Die Völkerwanderung als große Migration

Kraft meiner Mitgliedschaft in der Interessengruppe "Orthographische Pedanterie" möchte ich Euch zwischendurch mit ein Bisschen Linguistik behelligen :Fazit : Es gibt es einen Unterschied zwischen den Endungen -id und -oid, wobei "-oid" mehr eine Ähnlichkeit und "-id" mehr eine Zugehörigkeit ausdrückt (genauer kann ich's leider nicht). Für Anthropologen gibt es auch einen Unterschied zwischen "Humaniden" und "Humanoiden". Letzteres ist eine übergeordnete Klassifizierung, die eher "menschenartige" als "menschliche" ("-ide") Spezies mit einschließt.


Habe ich mal kurz nachgesehen, ich habe mich nicht verschrieben! der Fehler stammt also Originär vom Theiss Verlag.


Wobei ich gestehen muss, dass mir die "Mongoloiden" diese armen Menschen, im Moment nicht präsent waren.
 
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Tolle Diskussion, danke!

@Schädeldeformation:
Es war eine Sitte aus reiternomadischem Umfeld, die während der hunnischen Vorherrschaft im Barbaricum zu einer allgemeinen Modeerscheinung bei den Oberschichten der von ihnen dominierten Völkerschaften gehörte. Man sah ihren Trägern dann schon von weitem an, dass sie Angehörige einer Elite waren… Wenn man so will eine „Kleiderordnung“ von ‚whoiswho’ im „hunnischen Dominium“. Sie setzte sich vor allem bei Ostgermanen durch (etwa Ostgoten), wurde aber nie allgemein üblich. Grabfunde mit solchen Schädeln sind immer der Oberschicht zuzuordnen, aber nie mit Sicherheit einer Ethnie. Nach Zusammenbruch des Hunnenreiches verschwand die Deformation binnen kurzem wieder.


@Gemeinsame Wanderung von Vandalen, Sueben und Alanen:
Sie überschritten gemeinsam den Rhein und durchzogen das Reichsgebiet. Es war eine Koalition verschiedener Völker, aber letztlich parallele Unternehmungen. Gerade Teile der Alanen blieben in Gallien zurück, so spielte der Alanenkönig der bei Orleans verbliebenen Gruppe eine Rolle während des Feldzuges der Hunnen des Attila zu den Katalaunischen Feldern… Die Alanen haben sich mindestens so weit aufgefächert während ihrer Wanderung wie die Goten, so finden sie sich zu Zeiten Kaiser Justinian nicht nur in Nordafrika, sondern auch auf dem Balkan, wo der halbalane Aspar lange als Heermeister des Ostens eine bedeutende Rolle gespielt hatte – sowie Stammessplitter im Reiche Theoderichs d. Gr.
Nach dem gemeinsamen Einbruch in Gallien zogen Vandalen, Sueben und Alanen eben ihrer eigenen Wege, wenn sie sich auch öfters verbünden mussten gegen die Römer und die von diesen gegen sie angesetzten Westgoten. Erst als die spanischen Alanen auf einen eigenen König verzichteten, wurden sie zu einem wesentlichen Bestandteil der asdingischen Vandalenkönigreiche

Völker ohne eigene Könige gingen in der Regel unter, vor allem wenn sie nicht in einer etablierten Heimat blieben. Beispiele dafür sind nicht nur Rugier und (südliche) Heruler, sondern auch die bereits genannten Sueben welche an der Donau verblieben waren und nicht nach Spanien abgezogen waren. Nach ihrer Niederlage gegen die Ostgoten (im gleichen Kontext in dem auch die Scharen des Odoaker nach Italien flohen) wurden die Sueben in ihrer Heimat von den Ostgoten geplündert, verfolgt und drangsaliert. Dies desintegrierte diesen Stamm völlig. Teile von ihnen wanderten nach Westen zu den Alamannen ab, wo sie kein eigenes Königreich mehr errichten konnten, sondern verstreut zwischen den Ansässigen in das Volk der Alamannen eingeschmolzen worden.

Zu Teilungen einzelner Stämmen kam es sehr wohl. Nicht nur Sachsen teilten sich, als Teile des Stammes nach England auswanderten und mit den Angeln zu den Angelsachsen verschmolzen. Dass Alanen, Sueben und Goten sich auffächerten habe ich bereits erwähnt. Auch die Heruler gab es zeitweilig sowohl auf dem „Balkan“ als auch am Rhein unter eigenen Königen. Dabei sollte man sich aber auf Völker unter einheitlichen Königen konzentrieren, denn die Goten kannten vielleicht seit Kniva keinen gemeinsamen König mehr und die Franken, Alamannen und Westgoten treten eher als Stammesschwärme unter verschiedenen Kleinkönigen auf und nur Franken und (föderierte!) Westgoten vereinigten sich später unter gemeinsamen Königen.
 
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Völker & Könige:

Gerade der Titel rex vandalorum et alanorum legt doch nahe, dass sich die so genannten Stämme ethnisch verstanden! Alanen sind eben keine Vandalen und wurde auch keine Vandalen. Was hier nicht ethnisch verstanden wurde ist das Königreich. Sprich Untertanen und Gefolgsleute mussten nicht zur gleichen Ethnie gehören; die unterschiedlichen Ethnien blieben trotz politischer Einheit offenbar erhalten.

....Ähnliche Phänomene gibt es bei Sueben, Sachsen und Angeln. Angehörige des Stammes gelangen in unterschiedliche Teile Europas und bleiben dort erhalten. Es gab ein Sueben-Reich in Spanien, gegründet von Sueben, die sich den Vandalen anschloßen ohne Vandalen zu werden, und eben gleichzeitig noch Sueben in Süddeutschland; Angeln und Sachsen gründet in Britannien Reiche und siedelten gleichzeitig im Thüringerreich. Die Existenz der Stämme war offenbar nicht notwendigerweise an Könige und Reiche gebunden.
Gibt es überhaupt irgendeinen Beleg dafür, dass irgendeine eine Person der Völkerwanderungszeit durch Unterstellung unter einen König dessen Ethnie angenommen hat? Mir ist so ein Fall zumindest nicht bekannt...

Gute Punkte Maglor.
Das ist alles mehr als schwierig. Die Alanen „germanisierten“ im Laufe der Völkerwanderung in Europa zunehmend, dass einige antike Geschichtsschreiber sie später sogar den Goten zurechneten und auch ihre Erscheinung sei „germanisch“ gewesen, was ich als Folge einer (auch gegenseitigen!) Assimilierung ansehe.

Dass Ethnien und Reiche/Könige keine Deckungsgleichheit haben ist eine allgemein anerkannte Tatsache. Beide können losgelöst voneinander existieren. Aber meist bildet eine Ethnie den Kern eines Reiches…

Der letzte von dir genannte Satz ist als Frage vielleicht erst einmal umzuformulieren: Gibt es einen Beleg dafür, dass ….durch Unterstellung unter einen König eine „neue Ethnie“ entstand? Durch das „Auswandern der Angelsachsen“ entstand fraglos eine Ethnie, die bald mit jener aus den Ursprungslanden nicht länger zu vergleichen war, zumal die Festlandsangeln und –Sachsen rasch unter die Herrschaft anderer Könige gerieten, wie etwa der Franken und Thüringer! Die Angeln scheinen eine Rolle bei der Ausprägung des Thüringer Reiches gespielt zu haben…
Die „Reichsgründung“ des Odoaker in Italien ist ein Beispiel für eine „Reichsgründung“ ohne klar erkennbares „Reichsvolk“ dahinter. Je nach Präferenz des Historikers werden hinter ihm immer mehrere Ethnien vermutet, wie etwa die Skiren und auch Thüringer!
Auch die Franken sind ab Chlodwig I. ein gutes Beispiel für eine Ethnogese die sich auf einen gemeinsamen König bezieht. Während Burgunder und andere germanische Gruppen gewisse Sonderentwicklungen im Rahmen des Frankenreiches zugestanden wurden, blieben die Franken für eine massive Romanisierung offen, indem sich ihnen in großem Umfang romanische Provinziale weitgehend anschließen konnten. Das dazugehörige Bonmot eines Historikers bezeichnet andere völkerwanderungszeitliche Reichsgründungen (etwa der Westgoten) als „erobernde Völker“, während er für Chlodwig (und damit die Franken) von einem „erobernden König“ spricht.

