Die Zeit nach Augustus und der Cäsarenwahnsinn in der julisch-claudischen Dynastie

BerndHH

Aktives Mitglied
Guten Morgen,


ich zitere aus dtv-Atlas zur Weltgeschichte. Band 1. 13. Auflage 1977:


Die julisch-claudische Dynastie
14-37 Tiberius. Übertragung der Beamtenwahl vom Volk auf den Senat. Meuterei der Legionen in Pannonien und am Rhein wird durch Germanicus niedergeworfen. Er unternimmt einen
14-16 Feldzug gegen die Germanen, dessen Fortsetzung wegen zu hoher Fortsetzung wegen zu hoher Kosten abgebrochen wird. Kriege der Germanen untereinander.
22-31 Einfluss des selbstsüchtigen Prätorianerpräfekten Sejan, der die Garde in ein Standlager am Stadtrand Roms verlegt. Seine Anklagen führen zu Majestätsprozessen, Hinrichtungen und Selbstmorden. Der verbitterte Tiberius zieht sich nach Capri zurück.
31 Sturz und Hinrichtung des Sejan als Verschwörer, doch weitere Prozesse
37 Tod des Tiberius in Misenum
37-41 Caligula (Soldatenstiefelchen) = Gaius Cäsar Germanicus. Er schafft die Majestätsprozesse ab und läßt das Volk wieder den Magistrat wählen. Das augusteische Prinzipat wird in ein hellenistisches-orientalisches Gottkönigtum (Cäsar und Gott) umgewandelt: Einführung des orientalischen Kaisers (Caligula fühlt sich als Alexander, Cäsar und Gott). Schau-Feldzüge gegen Germanien und Britannien.
41 Ermordung des Caligula durch den Prätorianerpräfekten Cassius Charea
41-54 Claudius. Rückkehr zur augusteischen Tradition (geordnete Verwaltung), doch Ausbau der Hofämter mit kaiserlichen Freigelassenen (Narcissus). Großer Einfluß der Frauen (welche sind gemeint: Agrippina, Messalina und Poppaea).
54 Ermordung des Claudius durch Agrippina, deren Sohn den Thron besteigt.
54-68 Nero Claudius Cäsar. Die ersten Regierungsjahre unter dem Einfluß des Philosophen Seneca und des Prätorianerpräfekten Burrus sind für Rom glücklich.
Die Ermordung des Britannicus, seiner Mutter Agrippina, seiner Gattin Octavia und des Burrus, sowie die wiedereingeführten Majestätsprozesse (62) und der Brand Roms (64) lassen die Regierung Neros zu einer reinen Willkürherrschaft ausarten (Cäsarenwahnsinn).

Ich weiß, es ist eine sehr lange Zeitspanne aber anscheinend auch eine ziemlich verrückte und blutrünstige Zeit, wenn man bestimmten Quellen trauen darf.

Bestimmte Details, die von einigen Chronisten überliefert wurden, sind vielleicht in ihrer sensationalistischen Darstellung nicht besonders glaubwürdig. Die Endzeit des Tiberius in seiner „Lustgrotte“ in Capri, den ausgelebten Perversitäten eines Greises mit Sklavinnen, Sklaven, Säuglingen alles in einem Stil, der bei genauerer Bertrachtung als wenig realistisch erscheint.

Dann Caligulas Herrschaft als wilde Raserei. Die Demütigung von Patrizierfrauen, die auf dem Palatin der Palastprostitution ausgeliefert wurden, perverse Orgien, das Pferd „Incitatus“ zum Hohepriester ernannt und eine Reihe anderer Scheußlichkeiten.

Das alles würde nicht ins öffentliche Bild der Würde des Römischen Imperiums passen, wenn ein Kaiser nackt herumrennt und den Palatin in ein Bordell und Orgienhöhle verwandelt.

Nach meinem Verständnis passt das absolut nicht zur Würde des Amtes zusammen, denn ein Kaiser muss schließlich auch die Macht Roms repräsentieren.

Daher gehe ich auch mit der Meinung jüngerer Historiker einher, die diese Darstellung für eine Diffamierung des Caligulas halten. Caligula – Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Caligula#Caligula-Rezeption

Doch eventuell ein Fünkchen Wahrheit könnte eventuell doch darin stecken?!?

