Diplomatische Beziehungen zwischen Westdeutschland und der SU warum?

Griffel

Mitglied
Ich habe hier noch ein anderes Thema, dass mich schon immer interessiert hat. Die BRD und die SU.

Klar ist ja, dass die Sowjetunion, zusammen mit den Westalliierten die Siegermächte waren. So weit so gut.:rolleyes: Und dennoch frage ich mich eines immer wieder:

Warum, wolle die UdSSR unbedingt volle diplomatische Beziehungen mit der BRD?
Von meinem Standpunkt aus, hatte die UdSSR, das doch gar nicht nötig?

Als Siegermacht, hatte sie ja sowieso Einflussmöglichkeiten. Nicht zuletzt durch die Schaffung der DDR. Aber insbesondere durch Berlin! Also musste die noch junge westdeutsche Regierung wohl oder übel mit der SU verhandeln. Ob diese das wollte oder nicht! Die Reparationen, hat sich die UdSSR ja von der DDR geholt. Also darum konnte es wohl kaum gehen. Und ich glaube auch nicht, dass die westlichen Alliierten zugelassen hätten, dass die gerade gegründete BRD, sich durch zu große Reparationen ruiniert. Geschweige denn den neuen Feind UdSSR dadurch stärkt. Nicht umsonst, hat man ja in London ein Abkommen ausgehandelt.;)

Spione und Agenten, hatte die UdSSR sowiso genug in der DDR und auch in der BRD! Dazu hätte es also auch keine Botschaft oder Konsulate gebraucht. Was ja einiges an Geld gespart hätte. Und über die Kriegsgefangenen, hätte man auch indirekt verhandeln können.
Es wird immer behauptet, die Heimkehr der 10 000, war ein Glanzstück Adenauers, dass kann man wohl so stehen lassen.

Also noch einmal: Warum hatte die Sowjetunion ein Interesse an direkte Beziehungen zur BRD? Das beide Blöcke sich als Gegener gegenüberstanden, war schon damals klar. Und das bedeutet, dass beide Seiten, nach wie vor Feinde waren. Wieso also, sollte ein Land, ein Interesse daran haben, Beziehungen zu einem Land zu haben, dem es nicht traut?
 
Zuletzt bearbeitet:
Grundsätzlich ist es immer sinnvoll diplomatische Beziehungen zu pflegen, auch zu Ländern, denen man nicht traut. Es gibt immer Dinge, die besprochen werden müssen, und es ist immer hilfreich vernünftige "Kanäle" für solche Diskussionen zu haben anstatt über Mediatoren gehen zu müssen. Beispielsweise pflegt Deutschland mit den meisten Ländern der Welt diplomatische Beziehungen, auch wenn die Bundesregierung längst nicht allen vertraut.

Im Falle der Sowjetunion und Westdeutschlands gab es zudem spezielle Gründe. Westdeutschland hatte ein starkes Interesse an direkten Kontakten zur Sowjetunion. Zwei davon waren die "deutsche Frage", sprich die Teilung, und dann auch die zahlreichen deutschen Kriegsgefangenen, die 1955 noch in der Sowjetunion waren.

Die Sowjets wiederum waren zwischen 1953 und 1955 durch eine Phase des Umbruchs gegangen. Stalin war gestorben, die DDR hatte ihren Aufstand gehabt, der Koreakrieg war zu Ende gegangen und im Inneren der Sowjetunion entstand eine neue Führung um Chruschtschow. In seinen Memoiren vermutete Konrad Adenauer, dass es den Sowjets daher darum ging, etwas Ruhe in die zahlreichen Konfliktherde auf der Welt zu bringen und dazu zählten auch geregelte Beziehungen zum im Westen immer wichtiger werdenden Westdeutschland - gerade souverän und NATO-Mitglied geworden. Laut Adenauer liefen die Verhandlungen schlecht und er ließ die Abreise der westdeutschen Delegation vorbereiten. Die Sowjets bekamen das natürlich mit und boten dann folgenden Deal an: Freilassung aller gefangenen Deutschen in der Sowjetunion gegen die Aufnahme normaler diplomatischer Beziehungen - was Adenauer sofort annahm. Dies spricht daher für Adenauers These, dass es den Sowjets um die Normalisierung der Beziehungen und um die Beruhigung der Krisenherde in ihrer Nachbarschaft ging.
 
Dies spricht daher für Adenauers These, dass es den Sowjets um die Normalisierung der Beziehungen und um die Beruhigung der Krisenherde in ihrer Nachbarschaft ging.

Nein, spricht es nicht. Es ging um den Abschied von der Vorstellung, dass Deutschland vereinigt neutralisiert werden könnte und damit der impliziten Hegemonie der UdSSR unterliegen würde, so die Befürchtungen im Westen. Und es war der Einstieg in die zwei Staaten-Lösung mit der Aufwertung der DDR als in der Bedeutung zunehmender Partner im Ostblock. Dieses unter politischen, wirtschaftlichen und militärischen Gesichtspunkten.

Und es waren wichtige Entscheidungen, die spätere in Richtung Berlin-Blockade etc. erleichtert haben.
 
Die DDR ist aber nicht anerkannt worden im Rahmen dieser westdeutsch-sowjetischen Verhandlungen und diplomatischen Beziehungen. Darauf hatte die westdeutsche Delegation bestanden und die Sowjets hatten das Thema daher ausgeklammert.