Der Vergleich der Traditionskerne mit einem Apfelkern und einem Nusskern ist recht gut. Im Allgemeinen waren die Völker während ihrer Wanderungen ausgesprochen Integrationsfreudig und begannen sich meist erst nachdem sie sich in neuen Siedlungsgebieten niedergelassen haben wieder zu konsolidieren und gaben ihre soziale Mobilität bald auf. So kam es Schubweisen zu „Ethnogese“. Von Westgoten kann man etwa eigentlich erst sprechen nachdem die dazu gehörigen Goten (im Kern wohl vor allem Terwingen) die Donau überschritten hatten und ins Römische Reich eingedrungen waren. Weniger Ausgeprägt aber Ähnlich verhielt es sich mit den Ostgoten, deren Greutungisch/Ostrogotische Vergangenheit im Steppengürtel des Ostens erst nach dem Untergang des Attilareiches endgültig zur Vergangenheit wurde. Auch die Alamannen lassen sich vor ihrer Landnahme im ehemaligen Dekumatland nicht wirklich historisch fassen. Neben den Traditionskernen als „Formende Komponente“ einer Ethnogese spielte also wohl auch die Landnahme als „Formende Komponente“ immer eine Rolle. Weiterhin spielte die Ursprungs-Ethnie umso weniger eine Rolle, je mächtiger die Herrscher über die Gemeinschaft waren – sprich also der König! Hier ist wieder Chlodwig das Beste Beispiel. Andere, „reichsbildende Ethnien“, die sich in ihrer neuen Heimat gegen die Untertanen abschotteten und nur eine „Krieger- & Führungselite“ bildeten, mussten in der Minderheit bleiben und bei Misserfolg verschwinden, bestenfalls blieben sie als privilegierte „Oberschicht“ oder „Kriegerschicht“ eine durch Gesetze zu definierende Sozialschicht. Genau dies passierte den Langobarden in Italien, wie auch Teilen der Goten. Dagegen blieb es bei den merowingischen Franken nicht wichtig ob sie germanisch oder romanisch sprachen; wichtig war allein ihre Nähe zum König und damit dem Zentrum des Reiches! Dabei gilt es als sehr wahrscheinlich, dass die fränkische Expansion durch verschiedene Stämme getragen wurde. Nicht umsonst sind die Franken auch vor Chlodwig recht schwer genauer zu fassen, geht doch das Wort von den „fränkischen Stammesschwärmen“ um, an denen wahrscheinlich auch Teile von Sachsen, Friesen und vielleicht sogar Thüringern ihren Anteil hatten – wofür auch die enge Bindung von Chlodwigs Vater Childerich zu den Thüringern sprechen dürfte…
Es bleibt also festzuhalten, dass die Kopfzahl einer „wandernden Ethnie“ nicht unbedingt entscheidend für ihren Erfolg wurde.

Ganz wichtig bei dieser Diskussion ist es neben Ethnien und Reichen auch zwischen Sippen und Kriegerbünden zu unterscheiden! Sippen sind Abstammungsgemeinschaften, also ein Kernstück einer „völkisch“ zu definierenden Ethnie. Die Sippen wurden vor allem von den Historikern des 18/19. Jht. als Kern der wandernden Völker angesehen. Inzwischen wird ihre Bedeutung doch eher unterschätzt. Sie waren für einen Traditionskern unerlässlich, griffen doch hier die Wurzeln des wichtigen „Köngsheils“ und der gemeinsamen Überlieferungen (wie Sagen e.t.c.) als integrierende Kraft für die weitere Ethnogese. Dazu kommt, dass die Sippen durchaus offen für Einheirat und „Adoptionen“ blieben, also keineswegs rein ethnisch zu definieren sind!
Aus solchen Sippen und strips regia heraus erst konnten sich Kriegergemeinschaften um bedeutende Adelige herum bilden. Hier war es fast gleichgültig welcher Ursprungsethnie ein Krieger abstammte, solange er ein guter Krieger war und seinem Herrn die Treue hielt. Besonders zu Kriegszeiten wurden zu allen Zeiten die Kriegerbünde zu Beschleunigern von Ethnogese. Solche Gefolgschaften waren den Königen näher und direkter verbunden als die Sippen, in denen die gemeinsame Abstammung die Treue zu den Königen beeinflussen konnte. Die Gefolgschaften bezogen sich allein auf ihre Könige. Aus ihnen entnahmen vermutlich die Königreiche der Völkerwanderungszeit vor allem ihren „Amtsadel“, wie die ostgotischen Königsboten und comes, sowie die Gerichtsdiener. Auffällig ist, dass sowohl bei den Westgoten wie bei den Ostgoten nach Untergang ihres Königsgeschlechts Männer aus dieser Gruppe in das Königsamt nachrückten und damit eine neue „strips regia“ begründen konnten. Das zähe Festhalten an dem langjährigen Königsgeschlecht der Amaler bei den Ostgoten endete mit König Theodahad, sein Nachfolger und ehemaliger comes Witichis stammte aus dem Amtsadel. Als zusätzliche Legitimation heiratete er die Nichte Theoderichs, die Amalerin Matasuintha. Nach ihm konnte kein ostgotischer König mehr auf eine Verbindung zu einer traditionellen königlichen Familie zurückgreifen, es waren allesamt Männer des Militäradels, also aus dem Umfeld des Königs ohne besondere verwandtschaftliche Basis und hergebrachtem Königsheil – eben aus den Kriegergefolgschaften stammend. Ganz im Gegensatz dazu steht das zähe und recht lange Festhalten der Franken nach Chlodwig I. an der merowingischen Königsfamilie. Ich sehe das als ein Beleg für die These, welche den gotischen Königreichen ein „eroberndes Volk“, dem Frankenreich aber einen „erobernden König“ zuordnet.

@Dieter:
Die ethmythologische Ableitung des Namens des gotischen Königsgeschlechts der Amaler ist der Ase. Die Asen sind aber das altgermanische Göttergeschlecht. In der viele Jahrhunderte nach der Völkerwanderung verfassten Edda sagt Odin dass er früher auch unter den Namen Gaut und … bekannt gewesen sei. Gaut aber ist der angegebene Stammvater der Amaler. Auch die frühen angelsächsischen Könige schreiben ihre Abkunft dem Wodan zu. Alles deutliche Hinweise auf den sakralen Charakter altgermanischen Königtums. Der Wortstamm der Amaler wird teils auch auf Götterbilder, wie die groben Darstellungen von Holzfiguren germanischer Götter aus den nordischen Opfermooren zurückgeführt.

