Dringend! Warum engagierte sich Athen im Ionischen Aufstand?

examen

Neues Mitglied
Hallo Wissende,

habe weder in einschlägigen Fachbüchern noch hier im Forum eine passende Antwort gefunden. Also seit ihr gefragt!

Alles was ich als Antwort auf die Frage vorweisen kann, ist eine dünne These:

1. Die Athener waren entsetzt darüber, dass die sich von persischer Tyrannei befreiten Städte wieder unter das Joch begeben mussten.

Anders gesagt, die Begriffe "Freiheit" (imSinne existentiellen Überlebens) und "Befreiung" (Wiederherstellung von allem was eine griech. polis ausmacht) spielten eine nicht unwichtige Rolle und vielleicht auch die Sicht auf die Perser (im Sinne von Barbaren=nicht des griechischen mächtig).
Dieses erneute Unterwerfen der Perser wiedersprach den athenischen Vorstellungen von polis.

So, das ist leider alles was ich anbieten kann. Hoffe ihr habt Ideen dazu
gruß examen
 
Das scheint mir doch einer eher idealisierte Vorstellung von der attischen Demokratie. Wie "demokratisch" Athens Einstellung zu den anderen póleis war, dazu empfehle ich die Recherche zum attisch-delischen Seebund.
 
bin mir des hier geschilderten Ideals bewußt!

Meiner Meinung nach ist es aber ein Unterschied ob Athen vor oder nach den Perserkriegen betrachtet bzw. die Einstellung zu anderen polis.
Für die Frage, warum sich Athen im Ion. Aufstand engagiert bringt eine Betrachtung des (späteren) Delischen Seebundes m.E. nix-> dazu:
Zitat RAAFLAUB: "Freiheit wurde verstanden als das Recht Athens und seines
demos, andere zu unterdrücken"

War das Engagement Athens vielleicht nur damit zu begründen, dass Aristogoras (Tyrann von Milet) vor der ekklesia (499) eine Rede hat halten dürfen und die AThener überzeugte, dass es besser wäre mitzumachen (mgl. Argumente: Reichtum, Persergefahr fürs Mutterland) bzw. er einfach sehr gut die ekklesia mit seiner Rede beeinflußte? Bei HERODOT (5,97,2 ) ist dazu nicht viel zu finden.
Die Spartaner ließen ihn ja nicht reden und halfen auch nicht (ihr Argument: sie wären Landmacht und der Weg zu weit bzw. ihre Ressourcen zu gering).

oder

Athens Engagement im Ionischen Aufstand ist vor allem auch durch die
Rückkehrabsichten des Hippias, der sich im Gebiet von Sigeion aufhält, begründet.

oder

Athen war an einem Aufstand der Ioniern nicht interessiert, die 20 Schiffe waren als symbol. Akt zu verstehen.
 
Zuletzt bearbeitet:

....

oder

Athen war an einem Aufstand der Ioniern nicht interessiert, die 20 Schiffe waren als symbol. Akt zu verstehen.

Die Mileter sollen ursprünglich als die loyalsten Vasallen des persischen Königs gegolten haben. Als Grund für den Aufstand werden Freiheitsliebe, Stolz und Auflehnung gegen die Steuern genannt, wobei letzteres wohl der reellste Grund gewesen sein mag.

Die 20 athenischen Kriegsschiffe wurden noch durch 5 aus Eriträa verstärkt. In Ephesos an Land gegangen, marschierten die Krieger nach Sardes, steckten es in Brand und zerstörten dabei den Tempel der Kybele am Paktolos, was die Perser dann zum Anlass nahmen, ebenso jeden griechischen Tempel, der ihnen in die Hände fiel, zu zerstören. Mit dieser Aktion glaubten die Griechen ihr Soll erfüllt zu haben und zogen sich zurück. M. E. könnte das auf den symbolischen Akt hinweisen, den Du als These gebracht hast. Als einen echten Hilfseinsatz für die Ionier würde ich das nicht sehen, eher für ein Stochern im Wespennest. Die große persische Flotte schlug 494 v. Chr. die kleine ionische bei der Insel Lade. Milet wurde anschließend eingenommen und geschleift, die Einwohner getötet bzw. versklavt.
 
...Als Grund für den Aufstand werden Freiheitsliebe, Stolz und Auflehnung gegen die Steuern genannt, wobei letzteres wohl der reellste Grund gewesen sein mag....
Als Anlass für den Aufstand würde ich auf alle Fälle noch wirtschaftl. Schwierigkeiten für Milet sehen (Zugang zum Schwarzen Meer und Ägypten waren seit Ende des 6.Jhd. weg), daher dann vielleicht die Weigerung Steuern zahlen zu wollen. Schließlich fielen für Milet wichtige Handelspartner weg.