In den 1970er Jahren wurde auch tatsächlich noch an diesem Bild der Antike geglaubt und mit jenen unsäglichen italienischen Sex- und Exploitationsfilmen eines Tinto Brass & Co. über die Abartigkeiten von Caligula, Agrippina, Messalina und Poppaea sensationsheischend überzeichnet. Gut, eine Sache ist, was sich hinter verschlossenen Palastmauern auf Privatparties stattfindet, eine andere jedoch das Bild in der Öffentlichkeit – oder Letzteres spielte vielleicht für die Herrschenden keine Rolle. Warum auch? Sie waren ja sowieso Gottkönige und konnten ungestraft und ungehindert machen was sie wollten.

Was also geschah genau in der beschriebenen Zeit von Tiberius bis Nero (14-68)? Augustus hat seinen Nachfolgern doch ein relativ stabiles Reich überlassen, welches an seinen Außengrenzen nicht mehr die ganz großen Bedrohungen abwehren musste, wie zu anderen Epochen. Das Römische Reich also in der Blüte seiner Macht mit einem Maximum an Stabilität und Wohlstand (zumindest für die Eliten).

Muss man das Sittengemälde vielleicht anders darstellen?

Oder litt die julisch-claudische Familie tatsächlich unter einer vererbten Schizophrenie mit sadistischen Elementen, die bei bestimmten Familienmitglieder mit voller Wucht zum Ausbruch kam?

Oder war es einfacher Größenwahn seit Caligula, der sich anscheinend als Gott und Cäsar in einer Person definierte, und keine Schranken seiner Handlungen mehr kannte. Er hätte vielleicht ewig so weitermachen können, wenn er die Prätorianer, die „Königsmacher“ vielleicht besser behandelt hätte.

Interessant ist auch der beschriebene Einfluß bestimmter Frauen im Umfeld des Königshauses, die in jener Zeit auf einmal als mächtige Matriarchinnenn auftraten. Sie selbst konnten ja keine ♀ Cäsarinnen werden, also wollten sie mit allen Mitteln (Giftmord etc.) durchsetzen, dass ihre Lieblinge und Erstgeborenen die Thronfolge geebnet bekamen.

Rom in der Zeit seiner größten Machtfülle. Eigentlich könnte man naiverweise erwarten, dass Augustus Erbe mit Gerechtigkeit und Güte verwaltet würde, allein um den Glanz des Augustus weiterzuführen oder sogar noch zu mehren?

Majestätsprozesse etc. all das passt nicht so recht zusammen.

Was hindert einem Cäsar daran, die Prätorianergarde mit Gold zu überschütten, um sich deren ewige Loyalität zu bewahren und dann mit ruhiger Hand das Imperium zu verwalten?

Oder hatten einzelnen Mitglieder der julisch-claudischen Familie tatsächlich ein gravierendes psychisches Problem, dass sie diese Machtfülle nicht verkraften konnten?

Möglíche Erklärung: das Imperium wird von anderen Personen verwaltet und der Cäsar konnte sich in seinen Hofstaat zurückziehen, um dort nur noch seinen Trieben nachzugehen?

Vielleicht kann das jemand von Euch einordnen?


Viele Grüße
 
Zusatz: wie ist es zu erklären, dass ein Kaiser die bedingungslose Gefolgschaft der Prätorianergarde erhält, die sich selbst als hartes Männerbündnis sehen oder zumindest einen machohaften Korpsgeist genießen, wenn der Kaiser selbst als Transvestit in Frauenkleidung herumläuft, sich "weibisch" verhält, sich hauptsächlich Orgien und Auschweifungen hingibt?
Oder was das eine Art Zeitenwende, dass Caligula auf einmal dieses hellenisch-orientalische Gottkönigtum (woher auch immer dieser Einfluss kam) einführt?

Und dass in einer Welt, wo normalerweise die Sandalen und Speere regieren, "helles Blut auf heißem Sand" etc. Kriegsführer, harte Männlichkeit, Mannbarkeit in der Schlacht mit den Barbaren beweisen.
Wie können sie dann einen Caligula akzeptieren, respektieren, der genau das Gegenteil war, obwohl er in seiner Kindheit/Jugend mit eben diesen Soldatenstiefeln spielte, die ihm seinen Beinamen gaben.

Vielleicht war es seine Gegenreaktion, als er dann endlich an der Macht war, allein seine Triebe als Gottkaiser ausleben zu dürfen. Seine Herrschaft dauerte ja auch nur vier Jahre.
 
