Du bist also der Meinung, korrigieren wenn ich dich falsch verstehe, das Großbritannien 1864 nicht militärisch aktiv geworden ist, weil es keinen "Festlandsdegen" gefunden hatte.
Ich bin in erster Linie der Meinung, dass es nicht militärisch aktiv geworden ist, weil ihm selbst die Ressourcen fehlten, das zu tun.
Es waren Palmerston und Russel, die Verfechter dieser Politik waren. Nur, entscheidend war jedoch, das die beiden Spitzenpolitiker sich mit ihrer Position im Kabinett, trotz der Unterstützung der Öffentlichkeit, nicht durchzusetzen vermochten.
Und du bist der Meinung, dass die mangelnde Fähigkeit sich durchzusetzen so überhaupt nichts mit der Frage der vorhandenen Kapazitäten und der politischen Optionen zu tun hat?
Darf ich dann an dieser Stelle fragen: Was ist dein Bild vom britischen Parlament der damaligen Zeit. Betrachtest du die Herren als einen Verein, der Entscheidungen bar aller materiellen Grundlagen rein nach Gefühlseinstellungen und Idealbildern traf?
Denn wenn nicht, wird man annehmen dürfen, dass die fehlenden Landkapazitäten um Dänemark realistisch betrachtet tatsächlich helfen zu können, bei der Einstellung vieler Abgeordneter in dieser Frage eine Rolle gespielt haben werden.
Davon einmal abgesehen, war durch den deutsch-dänischen Krieg nicht zu erwarten, dass das europäische Gleichgewicht dermaßen erschüttert werden würde, das sich Großbritannien nun zu einer militärischen Intervention genötigt wurde.
"zur Intervention genötigt werden" ist ein sehr dehnbarer Begriff.
Tatsächlich genötigt einzuschreiten um eine komplett neue Verteilung der Macht in Europa zu verhindern war Großbritannien wahrscheinlich nach Napoléon nur noch in den beiden Weltkriegen.
Die Frage was die meisten Konflikte angeht, dürfte eher diejenige sein, ob man sich genötigt sehen wollte um eine (Selbst)Rechtfertigung zur Verfolgung der eigenen Interessen mit Gewaltmitteln zu haben oder nicht.
Wenn die Briten tatsächlich militärisch eingegriffen hätten, dann hätte das sehr ungemütlich werden können. Das die Royal Navy die Seeherrschaft besaß, bedarf keines besonderen Hinweises und das sie 30.000 bis 40.000 Mann an der Küsten hätte landen können wohl auch nicht.
Ja, und was wäre der Sinn der Anlandung von 30.000-40.000 Mann an der Küste gewesen? Preußen und Österreich 30.000-40.000 Kriegsgefangene als Verhandlungsmasse für die Abwicklung des Krieges zu liefern?
Mit 30.000-40.000 Mann wären schon in der Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs Anfang des 18. Jahrhunderts keine Streitmacht mehr gewesen, vor der die europäischen Großakteure gezittert hätten, um so weniger in der Zeit der Industrialisierung und der Wehrpflichtarmeen.
Ich wiederhole, was ich schonmal an anderer Stelle dazu geschrieben habe:
Preußen und Österreich konnten im Waffengang gegeneinander 3 Jahre später zusammen an die 800.000 Mann ins Feld stellen. Das entpricht mal eben dem 20-Fachen einer potentiellen Expeditionsstreitmacht von 30.000-40.000 Mann.
Die wäre bei Mobilisierung des Potentials in Preußen und Österreich völlig chancenlos gewesen, auch wenn die britischen Berufssoldaten in Ausrüstung und Können sicherlich als etwas höherwertig einzuschätzen waren, als Wehrpflichtigen bei den Preußen und Österreichern.
Damit hätte man villeicht eine nummerische Unterlegenheit von 1:1,5 oder 1:2 ausglichen können.
Aber keine poteentielle unterlegenheit von 1:10 oder 1:20.