@Königsheil & Christianisierung:
Es scheint sich eine Art von Verquickung von abgestammtem Königsheil mit Formen der Christianisierung entwickelt zu haben. Auf die sakrale Komponente von Königtum und Heil wurde bereits hingewiesen, sowie die tradierten Abstammungsberichte, die sich meist auf Götter und Heroen bezogen und für die bei einer Christianisierung neuer Legitimationsbedarf bestand. Die Christianisierung aber war notwendig um sich gegenüber dem Römischen Reich eine brauchbare, stabilisierende Verhandlungsbasis zu erarbeiten.!
Bei Übertritt eines Königs zum Christentum folgte gewöhnlich auch deren Gefolge, was eine gewisse innere Kontinuität zu den alten Verhältnissen Rückschließen lässt. Es macht aus gewisser Hinsicht auch Sinn, wenn die meisten Germanenkönige zunächst zum arianischen Christentum konvertierten. Das arianische Bekenntnis verneint die Wesenseinheit von Jesus mit Gottvater und kennt die unteilbare Trinität nicht. Jesus ist hier der auserwählte Mensch, der die Erlösungsleistung auf sich nimmt und dadurch Gottes Sohn wird: Also die Tat eines Menschen „vergöttlicht“ Jesus nach dieser Ansicht, was die Option einer ebenfalls herausragenden Leistung durch andere Menschen (eben der Könige!) implizieren kann. Doch bin ich kein Theologe…
Gerade die Könige, welche nicht aus einer mit Königsheil versehenen Familie stammten, suchten einen Ersatz dafür häufig durch sakrale Sanktionierung durch heilige Salbung und Krönung durch hohe kirchliche Würdenträger. Die Karolinger begründeten ihr Königtum durch einen solchen Schritt, was allerdings bereits sicher zum Mittelalter gehört!
Bereits vor der Konvertierung der Barbarenkönige zum Katholizismus spielte nach meiner Ansicht die gemeinsame „arianische Leitreligion“ ihrer Oberschicht eine wichtige Rolle für die Integrierung und Beständigkeit ihres „Volkes“. Wie auch die Christianisierung von Völkern während des Mittelalters ein wesentliches Element der Etablierung von Königreichen spielen sollte. Der Gegensatz zwischen Arianern und Katholiken half dabei die „germanische Oberschicht“ von den unterworfenen Katholiken zu trennen und auseinander zu halten! Diese These habe ich bereits im Vandalenthread dargelegt und ordentlich Schelte dafür bekommen, weil ich statt von einer arianischen „Königskirche“ von einer „Volkskirche“ geschrieben hatte.



Meine Antwort kreuzt in den Thread zu den Königen ein...
 
Tolle Beiträge!
Vielen Dank.

Das will/muss jetzt aber zuerst gedanklich verarbeitet werden.


Eine Frage hätte ich noch:
mir will einfach das "Volk" nicht aus dem Kopf,
ist mir gestern der Winkelried eingefallen "Im Felde stand das Volk, herum um seine Fahnen.." hoppla denke ich, Weiber und Kinder haben die doch bestimmt daheim gelassen...
es ist in alten Chroniken usw. viel vom "Kriegsvolk" die Rede, habe ich mal in mein Etymologisches Wörterbuch geschaut, tatsächlich ursprünglich hatte "Volk" die Bedeutung "Krieger" "Heerbann" usw.

Und plötzlich stimmt die Bezeichnung "Völkerwanderung" wieder weit besser.

Sitze ich hier einer "Fehldenke" auf, oder hat das was?
 
Eine Frage hätte ich noch: mir will einfach das "Volk" nicht aus dem Kopf,

Die genaue Abgrenzung von Volk und Stamm ist problematisch, da die Grenzen fließend sind. Soll man die Ostgoten, Gepiden oder Langobarden nun als "Volk" bezeichnen, oder doch besser den Begriff "Stamm" verwenden? Entscheidet man sich für "Stamm", so müsste es statt Völkerwanderung eigentlich "Stammeswanderung" heißen. :grübel:

Aber egal, wie man das Kind auch nennt: Goten oder Langobarden hatten spätestens nach ihrer Reichsbildung und Konsolidierung eine festumrissene Identität und setzten durch Assimilationsprozesse hinsichtlich der mitgewanderten fremden ethnischen Gruppen und der romaniserten autochthonen Bevölkerung zu einer neuen Ethnogenese an. Zum Abschluss kam das allerdings nur bei den Franken durch Verschmelzung mit der gallo-romanischen Bevölkerung, was insofern untypisch ist, als die Franken nie die Verbindung zu ihren ursprüngliche Stammessitzen verloren.
 
Aber egal, wie man das Kind auch nennt: Goten oder Langobarden hatten spätestens nach ihrer Reichsbildung und Konsolidierung eine festumrissene Identität und setzten durch Assimilationsprozesse hinsichtlich der mitgewanderten fremden ethnischen Gruppen und der romaniserten autochthonen Bevölkerung zu einer neuen Ethnogenese an. Zum Abschluss kam das allerdings nur bei den Franken durch Verschmelzung mit der gallo-romanischen Bevölkerung, was insofern untypisch ist, als die Franken nie die Verbindung zu ihren ursprüngliche Stammessitzen verloren.


Wenn ich das aber so sehe, sind die Bayern genau so entstanden. Allerdings ohne Traditionskern.
 
Bei den Bajuwaren ist die Sache mit der Ethnogenese ausgesprochen dunkel. Ihr Name taucht 300 Jahre nach den Franken und über 500 Jahre nach dem Suebennamen in der Geschichtsschreibung auf. Die Bajuwaren-Identität ist vielleicht eine der wenigen germanischen Ethnien, die offenbar tatsächlich während der Völkerwanderungszeit, also zwischen 375 und 712, neu entstanden ist.

Das ist alles mehr als schwierig. Die Alanen „germanisierten“ im Laufe der Völkerwanderung in Europa zunehmend, dass einige antike Geschichtsschreiber sie später sogar den Goten zurechneten und auch ihre Erscheinung sei „germanisch“ gewesen, was ich als Folge einer (auch gegenseitigen!) Assimilierung ansehe.
Die römische Autoren heben die helle Augen- und Haarfarbe der Alanen hervor. Ob dies auf eine Vermischung mit den Germanen hindeutet, halte ich mal für eher dahingestellt. Nimmt man diese Karten von Wikipedia zur Verbreitung blonder Haare und blauer Augen, so erkennt, dass blaue Augen und blonde Haare am Schwarzen Meer tatsächlich häufiger Vorkommen als in Italien. Die Alanen waren eher keine mediterranen Typ und ganz sicher keine Mongoliden, sahen daher den Ostgermanen ähnlicher als Römern und Hunnen. Die Germanen haben ohnehin keinen Alleinvertretungsanspruch auf das Klischee der blonden Barbaren. Herodot, der von Germanen nichts gehört oder gesehen haben kann, schildert ja schon im 5. Jahrhundert vor Christus blonde Skythen.

Tatsächlich ordnen die spätantiken Geschichtsschreiber die am schwarzen Meer auftauchenden Goten aber als Skythen ein, was so ziemlich alles heißen konnte. Eine Untergruppe der Skythen stellen nach antiker Vorstellung die "gotischen Völker" dar, die Goten werden dann auch noch mit den Geten in Verbindung gesetzt. Vandalen, Burgunden, Skiren, Rugier, eigentliche Goten und eben auch die iranisch-sprachigen Alanen fasste antike Geschichtsschreiber als "gotische Völker" auf. Gote wird hier ähnlich wie ein ein paar Jahrhunderte zuvor das Wort Germane als Sammelname benutzt. Die zu den Goten gezählten Völker, haben mit den gotischen Königsgeschlechtern, gotischen Reichen und dem eigentlichen Goten erstmal nichts zu tun. Nicht zu den gotische Völker zählte Prokop übrigens die katholischen Franken, trotz ihrer blonden Mähne. Gemeisamkeit der gotische Völker scheint die arianische Konfession und die barbarische Herkunft zu sein, die mitunter mit blauen Augen und blondem Haar mit sich brachte.

Den "gotischen Völkern" wird dann noch eine andere Skythengruppe entgegengesetzt: Die Hunnen. Diese Unterscheidung mag tatsächlich auf physiognomische Unterschiede zwischen alteingesessen iranischen Skythen, zugewanderten Ostgermanen auf der einen Seite und den "scharzen Hunnen" auf der anderen Seite geführt haben. (Aber von arianischen Hunnen, habe ich auch noch nichts gehört.) Physiognomische Unterschiede zwischen blonden Alanen und Ostgermanen und eben den "schwarzen Hunnen" mögen teilweise durch die Übernahme der Turmschädelmode ausgeglichen worden sein.

