'Die Revolution frisst ihre Kinder'

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Gast

Gast
Was soll dieser Satz aussagen ?

Soll eine Adeliger vor seiner Hinrichtung zur zeit der französischen Revolution gesagt haben

MFG
 
Hi !

Der Link ist sehr interessant ! Ich kenne die Seite allerdings schon, und die Frage, was der Satz bedeutet ist immernoch ungeklärt.
 
grob formuliert bedeutet er, dass es in der geschichte der revolutionen oft der fall war, dass die alten gesellschaftsordnungen "restauriert" also wiederhergestellt wurden, oder die ideale der revolution verraten wurden, und dies halt meist durch revolutionäre parteien selbst (die die revolution bringt kinder hervor - und frisst sie dann wieder auf).

beispiel französische revolution, verrat an den eigenen idealen und errichtung einer diktatur durch napoleon, der englische bürgerkrieg: forderungen nach parlament, stürzen des stuartkönigtums durch cromwell und anschließende errichtung einer militärdiktatur... im weitesten sinne evt. die märzrevolution, wo die bauern ja anfangs auch kinder der revolution waren, dann aber durch die auflösung der feudalen landordnung frühzeitig ausschieden und somit "gefressen" wurden - dies war ja ein wichtiger aspekt für das scheitern. die liste könnte fortgesetzt werden...
 
diesen Satz finde ich ebenfalls sehr interessant.
hätte da nur ne frage:
hat einer eine idee wer ihn geschrieben haben könnte und zu welcher zeit ?

mfg
 
Gast schrieb:
Was soll dieser Satz aussagen ?

Soll eine Adeliger vor seiner Hinrichtung zur zeit der französischen Revolution gesagt haben

MFG

Hallo, also den Satz zu erklären ist ganz einfach >jippie, ich weiß was:rofl: < ... der Satz stammt also von einem "Typen", der das kurz vor seiner Hinrichtung sagte, 1793 zur Zeit Robespierres Schreckensherrschaft ...

Um das zu verstehen bedarf es einiger Hintergrundinformationen und die sind etwas umfangreich ...

Nach dem Sturtz des französischen Regimes entwickelten sich mehrere sozusagen "Parteien". Die einen drückten sich nicht konkret aus, was mit dem König werden solle (die Gerondisten), die anderen waren strikt gegen ihn und wollten ihn hängen (die Bergpartei bzw.Montainieres/ Jakobiner)-und jede Partei hatte natürlich auch seine Anhänger, die damals, in der revolutionären Situation, natürlich auch öffentlich ihre Meinung mitteilten ... die Losung "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" war in aller Munde und man dachte vom anderen nichts böses, in Anbetracht der Tatsache, daß alle (Bürger aller drei Stände!!!) für das Gleiche kämpften ...

Nun kam es, daß 1793 jene "brutale Partei" (die Bergpartei/ Jakobiner) unter der Leitung von Maximillian Robespierre an die Macht in Paris kam ("Wohlfahrtsausschuß" ) ... :runter:

Die folgende Zeit war ein Horror, nicht nur für die Königsfamilie (der König und seine Frau wurden geköpft) sondern auch für alle Gegner der "brutalen Partei", bzw. für all jene, die sich einst ungenau zum Verbleib des Königs oder gar für den König ausgedrückt hatten ... Menschen, die einst gemeinsam für Ihre Ziele in der französischen Revolution - für "Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit"- kämpften, wurden auf Robespierres Geheiß hin verfolgt und wegen Verrats oder irgend eines anderen, teilweise an den Haaren herbeigezogenen, Vergehens verfolgt und hingerichtet ...

Die Revolution fraß nun also ihre Kinder - jedenfalls diejenigen Kinder, die nicht der Meinung der Jakobiner entsprachen ...

Eine tolle Interpretationsvorlage!!! Ich hoffe ich konnte etwas weiterhelfen :) ... übrigens währte die Schreckensherrschaft glücklicherweise nicht all so lang - 1794 wurde Robespierre gestürzt und das Direktorium hielt die Fäden in der Hand bis Napoleon schließlich kam und ... ... ...
 