WP relativiert das Ganze im Artikel Cäsarenwahnsinn.
Im Falle von Caligula könnte die diffamierende Darstellung des Herrschers als Legitimation eines "Tyrannenmordes" hergehalten haben.
 
Vielleicht doch etwas zu viel Tinto Brass geschaut?

Erst schreibst du "Ich glaube ja auch nicht daran, er wurde sicherlich diffamiert", um dann auf den sonderlichsten Vorwürfen herumzureiten und dich daran zu ergötzen.

Caligula ist mit Sicherheit nicht permanent in Frauenkleidung herum gelaufen und hat sich nicht nur sexuell betätigt, auch wenn der renommierte Historiker Brass das behauptet.

Sein Regierungsstil weicht nicht so sehr von der des Tiberius ab, er schaffte ja zunächst dessen Majestätsprozesse sogar ab.

Nach der Regierungszeit des Augustus, welcher unantastbar war (vor allem nachdem Augustus die Opposition brutal ausgeschaltet hatte), fanden unter Tiberius und Caligula heftige Machtkämpfe mit der senatorischen Oberschicht statt, unter deren Hintergrund die meisten Aktionen zu sehen sind.

Ansonsten muss man sich nicht zu voyeuristisch an den ihm unterstellen Handlungen abarbeiten. Dass er ein zynischer, brutaler, wohl auch manchmal sadistischer Machtmensch war, ist in einer solchen Zeit nicht so ungewöhnlich.
Der Begriff "Caesarenwahn" stammt dagegen aus dem 19. Jahrhundert und war indirekt auf Wilhelm II gemünzt.

Eigentlich könnte man naiverweise erwarten, dass Augustus Erbe mit Gerechtigkeit und Güte verwaltet würde, allein um den Glanz des Augustus weiterzuführen oder sogar noch zu mehren?

Stammt dieses Bild des "guten Königs" Augustus nicht aus Grimms Märchen? Auch Augustus wurde als Gott verehrt, er war ebenfalls ein brutaler Machtmensch und Massenmörder. Attribute wie "Gerechtigkeit und Güte" sind hier eher fehl am Platze.
 
Hi Stilicho,
nein aber ich denke, dass vielleicht nicht alles aus den Fingern gesogen ist. Von den Machtkämpfen der senatorischen Oberschicht wusste ich bislang nichts, da ich annahm, dass diese seit dem Prinzipat des August entmachtet wurde. Aber okay, man lernt ja nie aus.
Den propagandistischen Hintergrund des Begriffes "Caesarenwahn" habe ich im WP-Artikel jetzt auch verstanden.
Stammt dieses Bild des "guten Königs" Augustus nicht aus Grimms Märchen? Auch Augustus wurde als Gott verehrt, er war ebenfalls ein brutaler Machtmensch und Massenmörder.
Ich denke da missverstehst Du mich. Mein Ansatz ist, dass ein gefestigtes Reich an den Außen- wie auch Innengrenzen eben nicht unbedingt diese Auswüchse fördern müsste. Man spricht ja auch von der "spätrömischen Dekadenz" aber vielleicht hat sich nach Augustus Tod ja auch eine Art "Zeitenwende" ereignet.
Aber woher kommt auf einmal dieses sogenannte hellenistische-orientalische Gottkönigtum (Cäsar und Gott)? Das muss ja irgendwo seinen Ursprung genommen haben.
Es wird berichtet, dass Caligula nach einer Krankheit einer radikalen Wesensveränderung unterlaufen war und er seitdem verändert auftrat. Waren es irgendwelche Hohepriester aus dem Osten, die Einfluß auf ihn nahmen. Darauf wird aber nicht näher eingegangen.
Ich denke, zumindest ein Fünkchen Wahrheit wird dabei gewesen sein.
 
Man spricht ja auch von der "spätrömischen Dekadenz" aber vielleicht hat sich nach Augustus Tod ja auch eine Art "Zeitenwende" ereignet.

Was für eine Zeitenwende? Also doch Augustus als "guter König" ?
Und mit der "spätrömischen Dekadenz" sind wir in Geschichtsszenarien, die wir doch längst überwunden hofften.
 