Waffen, Tracht:
Interessant ist vielleicht noch, dass die Ostgermanen genau wie römische Reiterei die Kriegstechniken der Reitervölker übernahmen. Spangenhelm, Lamellenpanzerung und Draco-Standarte waren urprünglich nur bei den eigentlichen Skythen (also Sarmaten, Alanen...) üblich. Auch der heute gern als durch und durch germanische angesehene Tierstil geht auf skythische Vorbilder zurück. (Löwen entsprechen auch nicht der nordeuropäischen Fauna sondern der Steppe de Schwarzmeergebietes.) Auch wenn die germanische Oberschicht, die Stammesidentität mit den dubiosen skandinavischen Abstammungsmythen trug, so passte sie sich doch optisch den nichtgermanisch-sprachigen Reitervölkern an, eben durch Übernahme ursprünglich skythischer Waffen und Trachten, teilweise durch Übernahme der Turmschädel-Praktik.
Waren Alanen nun germanisiert oder waren die Goten, Vandalen und Co nicht viel mehr skythisiert?

Die genaue Abgrenzung von Volk und Stamm ist problematisch, da die Grenzen fließend sind. Soll man die Ostgoten, Gepiden oder Langobarden nun als "Volk" bezeichnen, oder doch besser den Begriff "Stamm" verwenden? Entscheidet man sich für "Stamm", so müsste es statt Völkerwanderung eigentlich "Stammeswanderung" heißen. :grübel:
Im Zweifel verwendet man die lateinischen Begriffe. ;)
Geht man davon aus, dass mit "Völkern" eher die Gefolgschaften und mit "Stämmen" die Abstammungsgemeinschaften bezeichnet werden, so ist Völkerwanderung schon gut gewählt. Die Abstammungsgemeinschaften gehen oftmals nicht vollständig auf Wanderschaft und fächern sich häufig auf, verteilen sich über den ganz Europa oder gar darüber hinaus. Die Wanderzüge scheinen eher Gefolgschaft zu sein. Es wandern nicht alle Sachsen in die gleiche Richtung, sie folgen unterschiedlichen Gefolgsherren, ein Teil eben dem Langobardenkönig Alboin. Diese Sachsen verließen aber recht schnell wieder Italien und kehrten in die alte Heimat zurück, gerieten dort aber in Konflikt mit Sueben, die sich des Landes bemächtigt hatten. Die Sachsen, die nach Britannien auswanderten, hatten ihr Gebiet der Nordseekpste genau wie Jüten und Angeln fast vollständig geräumt, in der Folge dehnten die Friesen - denen ja oft unterstellt wird, an der Völkerwanderung nicht teilgenommen zu haben - ihr Stammesgebiet nach Osten aus. Völkerwanderung, egal in welche Richtung.:grübel:
 
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Verreiterung der Ostgermanen, Abgrenzung zu Skythen & Alanen

Tatsächlich ordnen die spätantiken Geschichtsschreiber die am schwarzen Meer auftauchenden Goten aber als Skythen ein, was so ziemlich alles heißen konnte. Eine Untergruppe der Skythen stellen nach antiker Vorstellung die "gotischen Völker" dar....

Das ist das übliche Problem der antiken Völkerkunde und Geographie. Der Begriff Skythen war in der Spätantike ein längst überholter Rückgriff auf die vergangenen Zeiten des Herodot, der erstmals diesen Raum beschrieben hat und dort die Skythen als vorherrschendes Volk in die Geschichtsschreibung eingeführt hat – und daran hielt man eisern fest, auch wenn es dort längst keine Skythen mehr gab. Ich habe das schon einmal hier irgendwo geschrieben, dass die Antike einst den Norden zwei Völkergruppen zuordnete: Den Nordwesten den Kelten und den Nordosten den Skythen. Kam ein Volk aus dem Nordwesten, dann waren es halt erstmal Kelten, während aus dem Nordosten natürlich Skythen kommen mussten. Es war Verdienst des Caesars zwischen diesen beiden Gruppen der antiken Ethnologie einen neuen Begriff einzufügen, denn die „neuen Völker“ des Nordens – welche eben anders waren als Kelten einerseits und Skythen andererseits – konnte man nicht ewig als „Keltoskythen“ umschreiben, so führte er den Begriff der „Germanen“ zwischen beiden Volksgruppen ein.
Nun kamen aber Goten wie Sarmaten oder Hunnen später aus Nordosten, weshalb sie automatisch erst einmal mit der „Herkunftsbeschreibung ‚Skythe’“ versehen wurden. So einfach ist die Welt… Später als der Begriff Gote sich einigermaßen durchgesetzt hatte, war es eine kurze Zeit üblich statt „Skythe“ synonym das Wort „Gote“ zu verwenden, was ebenso falsch ist. Vor diesem Hintergrund wird ein Schuh draus!


Waren Alanen nun germanisiert oder waren die Goten, Vandalen und Co nicht viel mehr skythisiert?

Die Wahrheit liegt wie immer im Auge des Betrachters. Außerdem gibt es hier verschiedene Prozesse, welche von den Chronisten wohl nicht immer deutlich benannt wurden. Ausgehend von der üblichen These, dass die Goten tatsächlich erst an der Ostseeküste saßen und sich allmählich in den Bereich der Küsten des nördlichen Schwarzen Meeres vorarbeiteten: Wie uns die Archäologie sagt, waren die Goten ursprünglich ein Bauernvolk und kein Reitervolk. Dann hätten wir die „groben Phasen“ der Wielbarkkultur (Bäuerlich im Raum „Polen“) und der Tschernjachov-Kultur („Steppenkultur“, zwischen Donau und Dnjepr). Mag es denkbar sein, dass die Träger der Wielbarkkultur vornehmlich Goten waren, so ist die Tschernjaochov-Kultur ganz sicher nicht nur von Ihnen, sondern auch von Sarmaten e.t.c. getragen gewesen.

Man kann feststellen, dass sich die Goten an ihre neue Umgebung am Schwarzen Meer anpassten, sich dabei aber auch vermutlich differenzierten. Jene Gruppen, die in die Südukrainischen Steppen eingedrungen waren, also vor allem die Greutungen und Ostrogothen passten sich hier ihrem neuen Milieu an. Man spricht hier von der „Verrreiterung“ der Steppengoten. Jene Goten, die in einem eher bäuerlichen Umfeld lebten, wie die Terwingen und Visigothen (aber auch die Krimgoten!) machten diesen Prozess so nicht mit!
Die Terwingen/Visitgothen (oder Vesegoten) „verreiterten“ erst, als sie aus ihren Gebieten nördlich der Donau mit Gewalt vertrieben wurden. Sie adaptierten diese Kampfesweise erst, nachdem sie deren durchschlagenden Erfolg [durch ihnen zu Hilfe gekommene Ostrogothen, Alanen und Hunnen (!)] während ihrer Schicksalsschlacht von Adrianopel 378 gegen die Römer am eigenen Leib erfahren konnten. Die werdenden Westgoten verreiterten nun in kurzer Zeit, auch weil ihre „Brotgeber“ (die Römer) solche Krieger haben wollten.

Man spricht also besser davon, dass die Goten verreiterten, als das sie skythisiert wurden. Herodot schreibt nämlich auch von sesshaften, bäuerlichen Skythen zu seiner Zeit. Auch die Goten scheinen nie in großem Stil zu Nomaden der Steppen geworden zu sein, aber sie übernahmen die dortige Kampfesweise sicher – und gewiss auch Teile der Lebensweise als Anpassung an die regional möglichen Wirtschaftsformen. Die Westgoten wurden trotz ihrer nach 376 beginnenden Wanderungen niemals zu einem Nomadenvolk das von einer Viehzucht und Wechsel der Weideplätze lebte. Als in Dienst genommene römische Foederaten lebten sie von der römischen Logistik und in Zeiten ohne Vertrag eben „aus dem Land“. Ihre Kampfesweise aber passten sie den Steppenvölkern an…

Gleiches gilt für die weitaus früher verreiterten Ostgoten, während die Alanen in ihren Stammgebieten wohl eher eine nomadische Lebensweise gekannt hatten. Auf dem „gemeinsamen Marsch nach Westen“ näherten sich beide Völkerschaften also an. Da die Goten sehr wohl starke Könige hervorbrachten und überhaupt wirkungsvoller auftraten, ordneten die antiken Autoren die Alanen wohl eher den Goten zu als umgekehrt. Ein starkes Königtum oder Herrschaft haben die Alanen im römischen Westen nie gründen können. Sie mögen unter Aspar in Konstantinopel als Foederaten stark gewesen sein, ihre gallischen „Könige“ aber waren schwach, ihre spanische „Reichsgründung“ sehr kurzlebig. Außerdem schlossen sie sich sehr vielen anderen „Wandervölkern“ an, eben neben den Wandalen auch den Goten, während andere „Volksgruppen“ wohl noch lange unter hunnischer Oberherrschaft lebten, ohne sich wie etwa die Ostgoten oder Gepiden durch wichtige eigene Könige auszuzeichnen.

