Dreiklassenwahlrecht - eine gute oder schlechte Lösung?

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Gast

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hallo, ich sitze gerade hier und frage mich ob das Dreiklassenwahlrecht um 1871 in Preußen positiv für die Bevölkerung war oder ob die damit eher weniger zufrieden war.

ich freue mich auf eure Antworten ! :)

lieben Gruß !
 
@Gast

Du bist echt ein Witzbold. Wenn du Mitglied des preußischen Herrenhauses warst, dann war das Dreiklassenwahlrecht echt cool.

Wenn du allerdings Arbeiter, Tagelöhner oder Handwerker warst, na ja, dann war das eher uncool.

Wenn wir Dir helfen sollen, dann schreib bitte:

Ziel der Arbeit (z.B. besondere Lernleistung in einem Gym, oder Vortrag usw.)
Altersstufe etc.
Thema

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
zu meiner frage nochmal

okay, danke für den hinweis :)
ich habe eine hausaufgabe zu erledigen (9.klasse Gymnasium) wo ich die folgen der Reichseinigung als negativ oder positiv einschätzen soll .
Jedoch weiß ich nicht ob das jetzt für die Unterschicht gut oder schlecht war.

Danke
 
Wenn du Mitglied des preußischen Herrenhauses warst, dann war das Dreiklassenwahlrecht echt cool.
Noch mehr, wenn man zu den Leuten mit dem höchsten Einkommen im Wahlkreis gehörte. Das Dreiklassenwahlrecht galt nämlich für das Abgeordentenhaus. Die Herren im gleichnamigen Haus hatten zu ihrem Glück nichts mit Wahlen durch den "Pöbel" zu tun. Preußisches Herrenhaus ? Wikipedia

Wenn du allerdings Arbeiter, Tagelöhner oder Handwerker warst, na ja, dann war das eher uncool..

In der grundsätzlichen Bewertung (auf welcher Seite der Wippe man sitzt) kann ich dir aber voll zustimmen.
Zitat aus der Wikipedia:
1908 bestand in 2214 von 29028 Urwahlbezirken die 1. Abteilung nur aus einer Person. 1888 gab es in 2283 von 22749 Urwahlbezirken nur einen Wahlberechtigten, in weiteren 1764 waren es zwei Wahlberechtigte und in 96 Urwahlbezirken gab es auch in der 2. Abteilung nur einen Wahlberechtigten
 
Noch mehr, wenn man zu den Leuten mit dem höchsten Einkommen im Wahlkreis gehörte. Das Dreiklassenwahlrecht galt nämlich für das Abgeordentenhaus. Die Herren im gleichnamigen Haus hatten zu ihrem Glück nichts mit Wahlen durch den "Pöbel" zu tun. Preußisches Herrenhaus ? Wikipedia



In der grundsätzlichen Bewertung (auf welcher Seite der Wippe man sitzt) kann ich dir aber voll zustimmen.
Zitat aus der Wikipedia:

;) Daß das Dreiklassenwahlrecht für die Zweite Kammer galt, wer zweifelt dran; übrigens Dein Beispiel mit der Wippe, ist echt gut!

M. :winke:
 
Wenn du allerdings Arbeiter, Tagelöhner oder Handwerker warst, na ja, dann war das eher uncool.
Es ist fraglich, ob die das groß gestört hat.

Es gibt ja diverse ähnliche Wahlsysteme in dieser Zeit, eigentlich gehört es zur "normalen Entwicklung", daß zuerst nur die Begüterten das Parlament eines Landes wählen und erst später Ärmere teilweise oder ganz als Wählerschichten dazukommen.

Und das ist auch recht logisch, wenn man sich die politische Entwicklung anschaut. Denn Parlamente waren anfangs ja nur für Finanzen zuständig, d.h. dem regierenden Monarchen wurden Steuern bewilligt bzw. über die Verwendung der aufgebrachten Steuergelder entschieden. Die heutigen Kompetenzen für Gesetzgebung und Regierungskontrolle lagen noch beim Monarchen.

Vor diesem Hintergrund ist es völlig naheliegend und angemessen, wenn auch nur die Steuerzahler darüber mitentscheiden dürfen, wieviel Geld der Monarch bewilligt bekommt. Und umgekehrt konnte den Tagelöhnern etc., die gar keine Steuern zahlten, die ganze Parlaments-Sache völlig wurscht sein.

