Eumolp
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Am Römischen Reich fasziniert mich besonders sein Ende. Genauer gesagt: der Übergang von der antiken Welt zu einer nachantiken, sei's mittelalterlichen, sei's arabischen Welt. Ein Kapitelchen dieses Übergangs wird seit etwa 30 Jahren in kleinen, abseitigen Zirkeln diskutiert, davon möchte ich berichten. Initiator ist Michel Tardieu in seinen genialen Untersuchungen vor allem in seiner Studie "Les Paysages Reliques".
Zum besseren Lesen in zwei Teile.
Relevante Literatur:
M. Tardieu, Les Paysages Reliques
M. Tardieu, Sabiens Coraniques et Sabiens de Harran
I. Hadot, Simplicius the Neoplatonist in light of Contemporary Research
(I. Hadot, Simplicius Commentaire sur le Manuel d’Épictète)
R. Thiel, Simplikios und das Ende der neuplatonischen Schule in Athen
Am Ende des 4. Jh. wurde in Athen die Platonische Akademie neu gegründet, von Plutarch von Athen, einem reichen Mann, der nichts mit dem berühmten Plutarch von Chaironeia zu tun hat. Hier wurde philosophiert, aber auch - leider - Hokuspokus mit der griechischen Götterwelt getrieben, der sog. Theurgie, unter Vermittlung von Syrianus im Rückgang auf Jamblichos von Chalkis. Das wurde dem allerchristlichen Kaiser Justinian zu viel, so dass er 529 die Ausübung heidnischer Lehre verbot und den Zuwiderhandelnden das Bürgerrecht entzog (Cod.Iust. I.10.1, I.11.10). Danach bot man nur noch in Alexandria antike Philosophie an (Olympiodoros, dessen Schüler David und Elias und eventuell, als allerletzter, Stephanos).
Irgendwann um diese Zeit - vermutlich 531 – lösten also die letzten neuplatonischen Philosophen die Schule in Athen auf und wanderten aus, angeführt vom letzten Scholarchen der Schule, Damascios, und zwar nach Persien, wo zu dieser Zeit der philosophisch interessierte Chosroes I. regierte (von 531-578). Der Historiker Agathias (Agathias – Wikipedia ) berichtet hiervon. Die Philosophen wurden am Hof in Ktesiphon königlich empfangen, man schlemmte und philosophierte, aber irgendwann wollten die Philosophen wieder in ihre Heimat zurück. Glücklicherweise wurde gerade ein Friedensvertrag zwischen Persien und Byzanz geschlossen, der sogenannte "Ewige Frieden" (er hielt gerade mal 8 Jahre). Immerhin gab es darin eine Klausel, dass die griechischen Philosophen wieder in ihre Heimat zurückkehren durften, und zwar ohne Gefahr für Leib und Leben, selbst wenn sie sich nicht taufen lassen wollten.
Die 7 Aufrechten kehrten also zurück. Doch wohin? Denn ab jetzt reißt die Überlieferung ab.
1. Nach Alexandria?
Hier lehrte der Neuplatoniker Olympiodoros, bis etwa 564. Warum Alexandria so friedlich blieb, hat wahrscheinlich mit einem Abkommen zu tun, das der Philosoph Ammonios mit dem christlichen Patriarchen der Stadt eine Generation zuvor abgeschlossen hatte; Genaues ist leider nicht bekannt. Aber die 7 Aufrechten waren klare Anhänger von Theurgie etc., und das war wohl in Alexandria ausgeschlossen. In Damascios' Vita Isidori wird mehrfach von Verfolgungen heidnischer Philosophen in Alexandria berichtet. Man muss dabei berücksichtigen, dass die Schriften der Athener oft mit griechischer Theologie / Theogonie / Theurgie getränkt waren, die der Alexandriner (sagt man so? Ich kenne darunter eigentlich nur eine Versform. Oder beser Alexandrier?) nicht. Diese Umgebung dürfte die zurückgekehrten Athener daher nicht gereizt haben.
Ein direkter Beleg kommt hinzu: Simplicius, einer der 7 und der produktivste und vielseitigste, gibt an, den Philosophen Johannes Philoponos nie getroffen zu haben. Der aber hatte in Alexandria zu dieser Zeit einen Lehrstuhl inne. Das wäre jedoch nicht möglich gewesen, wenn Simplicius in Alexandria gelebt hätte (unter Philosophen dürfte jeder jeden gekannt haben). Natürlich könnten sich die Philosophen getrennt haben, aber davon ist nun noch weniger bekannt.
2. Nach Athen?
Dafür spräche, dass der alexandrinische Neuplatoniker Olympiodoros in seinem Alkibiades-Kommentar von einem Vermögen spricht, das noch im Besitz des Scholarchen sei (Olymp. In Alc. 141.1). Dieser Text wurde vielleicht nach 532 verfasst, vielleicht aber auch nicht (Details hierzu: Thiel S.32ff). Daher ist dieses Argument mehrdeutig.
Ein Schleimer am Hof des Justinian, Paulus Silentarius, trug anlässlich der Einweihung der Hagia-Sophia vor: "Es wird aber diese Verse kein Bohnen kauender Attiker beurteilen, sondern fromme und nachsichtige Männer, an denen sich die Gottheit und der Kaiser freut." Gab es also noch widerliche pagane Philosophen in Attika um 563, solche also, die "Bohnen kauen"? Diese Vermutung gilt als widerlegt. (Ich verweise wieder auf Thiel S.34ff für Details).