Die Kampfesweise der Steppe aber haben mit ziemlicher Sicherheit gerade die recht „Wanderresistenten“ Krimgoten niemals voll angenommen und setzten weiter auf Fußtruppen.
 
Nun kamen aber Goten wie Sarmaten oder Hunnen später aus Nordosten, weshalb sie automatisch erst einmal mit der „Herkunftsbeschreibung ‚Skythe’“ versehen wurden. So einfach ist die Welt… Später als der Begriff Gote sich einigermaßen durchgesetzt hatte, war es eine kurze Zeit üblich statt „Skythe“ synonym das Wort „Gote“ zu verwenden, was ebenso falsch ist. Vor diesem Hintergrund wird ein Schuh draus!
So einfach ist die Welt nun auch wieder nicht. Tatsächlich war der Germanenbegriff von Cäsar und Tacitus in der Spätantike antiquiert, er wurde einfach kaum noch benutzt. Tacitus stellt ja in seiner Germania Gutonen und Vandilier als Germanen vor. In der Spätantike sind das alles wieder Skythen, egal wo sie auftauchen. Sicher ergibt es bei den am Schwarzen Meer auftauchenden Goten Sinn, sie Skythen zu nennen. Die Vandalen (und ihre Alanen), Burgunden usw. dringen jedoch über den Rhein ins Imeperium vor, nehmen also den Weg der klassischen Germanen. Zu allem Überfluß gibt es Autoren, die die Juthungen und Alamannen Skythen. Die Franken werden vereinzelt sogar Gallier genannt, so als hätte es den Germanenbegriff eines Cäsar oder gar eines Tacitus nie gegeben.

Verreitern ist ja ein ausgesprochen schöne Wortschöpfung, die ich vielleicht auch mal benutzen sollte. Die wandernden Stämme stiegen quasi aus der Produktion aus. Bilden Söldnerheere, plündernde oder attackieren sogar Attilas Hunnenreich oder das Weströmische im Auftrag des Oströmischen Reich oder schalten lästig gewordene Vorgänger aus.
Mit Nomadentum hat das erstmal nichts zu tun und wenn sich die wandernden Völker niederlassen, wollen sie wieder Bauern werden und fordern Land. Die Krimgoten verreitern zwar nicht, verhunnen nach wenigen Jahren offenbar ohne ihre Sprache aufzugeben.;)

Welche weitreichenden ethnischen Folgen das Söldnerdasein und Verreitern bedeuten kann, zeigt vielleicht eine bekannte Grabinschrift aus Pannonien, 3. Jahrhundert: "Fancus ego civis miles romanus in armis"/"Ich bin fränkische Bürger und unter Waffen/im Krieg römischer Soldat." Die bestattete Person hatte, obwohl es sie als römischer Soldat ins ferne Pannonie verschlagen hatte, immer noch eine fränkische Identität.
Für die germanische Gruppen hatte die Arbeit als Soldaten Roms vor allem eine Folge. Ihre Könige und Fürsten verstanden sich zunehmend als Feldherren Roms und strebten entsprechende Ämter an oder die militärischen Führer strebten den Königtitel ihres Stammes an. Zumindest verquickte die Sache mehr und mehr.

Aber die Germanen und Iranier waren ja keineswegs die einzigen auf Wanderschaft.
Balkan in der Völkerwanderungszeit: Nomadische Romanen und tukro-skythische Bauern
Der größere Witz ist aber, dass in der Völkerwanderung tatsächlich auch Nomaden in Europa auftauchen. Am Balkan hatte sich offenbar eine eine romanisch-sprachige Gruppe der Transhumanz verschrieben. Ein Gruppe, die sich selbst Rumänen also Romanen/Römer nennt, geht mit ihren Schafen auf Wanderschaft und nahm vielleicht, dass das von Goten und Co verlassene Dakien in Besitz. Obwohl sie sich ja Römer selbst nennen, werden sie offenbar nicht imperial aktiv, tauchen in der auf Politik und Krieg beschränkten Geschichtsschreibern so gut wie gar nicht auf.
Der Balkan selbst wird ja bekanntlich slawisch. Die slawischsprachigen Personen erreichen den Balkan aber als Awaren und Bulgaren, habe teilweise die Identität von Reitervölkern angenommen, ohne allerdings deren Wirtschaftsform zu übernehmen. Andere Gruppierungen benennen sich nach den vorgefundenen Flüssen, z.B. die Mähen nach Morova. Diese slawischen Bulgaren und Awaren lassen sich also als Bauern nieder und finden romanische Nomaden vor, die sie Wlachen nennt. Irgendwie verkehrte Welt.
Anders als die Germanen hatten die Slawen anfangs offenbar keine eigenen Könige und Reiche und gesellten sich zu fremden Königen wie etwa den Franken Samo. Vielleicht fehlte es diesen Slawen einfach an Ethnozentrik, an mythischen Stammbäumen, die eine Bestimmung zur Herrschaft über andere begründete, oder auch schlicht an einem Königs- und Reichstradition.
 
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Der Begriff "Volk" in der Verwendung "Kriegsvolk" will mir einfach nicht aus dem Kopf:
Der große Ploetz, 32. Auflage Freiburg 1998 ISBN 3-89836-147-0 Seite 357 Mitte
".....Neben der ideologischen Belastung des Begriffs Völkerwanderung steht die Tatsache, dass "gens" nur mißverständlich mit "Volk" übersetzt wird. Der Volksbegriff ist vom modernen Nationenbegriff nicht zu scheiden. Hingegen ist eine Gens weder nach nationalstaatlichen Vorstellungen noch als biologische Einheit zu bestimmen. Da die gentile Geschichte die Kunde von den "Taten tapferer Männer" ist, ist eine Gens nicht nicht die Bevölkerung eines bestimmten Landes, sondern die politisch-rechtliche einheit des "bewaffneten Volks". Die Gleichung Volk=Heer stellt das Leben auf, und macht damit die Etymologien aller Begriffe zunichte, die, wie "gens", "genus", 2genealogia", "natio", die Vorstellung einer einheitlichen Abstammungsgemeinschaft enthalten. Dagegen sind gentile Völkerschaften stets ethnisch gemischt. Sie sind niemals Abstammungsgemeinschaften sondern vielmehr Aktionsgemeinschaften. Die Stammesbildung ist, obwohl es buis heute den Quellen immer wieder nachgeschrieben wird, keine Sache des "Blutes" sonden der "Verfassung". Dies bedeutet zunächst nicht viel mehr als das Zusammenfassen und das Zusammenhalten derjenigen heterogenen Gruppen, die ein gentiles Heer ausmachen. Anführer und Represetanten von "bekannten" Sippen, die ihre Herkunft von Göttern herleiten und ihr Charisma in entsprechenden Erfolgen nachweisen können, bilden die "Traditionskerne" neuer Stämme. Sie sind "Heerkönige" ob sie nun den Weg zum mittelalterlichen Großkönigtum gehen oder nicht. Am bekanntesten von ihnen sind die gotischen Amaler und Balthen sowie die fränkischen Merowinger. Sie versuchen die Stammesüberlieferung zu monopolisieren, das heißt die gentile Religio, die sich im Kult stets erneuernde Gemeinschaft der Lebenden und Toten, zu repräsentieren.
Eine Gens ist eine, oder besser, die Rechtsgemeinschaft der "Menschen" oder "Göttersöhne". Viele gentile Selbstbezeichnungen bedeuten nämlich nichts anderes wie "Männer", wie etwa Goten und Alemannen. ......."