Zudem vermute ich, dass Sie sich hier etwas vertippt haben. Die westdeutsch-sowjetischen diplomatischen Beziehungen wurden 1955 aufgenommen. Die Berlin-Blockade fand 1948/1949 statt; ich vermute daher, dass Sie hier etwas verwechselt haben.
 
Zudem vermute ich, dass Sie sich hier etwas vertippt haben. Die westdeutsch-sowjetischen diplomatischen Beziehungen wurden 1955 aufgenommen. Die Berlin-Blockade fand 1948/1949 statt; ich vermute daher, dass Sie hier etwas verwechselt haben.

Gut, unpräzise formuliert. Es ging um die zweite Berlin Krise, was sich aus dem Kontext ergab. Aber es stimmt, die Berlin-Blockade war früher.

Berlin-Krise – Wikipedia
 
Zu diesem Thema, sind mir noch ein paar Punkte eingefallen, über die ich gerne diskutieren würde:
  1. Gemäß dem Abkommen von Potsdam waren die 4 Siegermächte gemeinsam für alles verantwortlich, was mit Deutschland zu tun hatte. Laut eigener Definition. Somit dürfte klar sein, dass auch die USA, GB und Frankreich eine eigene "Meinung" dazu hatten, wenn, Westdeutschland mit der SU diplomatische Beziehungen aufnehmen wollte bzw. sollte. Es liegt daher für mich auf der Hand, dass sich Adenauer, bevor er nach Moskau aufbrach, mit den Westalliierten beraten hat.:rolleyes: Und das heißt auch: Drei Länder gleich drei Meinungen bzw. Punkte, welche die Staaten sicherlich besonders interessiert hat. Ich könnte mir denken, dass man vor allem in Paris wieder das große "Flattern" bekommen hat! War man doch immer schon ängstlich, wenn, sich Deutschland und die SU angenähert haben. Stichwort Rapallo-Komplex.
  2. Es wird immer davon gesprochen, dass die Delegation, die nach Moskau aufbrach, außerordentlich groß gewesen sei. Ich habe da noch was im Gedächtnis von 150 Leuten oder so. Wenn, dies der Wahrheit entspricht, dann frage ich mich natürlich, ob unter diesen Leuten, nicht auch Vertreter, der im Bundestag vertretenen Parteien waren? Immerhin, ging es hier nicht um irgendein Anliegen! Das Schicksal der Kriegsgefangenen war ja damals ganz allgemein wichtig in der jungen BRD. Und das Schicksal der Gefangenen im Osten noch mal besonders.
 
Zu 2.

Es waren beispielsweise der Außenminister, die Vorsitzenden der Auswärtigen Ausschüsse von Bundestag und Bundesrat, Kurt Georg Kiesinger, der Ministerpräsident Karl Arnold und Carlo Schmid dabei.
Alles hatten sicher Personal dabei und da kam sicher was zusammen. Die Bonner Delegation ist mit einem Sonderzug und zwei Super-Constellations der Lufthansa angereist.

Die Sowjets wollte diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik aufnehmen. Adenauer ging es um die Kriegsgefangenen. Adenauer setzte einen Rechtsvorbehalt durch, der vorsah, das die Aufnahme diplomatischer Beziehungen keine Anerkennung des gegenseitigen territorialen Besitzstandes darstelle und das die endgültige Festsetzung der Grenzen Deutschlands dem Friedensvertrag vorbehalten sei.
Und zur DDR hieß es, das die Aufnahme diplomatischer Beziehungen keine Veränderung des Rechtsstandpunktes der Bundesregierung in Bezug auf ihre Befugnisse zur Vertretung des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten und in Bezug auf die politischen Verhältnisse in denjenigen deutschen Gebieten, die sich gegenwärtig außerhalb der effektiven Hoheitsgewalt befinden.

Schwarz, Die Ära Adenauer 1949 - 1957
 
Zuletzt bearbeitet:
Also noch einmal: Warum hatte die Sowjetunion ein Interesse an direkte Beziehungen zur BRD? Das beide Blöcke sich als Gegener gegenüberstanden, war schon damals klar. Und das bedeutet, dass beide Seiten, nach wie vor Feinde waren. Wieso also, sollte ein Land, ein Interesse daran haben, Beziehungen zu einem Land zu haben, dem es nicht traut?

Gerade bei Konfliktpotenzial ist es doch sinnvoll, diplomatische Beziehungen zu unterhalten, um eine Geschäftsgrundlage für eine Koexistenz zu vereinbaren, um sich Klarheit über die Absichten des Gegners zu verschaffen und womöglich auch in bestimmten Fragen eine Einigung oder Kompromiss zu erreichen.

Diplomatische Beziehungen erleichtern zumindest auch sehr, sich auf Verhandlungen einzulassen.

-Die Berlinfrage
-Verbleib von Kriegsgefangenen
- Status von Russlanddeutschen
- wirtschaftliche Zusammenarbeit
-die deutsch-deutsche Fage
- Anerkennung der Ost-Grenzen, Status der VR Polen
- Entschädigungszahlungen
-Status von Juden, Ausreiseanträge, Aufnahme in der BRD

Es gab eine Fülle von politischen Fragen, bei denen ein hohes Maß von Klärungsbedarf bestand, und diplomatische Beziehungen zu eröffnen, war jedenfalls ein Schritt dazu, in solchen Fragen zumindest zu einer Form der Koexistenz zu finden.

Schließlich gab es- auch während des Kalten Krieges natürlich auch Handel und Formen wirtschaftlicher Zusammenarbeit. In den 1980er Jahren importierte die SU Weizen aus Kanada und den USA.
 
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