Die schlimmsten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches – Subjektiv und objektiv

Also, es tut mir leid, dass ich hier noch mal bei Adam und Eva anfangen möchte. Jedes Mal, wenn ich über diesen Pfad stolpere, finde ich das Attribut "schlimm" im Zusammenhang mit einem Kaiser befremdlich.
Bevor Du mit Adam und Eva anfangen möchtest, nimm es leicht! Vielleicht kommt die Diskussion, ich hoffe als Gewinn für die Beteiligten, zu dem Schluss, dass keiner der Kaiser "schlimm" war.

Worum es hier, so hoffe ich, geht, ist doch eine Beurteilung der Leistungen der jeweiligen Kaiser.

Wenn man sich durch ein riesiges Fragezeichen hinter dem Threadtitel "Die schlimmsten ..." schon generell der Diskussion verschließt, dann kommt man natürlich nicht weiter und die Bereicherung für die übrigen Beteiligten der Runde ist marginal.
Aus dem Grund bin ich auch einfach lieber über meinen "unsichtbaren Schatten" gesprungen und habe, möglichst ernsthaft, einfach mal die Bezeichnung "schlimm" angenommen und mich bemüht damit zu arbeiten. Generell bin ich ja ansonsten auch freilich der Meinung, dass solch ein Adjektiv so garnicht zur Ehrwürdigkeit eines Trägers der Kaiserkrone passen kann. ;):D
 
1.
Hm, das setzt voraus, dass man entweder eine sehr HRR-zentrierte Sichtweise hat, oder dass man "schlimm" gleichsetzt mit "schlimm für das HRR". Die Auswirkungen so mancher Entscheidungen der Gegenwart zeigen ihre Bedeutung jedoch erst in der Zukunft. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass aufgrund unserer Standortgebundenheit in der Gegenwart die vielen, vielen Zugeständnisse an die Kurfürsten mit verantwortlich dafür waren, dass das Reich irgendwann aus der Geschichte verschwand. Wir bewerten diese Tatsachen jedoch mit dem Wissen , dass es geschehen wird. Insofern neigt man dazu, Verfallskontinuitäten zu sehen, wo in der Gegenwart keine sind/wahrgenommen werden. So erklärt sich auch dieser völlig korrekte Einschub Deinerseits:

2.
Fachfrau? Das ist zu viel der Ehre. Für mich ist alles, was nach dem 30jährigen Krieg kommt, nicht mehr Pflicht, sondern Kür. Insofern müsste ich nun ebenso Onkel Google befragen, wie Du auch. Soll ich?
1.
Im Grunde haben wir zeitnah fast immer eine positive Beurteilung der Kaiser, welche sich in den damaligen Medien niederschlägt. Neulich bin ich auf ein Volkslied anlässlich der Trauer um den Kaiser Karl VII. gestoßen, das ich in einem anderen Thread, hoffentlich von Dir auch dann beachtet, erwähnen werde.

Eine Beurteilung kann also nur eine nachträgliche aus unserer Sicht der Nachgeborenen sein.
Ansonsten bliebe uns bloß die zeitgenössischen Publikationen, Huldigungen etc. zu sammeln und zu zitieren. Man kann die Äußerungen Zeitzeugen natürlich dann auch noch quantitativ, möglicherweise nach regionaler Verteilung analysieren. Wo war garkein Widerhall über den Tod eines Kaisers oder die Wahl? Wo wurden wie in den Rathäusern der Reichsstädte noch mit viel Gepränge die Räume schwarz beim Tod des Kaisers ausgeschlagen? :cry:

2.
Nein, sollst Du nicht. Vertrauen wir einfach mal meinem Gedächtnis an die Ausstellung von 2006 und das was ich dazu bis dato gelesen habe.

Reichsgeschichtlich habe ich bald wieder genug zu recherchieren, deswegen möchte ich uns beiden dieses Fass staubtrockenen Wein ersparen.
 
Karl VII.

Vielleicht können wir aber mal ein paar Fakten sammeln.

Wer ließ sich alles offiziell von Karl VII. belehnen?
Wer huldigte dem Kaiser nach dessen Wahl?
Wie lässt sich die reichsweite Durchdringung ermessen?

Also ich halte das bspw. für brauchbare Kriterien, wenn man ernsthaft an die Frage "wie schlimm war der Kaiser X" rangehen will.
Was hält davon der Ersteller des Threads?


Man könnte ja auch, platt gesagt, humorig nach dem schlimmsten Sittenstrolch, schlimmsten Raucher, schlimmsten Vorbild unter den Kaisern forschen. :ironie:

Mir schien es nur, gerade durch die Beispiele, welche PlusUltra anführte, eher so, dass es um die reichspolitische Wirkung gehen soll. War das Vorgehen von Heinrich IV. schlecht für das Ansehen des Kaisertums?

Wenn wir nun, die Entwicklung des Kaisertums, wie gern in der Vergangenheit so getan, als einen stetigen Abstieg hinsichtlich der Durchsetzungskraft der Kaiser seit, sagen wir, Karl V. ansehen, so werden wir kaum "beste", "tollste" etc. Kaiser in der FNZ finden. Viele waren sogar dann so eigentlich primär mit der Hauspolitik vor der eigenen Türe beschäftigt, dass zu einer effektiven Reichspolitik garkeine Zeit war - ja dass man sich mit einer solchen selbst widersprach.
(Aber in der Hinsicht wiederhole ich mich eh:rotwerd: - wie Lukrezia mit ihrem Adam und Eva.)
 