Ergänzend:
Etymologisches Wörterbuch des Deutschen" 8. Auflage 2005 ISBN 3-423-32511-9
Volk .....
Kriegerschar, Heerhaufen, vielleicht zu verstehen als "die Menge der waffenfähigen Männer" als Repräsentanten der Gemeinschaft. ....


So wird für mich einiges schlüssiger.

Also: "auf gehts, Mander":winke:
 
Wie rasch germanische Stämme innerhalb fremder Völker ihre Identität verloren, lässt sich nicht verallgemeinern. Eine solche "germanische Identität" konnte sich dort am längsten erhalten, wo ein germanisch dominierter Staat mit germanischer Führungsschicht bestehen blieb. Das war z.B. beim spanischen Westgotenreich der Fall, das immerhin über 200 Jahre Bestand hatte und wo noch bis zur Vernichtung durch die Araber im Jahr 711 die gotische Sprache nicht völlig erloschen war, der Adel gotische Namen trug und nach zeitgenössischen Quellen stolz auf seine gotische Herkunft war - ein Element, das übrigens bei Beginn der spanischen Reconquista als Neogotizismus belebt wurde und auch der antimuslimischen Propaganda diente.

Dazu dass die gotische Sprache noch nicht erloschen war, hätte ich gerne mehr Infos, Das widerspricht nämlich meinem Wissen. Es ist natürlich war, dass es einen germanischen Namenpool gab, aus dem sich die Herrscher bedienten, ich würde das als Kennzeichen der Leitnamenkontinuität sehen, die wir bis in die Gegenwart bei Adeligen sehen. Die wahre gotische Kontinuität dürfte es - entgegen der traditionellen Geschichtsschreibung - eher im andalusischen Emirat, denn in den nordspanischen Christenreichen gegeben haben. Die orientierten sich nämlich an der fränkischen, nicht an der gotischen Gesetzgebung. Pelagius, in der gotischen Tradition ein Leibwächter Roderichs ist in der lokalen asturischen Tradition ein Romane gewesen. Welcher Variante soll man nun glauben?

im Mittelalter gab es eine Reihe italienischer Adelsfamilien, die stolz auf ihre angebliche langobardische oder gar ostgotische (!) Herkunft war.

Beim Adel gilt doch die Regel: Je älter desto adeliger. Insofern sind solche Herkunftsmythen relativ wenig wert - es sei denn, man kann sie überzeugend nachweisen.
 
Dazu dass die gotische Sprache noch nicht erloschen war, hätte ich gerne mehr Infos,

Dazu muss ich erst die entsprechenden Quellen suchen, bitte um etwas Geduld!

Beim Adel gilt doch die Regel: Je älter desto adeliger. Insofern sind solche Herkunftsmythen relativ wenig wert - es sei denn, man kann sie überzeugend nachweisen.

Um diesen Aspekt geht es mir hier nicht. Es geht vielmehr darum, dass sich italienische Adelshäuser auf eine Herkunft aus germanischem Adel berufen und die Erinnerung an die germanische Epoche unter Goten und Langobarden zum einen nicht erloschen war, zum anderen eine Verwandtschaft mit germanischen Adelsfamilien nicht als deklassierend betrachtet wurde, was ja auch der Fall hätte sein können.
 
Ihr bewegt Euch hier aber wieder fröhlich in der Denkweise des 19. Jahrhunderts.

Ich wiederhole mein Ploetz-Zitat:
Dies bedeutet zunächst nicht viel mehr als das Zusammenfassen und das Zusammenhalten derjenigen heterogenen Gruppen, die ein gentiles Heer ausmachen. Anführer und Represetanten von "bekannten" Sippen, die ihre Herkunft von Göttern herleiten und ihr Charisma in entsprechenden Erfolgen nachweisen können, bilden die "Traditionskerne" neuer Stämme. Sie sind "Heerkönige" ob sie nun den Weg zum mittelalterlichen Großkönigtum gehen oder nicht. Am bekanntesten von ihnen sind die gotischen Amaler und Balthen sowie die fränkischen Merowinger. Sie versuchen die Stammesüberlieferung zu monopolisieren, das heißt die gentile Religio, die sich im Kult stets erneuernde Gemeinschaft der Lebenden und Toten, zu repräsentieren.
Eine Gens ist eine, oder besser, die Rechtsgemeinschaft der "Menschen" oder "Göttersöhne". Viele gentile Selbstbezeichnungen bedeuten nämlich nichts anderes wie "Männer", wie etwa Goten und Alemannen.

Demnach wird es doch so manchen "Goten" gegeben haben, der gar nicht gotisch sprach, resp. ein "Militär-Gotisch" wie ein heutiger Fremdenlegionär franz. spricht.
Was auch völlig unerheblich ist, die Bevölkerung des erfolgreichsten "Völkerwanderungsstaats" nennen sich heute noch "Franken" obwohl sie ethnisch höchstens im einstelligen Prozentbereich "Germanen" sind.

Nochmals: Gote, Franke, Langobarde wurde man durch "Willenserklärung" nicht durch Geburt.
 
Hallo, ich lese schon lange hier mit und trau mich erst jetzt mal etwas zu schreiben.

Dass man durch "Willenserklärung" Gote, Franke oder Langobarde wurde entspricht in etwa der "Willenserklärung" deutscher Staatsbürger, also Deutscher zu werden. Nur die Willenserklärung allein reicht nicht, man muss schon etwas dafür tun, zum einen die Sprache erlernen und zum andern sich den Sitten/Gepflogenheiten anpassen.

Aber das alleine macht noch keine Zugehörigkeit aus, diese ergibt sich erst mit der Zeit. Einen Jürgen Grabowski wird niemand als Polen einstufen, einen Pjotr Trochowski schon eher, obwohl der einen russischen Vornamen hat.

Was die Sprache angeht glaube ich nicht, dass sie innerhalb von drei bis vier Generationen total verlorengeht. Ich verstehe noch sehr gut richtiges Oberhessisch, mit etwas Mühe kann ich es auch sprechen. Das war die Sprache meiner Großeltern und Ur-Großeltern. Deshalb glaube ich, wird das Gotische auch um 700 n.Chr. in Spanien noch gesprochen worden sein.

Sprache geht so schnell nicht verloren, siehe Belgien. Hier war Französisch so auf dem Vormarsch, dass das Vlaams mittlerweile eine ausgestorbene Sprache sein müsste. Dies ist nicht der Fall, im Gegenteil.

Wie soll es in Al Andalus eine gotische Kontinuität gegeben haben? Und ob nun Pelayo als Leibwächter Roderichs ein "Romane" oder Gote war ist doch unerheblich. Jedenfalls hat er es vorgezogen gegen die Moros zu kämpfen.
 
Wie soll es in Al Andalus eine gotische Kontinuität gegeben haben? Und ob nun Pelayo als Leibwächter Roderichs ein "Romane" oder Gote war ist doch unerheblich. Jedenfalls hat er es vorgezogen gegen die Moros zu kämpfen.

Meine jüngere Tochter hat vor ein paar Jahren ein Praktikum in La Corunja gemacht.
Ihr Chef war stolz auf seine Swebische Abstammung.

Die letzten Krimgotisch-Sprecher im 16. Jahrhundert waren ethnisch doch anscheinend Tartaren (ob das der Gröfaz wusste?:devil:?)

Ergo: Die Zugehörigkeit durch "Willenserklärung" ist viel entscheidender als die ethnische Zugehörigkeit, 400 nChr. nicht anders als heute.
Was man vom 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts anders sah. Ergebnisse sind bekannt.