...Mit dieser Aktion glaubten die Griechen ihr Soll erfüllt zu haben und zogen sich zurück.
Meinst du damit, nachdem der Kybele Tempel zerstört worden war, sagten sich die Griechen: "Das war's, ab nach Hause. Freiheit erlangt."
Praktisch als symbolischen Schlussakt unter ihrem Aufstand zerstören wir den Tempel? Sehr interessante These, hat was. Das würde ja zu meinem erstgenannten thread hier passen (Freiheit, Befreieung)
Haben sie den wirklich gedacht (hypothetisch!) die Perser würden sie dafür nicht zur Rechenschaft ziehen?
 
In der Tat wirkt es recht merkwürdig, dass die Griechen sich danach wieder zurückzogen. So naiv, dass sie nicht eine Gegenoffensive erwarteten, werden sie nicht gewesen sein. Aber sie werden sich aufgrund der Kräfteverhältnisse eine Chance ausgerechnet haben, wollten evtl. ein Zeichen gegenüber den Persern setzen, dass die Ionier auf Hilfe rechnen konnten. Die Kräfteverhältnisse waren nämlich keineswegs so immens unterschiedlich. Von Zahlen, wie Herodot sie überliefert hat (z. B. 4,2 Mio. Mann unter Xerxes) müssen wir uns verabschieden. Zudem handelte es sich bei den Athenern um ein „Bürgerheer“, kein Berufsheer wie bei den Persern. Die Leute hatten keine Ambitionen, sich allzu lange fern der Heimat für andere zu schlagen; zuhause wartete die alltägliche Arbeit, der Broterwerb.

Natürlich haben die Perser zurückgeschlagen. Dareios I. Vergeltungsfeldzug richtete sich zunächst gegen Eretäa, das zusammen mit Athen die Ionier unterstützt hatte. Es erlag den Feinden. Und dann kam bekanntlich die Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.). Da dürfte der Spruch „Herr, vergiss die Athener nicht“, den ein Sklave angeblich dreimal dem persischen König sagen musste, wenn dieser sich zu Tisch setzte, noch einen anderen Klang bekommen haben.

Dass Athen nur 20 Schiffe sandte, wird die Ursache darin gehabt haben, dass es insgesamt zu dem Zeitpunkt keine große Flotte besaß. 488 v. Chr. verlor Athen eine Seeschlacht gegen Ägina. Zuvor hatten sich die Athener 20 Schiffe bei den Korinthern „gepumpt“. Und 20 Schiffe zu bemannen, bedeutete ein Aufgebot von 4.000 Mann (Zahlen lt. Delbrück). Der Aufbau einer Flotte, die man auch Flotte nennen konnte, begann erst 483/482 v. Chr. unter Themistokles. Die Erfolge zeigten sich letztlich in der Seeschlacht von Salamis 480 v. Chr.

Hippias, den Du nanntest, hat im Übrigen noch an der Schlacht von Marathon als Berater teilgenommen. Er erhoffte sich ganz sicherlich die Wiedereinsetzung.
 
Wenn ich das so bei Christian Meier nachlese, dann geht er davon aus, dass die Athener zZ des Ionischen Aufstandes die Macht der Perser noch gar nicht einschätzen konnten. So sandten sie gewissermaßen Fühler aus.
Nach dem Brand von Sardes kam es bei Ephesos zu einer Schlacht, bei denen die Griechen regelrecht verfolgt wurden und viele Opfer zu beklagen hatten. Erst hier sei den Athenern die wirkliche Macht der Perser aufgegangen, zudem die Unentschlossenheit unter den ionischen Aufständischen, woraufhin man schnellstens wieder zurückgefahren sei.
 
@ Ostrogotha

weil du Ägina anführst, dazu eine kurze Frage. Es herrschte Krieg zwischen Ä. und Athen von 487-481 v.u.Z.
Kannst du mir was zu den Kriegsgründen nennen? Habe gelesen, dass Ägina persischer Unterstützer war, inwiefern ist das wahr? Und wenn das stimmen sollte, warum schwenkte Ägina 481 auf seiten der hellenischen Symmachie?

Aufgrund dieser Ungereimtheiten würde ich fast sagen:
Oder war es eine ganz normale Auseinandersetzung zwischen zwei aufstrebenden polis?