Okay, nach meinem bisherigen Wissensstand, das Augusteische Zeitalter des Römischen Imperiums und alles, was danach kam, als Niedergang der Sitten, Änderung der Machtpolitik ins Despotische, Tyrannei, Willkür und beschriebene plakative Auswüchse.
Es ist ja kein Zeichen von Stärke, wenn sich ein Lustgreis in seine Liebesgrotte nach Capri zurückzieht und einem Sejan in Rom die Amtsgeschäfte überlässt. So zumindest das überlieferte Bild. Es kann ja gut sein, dass die Realität eine ganz andere war.

Aber gut, das war mein bisheriger Wissenstand, vielleicht noch die allgemeine Denke aus den 1970er Jahren. Anscheinend wird das heute differenzierter gesehen.
Ich lass mich da wirklich sehr gerne belehren und mich kritisch mit dem herkömmlichen Geschichtsbild auseinandersetzen.
 
Bei Tiberius ist es kein Zufall, dass er eigentlich die vierte oder fünfte Wahl des Augustus als Nachfolger war.
An seiner Eignung scheint es von jeher Zweifel gegeben zu haben, seine Regentschaft war wenig inspiriert, und mit Ende sechzig zog er sich nach Capri zurück und überließ die Herrschaft seinen Vertrauten. Ein Rücktritt war damals nicht vorgesehen.
Was er auf Capri in seinem Privatleben tat oder nicht tat sollte kaum eine Rolle spielen bei der Bewertung als Herrscher des Römischen Reiches. Kein Grund sich da effekthaschend darauf zu stürzen.
 
Dann Caligulas Herrschaft als wilde Raserei. Die Demütigung von Patrizierfrauen, die auf dem Palatin der Palastprostitution ausgeliefert wurden, perverse Orgien, das Pferd „Incitatus“ zum Hohepriester ernannt und eine Reihe anderer Scheußlichkeiten.

Das alles würde nicht ins öffentliche Bild der Würde des Römischen Imperiums passen, wenn ein Kaiser nackt herumrennt und den Palatin in ein Bordell und Orgienhöhle verwandelt.

Nach meinem Verständnis passt das absolut nicht zur Würde des Amtes zusammen, denn ein Kaiser muss schließlich auch die Macht Roms repräsentieren.

Daher gehe ich auch mit der Meinung jüngerer Historiker einher, die diese Darstellung für eine Diffamierung des Caligulas halten. Caligula – Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Caligula#Caligula-Rezeption

Doch eventuell ein Fünkchen Wahrheit könnte eventuell doch darin stecken?!?

Puh... wo fange ich da an, wo höre ich auf.

Wenn Dich das wirklich interessiert, empfehle ich Dir das Büchlein "Caligula" von Aloys Winterling. Das rückt schon mal rund 3/4 der Caligula Legenden zurecht.

Aber grob umrissen...

Augustus beherrschte perfekt das Schauspiel "ich bin Kaiser und habe die Macht, aber wir tun so, als hätte der Senat die eigentliche Macht". Ob die letzten Worte Augustus tatsächlich von ihm kamen oder ob schon dem Schreiber der Biografie dieses Schauspiel klar war, weiß man nicht. Aber an den letzten Worten des Augustus "Hat das Ganze Euch gefallen, nun so klatschet Beifall unserem Spiel, und entlasst uns alle mit Dank." (Sueton, Augustus 99) kann man das Ganze (Spiel) gut erkennen. Augustus beherrschte eben wie kein anderer diese Heuchelei und Kommunikation zwischen ihm, dem Senat und dem römischen Adel.

Aber das ist eben nicht jedermanns Sache. Es war nicht Tiberius Sache charakterlich und es war nicht Caligula Sache.

Tiberius war generell Menschenscheu und eher ein Menschenfeind und diese Heuchelei und dieses Spiel ging ihm "auf den Sack" - so dass er die Regierungsgeschäfte anderen überlies und sich nach Capri zurück zog. Und da die Kommunikation mit dem Senat und der Oberschicht deutlich schlechter war als ggü. zu Augustus Zeiten - ist doch logisch, dass dann üble Verleumdungen und Gerüchte aufkommen. Wenn ein Kaiser sich auf Capri die ganze Zeit verzieht - ist doch logisch dass Adel und Volk sich das Maul zerreißen. Ist heute nicht anders wie damals bei Gerüchten.

