Die Zunftwirtschaft

Miyu

Mitglied
Hallo alle zusammen,

momentan beschäftige ich mich mit dem Mittelalter und bin gerade auf ein paar Infos über die Zunftwirtschaft gestoßen, die euch vielleicht interessieren könnten. Ich hab die Suchfunktion schon benutzt, ob dieses Thema schon mal diskutiert wurde, habe aber nichts gefunden. Und wenn es doch schon mal zur Sprache gekommen sein sollte, dann ignoriert es einfach. Ist ja von meiner Seite aus nur als Information für euch gedacht, da solche Fragen auch gerne in Fächern wie Sozialkunde, Geschichte und Wirtschaft gestellt werden. Außerdem bin ich der Meinung, dass man speziell zu diesem Thema im Internet wenig bzw. nur schwer etwas findet.
Vielleicht kann ja der eine oder andere was damit anfangen:

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Die Zunftwirtschaft

Seit 1200 entstand in Europa eine Städtelandschaft. Die Städte waren damals nicht viel mehr als Handelsplätze, die als Treffpunkte und Zwischenstationen dienten.

Die mittelalterliche Wirtschaft war mit der Vorstellung einer gerechten Ordnung nach christlicher Ethik verbunden. Wirtschaft, politik und Religion wurden damals als untrennbar angesehen.
Geld war nur als Tauschmittel zugelassen, das Erheben von Zinsen galt als Sünde.

Standesgemäße Organisationen waren die Handwerkszünfte (für die Handwerker) und die Gilden (für die Kaufleute).

Diese hatten eigene Zunftordnungen. Darin waren Arbeitszeit, Zunftgericht, Ausbildung etc. festgelegt. Sie hatten ihre eigenen Bräuche, Traditionen, Berufsvorschriften und Aufsichtsrechte.
Ziel dieser Organisationen war, dass in einer Stadt nur eine bestimmte Anzahl von Handwerkern zugelassen werden konnte. Somit gab es keine Berufs- und Gewerbefreiheit.
Vorteile dieser Organisationen:
- standesgemäße Einkommen für Meister, da wenig Konkurrenz
- angemessene Preise für die Verbraucher, zeitweise auch Güterkontrollen
- Produktionskontrollen
- teilweise Unterstützung von wirtschaftlich schwachen Zunftgenossen

Allerdings gab es aber auch große soziale Unterschiede zwischen den Zünften.

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LG
miyu
 
Ich hatte vor längerer Zeit auch mal was dazu zusammengeschrieben.
Vielleicht hat der ein oder andere ja interesse daran.

Durch das Wachstum der Städte im Mittelalter und die dadurch verbundene Nachfrage an Waren schlossen sich Handwerker zu Zünften zusammen. Ihnen standen Zunftmeister vor. Da Zunftzwang herrschte, man also in der Zunft organisiert sein musste, wenn man in der Stadt einen Betrieb eröffnen wollte, gelang es den Zünften, die Zahl der Zulassungen zu begrenzen und so die Konkurrenz einzuschränken. Auch Werbung gab es nicht.

Die Mitglieder der Zünfte wohnten meist in eigenen Vierteln der Stadt. Dadurch wollte man erreichen, dass durch die bei einigen Handwerken entstehende Belästigung, z. B. Gerber, nicht die ganze Stadt stinkt. Zum Teil war es auch so, dass sich die Handwerker um den Wasserlauf des Ortes ansiedelten, weil sie dies für ihr Handwerk benötigen. Das beweisen heute noch die Straßennamen wie Webergasse, Bäckergasse oder Brunnengasse.

Durch die Bildung der Zünfte wurde die Feudalherrschaft abgelöst und die Zünfte gewannen an politischer Macht hinzu. Die Zünfte stellten Regeln und Vorschriften für ihre Gemeinschaft auf, die u.a. darin bestanden, Wachen (dadurch waren die Zünfte auch die Feuerwehr des Mittelalters) zu stellen. Weiterhin bestanden Regelungen für Zunftgebäude, Qualitätsbestimmung, Produktionsmenge, Preisniveau, Arbeitszeitregelung, Ausbildung von Lehrlingen, ausreichende und gesicherte Einkünfte, Schutz vor Konkurrenz, Sicherheit im Alter, fachliche Anerkennung. Des Weiteren sollte der Verkauf von importierten Waren verboten werden.