Wie kommt es denn, das die Russen sich herabließen, schon vor dem Berliner Kongress mit den Briten prinzipiell über die wesentlichen Eckpunkte verständigten? Nach deiner Theorie hätten die Russen das doch gar nicht nötig gehabt.
Daher, dass auch vor dem Kongress bereits klar sein musste, dass Österreich so große russische Gewinne nicht akzeptieren würde und eine britisch-österreichische Koalition, der sich Frankreich möglicherweise anschließen würde dadurch absehbar war, falls St.Petersburg hier keinen Rückzieher machte?
In dieser Konstellation war klar, dass Großbritannien seinen Verbündeten (sehr wahrscheinlich sogar mehrere) finden würde, dafür musste man kein Hellseher sein.
Warum verhandelten denn die Franzosen mit den Italienern? Und warum verhandelten die Franzosen mit den Österreichern? Deinen Ausführungen nach zu urteilen, war das doch vollkommen sinnlos.
Meiner Meinung nach?
Italien hatte sich wegen des Veneto auf ein Bündnis mit Preußen eingelassen, also war ihm auch zuzutrauen ähnliches wieder zu tun um den Rest des Kirchenstaats einzusacken, sollte Frankreich mit Preußen militärisch aneinander geraten.
Der Versuch Italien einzubinden dürfte vor allem dem Bedürfnis geschuldet gewesen sein, es von Preußen weg zu halten, ohne dabei aber den Kirchnstaat fallen zu lassen.
Das aber war die Quadratur des Kreises und musst sehr wahrscheinlich scheitern.
Aber geringe Erfolgsaussichten sind ja kein Grund etwas grundsätzlich unversucht zu lassen, zumal wenn es darum geht, sich eine potentiellen Feind vom Hals zu halten.
Außerdem wäre Italien im Fall eines Bündnisses mit Österreich als Landverbindung wichtig gewesen, für den Fall das die süddeutschen Staaten nicht in ein solches Bündnis eingebunden werden könnten.
Ein Bündnis mit Österreich macht für Paris unter den gegebenen Umständen zur Eindämmug Preußens und Absicherung Süddeutschlands vor preußischer Machtausdehnung durchaus Sinn.
Allerdings mehr perspektivisch als zeitnah.
Davon, das Wien sich nach verlorenem Krieg, angesichts der finanziellen Belastungen und der internen Unruhen so bald schon wieder auf einen neuen Krieg einlassen würde, dass es in der Luxeburgkriese eine Rolle hätte spielen können, konnte Paris nicht ausgehen.
Das wäre 5-10 Jahre in die Zukunft geschaut ein sinnvoller Partner gewesen und die Gelegenheit der Östrreichischen Niederlage und Neuorientierung war sicherlich günstig um ein für die Zukunft nützliches Bündnis anzubahnen. Aber mehr konnte davon realistischer Weise kaum erwartet werden.
Und als 1870 der deutsch-französischen Krieg ausbrach, weshalb wurde im österreichisch-ungarischen Ministerrat sehr ernsthaft über einen Eintritt des Krieges diskutiert? Kannst du mir das erläutern?
Pardon? Wir redeten gerade von der Luxmburgkrise. die war 1867, nicht 1870.
Bis dahin waren 3 Jahre ins Land gegangen in denen innerhalb Österreich-Ungarns sich die politische Lage beruhigte, weil sich der österreichisch-ungarische Ausgleich allmählich einsteellte und es waren auch 3 Jahre Zeit um die Armee mindestens ein Stück weit zu reformieren und die Verluste von 1866/1867 zu ersetzen.
Damit konnte ein begrenztes Engagement möglicherweise erwogen werden (die süddeutschen Staaten schafften es ja auch in der Zeit ihre geschlagenen Armeen zu reorganisieren), aber das war eine etwas andere Situation, als 1867 als die Armee nach den Niederlagen gegen Preußen erstmal auf dem Zahnfleisch ging, und in Ungarn ein politischer Flächenbrand drohte, möglicherweise mit der Gefahr gleich auch auf Böhmen-Mähren überzuspringen.