. 1072-1092) war es nun möglich eine Neuordnung in den Ländern al-Djazîra und Nordsyrien in Angriff zu nehmen, deren erstes Opfer 1085 das Emirat der Marwâniden wurde. Am Beispiel Diyâr Bakrs zeigt sich das Programm, welches die Selçuken durchzusetzen imstande waren: eine direkte Kontrolle über die Region (Entmachtung der einheimischen Feudalherren), Versorgung der türkischen Gefolgsleute mit Lehen, ständige Neuvergabe der Lehen nach kurzer Zeit, um die Kontrolle der Zentralmacht über die Reichtümer der Provinzen zu gewährleisten
Aufbau der Dissertation
Soweit die knappe Übersicht der Ereignisse. Die Quellenlage bezüglich der Marwâniden ist insofern günstig, als im 12. Jh. der aus Mayyâfâriqîn stammende Chronist Ibn al-Azraq al-Fâriqî ein Werk zur Geschichte des Landes Diyâr Bakr geschrieben hatte. Von jener Chronik wurde der die Zeit der Marwâniden betreffende Teil 1959 von Badawî 'Abd al-Latîf 'Awad ediert. Zuvor, im Jahre 1903, hatte bereits Henry F. Amedroz die wesentlichen Aussagen dieses Teils der Chronik in einem Artikel behandelt. Jene Informationen ergänzte schließlich Paul Blaum in einem 1992-1993 erschienenen Artikel vor allem um Angaben, welche von den christlichen Chronisten des Mittelalters überliefert wurden. Letztere finden sich zwar nicht in dem Werk des kurdischen Historikers 'Abd ar-Raqîb Yûsuf; dennoch ist seine Arbeit zur Geschichte der Marwâniden aus dem Jahre 1972 von Bedeutung. Yûsuf zeigte Widersprüche in den Quellen auf, indem er Ibn al-Azraqs Informationen anhand einiger wichtiger Geschichtswerke des mittelalterlichen Islam überprüfte und ergänzte.
Mein Ziel war es, die Bedeutung jenes Feudalstaates für die kurdische und islamische Geschichte hinsichtlich der Aspekte Entwicklung von Bevölkerungsstruktur, Wirtschaft, Kultur und Politik umfassend und zu einem großen Teil anhand bislang unveröffentlichter Quellen zu untersuchen. In den einzelnen Kapiteln der Dissertation stütze ich mich grundsätzlich auf die von mir ausgewerteten Quellenwerke, in den Fußnoten der kurzen Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels verweise ich hingegen vornehmlich auf Sekundärliteratur, wenn in dieser bereits gewisse Punkte Erwähnung fanden. In der Schlussbetrachtung lege ich schließlich meine Interpretation der geschichtlichen Überlieferung sowie meine Forschungsergebnisse anhand einiger Details dar.
Hinweisen möchte ich noch auf den Artikel A New Ruler Of The Marwânid Emirate In 401/1010 - And Further Considerations On The Legitimizing Power Of Regicide von Stefan Heidemann, ARAM, 9-10 (1997-1998), 599-615. Auf der in jenem Artikel untersuchten Münze ist nämlich der von mir (S. 287, Anm. 183) als Šarwe interpretierte Name des 401/1010-1011 in Mayyâfâriqîn herrschenden Machthabers als Abû Šudjâ' Šarwîn Ibn Muhammad dokumentiert.
Hasanwayhiden: Hasanwayhiden war ein kurdisches Fürstentum. Gegründet nach Islamischen Dynastie-Traditionen und existierten zwischen 950 n.Chr. bis 1014. Das Herrschaftsgebiet der Hasanwayhiden mit der Hauptstadt Sermac, dehnte sich, auf die Städte Scharezur (Kerkûk), Dinaver, Hamadan und Nihavend aus.
Quellen
Minorsky, KURDEN, LUREN, Lur-e Bozurg, Lure- Kucîk, Kurdistan und Luristan etc., IN: Enzyklopädie des Islam
Serefname; die Übersetzung von E. Bozarslan
http://members.fortunecity.de/thomas33/paris/einleitung.htm (am 10.01.200)
YXK - Verband der Studierenden aus Kurdistan - Die Geschichte der KurdInnen (10. 01. 2008)
MfG
Baran
ich habe im Forum lesen können, dass das Thema "Kurden" bereits mehrfach diskutiert wurde. In diesen Diskussionen wird das Thema "Kurden" ziemlich umfangreich behandelt. Ich möchte nun eine kleine Ergänzung anführen, in der die 5 kurdische Dynastien kurz beschrieben werden:
Das Werk des Fürsten von Bidlis Sheref Xan, das im Jahre 1596 abgeschlossen wurden, nimmt einen hervorragenden Platz unter den Quellen zur kurdischen Geschichte ein. Die eigentliche Geschichte der Kurden besteht aus vier Teilen: der erste behandelt die kurdischen Dynastien, die tatsächlich die Vorrechte des Königtums (Saltanat) bessesen haben; der zweite – die Dynastien, deren Herrscher zuweilen Geld prägten und die Xutba in ihrem Namen verkünden ließen; der dritte zählt die Häuser der erheblichen Stadthalter (Hukkmat) auf; der vierte ist der ausführlichen Geschichte der Fürsten von Bidlis gewidmet. Teil I erwähnt 5 Dynastien: die Marwaniden von Diyarbakir und Cizre; die Hassanwaihiden von Dainawar und Shahrazur; die Fedlewiden von Großluristan; Die Fürsten von Lurî Kûçik (Atabekê Loristan) und die Ayyubiden.