Das preußische Wahlrecht war etwas hinter der Zeit - weil das Parlament durchaus schon einige Rechte über das Budget hinaus besaß, und damit auch für die Armen relevant war. Aber es war im Rahmen des politischen Systems nicht so absurd undemokratisch, wie das der Fall wäre, wenn man es heute einführen wollte.
 
Ganz spitzfindig müßte man den Gegensatz Preußen/Reich als ungleiche-indirekte-offene gegen gleiche-geheime-direkte Wahlen kennzeichnen, was sicher auch zur Verwirrung beigetragen hat.

Im Reich gab es jedenfalls so zwischen 15-25% Nichtwähler bei den Reichstagswahlen. Ein Teil davon wird auch Konfusion zugeschrieben.

Für die Wertung des ungleichen Wahlsystems (zB Dreiklassen oder Vierstände wie zu ähnlicher Zeit in Schweden) ist allerdings die Notwendigkeit geheimer Wahlen hinzu zu ziehen. Bis zum Ballot Act gab es in GB zwar "gleiche" Wahlrechte, allerdings "offen", also nicht geheim. Bei der offenen Wahl konnten die Stimmabgaben von Grundbesitzern und Unternehmen "kontrolliert" werden. Die Gegner dieser Reform rechtfertigten den indirekten Einfluß über "offene" Wahlen u.a. mit den Argumenten, die auch für die Dreiklassen vorgebracht wurden: man bezahle schließlich die Leute und den Staat. :D
Ballot Act 1872 - Wikipedia, the free encyclopedia
 
aus der Wikipedia:
Im Hochmittelalter war die von Landesfürsten erhobene Steuer vorrangig eine Besitzsteuer, die Grund und Boden, aber auch andere Vermögensgegenstände (Vieh, Vorräte, etc.) einbezog. Ältester schriftlicher Beleg ist das Domesday-Buch, das im 11. Jahrhundert die Besitzverhältnisse in England zwecks der Besteuerung durch den König erfasste. Damit der weit überwiegende Teil der Bevölkerung, der aus besitzlosen oder armen Leibeigenen und Pächtern bestand, ebenfalls steuerlich erfasst werden konnte, wurde die Kopfsteuer angewendet, die ohne Rücksichtnahme auf Besitz- und Eigentumsverhältnisse, allen Betroffenen den gleichen Betrag abforderte
Statistik: Reichstagswahl 10.01.1874
 
Es ist fraglich, ob die das groß gestört hat.

Da die Wahlen zum Reichstag nach allgemeinem, gleichen und direkten Wahlrecht verliefen, kann ich mir kaum vorstellen, dass das ein preußischer Schlosser oder Zimmermann nicht bemerkt haben sollte, dessen Stimme in Preußen weniger galt. Die Leute - auch Handwerker oder Tagelöhner - waren nicht mit Blindheit geschlagen und die Sozialdemokratie sorgte dafür, dass sich das Bewusstsein der weniger Begüterten hinsichtlich einer solchen Deklassierung schärfte.
 
Es ist fraglich, ob die das groß gestört hat.

In der gleichen Zeit, in der in Preußen das Dreiklasenwahlrecht galt, wurde die SPD von einer Splitterpartei zur größten Partei des Dt. Reiches und auch zur größten Fraktion des Reichstages (der nach einem gleichen, geheimen Wahlrecht für Männer gewählt wurde). Nimmt man nicht eine exorbitant geringe Wahlbeteiligung an oder nimmt an, dass Menschen der SPD ihre Stimme gaben, ohne ein Interesse an einer Wahlbeteiligung zu haben, so kann man wohl davon ausgehen, dass, dess es die Mehrzahl sehr wohl störte. Heute wie damals sprechen solche pseudo-rhetorischen Fragen einem Teil der Bevölkerung nicht das Interesse, sondern das Recht zu Wählen ab.
 
In der gleichen Zeit, in der in Preußen das Dreiklasenwahlrecht galt, wurde die SPD von einer Splitterpartei zur größten Partei des Dt. Reiches ...
Das ist völlig richtig. Aber m. E. hat die SPD diese Erfolge nicht erzielt, weil die Leute das preußische Wahlrecht unbedingt loswerden wollten - sondern wegen ihrer allgemeinen Programmatik (insbesondere im sozialen Bereich).

Heute wie damals sprechen solche pseudo-rhetorischen Fragen einem Teil der Bevölkerung nicht das Interesse, sondern das Recht zu Wählen ab.
Wenn mir eine solche Intention unterstellt werden sollte, dann weise ich das zurück.