Caligula war anfangs zu seiner Regierung da ganz anders und war bereit das Schauspiel nach Manier des Augustus fortzuführen. Logisch - die Frage ist - wie gut man dazu begabt ist (wie Augustus) oder eben nicht. Als Problem wird ja immer die schwere Erkrankung des Caligula aufgeführt, welche zu seinem Wahnsinn geführt haben soll. Allerdings gab es vor seiner Erkrankung eine größere Verschwörung gegen Caligula. Und da liegt m.E. auch das eigentliche Problem.

Caligula war bereit das Verhältnis zum Senat und zum Adel wieder zu verbessern - und wie dankt man es ihm? Man trachtet ihm nach dem Kaiserthron und dem Leben! Und das zweite Problem - die Verschwörung kam auch noch aus den Reihen der teils engsten Vertrauten / Familie! Das muss eine mega Enttäuschung für den jungen Kaiser gewesen sein. Und dann wendete sich auch das Blatt.

Caligula mag gedacht haben - Tiberius mochten sie nicht, da er kein Schauspiel spielte - ich habe versucht wieder ein gutes Verhältnis zum Senat herzustellen - aber sie danken es mir mit einer Verschwörung - dann könnt ihr mich mal! Dann eben auf anderem Wege!

Also nochmals - die antiken Autoren berichten eindeutig von einer tollen Anfangszeit des Caligula. Und in mitten dieser Anfangszeit kommt es zu einer heftigen Verschwörung, die den Tod des Caligula bezweckt. Im Nachhinein ist es für mich klar, dass die Geschichtsschreiber den Wendepunkt in seiner Erkrankung sehen. Denn ansonsten hätte der römische Adel ja schreiben müssen "Caligula ist hoffnungsvoll in seine Regierung gestartet, aber dummerweise haben sich Teile der Familie und des Adels gegen ihn verschworen" - also wäre der Adel selbst an der Wendung schuld. Da hört sich die Krankheit doch viel besser an.


Und dann began Caligula dieses hinterlistige Spiel des Adels und des Senates zu hassen. Aber wer mag es ihm verdenken, wenn dieser Stand gerade seinen Tod versucht hatte?!

* Das Pferd zum Senator war kein Akt des Wahnsinns, sondern sollte den Adel bloß stellen.

* Dass er zu Lebzeiten bereits als Gott sich verehren lies, war als erstes übrigens auch die Idee eines Senats Mitgliedes. Das "irre" war nämlich, je mehr Caligula den Adel demütigte, desto mehr krochen sie dem Kaiser in den Hintern! Und je mehr sie ihm in den Hintern krochen, desto mehr verabscheute er ihre Unterwürfigkeit. Und so drängten hohe Personen den Caligula zu einem Gott - und Caligula "verarschte" sie noch mehr damit.

* Das Bordell in seinem Palast waren in Wirklichkeit "Geiseln" der Töchter und Söhne von hochgestellten römischen Adeligen als Sicherheit. Und dann gab es von Caligula eben die Drohung, dass es in seiner Macht stünde diese Geiseln jederzeit zu "missbrauchen". Daraus wurde dann das Bordell.

Im Endeffekt war es ein nicht mehr auf zu haltender Kreislauf zwischen "Popo - Kriecherei" des Senates und dem Adel und einem Caligula, der je mehr sie kriechten, sie umso mehr verachtete und noch mehr erniedrigte. Übrigens war Caligula nicht alleine - es gab eine Menge an Opportunisten, welche da fleißig Caligula unterstützten und so die Stunde der Zeit nutzten unbeliebte Gegner los zu werden. Auch das wusste Caligula - und deswegen traute er am Ende weder seinen Gegnern noch seinen "Freunden" (die jederzeit bereit waren Dinge zu erfinden um andere los zu werden).


Eine Geisteskrankheit sehe ich daher gar nicht.

Augustus Regierung hat nur so lange überlebt, weil zu dieser Epoche der Kaiser und der Adel bereit waren ein Schauspiel zusammen einzugehen und auch beide Seiten das Spiel perfekt beherrschten. Zu Caligula Zeit (vielleicht auch durch die Regierung des Tiberius bedingt) konnte von beiden Seiten dieses Schauspiel nicht mehr aufrecht erhalten werden. Es war eigentlich klar - dass diese Art der Regierungsart irgendwann in sich zusammen fallen muss. Und zur zeit des Caligula implodierte dieses System eben.