Fedlewiden: Eines von dieser Dynastien war die Dynastie der Atabeg in Ost- und Südluristan zwischen 1155 und 1423 mit der Hauptstadt Malamir (Malayîr). Diese Dynastie führt auch den Namen Fedlewi, nach einem Kurdenhäuptling aus Syrien, namens Fedlûya genannt. Seine Nachkommen verliessen ihre Heimat und gelangten über Mayafarikin und Gûran, wo sie sich mit Mîr Dibac aus Gîlan verschwägerten, um 1006 in die Ebene nördlich des Uşturan-Kuh.
Lurî Kûçik: Dieser Dynastie mit der Hauptstadt Xûrramabad, existierte zwischen 1184 und 1597 als ein selbständiger Staat im südlichen Kurdistan.
Ayyubiden: Die bekannteste islamische Dynastie kurdischer Herkunft ist die Ayyubiden-Dynastie (Mitte des 12. Jahrhunderts bis Mitte des 13. Jahrhunderts). Ihr Herrschaftsgebiet erstreckte sich von Ägypten, Syrien, Teile Mesopotamiens und Kurdistans bis nach Jemen. Der berühmteste Herrscher der Ayyubiden war Saladin (Salah ad-Dîn) der Große. Die arabischen Historiker des Mittelalters bezeichneten die Herrschaft der Ayyubiden als jene der Kurden (al-Akrad).
Marwaniden: In der Geschichte der Kurden bezeichnet vorwiegend das 11. Jh. n.Chr. eine Epoche der staatlichen Eigenständigkeit mehrerer Fürstentümer. Von jenen kurdischen Emiraten hatte das der Marwâniden die deutlichsten Spuren hinterlassen. So zeugen die Berichte in den muslimischen und christlichen Chroniken des mittelalterlichen Orients sowie manche bis heute erhaltenen baulichen Überreste von der kulturellen Blüte und dem wirtschaftlichen Reichtum im Staate der Marwâniden.
Statt in den bisherigen kurdischen Kerngebieten, den Gebirgen östlich des Tigris, richteten sich die Marwâniden mit ihrer Herrschaft über die Region Diyâr Bakr und die Gegend nördlich des Van-Sees in einem für den städtischen Handel bedeutenden Land ein, welches bis dahin noch zum Großteil von Christen - Jakobiten und Armeniern - bewohnt war. In erster Linie sind die Marwâniden für die kurdische Geschichte von Bedeutung, da sie in den noch von ihrer byzantinischen und arabischen Vergangenheit geprägten reichen Handelsstädten Diyâr Bakrs, wie Âmid (heute Diyarbakir) oder Mayyâfâriqîn (heute Silvan), eine kurdische Herrschaft errichteten und da ihre Herrschaft die verstärkte kurdische Immigration nach Diyâr Bakr einleitete - eine Entwicklung, die schließlich Diyâr Bakr zu einem Zentrum des kurdisch bewohnten Gebietes werden ließ.
Die äußeren Bedingungen für das Entstehen des Marwânidenemirates waren die guten diplomatischen Beziehungen zu dem unter Kaiser Basileios II. mächtigen Byzantinischen Reich (mit Zentrum in Konstantinopel), die Schwäche der in Bagdad residierenden 'Abbâsidenkalifen, die Zerstrittenheit ihrer buyidischen Schutzherren sowie die Unterstützung jeglicher Unabhängigkeitsbestrebung von Vasallen der Herrscher Bagdads durch die Fâtimidenkalifen in Kairo.
Zwar bildete Diyâr Bakr damals ein in das Byzantinische Reich hineinragendes muslimisches Fürstentum, mit den Marwâniden waren jedoch erstmals in diesem Grenzbereich dauerhaft friedliche Beziehungen und ein gemeinsames Vorgehen gegen Streifzüge der Beduinen möglich. Die Situation im 'abbâsidischen Kalifenreich war geprägt durch wirtschaftlichen Niedergang, Bürgerkrieg und Nomadisierung. So gelang es den Vasallen Bagdads, unterstützt durch die ägyptische Diplomatie, ihre Machtposition auszubauen bzw. das Reich ihrer Lehnsherren durch Rebellionen zu erschüttern.