Von März 1793 bis August 1794 wurden im ganzen 16 594 Menschen hingerichtet worden. Bis November 1793 waren es monatlich durchschnittlich 100 Hinrichtungen, dann im November fast 500, im Dezember 3 300. ... 878 Adelige wurden hingerichtet, d. h. 6,25 %; vom Klerus etwa genausoviel (920), vom oberen Bürgertum waren es 1964 (14%), von den mittleren Klassen 1488 (10,5%), von den arbeitenden Schichten 4389 (31,25%), von den Bauern 3961 (28%), ... 84% der Hingerichteten gehörten also dem dritten Stand im weitesten Sinne an.

Es traf also - entgegen der herkömmlichen Meinung - besonders den dritten Stand. Und genau das waren aber die Leute, die die Revolution getragen hatten und sich von ihr Besserung erwartet hatten ... die durch die Revolution erst zu Bürgern werden sollten, die auch mitreden konnten.

Von daher auch: Die Revolution frisst ihre Kinder ...
 
Hab neulich in der Zeitung eine nette Anekdote zu Georges Danton gelesen

"Als Danton, gestürzt und zum Tode verurteilt, im rumpelnden Karren zur Guillotine gefahren wurde, wandte er sich mit einem bitteren Lächeln von der johlenden Menge ab und sagte zu seinem Schicksalsgefährten Chabot:>>Sollten wir jemals im Jenseits in eine Revolution geraten, dann werden wir uns gewiss nicht mehr einmischen!<<"

Aus dem Harenberg - Anekdotenlexikon
 
Beatchen liegt richtig- u. interpretiert den Satz "Die Revolution frisst.." richtig; ein gerade vor der Hinrichtung Befindlicher denkt genau daran u. nicht an den Bauernkrieg u. was alles hunderte Jahre entfernt war! Gruß! Voltaire

Hallo, also den Satz zu erklären ist ganz einfach >jippie, ich weiß was:rofl: < ... der Satz stammt also von einem "Typen", der das kurz vor seiner Hinrichtung sagte, 1793 zur Zeit Robespierres Schreckensherrschaft ...

Um das zu verstehen bedarf es einiger Hintergrundinformationen und die sind etwas umfangreich ...

Nach dem Sturtz des französischen Regimes entwickelten sich mehrere sozusagen "Parteien". Die einen drückten sich nicht konkret aus, was mit dem König werden solle (die Gerondisten), die anderen waren strikt gegen ihn und wollten ihn hängen (die Bergpartei bzw.Montainieres/ Jakobiner)-und jede Partei hatte natürlich auch seine Anhänger, die damals, in der revolutionären Situation, natürlich auch öffentlich ihre Meinung mitteilten ... die Losung "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" war in aller Munde und man dachte vom anderen nichts böses, in Anbetracht der Tatsache, daß alle (Bürger aller drei Stände!!!) für das Gleiche kämpften ...

Nun kam es, daß 1793 jene "brutale Partei" (die Bergpartei/ Jakobiner) unter der Leitung von Maximillian Robespierre an die Macht in Paris kam ("Wohlfahrtsausschuß" ) ... :runter:

Die folgende Zeit war ein Horror, nicht nur für die Königsfamilie (der König und seine Frau wurden geköpft) sondern auch für alle Gegner der "brutalen Partei", bzw. für all jene, die sich einst ungenau zum Verbleib des Königs oder gar für den König ausgedrückt hatten ... Menschen, die einst gemeinsam für Ihre Ziele in der französischen Revolution - für "Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit"- kämpften, wurden auf Robespierres Geheiß hin verfolgt und wegen Verrats oder irgend eines anderen, teilweise an den Haaren herbeigezogenen, Vergehens verfolgt und hingerichtet ...

Die Revolution fraß nun also ihre Kinder - jedenfalls diejenigen Kinder, die nicht der Meinung der Jakobiner entsprachen ...

Eine tolle Interpretationsvorlage!!! Ich hoffe ich konnte etwas weiterhelfen :) ... übrigens währte die Schreckensherrschaft glücklicherweise nicht all so lang - 1794 wurde Robespierre gestürzt und das Direktorium hielt die Fäden in der Hand bis Napoleon schließlich kam und ... ... ...
 