Aber "Fehler" wurde da von beiden Seiten gemacht - vom Kaiser Caligula - und vom Senat und Adel. Und dabei hat sich die Spirale der Gewalt, Demütigungen und Erniedrigungen immer weiter nach oben geschaukelt und keiner der beiden Seiten hat es aufhalten können. Nur nach dem gewaltsamen Tod des Caligula brauchte man eine Rechtfertigung für den Tyrannen Mord - zudem wollte man von Seiten des Adels die Schuld für diese Regierungsphase von sich weisen. Daher war Caligula aus Sicht der Aristokratie eine Bestie und an allem alleine Schuld. Und als Erklärung diente vortrefflich - er war doch ein so hoffnungsvoller Kaiser am Anfang - also ein so toller Mensch eigentlich. Und dann kam die Krankheit. Und der Wahnsinn.
 
Vielen herzlichen Dank für die Darstellung der Ränkespiele zwischen Cäsar, Senat und Adel mit ihren wechselseitigen Abhängigkeiten!!! Das ist wirklich sehr lesenswert.

Die alte Mär, dass Caligula in der Abgeschiedenheit Capris vom dahinsiechenden aber immer noch aktiven Tiberius eine Lektion in Sachen menschlicher Grausamkeit und Perversität gelernt hat, die seinen weiteren Werdegang beeinflusst hatte, ist also grundfalsch. Eine Lektion in Sachen menschlicher Anatomie, schließlich konnte man mit Sklaven machen, was man wollte. Die alte Schauergeschichte, dass Sklaven in kleine Stücke gehackt und dann an Muränen verfüttert wurden klingen auch als völlig abwegige Spinnerei. Aber von diesen Geschichten gibt es noch jede Menge. Ich will das auch lassen und nicht darauf festgenagelt werden.

Aber sind das die Geschichten, die Senatoren und die Schreiber aus ihrem Lager verbreiten ließen, um den Cäsar zu entmenschlichen, zu diffamieren und als Scheusal darzustellen. Damit auch seinen Tod zu legitimieren - das klingt vernünftig. Man musste Rom von der Bestie befreien.

Nach nur vier Jahren der Herrschaft fand Caligula den Tod durch die Hand der Prätorianergarde. Initiator war ihr Offizier Cassius Chaerea, wobei die Verschwörung von einem Teil des Senatorenstandes und anderen einflussreichen Persönlichkeiten am Kaiserhof mitorganisiert wurde. Antike Todesdarstellungen sind üblicherweise stark stilisiert: Laut den antiken Berichten erfolgte das Attentat im unterirdischen Korridor eines Theaters, wobei Caligula nach der Art einer rituellen Opferung abgeschlachtet wurde, um so den Personenkult des Caligula in einer symbolischen Rollenumkehrung zu vergelten.
 
Gut ich hab jetzt verstanden, dass sich hinter all den Schauermärchen mit hoher Wahrscheinlichkeit Propagandaversatzstücke verbergen, um den Herrscher im schlechtmöglichsten Licht darzustellen.
 
Eine Lektion in Sachen menschlicher Anatomie, schließlich konnte man mit Sklaven machen, was man wollte. Die alte Schauergeschichte, dass Sklaven in kleine Stücke gehackt und dann an Muränen verfüttert wurden klingen auch als völlig abwegige Spinnerei. Aber von diesen Geschichten gibt es noch jede Menge. Ich will das auch lassen und nicht darauf festgenagelt werden.

Sadisten gab es natürlich zu jederzeit in der Menschheitsgeschichte. Es mag in der ganzen antiken Welt sicherlich - wie heute - bestialische Menschen gegeben haben. Und natürlich hatte es in dieser damaligen Zeit ein Sadist einfacher seinen Neigungen freien lauf zu lassen - weil ein Sklave eben einfach auch umgebracht werden konnte. Heute ist sowas Mord - früher vielleicht höchstens Sachbeschädigung. Aber ich denke auch so etwas war eher wie heute die seltene Ausnahme. Sklaven waren teuer. Einen Ruf hatte man auch zu verlieren. Daher dürften solche sadistischen Taten nicht viel öfter als heute vorgekommen sein.

Aber solche Mythen halten sich auch über die Gladiatoren - die haben sich auch alle umgebracht laufend. Die Wahrheit ist - so oft wie in den Filmen gezeigt oder woanders berichtet wird - wurde gar nicht gemeuchelt. Auch hier gilt - Gladiatoren waren teuer, die Ausbildung lang und extrem teuer - die Kämpfer hat man nicht andauernd sich gegenseitig umbringen lassen.