Der Kurdenführer Bâd (1)
Die Dynastie der Marwâniden ging aus dem kurdischen Stamm der Hârbuxtî hervor. Sie wurde nicht unter dem Namen ihres Wegbereiters Bâd Ibn Dûstak bekannt, sondern unter dem des Müllers Marwân, der Bâds Schwester geheiratet hatte und von dem drei Söhne nacheinander Bâd in der Herrschaft nachfolgten. Der Chronist Ibn al-Atîr berichtet, dass Bâd, bevor er mächtig wurde, Schafe gehütet habe. Obwohl er demnach arm war, opferte er freigiebig seine Schafe, um anderen etwas zu essen geben zu können. So war er sehr angesehen, und es schlossen sich ihm viele an, um nun in einer Bande Wegelagerei zu betreiben. Zu diesem Zeitpunkt beschränkten sich Bâds Aktivitäten auf die Region um Hîzân südlich des Van-Sees.
Demgegenüber schreiben die Chronisten Sibt Ibn al-Djawzî und Ibn al-Azraq über die Söhne Marwâns, sie seien die Oberhäupter in dem Ort Kurmâs gewesen. Jeder von ihnen führte eine Truppe und ihr Vater Marwân besaß eine Mühle. Somit ist der aus dem einfachen Volk aufgestiegene Führer Bâd durch die Heirat seiner Schwester mit Marwân eine Verbindung mit einer angesehenen kurdischen Familie eingegangen. Möglicherweise war es dieses Ansehen der Familie Marwâns, welches es seinen Söhnen nach Bâds Tod ermöglichte, unter den Kurden umgehend die Anerkennung ihrer Herrschaft durchzusetzen. So wurde die Dynastie schließlich nach der einflussreichen Familie Marwâns benannt und nicht nach der des Bâd.
Laut Ibn al-Atîr soll Ardjîš am Nordufer des Van-Sees die erste Stadt gewesen sein, die Bâd in Besitz nahm. Eine Miniatur aus dem 16. Jh. (Nasûhü’s-Silâhî Matrâqçî, Beyân-i menâzil-i sefer-i 'Irâqeyn-i Sultân Süleymân Xân, Hg.: Hüseyin G. Yurdaydin, Ankara 1976, TTKY, Reihe 1, Nr. 3, fol. 25b) zeigt die Lage der Stadt zwischen dem Gebirge im Norden und dem Ufer des Wan-Sees im Süden. Aufgrund dessen gehörte die Stadt zu den strategischen Punkten auf der Ost-West Passage am Nordufer des Wan-Sees. Dass der Herrschaftsraum des Kurdenführers zuerst in jenes armenische Land hinein expandierte, hängt sicherlich mit der Gewohnheit der damaligen muslimischen Glaubenskämpfer zusammen, ihre Streifzüge in den christlichen Grenzgebieten durchzuführen.
Untergang des Emirates
Die äußeren Bedingungen für den Niedergang des Marwânidenemirates waren in erster Linie das Vordringen der Selçuken und die damit zusammenhängende Wanderung türkischer Nomaden nach Westen. Die Selçuken beendeten durch ihre weiträumigen Eroberungen in Mesopotamien, Anatolien und Syrien die dortige Herrschaft konkurrierender Großmächte, welche ja zuvor - indem sie sich gegenseitig in Schach hielten - auch das Bestehen der mesopotamischen Regionalfürstentümer ermöglicht hatten.
Die byzantinische Macht in Anatolien brach angesichts des türkisch-selçukischen Vordringens zusammen. Nur der energische Kaiser Romanos IV. Diogenes (R. 1068-1071) unternahm noch einmal militärische Vorstöße in die Van-See-Region und nach Nordsyrien. Sein Versuch, die Gebiete von Axlât und Aleppo, die den Türken als Stützpunkte für ihre Streifzüge nach Anatolien dienten, unter seine Kontrolle zu bekommen, scheiterte jedoch. Im Entscheidungskampf bei Mantzikert (1071) zeigte sich noch einmal, welche strategische Bedeutung das marwânidische Territorium um die Stadt Axlât für beide Seiten hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Marwâniden jedoch bereits so sehr in die Abhängigkeit der Selçuken geraten, dass es allgemein als türkischer Stützpunkt angesehen wurde.