OT: Dein Beitrag ist gut und enthält etliches an Substanz. Trau Dich öfter!
 
Aber das alleine macht noch keine Zugehörigkeit aus, diese ergibt sich erst mit der Zeit. Einen Jürgen Grabowski wird niemand als Polen einstufen, einen Pjotr Trochowski schon eher, obwohl der einen russischen Vornamen hat.

Piotr ist genauso ein polnischer, wie ein russischer Name. Ich kenne gleich eine ganze Reihe polnischer Piotrs.

Was die Sprache angeht glaube ich nicht, dass sie innerhalb von drei bis vier Generationen total verlorengeht. Ich verstehe noch sehr gut richtiges Oberhessisch, mit etwas Mühe kann ich es auch sprechen. Das war die Sprache meiner Großeltern und Ur-Großeltern. Deshalb glaube ich, wird das Gotische auch um 700 n.Chr. in Spanien noch gesprochen worden sein.

Auf den Glauben kommt es aber nicht an. Fakt ist, dass wir z.B. von den Westfranken wissen, dass sie irgendwann zum Gebrauch der Sprache der sie umgebenen Romanen übergegangen sind. Spätestens mit den Straßburger Eiden ist das unumstößlich belegt.
Fakt ist auch, dass die germanischen Spuren im iberoromanischen Sprachmaterial äußerst gering sind. Die einzige gotische Stadtgründung ist ein Hybrid aus einem gotischen Namen (dem des jüngeren Sohns des Stadtgründers Leovigild, Rekkared) und dem griechischen polis: Reccopolis.
Die stärksten Spuren, welche die Germanen (Sueben, Westgoten vielleicht auch Vandalen) im Iberoromanischen hinterlassen haben, sind die Personennamen: Munno (heute nur noch als Nachname Muñez/Muñoz o.ä. erhalten), Rodrigo, Fernando, Al(f)onso und einige andere.
Im eigentlichen Vokabular sind es weniger, was einigermaßen erstaunlich ist. Manche der Germanismen sind auch durch das Fränkische und schon zu früherer Zeit, also vor der Völkerwanderungszeit ins Lateinische und darüber ins Iberoromanische gekommen.


Wie soll es in Al Andalus eine gotische Kontinuität gegeben haben?

Fakt ist: Es gab eine gotische Kontinuität. Die Gotin Sarah, Enkelin des vorletzten westgotischen Königs Witiza soll bis nach Damaskus gereist sein, um dort vor dem Kalifen Rechtsbeschwerde gegen ihren Onkel, der ihr ihr Erbe entrissen habe einzulegen. Diese Geschichte halte ich zwar für Legende, überliefert wird sie aber von einem córdobesischen Höfling, Ibn al-Qūṭiyya (was aus dem arabischen übersetzt 'Sohn der Gotin' heißt!). Dieser Ibn al-Qūṭiyya war ein Nachfahre eben jener Sarah.
Der Sohn von Mūsā ibn Nuṣayr, 'Abd al-Azīz heiratete Egilona, die Witwe des letzten Westgotenkönigs Roderich.
Oder Ibn Ḥafṣūn, von dem wir nicht sicher wissen, ob er gotischer oder romanischer Herkunft war: Dieser war jedenfalls ein muladí bzw. muwallad, also ein zum Islam konvertierter Einheimischer, der einen jahrelangen Aufstand gegen das Emirat von Córdoba führte. Als er zum Christentum rekonvertierte, brach der Aufstand zusammen. Warum? Weil die Christen keine Veranlassung zum Aufstand hatten und die muwalladun mit der Rekonversion zum Christentum sich von ihm nicht mehr vertreten fühlten. Der Grund des Aufstands war nämlich der, dass die muwalladun "staatsrechtlich" nicht als Vollmuslime anerkannt waren, sie auch weiterhin die ğizya, also die Steuer der Christen und Juden im islamischen Territorium bezahlen mussten.
Fakt ist auch, dass ein Gote einer kūra (eine territoriale Verwaltungseinheit im Islam ~ Provinz) über Jahrhunderte seinen Namen aufgedrückt hat: Theodemir, arabisiert zu Tudmir, heute Murcia. Sein Vertrag mit 'Abd al-Azīz ibn Mūsā ist erhalten geblieben, andere Verträge mit gotischen Potentaten sind durch die Historiographie überliefert.
Ebenfalls ist die Geschichte der Banū Qāsī, einer zum Islam konvertierten gotischen Familie, die im Grenzgebiet zwischen al-Andalus und der Marca Hispanica lebte. Diese unterhielt gute Beziehungen sowohl nach Córdoba, als auch zu den Christen im Norden, mit denen man dynastisch gut verwoben war.

Meine jüngere Tochter hat vor ein paar Jahren ein Praktikum in La Coruña gemacht.
Ihr Chef war stolz auf seine Swebische Abstammung.

Ja, ja... Ich kenne einen Deutschen, der zeitweise in Portugal (an der Algarve) lebte und jetzt in Andalusien. Dieser mehr als peinliche Mensch ist der Auffassung, dass die Spanier und Portugiesen doch bitte deutsch sprechen sollten, weil sie schließlich von Westgoten und Schwaben abstammen... Ich schätze mal, dass der Chef deiner Tochter das eher scherzhaft meinte, dieser Deutsche meint das aber relativ ernst. :weinen:

Demnach wird es doch so manchen "Goten" gegeben haben, der gar nicht gotisch sprach, resp. ein "Militär-Gotisch" wie ein heutiger Fremdenlegionär franz. spricht.
Was auch völlig unerheblich ist, die Bevölkerung des erfolgreichsten "Völkerwanderungsstaats" nennen sich heute noch "Franken" obwohl sie ethnisch höchstens im einstelligen Prozentbereich "Germanen" sind.

Das ist ja nicht richtig. So wie wir zwischen Franken und Franzosen unterscheiden, unterscheiden die Franzosen zwischen francs und français. Was natürlich nichts daran ändert, dass das eine vom anderen abgeleitet ist. Es ändert aber auch nichts daran, dass man sich eben nicht so einfach entscheiden konnte, dazuzugehören. Die Dazugehörigkeit musste auch anerkannt werden. Natürlich blieben bei den Wanderungen Volksteile zurück und andere wurde aufgenommen. Aber ein Einwohner des Frankenreiches oder des Westgotenreiches war noch lange kein Franke oder Westgote, sondern er war ein Untertan einer dünnen fränkischen oder westgotischen Herrscherschicht. Während die Franken dies aber auf Dauer intelligent lösten, indem sie sich mit ihrer Umgebung verschmolzen, gelang dies Ostgoten, Westgoten und anderen eben nicht. Erst, als ihre Reiche aufhörten zu existieren gaben sie ihre ethnische Identität auf, um sich mit der sie umgebenen Bevölkerung zu verschmelzen (und längst nicht alle machten dies).
 
Faktisch wissen wir nicht wann die gotische Sprache in Spanien nicht mehr gesprochen wurde. Zwischen dem Übertritt Rekkareds zum Katholizismus und der Landung der Araber/Berber/Mauren liegen jene von mir bereits angesprochenen vier Generationen. Ich bleibe dabei, innerhalb von vier Generationen geht keine Sprache völlig verloren.

Westfranken hat es nie gegeben, eher eine fränkische Adelsschicht im Westfränkischen Reich. Was wäre wenn das Reich Karls des Großen nicht unter seinen Söhnen aufgeteilt worden wäre? Welche Sprache hätte sich durchgesetzt?

Was hat das mit gotischer Kontinuität zu tun wenn hier und da Einzelpersonen mit gotischer Abstammung in Al Andalus erwähnt werden. Es gab ja nicht mal eine arabische Kontinuität.

Dass die Westgoten ihre ethnische Identität erst mit dem Verlust ihres Reiches aufgaben widerspricht doch der "Tatsache" dass sie beim Eintreffen der Araber kein Gotisch mehr sprachen, Katholiken waren sie 711 eh alle.