Man hatte früher immer gedacht, die Philosophen müssten nach Athen / Alexandria zurückgekehrt sein, weil es dort große Bibliotheken gab und weil die Kommentare von Simplicius von Zitaten gerade so strotzen. Doch Ilsetraut Hadot macht geltend, dass es im nachherulischen Athen wohl kaum noch bedeutende Bibliotheken gab und dass man die Bibliothek der Schule sehr wohl verfrachtet haben konnte – wohin auch immer.
(To be continued)
Zum besseren Lesen in zwei Teile.
Relevante Literatur:
M. Tardieu, Les Paysages Reliques
M. Tardieu, Sabiens Coraniques et Sabiens de Harran
I. Hadot, Simplicius the Neoplatonist in light of Contemporary Research
(I. Hadot, Simplicius Commentaire sur le Manuel d’Épictète)
R. Thiel, Simplikios und das Ende der neuplatonischen Schule in Athen
Am Ende des 4. Jh. wurde in Athen die Platonische Akademie neu gegründet, von Plutarch von Athen, einem reichen Mann, der nichts mit dem berühmten Plutarch von Chaironeia zu tun hat. Hier wurde philosophiert, aber auch - leider - Hokuspokus mit der griechischen Götterwelt getrieben, der sog. Theurgie, unter Vermittlung von Syrianus im Rückgang auf Jamblichos von Chalkis. Das wurde dem allerchristlichen Kaiser Justinian zu viel, so dass er 529 die Ausübung heidnischer Lehre verbot und den Zuwiderhandelnden das Bürgerrecht entzog (Cod.Iust. I.10.1, I.11.10). Danach bot man nur noch in Alexandria antike Philosophie an (Olympiodoros, dessen Schüler David und Elias und eventuell, als allerletzter, Stephanos).
Irgendwann um diese Zeit - vermutlich 531 – lösten also die letzten neuplatonischen Philosophen die Schule in Athen auf und wanderten aus, angeführt vom letzten Scholarchen der Schule, Damascios, und zwar nach Persien, wo zu dieser Zeit der philosophisch interessierte Chosroes I. regierte (von 531-578). Der Historiker Agathias (Agathias – Wikipedia ) berichtet hiervon. Die Philosophen wurden am Hof in Ktesiphon königlich empfangen, man schlemmte und philosophierte, aber irgendwann wollten die Philosophen wieder in ihre Heimat zurück. Glücklicherweise wurde gerade ein Friedensvertrag zwischen Persien und Byzanz geschlossen, der sogenannte "Ewige Frieden" (er hielt gerade mal 8 Jahre). Immerhin gab es darin eine Klausel, dass die griechischen Philosophen wieder in ihre Heimat zurückkehren durften, und zwar ohne Gefahr für Leib und Leben, selbst wenn sie sich nicht taufen lassen wollten.
Die 7 Aufrechten kehrten also zurück. Doch wohin? Denn ab jetzt reißt die Überlieferung ab.
1. Nach Alexandria?
Hier lehrte der Neuplatoniker Olympiodoros, bis etwa 564. Warum Alexandria so friedlich blieb, hat wahrscheinlich mit einem Abkommen zu tun, das der Philosoph Ammonios mit dem christlichen Patriarchen der Stadt eine Generation zuvor abgeschlossen hatte; Genaues ist leider nicht bekannt. Aber die 7 Aufrechten waren klare Anhänger von Theurgie etc., und das war wohl in Alexandria ausgeschlossen. In Damascios' Vita Isidori wird mehrfach von Verfolgungen heidnischer Philosophen in Alexandria berichtet. Man muss dabei berücksichtigen, dass die Schriften der Athener oft mit griechischer Theologie / Theogonie / Theurgie getränkt waren, die der Alexandriner (sagt man so? Ich kenne darunter eigentlich nur eine Versform. Oder beser Alexandrier?) nicht. Diese Umgebung dürfte die zurückgekehrten Athener daher nicht gereizt haben.
Ein direkter Beleg kommt hinzu: Simplicius, einer der 7 und der produktivste und vielseitigste, gibt an, den Philosophen Johannes Philoponos nie getroffen zu haben. Der aber hatte in Alexandria zu dieser Zeit einen Lehrstuhl inne. Das wäre jedoch nicht möglich gewesen, wenn Simplicius in Alexandria gelebt hätte (unter Philosophen dürfte jeder jeden gekannt haben). Natürlich könnten sich die Philosophen getrennt haben, aber davon ist nun noch weniger bekannt.
2. Nach Athen?
Dafür spräche, dass der alexandrinische Neuplatoniker Olympiodoros in seinem Alkibiades-Kommentar von einem Vermögen spricht, das noch im Besitz des Scholarchen sei (Olymp. In Alc. 141.1). Dieser Text wurde vielleicht nach 532 verfasst, vielleicht aber auch nicht (Details hierzu: Thiel S.32ff). Daher ist dieses Argument mehrdeutig.
Ein Schleimer am Hof des Justinian, Paulus Silentarius, trug anlässlich der Einweihung der Hagia-Sophia vor: "Es wird aber diese Verse kein Bohnen kauender Attiker beurteilen, sondern fromme und nachsichtige Männer, an denen sich die Gottheit und der Kaiser freut." Gab es also noch widerliche pagane Philosophen in Attika um 563, solche also, die "Bohnen kauen"? Diese Vermutung gilt als widerlegt. (Ich verweise wieder auf Thiel S.34ff für Details).
Man hatte früher immer gedacht, die Philosophen müssten nach Athen / Alexandria zurückgekehrt sein, weil es dort große Bibliotheken gab und weil die Kommentare von Simplicius von Zitaten gerade so strotzen. Doch Ilsetraut Hadot macht geltend, dass es im nachherulischen Athen wohl kaum noch bedeutende Bibliotheken gab und dass man die Bibliothek der Schule sehr wohl verfrachtet haben konnte – wohin auch immer.
(To be continued)