Statistik voll daneben- 3961 Bauern= 84% ?

Dann hätte es in ganz Frankreich nur 4715 (wäre 100%) Bauern gegeben. Es zählt aber, wieviel der Gesamtheit einer Volksgruppe hingerichtet wurden u. nicht die Gesamtheit der Hingerichteten. Von den eventuell 20.000 Adeligen Frankreichs sind 878 Getötete = 4,4 %; bezogen auf die geschätzten 2000 politisch aktiven Adeligen wären 878 = 43,9 %! Großbauern + Feudalisten: Wieviel waren das? Das müsste man erst mal eruieren. Die Kleinbauern, sofern es überhaupt welche gab, wurden nicht hingerichtet, sondern nur feudalistische Ausbeuter, die besonders mies mit den versklavten Bauern umgegangen waren. Das interessiert "Papa Leo" nicht-mit seiner Geschichtsverfälschung. Die Revolution frisst ihre Kinder meint in diesem Fall was? Wer sind denn die Kinder? Der frz. Revolution gingen 200 Jahre lang voraus die Texte von: Rousseau, John Locke, Voltaire, Montesquieu usw.; und dann fraßen gerade die Kinder (Robbespierre, Danton, Marat usw.) sich mitten in ihrer Revolution auf, indem alle paar Wochen, wenn gerade eine andere Linksfraktion an der Macht war, diese die anderen hinrichten liess! Gruß ! Voltaire



Von März 1793 bis August 1794 wurden im ganzen 16 594 Menschen hingerichtet worden. Bis November 1793 waren es monatlich durchschnittlich 100 Hinrichtungen, dann im November fast 500, im Dezember 3 300. ... 878 Adelige wurden hingerichtet, d. h. 6,25 %; vom Klerus etwa genausoviel (920), vom oberen Bürgertum waren es 1964 (14%), von den mittleren Klassen 1488 (10,5%), von den arbeitenden Schichten 4389 (31,25%), von den Bauern 3961 (28%), ... 84% der Hingerichteten gehörten also dem dritten Stand im weitesten Sinne an.

Es traf also - entgegen der herkömmlichen Meinung - besonders den dritten Stand. Und genau das waren aber die Leute, die die Revolution getragen hatten und sich von ihr Besserung erwartet hatten ... die durch die Revolution erst zu Bürgern werden sollten, die auch mitreden konnten.

Von daher auch: Die Revolution frisst ihre Kinder ...
 
Dann hätte es in ganz Frankreich nur 4715 (wäre 100%) Bauern gegeben

Ich glaube, du hast da was falsch verstanden: Nicht 84 % der Bauern wurden hingerichtet, sondern von der Gesamtsumme der Hingerichteten(=100%) gehörten 84% zum Dritten Stand. Aus der Summe 84 wiederum ist eine Teilmenge von 28 % Bauern (von 100% der Hingerichteten) zu verbuchen. Damit ist keineswegs gesagt, wie groß die frz. Bevölkerung oder der Bauernstand war.
 
Der Satz drückt grundsätzlich die Diskrepanz zwischen den oft radikalen Idealen, oder Ideologien einer Revolution, und ihrer real existierenden Umsetzungen aus, die sich in jeder Revolution zeigt ( ausgenommen die "friedliche Revolution", wobei der Begriff äußerst diskutabel ist). So zum Beispiel die "68er", die Verkörperung einer idealistischen Geitesrevolution schlechthin, deren "Anhänger" ( ironische Deutung möglich) u.a. sämtliche Autoritäten abgelehnt haben, nun aber oft selbst nach ihrem "Marsch durch die Institutionen" diese Diskrepanz feststellen müssen. So hat sich einer unserer Lehrer als eine Karikatur seiner selbst bezeichnet.

Man kann diese Erkenntniss heute in vielen Zitaten zumindest zum Teil wiederfinden, so z.B. in dem Spruch unter "Easy Riders" Text :
"Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz.
Wer mit 40 immer noch Kommunist ist, hat keinen Verstand!"
 
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