Alleine aufgrund seines landwirtschaftlichen Reichtums war Axlât schon ein wichtiger Anlaufpunkt für die verschiedenen Heere, denn die bisherige Politik der Marwâniden gegenüber den Türken hatte die Stadt vor den Verwüstungen bewahrt, durch welche die christlichen Nachbarregionen entvölkert worden waren. Als das schützende Mächtegleichgewicht in der Region beseitigt war, machte jedoch gerade dieser wirtschaftliche Wohlstand das Marwânidenemirat zum Ziel selçukischer Eroberungspläne.
Dem türkischen Sultan Malek Šâh (R. 1072-1092) war es nun möglich eine Neuordnung in den Ländern al-Djazîra und Nordsyrien in Angriff zu nehmen, deren erstes Opfer 1085 das Emirat der Marwâniden wurde. Am Beispiel Diyâr Bakrs zeigt sich das Programm, welches die Selçuken durchzusetzen imstande waren: eine direkte Kontrolle über die Region (Entmachtung der einheimischen Feudalherren), Versorgung der türkischen Gefolgsleute mit Lehen, ständige Neuvergabe der Lehen nach kurzer Zeit, um die Kontrolle der Zentralmacht über die Reichtümer der Provinzen zu gewährleisten
Aufbau der Dissertation
Soweit die knappe Übersicht der Ereignisse. Die Quellenlage bezüglich der Marwâniden ist insofern günstig, als im 12. Jh. der aus Mayyâfâriqîn stammende Chronist Ibn al-Azraq al-Fâriqî ein Werk zur Geschichte des Landes Diyâr Bakr geschrieben hatte. Von jener Chronik wurde der die Zeit der Marwâniden betreffende Teil 1959 von Badawî 'Abd al-Latîf 'Awad ediert. Zuvor, im Jahre 1903, hatte bereits Henry F. Amedroz die wesentlichen Aussagen dieses Teils der Chronik in einem Artikel behandelt. Jene Informationen ergänzte schließlich Paul Blaum in einem 1992-1993 erschienenen Artikel vor allem um Angaben, welche von den christlichen Chronisten des Mittelalters überliefert wurden. Letztere finden sich zwar nicht in dem Werk des kurdischen Historikers 'Abd ar-Raqîb Yûsuf; dennoch ist seine Arbeit zur Geschichte der Marwâniden aus dem Jahre 1972 von Bedeutung. Yûsuf zeigte Widersprüche in den Quellen auf, indem er Ibn al-Azraqs Informationen anhand einiger wichtiger Geschichtswerke des mittelalterlichen Islam überprüfte und ergänzte.
Mein Ziel war es, die Bedeutung jenes Feudalstaates für die kurdische und islamische Geschichte hinsichtlich der Aspekte Entwicklung von Bevölkerungsstruktur, Wirtschaft, Kultur und Politik umfassend und zu einem großen Teil anhand bislang unveröffentlichter Quellen zu untersuchen. In den einzelnen Kapiteln der Dissertation stütze ich mich grundsätzlich auf die von mir ausgewerteten Quellenwerke, in den Fußnoten der kurzen Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels verweise ich hingegen vornehmlich auf Sekundärliteratur, wenn in dieser bereits gewisse Punkte Erwähnung fanden. In der Schlussbetrachtung lege ich schließlich meine Interpretation der geschichtlichen Überlieferung sowie meine Forschungsergebnisse anhand einiger Details dar.
Hinweisen möchte ich noch auf den Artikel A New Ruler Of The Marwânid Emirate In 401/1010 - And Further Considerations On The Legitimizing Power Of Regicide von Stefan Heidemann, ARAM, 9-10 (1997-1998), 599-615. Auf der in jenem Artikel untersuchten Münze ist nämlich der von mir (S. 287, Anm. 183) als Šarwe interpretierte Name des 401/1010-1011 in Mayyâfâriqîn herrschenden Machthabers als Abû Šudjâ' Šarwîn Ibn Muhammad dokumentiert.
Hasanwayhiden: Hasanwayhiden war ein kurdisches Fürstentum. Gegründet nach Islamischen Dynastie-Traditionen und existierten zwischen 950 n.Chr. bis 1014. Das Herrschaftsgebiet der Hasanwayhiden mit der Hauptstadt Sermac, dehnte sich, auf die Städte Scharezur (Kerkûk), Dinaver, Hamadan und Nihavend aus.
Quellen
Minorsky, KURDEN, LUREN, Lur-e Bozurg, Lure- Kucîk, Kurdistan und Luristan etc., IN: Enzyklopädie des Islam
Serefname; die Übersetzung von E. Bozarslan
http://members.fortunecity.de/thomas33/paris/einleitung.htm (am 10.01.200)
YXK - Verband der Studierenden aus Kurdistan - Die Geschichte der KurdInnen (10. 01. 2008)
MfG
Baran