Die "Überzeugungen" im Dritten Reich

El Quijote, ich bin nicht sicher, ob es was mit der zeitlichen Entfernung zu tun hat, ob man das als abstrakt wahrnimmt oder nicht. In anderen Ländern (diese Denke ist mir fremd) ist man ja irgendwie "stolz" auf seine Geschichte und man identifiziert sich mit dem, was vor hunderten von Jahren passiert ist. Es muss also möglich sein, auch noch nach sehr langer Zeit einen emotionalen Zugang zur Geschichte zu haben. Auch auf unsere deutsche Geschichte bezogen, kann ich nicht sagen, dass mir z.B. das 17. Jahrhundert wirklich so fremd ist wie die Zeit des Nationalsozialismus. Wenn ich eine Biographie von J.S. Bach lese, dann kann ich mich da einfühlen (soweit das möglich ist). Mit dem Dritten Reich gelingt das - natürlich - nicht, obwohl das zeitlich nun wirklich naheliegt und obwohl wir alle nahe Verwandte haben oder hatten, die allesamt davon mehr oder weniger betroffen waren. Müsste es da nicht eher möglich sein, das Unfassbare irgendwie nachvollziehen zu können? Gerade die Generation unserer Eltern, die ja noch teilweise im Krieg gelebt haben, müssten doch darüber nachdenken. Im Alltag (also nicht bei Intellektuellen oder Politikern) scheint das aber, wie gesagt, eher wie ein Phänomen, das man von außen betrachtet, denn wie die Wahrnehmung der eigenen Geschichte.

In den Ländern, welche meist Stolz auf Ihre Geschichte sind, werden die dunklen Kapitel meist ausgeblendet. Siehe Spanien, dort wird die Zeit von Franco meist ausgeblendet. Dort erfolgt die Aufarbeitung der jüngeren Geschichte sehr zögerlich.
Nach '45 ist auch sehr viel totgeschwiegen worden. Wenn man ältere Leute in den '70 ern gefragt hat war meist die Antwort: Wir haben nichts gesehen. Die richtige Aufarbeitung begann in meinen Augen erst nach '68. Den Alliierten kam es wohl auch darauf an Verbündete im Kalten Krieg zu haben. Also hat man über einiges hinweggesehen. Und die Ängste sind dann in GB und F mit der Wiedervereinigung nach oben gespült worden.

Apvar

P.S. Es sind heute noch etliche Archive gesperrt. Vielleicht kann man erst in weiteren 50 Jahren beurteilen was wirklich passiert ist.
 
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Wenn du mal in Berlin bist
Ich bin ziemlich oft in Berlin - ich wohne da nämlich ;)

Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand möchte ich mir unbedingt mit meinen Kindern in den Sommerferien ansehen. Ich war da noch nie, aber jetzt, wo die Kinder so alt sind, dass sie Fragen stellen, bin ich darauf gekommen, dass das wichtig ist, ihnen das zu zeigen.
 
Ich bin ziemlich oft in Berlin - ich wohne da nämlich ;)

Na dann hast du es ja vor der Haustüre :winke:

Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand möchte ich mir unbedingt mit meinen Kindern in den Sommerferien ansehen. Ich war da noch nie, aber jetzt, wo die Kinder so alt sind, dass sie Fragen stellen, bin ich darauf gekommen, dass das wichtig ist, ihnen das zu zeigen.

Guter Plan, auch die beiden andern Gedenkstätten, vor allem die Blindenwerkstatt, sind sehr eindrücklich. Lohnt sich wirklich.
 
Die individuelle Beziehung von Personen, auch gesteuert durch "Überzeugungen" bzw. "belief-systems", zu einem diktatorischen System kann durchaus sehr unterschiedlich ausfallen. Vor einer frenetischen Unterstützung bis hin zu einer haßerfüllten Ablehnung.

Teilweise drückt sich die Übereinstimmung der Werte eines politischen Systems und der individuellen Werte auch darin aus, dass Personen das politische System nicht nur abstrakt bejahen, sondern es auch aktiv rechtfertigen und es auch verteidigen. Und somit im politischen Sinne via massenpsycholgischer Prozesse zu seiner sozialen Verankerung beitragen.

System justification - Wikipedia, the free encyclopedia

Wie in diesem Fall der Frage im einzelnen nachgegangen wird und unser Verständnis für die Prozesse im NS-System verständlicher machen.

Psychologie: Warum Menschen eine Diktatur verteidigen - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Wissenschaft

Bemerkenswert ist diese Forschung / Ergebnis insofern, als sie wichtige Fragen zur Loyalität in autoritären Staaten aufwirft.
 
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Erwähnenswert in diesem Zusammenhang auch Ian Kershews neuestes Buch "Das Ende: Kampf bis in den Untergang, NS-Deutschland 1944/45" (ISBN: 3421058075)", worin er analysiert, warum so lange gekämpft wurde, anstatt alles hinzuwerfen.

(Link zum Handel darf ich ja nicht setzen)
 
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