Jeder sollte die gleichen Chancen besitzen. Keine Zulassung von Konkurrenz außerhalb der Zünfte. Erreicht wurde dies auch durch einen Zunftzwang, der ganz klar im Gegensatz zur Gewerbefreiheit stand. Ein Geschäft, das sich nicht der entsprechenden Zunft unterordnete, konnte nicht überleben: Waren ohne Zunftstempel durften nicht in der Stadt verkauft werden. Den Meistern gehörten die Werkzeuge, sie hatten die finanziellen Mittel, um das für die Arbeit erforderliche Material zu kaufen. Meistens arbeiteten nur drei bis vier Gesellen oder Lehrlinge in den Handwerksbetrieben. Es waren Familienunternehmen, die Gesellen und die Lehrlinge wohnten im Haus des Meisters. Gesellen durften nicht heiraten.

Nicht jedem gelang es, in die Zünfte aufgenommen zu werden. Geld allein, um sich einzukaufen, reichte nicht immer. Es kam genauso darauf an, welchen Beruf der Vater ausübte. Unehrliche Berufe, wie z. B. der Scharfrichter, hatten nie die Möglichkeit, in eine andere Zunft aufgenommen zu werden. Man konnte die Zunftmitgliedschaft aber auch erben, welches wohl die kostengünstige und einfachste Art war, in eine Zunft zu kommen. Zusätzlich musste man ein Ausbildungszeit von 2 Jahren absolvieren, um den Meisterbrief zu erhalten. Vorzugsweise nahmen die Meister ihre eigenen Söhne in die Zunft auf. Auf diese Weise schafften sie sich unerwünschte Konkurrenz vom Leibe. Deshalb blieben viele Gesellen ihr Leben lang von ihrem Meister abhängig. Gesellen verdienten nur wenig, Lehrling verdienten nichts, bekamen aber Essen und Schlafen frei.
Die Zünfte wurden schnell sehr mächtig, weil sie sich wie eine heutige Gewerkschaft organisierten. Die Zünfte wählten einen Zuftrat, der ihre Interessen verfolgte. In den Städten besassen die Zünfte hohes Ansehen, weil durch ihre Gelder die Stadt an Größe und Ansehen wuchs. Sie bauten oft die öffentlichen Gebäude, Kirchen und Rathäuser.
Durch ihren Einsatz für die Stadt, in der die Zunft beheimatet war, waren diese von der Bevölkerung anerkannt und gewannen, wie oben angesprochen, an politischer Macht. Das spiegelte sich natürlich darin wider, dass Zunftmitglieder mit in den Stadtrat berufen oder gewählt wurden.
Durch das Wachstum der Zünfte und die Ausbreitung dieser auf verschiedene Handwerksbereiche wuchs deren Macht bis hin zur Monopolstellung im Handwerk und Handel. Die Zünfte kontrollierten mit den Gilden die Industrie des Mittelalters.

Die Zünfte hatten strenge Regeln zur Aufnahme, dadurch bildeten sich notgedrungen immer wieder neue Zünfte. Durch die Zunahme an Bevölkerungswachstum wuchs auch das Heer von Arbeitskräften, die die Gründung neuer Zünfte vorantrieben. Dadurch wurden Preise nicht mehr einheitlich geregelt und der Handel um die eigene Rohstoffversorgung nahm zu. Das führte dazu, dass ein Konflikt mit den Gilden vorprogrammiert war.
Die Neugründung von Zünften vollzog sich noch bis in das 17. Jahrhundert. Der Untergang der Zünfte hängt mit verschieden Faktoren zusammen, z. B. der Gewerbefreiheit von 1869 oder die Zunahme der Regierungsgewalt durch die Zünfte und derern Auflehnung gegen die Patrizier.
 
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