Die alte Mär, dass Caligula in der Abgeschiedenheit Capris vom dahinsiechenden aber immer noch aktiven Tiberius eine Lektion in Sachen menschlicher Grausamkeit und Perversität gelernt hat, die seinen weiteren Werdegang beeinflusst hatte, ist also grundfalsch.

Caligula hatte gar nicht so viel Zeit zu lernen - der musste eher um sein Leben fürchten. Mehr als einmal entging der junge Caligula dem Tode durch Tiberius. Wenn Caligula etwas gelernt hat in der zeit auf Capri, dann eher wie man es anstellt zu überleben und nicht wie der Rest der Verwandtschaft und Familie zu enden.
 
Bei einer Sache muss ich Dir allerdings widersprechen.
Seneca spricht in seinen Briefen an Lucilius vom Töten aus Zeitvertreib. Seneca: Epistulae Morales – Epistula 7 – Übersetzung | Lateinheft.de Seneca: Epistulae Morales – Epistula 7

Casu in meridianum spectaculum incidi, lusus exspectans et sales et aliquid laxamenti quo hominum oculi ab humano cruore acquiescant. Ich bin durch Zufall in die Mittagsvorstellung geraten, wo ich Späße, Witze und andere Erholungen erwartete, durch die Augen der Menschen vom menschlichen Blutvergießen zur Ruhe kommen sollen.
Mane leonibus et ursis homines, meridie spectatoribus suis obiciuntur. Am Morgen werden die Menschen durch Bären und Löwen getötet, am Mittag werden sie den Zuschauern vorgeworfen.
Quare tam timide incurrit in ferrum? quare parum audacter occidit? Quare parum libenter moritur? Plagis agatur in vulnera, mutuos ictus nudis et obviis pectoribus excipiant.Wodurch rennt er so furchtsam ins Schwert? Wodurch tötet er so wenig kühn? Wodurch stirbt er so wenig gern? Durch Schläge soll er seinen Wunden entgegen getrieben werden, sie sollen die wechselseitigen Schlägen mit nacktem und sich willig darbietendem Körper empfangen.“
Intermissum est spectaculum: ‚interim iugulentur homines, ne nihil agatur‘.Das Schauspiel wird unterbrochen: „Inzwischen sollen den Menschen die Kehlen durchgeschnitten werden, damit nichts passiert.“

Also Seneca spricht explizit davon, dass Menschen zur Volksbelustigung in der Arena starben und als Pausenfüller sogar als reines Abschlachten wehrloser Menschen.
Aber das spricht ja wiederum dafür, dass man teure Gladiatoren und damit Volksidole eher schonte und vielleicht die No-Names niedermetzelte, damit der Blutdurst des Publikums gestillt wurde.
 
Man muss das aber auch vorsichtig in der Menge der Masse behandeln. Natürlich - jeder unsinnig in der Arena getötete Mensch ist einer zuviel! Keine Frage.

Aber auch hier habe ich mal von 300.000 getöteten Menschen über alle Jahre im Kolosseum gelesen. Ein anderer Artikel schreibt 400.000 Artikel - und dann hatte ich mal in einem weiteren Artikel bereits von 500.000 Menschen gelesen. Da wird im Laufe der Zeit sich immer mehr überboten. Historiker halten aber alle Zahlen von 300.000 bis 500.000 viel, viel zu hoch geschätzt.

Und natürlich muss man auch hier bedenken - man hat sich nicht einfach Skalven oder irgendwelche Unfreien von der Straße geschnappt und gesagt "ach haben gerade Bock drauf - los kämpft mal bis zum Tode". Das waren dann schon Menschen, welche etwas auf dem Kerbholz hatten (aus Sicht der Römer). Was die Sache natürlich per se nicht besser macht.

Aber dieses Bild eine Kaisers oder von Senatoren die bewusst sagen "ich bin pervers - mich erregt das, wenn sich Menschen abmeucheln - also machen wir deswegen die Spiele" ist wieder so eine Hollywood Sache - wenn ein sabbernder lüsterner debiler Kaiser dargestellt werden soll.