Ich habe dargelegt, was der historische Ursprung von Wahlsystemen ist, die Besitz/Einkommen bei der Auszählung gewichteten. Und warum das im ursprünglichen gesellschaftlichen Kontext auch verständlich war und allgemein akzeptiert wurde.
Ich habe aber auch gesagt, daß das preußische Wahlrecht schon bei Zeitgenossen als veraltet galt, weil sich die politische Funktion eines Parlaments verändert hatte und natürlich wäre ein solches Wahlrecht für uns heute völlig undemokratisch und inakzeptabel.
Das mit "heute wie damals" halte ich daher schon für sehr unangebracht.
 
Aber m. E. hat die SPD diese Erfolge nicht erzielt, weil die Leute das preußische Wahlrecht unbedingt loswerden wollten - sondern wegen ihrer allgemeinen Programmatik (insbesondere im sozialen Bereich).

Sehe ich auch so.

Empfehlenswert dazu Ritter, Zu Strategie und Erfolg der Sozialdemokratischen Wählerrekrutierung im Kaiserreich, in: Büsch/Wölk/Wölk: Wählerbewegung in der Deutschen Geschichte, Historische Kommission Berlin Band 20.

Hier zeigt sich übrigens noch ein weiteres Problem:
Bei den Wahlen 1890 erhielt die Sozialdemokratie rd. 20% der Stimmen, war mit 35 Abgeordneten = 8,8% aber relativ erheblich schwächer als andere Parteien. Dieses hatte zwei Gründe

1. die Wahlkreiseinteilung des Reiches basierte auf der Bevölkerungszählung von 1867, was die Wachstumsgebiete (zB bestimmte Städte mit ihrer Wählerschaft) stark benachteiligte und die Bevölkerungsverschiebung Land-Stadt nicht berücksichtigte. Das ging überwiegend zu Lasten der Sozialdemokratie.

2. war die Sozialdemokratie nicht regional begrenzt im Auftritt, sondern auf Erfassung auch die Minoritäten aus. Damit kam es zur Aufstellung reiner Zählkandidaten auch in aussichtlosen Wahlkreisen.

Gleich ist eben nicht gleich.
 
Das ist völlig richtig. Aber m. E. hat die SPD diese Erfolge nicht erzielt, weil die Leute das preußische Wahlrecht unbedingt loswerden wollten - sondern wegen ihrer allgemeinen Programmatik (insbesondere im sozialen Bereich).

Da hast Du mE nur insofern Recht, als dass die SPD im 19. Jh. zumindest programmatisch sowieso nicht viel vom Wahlrecht erwartete. Das auf die SPD-Wähler übertragen: Die hatten evtl kein Interessae am Wahlrecht, weil als überzeugte Marxisten dachten, nur eine Revolution könne ihnen wirklich helfen; sie hatten aber sehr wohl und in ihrer Mehrheit durchaus ein Interesse an politischer Mitbestimmung bzw politischer Macht, schon um ihre sozial(istisch)en Forderungen durchsetzen zu können.


Wenn mir eine solche Intention unterstellt werden sollte, dann weise ich das zurück.

Sry, ich wollte Dir keine Intention unterstellen. Aber die Wirkung in der öffentlichen Wahrnehmung geht mE in diese Richtung, und wenn man diese Frage mit "ja" beantworten würde (wie immer man auch zu der Überzeugung kommt, es verhalte ich so) so wird doch in der Wirkung das allgemeine, gleiche Wahlrecht delegitimiert. Aber ich wollte wirklich nicht sagen, dass das Dein gedankengang war.

Das mit "heute wie damals" halte ich daher schon für sehr unangebracht.

So wird heute durchaus noch argumentiert, so leid mit das tut; wie gesagt nicht von Dir.
 
Ähnliche "Ungleichgewichte" in Wahlsystemen gab es auch in anderen Ländern Interessierte mögen nach "rotten boroughs" oder auch "poket boroughs" googeln.

OT: Ob die SPD wohl mit dem Wissen von 1922 das Frauenwahlrecht noch so gut fand?:still:
 
Demokratie ist nun mal der Irrtum der Mehrheit, das die Mehrheit nicht irrt und gleichzeitig die Erkenntnis der Minderheit, das die Mehrheit meistens richtig liegt
 
Immerhin gibt es die These, der der Vorsprung bei den Frauenstimmen Hindenburg 1925 zur Wahl verholfen hat (3% Vorsprung bzw. rd. 890000 vor Marx, rd. 1,1 Mio. relativer Überhang bei den Frauenstimmen gegenüber der Männerquote).
 
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