DIE Franken verschmolzen keineswegs mit der sie umgebenden Bevölkerung, dies trifft bestenfalls auf Neustrien zu.
 
Faktisch wissen wir nicht wann die gotische Sprache in Spanien nicht mehr gesprochen wurde. Zwischen dem Übertritt Rekkareds zum Katholizismus und der Landung der Araber/Berber/Mauren liegen jene von mir bereits angesprochenen vier Generationen. Ich bleibe dabei, innerhalb von vier Generationen geht keine Sprache völlig verloren.

Wer behauptet denn, dass die Westgoten noch Gotisch sprachen, als sie das Toledanische Reich errichteten? Wieso machst Du die Übernahme des romanischen Idioms an der Konversion von der arianischen zur katholischen Glaubensrichtung fest?
Sprache geht sehr schnell verloren, wenn sie kein Prestige hat. Die Großeltern meiner Lebensgefährtin sind deutschsprachig aufgewachsen, die Eltern meiner Lebensgefährtin mussten sich das Deutsche dagegen mühsam aneignen.
Viele Türken der zweiten und dritten Generation in Deutschland können kein richtiges Türkisch mehr (tragischerweise können einige auch kein richtiges Deutsch). Auch hier wurde die Sprache innerhalb weniger Jahre verlernt, schlicht weil sie nicht für wert befunden wurde, sie an die Kinder weiterzugeben. Nach 1945 war das Plattdeutsche verpönt. Es war die Sprache der Bauern und "Ungebildeten". Heute bemüht man sich mühsam, das Plattdeutsche zu reimplementieren.

Westfranken hat es nie gegeben, eher eine fränkische Adelsschicht im Westfränkischen Reich. Was wäre wenn das Reich Karls des Großen nicht unter seinen Söhnen aufgeteilt worden wäre? Welche Sprache hätte sich durchgesetzt?

Natürlich hat es Westfranken gegeben und die gingen über die Adelsschicht der Franken hinaus. Es gab im fränkischen Reich Franken und Galloromanen. Die Franken waren aufgeteilt in Adelige und Nichtadelige und die Galloromanen waren ebenso aufgeteilt in Adelige und Nichtadelige. Die Westfranken sind diejenigen, welche im romanischsprachigen Teil des Reiches lebten und die romanische Sprache angenommen haben.

Was hat das mit gotischer Kontinuität zu tun wenn hier und da Einzelpersonen mit gotischer Abstammung in Al Andalus erwähnt werden. Es gab ja nicht mal eine arabische Kontinuität.

Diese Einzelpersonen sind immer nur Repräsentanten von Personenverbänden. In dem Vertrag von Theodemir ist ganz klar auch von seiner Gefolgschaft die Rede. Die Gotin Sarah sprach bei Kalifen in Damaskus vor, nicht etwa, weil sie sich von den Eroberern ungerecht behandelt fühlte, sondern weil sie im Clinch mit ihren eigenen Verwandten lag. Egilona blieb nach der Niederlage ihres Mannes nicht allein in Sevilla...

Dass die Westgoten ihre ethnische Identität erst mit dem Verlust ihres Reiches aufgaben widerspricht doch der "Tatsache" dass sie beim Eintreffen der Araber kein Gotisch mehr sprachen, Katholiken waren sie 711 eh alle.

Nein, es gab - im Gegensatz im Übrigen zum fränkischen Reich - ein Verbot, welches die Verbindung von Westgoten und Romanen untersagte. Die Westgoten waren eine Kriegerkaste, unabhängig ob Adeliger oder Bauer. Ethnie ist eben mehr als nur die Sprache. Es ist ein gemeinsamer Kleidungsstil, eine gemeinsame Haartracht, eine Lebensform, die sich von der der Umgebung unterscheidet. Solange die Trennung zwischen Westgoten und Romanen in Beherrscher und Untertanen bestand hatte, solange hatte auch die eigenständige Ethnizität der Westgoten Bestand.
 
Es ändert aber auch nichts daran, dass man sich eben nicht so einfach entscheiden konnte, dazuzugehören. Die Dazugehörigkeit musste auch anerkannt werden.

Jaja, erst durch die übereinstimmende Willenserklärung kommt ein Rechtsgeschäft zustande.
Ist zwar ein Allgemeinplatz, Hauptsache widersprochen ...aber naja, geschenkt.


Erst, als ihre Reiche aufhörten zu existieren gaben sie ihre ethnische Identität auf, um sich mit der sie umgebenen Bevölkerung zu verschmelzen

Und genau dies ist die Fehldenke die Dich immer wieder ins 19. Jahrhundert zurück wirft. Die erobernden Goten oder Franken hatten kein ethnische Identität die sie hätten aufgeben können.
Nix mit kraftstrotzenden jungen Völkern. Die Heere zogen ihre Identität aus anderen Quellen, nicht aus der "ethnischen Abstammung"

Ich zitiere nochmals aus dem Ploetz
Die Stammesbildung ist, obwohl es bis heute den Quellen immer wieder nachgeschrieben wird, keine Sache des "Blutes" sonden der "Verfassung". Dies bedeutet zunächst nicht viel mehr als das Zusammenfassen und das Zusammenhalten derjenigen heterogenen Gruppen, die ein gentiles Heer ausmachen.
 
Faktisch wissen wir nicht wann die gotische Sprache in Spanien nicht mehr gesprochen wurde. Zwischen dem Übertritt Rekkareds zum Katholizismus und der Landung der Araber/Berber/Mauren liegen jene von mir bereits angesprochenen vier Generationen. Ich bleibe dabei, innerhalb von vier Generationen geht keine Sprache völlig verloren.

Niemand vermag genau zu sagen, ob und inwieweit sich die gotische Sprache in Spanien bis zur Invasion der Araber im Jahr 711 erhielt. Publikationen, die ich darüber las, gehen davon aus, dass sich Gotisch bis zur Konversion zum Katholizismus unter Reccared I., die auf dem Konzil von Toledo 589 vollzogen wurde, relativ lebendi erhalten hat. Wenn man berücksichtigt, dass von der westgotischen Besitznahme der Iberischen Halbinsel nach der Niederlage gegen die Franken in der Schlacht von Vouillé 507 bis zum toledanischen Konzil nur rund 100 Jahre vergingen, ist das eine realistische Schätzung.

Da zugleich mit dem Übertritt der Westgoten zur Katholischen Kirche das Heiratsverbot (Connubium) zwischen Westgoten und der altansässigen romanisierten Bevölkerung entfiel, nimmt man an, dass von da ab ein allmählicher Niedergang der gotischen Sprache erfolgte, die bei der Eroberung durch die Araber 711 nahezu erloschen gewesen sein muss. Allerdings habe ich gelesen - leider ohne heute noch die Quelle angeben zu können - dass in einigen westgotischen Adelsfamilien auch zu diesem Zeitpunkt noch gotisch gesprochen wurde, wenn wohl auch nur noch als Zweitsprache. Zudem ist überliefert, dass die Westgoten, die nach Schätzungen höchstens 3-4% der autochthonen Bevölkerung ausmachten, auf ihre gotische Herkunft stolz waren. Die Bevölkerung der Iberischen Halbinsel wird Mitte des 7. Jh. auf etwa 7-10 Millionen geschätzt, was aber nur einev age Hypothese ist, wie der Bevölkerungs-Ploetz ausdrücklich betont.

Was hat das mit gotischer Kontinuität zu tun wenn hier und da Einzelpersonen mit gotischer Abstammung in Al Andalus erwähnt werden. Es gab ja nicht mal eine arabische Kontinuität.

Zur Zeit der Reconquista erfolgte eine Rückbesinnung auf das Reich der Westgoten, woraus die christlichen Könige unter anderem die Legitimation zur Rückeroberung bezogen und die unter dem Schlagwort "Neogotizismus" bekannt ist.
 
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