Ja die Menschen starben. "Aber" die Kämpfe gegeneinander waren meist eher Darstellungen. Da kämpften römische Legionen gegen die Germanen oder gegen die Karthager. Da wurden siegreiche Schlachten des Kaisers nachgestellt. Am Ende starben dabei die Gruppen die sich gegenüber standen - aber der Zuschauer empfand da eher Interesse einen Kampf live nachgestellt zu sehen - als die pure Gier die niedrigen Empfindungen nachzugehen. Wie geschrieben - Schlachten oder alte antike Sagen wurden sehr gerne nachgestellt. natürlich "naturgetreu" dann mit Toden am Ende. Und dazu nahm man dann eben diejenigen oft - die eh zum Tode verdammt waren.

Auch die im Film immer dargestellten massenhaften Christenverfolgungen haben so in der Menge nie statt gefunden.

Ich weiß die Stelle gerade nicht - müsste ich suchen - es gibt sogar einen schriftlichen Bericht wie sich das römische Publikum beschwerte als man "verurteilte" Christen / Andersgläubige einfach so in die Arena führte und tötete - und dies dem Publikum gar nicht gefallen hatte. Also war "einfaches abschlachten" im Volk nicht beliebt - da musste schon ein "Sinn" dahinter sein (Darstellung eines Heldenepos, Darstellung einer Schlacht etc.).


Ich will das nicht verharmlosen. Aber viele Berichte über Kaiser, Gladiatoren, Arenen und Anderem sind in Film und Reportagen oft ebenso eintönig gefärbt und voller Mythen - wie das ach so dunkle schmutzige ewig regnerische nie Sonne scheinende Mittelalter das anscheinend nur aus hysterisch gläubigen Mönchen, armen Bauern und Rittern bestand und sonst nichts.
 
Die Endzeit des Tiberius in seiner „Lustgrotte“ in Capri, den ausgelebten Perversitäten eines Greises mit Sklavinnen, Sklaven, Säuglingen alles in einem Stil, der bei genauerer Betrachtung als wenig realistisch erscheint.
Grundsätzlich ist alles, was die menschliche Phantasie sich ausdenken kann und was nicht den Naturgesetzen widerspricht (und damit ist nicht etwa etwas ‚widernatürliches‘ im Sinne der Perversion gemeint, sondern ausschließlich naturwissenschaftlich definierte Naturgesetze), möglich. Man muss nur aufmerksam die Nachrichten zu diversen „Missbrauchskomplexen“ zu verfolgen, da sieht man, dass diese Dinge vorkommen. Das heißt nicht, dass Tiberius sich solcher Dinge schuldig gemacht hat, sondern lediglich, dass sie eben nicht vollkommen abwegig sind. Man müsste schon begründen, warum diese Dinge heute hunderttausendfach vorkommen, in der Antike aber nicht.
 
Bei Tiberius ist es kein Zufall, dass er eigentlich die vierte oder fünfte Wahl des Augustus als Nachfolger war.
An seiner Eignung scheint es von jeher Zweifel gegeben zu haben, ...
Glaube ich nicht.
Natürlich waren zunächst sukzessive Agrippa und dessen Söhne Gaius und Lucius verstorben. Und auch Drusus, der ältere Bruder von Tiberius, hätte wohl, wäre er nicht 23 Jahre zu früh verstorben, eher Zugriff auf den Thron gehabt (auch wenn wir freilich das wechselhafte Lebensglück von Tiberius kennen und nicht wissen, ob es bei Drusus nicht ähnlich wechselhaft gewesen wäre, ohne seinen tödlichen Unfall). Dennoch wurde Tiberius immer dorthin entsandt, wo es gerade brannte. Das Verhältnis zwischen ihm und Augustus mag nicht das beste gewesen sein, aber ich habe keinen Zweifel daran, dass Augustus an seiner Eignung keine Zweifel hatte. Immerhin vermachte er ihm auch 2/3 seines Vermögens. Dass ein mutmaßlich depressiver Tiberius sich später isolierte, steht auf einem anderen Blatt.
 
Drusus war Tiberius' jüngerer Bruder, wurde aber dennoch bevorzugt.

Bei den Militäraktionen des Tiberius ist zu hinterfragen, in wie weit sie der Phantasie des Velleius entsprangen, also Propagandamaßnahmen waren, um Tiberius aus dem Schatten des Drusus zu holen.
Den "immensum bellum" hat es eventuell nie gegeben.
 
Zurück
Oben