Ich verschließe mich ja nicht und nehme es nicht schwer. :angeln: Vielleicht bin ich einfach auch ein wenig zu Heideggergeschädigt, so dass ich die Begriffe immer abklopfe, sobald ich einen sehe.


Vielleicht kommt die Diskussion, ich hoffe als Gewinn für die Beteiligten, zu dem Schluss, dass keiner der Kaiser "schlimm" war.

Nun ja, ich habe auch ein wenig advocata diaboli gespielt, weil ich es nach einem Dutzend Beiträge schön gefunden hätte, wenn man "schlimm" mal definiert. So kann man sowohl zu dem Schluss kommen, dass alle schlimm waren und dass keiner schlimm war. So lange "schlimm" in diesem Kontext nicht bestimmt ist, ist alles möglich.

So lange sind auch alle Blumen bei mir im Zimmer so herrlich hurzelpurzel - und gleichzeitig auch nicht.

Und so lange ich nicht weiß, was mit "schlimm" gemeint ist, tue ich mich schwer hier jemanden einzusortieren. Aber das nur meine persönlichen Bedenken. Wenn ihr Freude an der Diskussion habt, dann steht dem ja nichts im Wege, dass ihr einfach so losplaudert. :) Ich finde es halt immer schön, wenn man mit dem Geschriebenen ein Ziel verfolgt, einen roten Faden hat.


Generell bin ich ja ansonsten auch freilich der Meinung, dass solch ein Adjektiv so garnicht zur Ehrwürdigkeit eines Trägers der Kaiserkrone passen kann.

;) Nun ja, hurzelpurzel auch nicht zu den Blumen, aber sei es drum.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hm, das setzt voraus, dass man entweder eine sehr HRR-zentrierte Sichtweise hat, oder dass man "schlimm" gleichsetzt mit "schlimm für das HRR".


Bevor dieses Thema völlig in der Versenkung verschwindet (was es ja eigentlich nicht verdient hat), möchte ich den o.g. Gedanken/Ansatz der Moderatorin noch einmal aufgreifen.

Unter der Perspektive "schlimm für das HHR", also final betrachtet, müssten daher vorrangig solche Kandidaten genannt werden, die gerade durch ihr politisches Verhalten das HRR in Bestand und Funktionsweise beeinträchtigt oder gar geschädigt haben.

"Final" müsste dann eigentlich der letzte Kaiser Franz-Zwo an erster Stelle genannt werden (weil, wer hat sich hingestellt und feierlich verkünden lassen, das Band sei als gelöst anzusehen, Amt u. Würde seien erloschen... ?).
Also bei Anwendung "moderner" Begrifflichkeiten, wie Zurechnung o. schuldhaftes Verhalten, wäre er vorne dabei.

Allerdings wäre diese Form der Schuldzuweisung nicht nur zu einfach und ungenau, sondern würde auch einige "Mittäter" für diese Entwicklung außer Acht lassen.
Daher würde ich als ersten (römisch-)deutschen König/Kaiser, der in die Entwicklungskette bis zum 06.08.1806 aufzunehmen wäre, bereits Karl V. nennen.
In der "Multi-Kulti-Gesellschaft" des HRR kann man es ja vielleicht noch tolerieren, dass der neue Herrscher bei seiner Wahl (angeblich) keinen Brocken deutsch (also in der damaligen "Version") kann.
Aber viel entscheidender war, dass seine "Vernetzung" in die spanische Weltpolitik sicherlich nicht immer den eigentlichen Interessen des HRR gedient hat (warum war er wohl der erste König, der eine umfangreiche Kapitulation vor seiner Wahl abgeben musste - den Kurfürsten schwante da schon was).

Aufgrund seiner Machtfülle musste daher jeder Fehler besonders schwer wiegen. Das einzig Positive an der "Südeuropa-Politik" Karls V. war doch, dass er ca. 10 Jahre überhaupt nicht in deutschen Landen weilte; weil (jetzt bewusst ketzerisch gefragt), was hat Karl V. für den deutschen Teil des HRR getan ?
Also im Sinne von nachhaltig-positiv wird es eng...
Die negative Seite der Liste füllt sich da wohl schon schneller.

Hauptkritik meinerseits die reaktionäre Haltung im Konfessionskonflikt, die letztlich (zumindest einen Teil) seine Nachfolger zur erzkatholischen Politik der sog. "Gegenreformation" ermutigte, deren Folgen hinlänglich bekannt sind.
Die besagten Erz-Katholen, die bereits in vorherigen Antworten genannt sind, stehen daher gleich an zweiter Stelle auf der Liste.

Das bewusste Schüren von Aggressionen bei der eigenen Bevölkerung und eine gleichsam planmäßige Politik, die auf einen Bürgerkrieg zusteuerte, sind bei Anwendung der o.g. "finalen" Deutung von "schlimm" definitiv schlimm "für" das HRR gewesen.

Daher sind eine ganze Reihe von Habsburgern im Zeitraum 1519 - 1648 schlimm fürs HRR gewesen.
Spätere Kandidaten, die hier ja teils bemitleidet werden, waren rein politisch betrachtet im Prinzip nur bessere Grüß-Onkel.
Mal von den "Boehsen Onkelz" :p abgesehen, waren diese Onkel dann nicht mehr wirklich schlimm.
Hoffe, die kleine Wortspielerei wird nicht zu sehr überinterpretiert.

Ansonsten noch einen schönen Rest-Sonntag, Götz zum Gruß.
 
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