Zusammenfassend,warum sich Athen am ioni. Aufstand beteiligte:

1. Rede des Aristogoras war in der ekklesia wohl überzeugend
2. damit verbundene mögliche Rückkehrabsichten des Hippias
3. symbolische Unterstützung der freien polis und allem was dazugehört (sozial, administrativ...)

Warum sich Athen zurückzog?

1. hatten nur normales Bürgerheer (Größe des persischen Heeres, Schlacht bei Ephesos )
2. (noch) kleine Flotte
3. kein wirkliches Interesse an Kleinasien


gruß examen
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich das so bei Christian Meier nachlese, dann geht er davon aus, dass die Athener zZ des Ionischen Aufstandes die Macht der Perser noch gar nicht einschätzen konnten. So sandten sie gewissermaßen Fühler aus....

Ich bin keine Expertin für Griechische Geschichte, aber meine Logik sagt mir, dass Athen sehr kurzsichtig gewesen sein müsste, wenn es die Macht der Perser nicht hätte einschätzen können. Kyros hatte immerhin Ionien unter seine Herrschaft gebracht. Auch in einem Zeitalter ohne TV und Internet war man weitgehend über Abläufe informiert. Gerade Hippias, der später vertriebene Tyrann von Athen, wußte sehr wohl, wie es um die Macht der Perser bestellt war. Und das Wissen wird er in der Stadt nicht allein besessen haben. Er verheiratete seine Tochter mit dem Sohn des Tyrannen von Lampsakos, wohl wissend, dass dieser Einfluss am Hof des Perserkönigs besaß. Er erhoffte sich dadurch Unterstützung. Offenbar ahnte er, dass der von ihm ausgeübte Terror irgendwann auf Widerstand stossen würde, den er dann nicht mehr allein bewältigen konnte.


@ Ostrogotha

weil du Ägina anführst, dazu eine kurze Frage. Es herrschte Krieg zwischen Ä. und Athen von 487-481 v.u.Z.
Kannst du mir was zu den Kriegsgründen nennen? Habe gelesen, dass Ägina persischer Unterstützer war, inwiefern ist das wahr? Und wenn das stimmen sollte, warum schwenkte Ägina 481 auf seiten der hellenischen Symmachie?
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Zusammenfassend,warum sich Athen am ioni. Aufstand beteiligte:
...
2. damit verbundene mögliche Rückkehrabsichten des Hippias
...
gruß examen

Zu Ägina hatte ich das bei Delbrück gewissermaßen nur in einem Nebensatz gefunden.
Ich stelle Dir zu evtl. Kriegsgrund und "Perser-Sympathie" mal die beiden Links ein. Viel ist da aber nicht zu holen.

Saronischer Golf
[FONT=&quot]Die Saronische Inseln Ägina, Ankistri, Hydra, Poros, Spetses [/FONT]

Und... Hippias hatte ganz sicher Rückkehrabsichten, sonst hätte er sich nicht bei Marathon beteiligt. Welcher Tyrann würde sich nicht für seine Vertreibung rächen wollen? Den Grundstein zur persischen Unterstützung hatte er ja schon vorab mit der Verheiratung seiner Tochter gelegt (sh. oben).
 
@ Ostrogotha

vielen Dank für deine schlüssigen Antworten
examen


ps: da das meine ersten postings überhaupt sind; bedankt man sich überhaupt? oder macht das den thread zu lang...:grübel:
 
Im Zweifelsfalle kannst du ein Danke auch über ein grünes Sternchen (auf das Waagesymbol unten links im Beitrag) ausdrücken.
 
@ Ostrogotha
Sicherlich sind politische Entscheidungen oft irrational. Wenn man sich überlegt, dass viele solcher Entscheidungen erst nach einem Orakelspruch oder einem günstigen Opfer gefällt wurden, dann erinnert man sich auch lebhaft an die astrologischen Künste der Nancy, mit denen sie ihrem Ronald die Weltpolitik eingeflößt hat oder an die Nachmittagsgebete des George W., in denen er sich Rat vom HERRN einholt.
Aber auch die Politik der Ionier war kurzsichtig: der weitsichtige Rat des Hekataios von Milet, der ihnen die Macht der Perser verklickerte, wurde einfach abgewiesen (Herodot V.36).
Außerdem war das persische Heer bzw Flotte ja nicht immer erfolgreich: Naxos konnte es nicht bezwingen; solche Ereignisse aber lagen noch frisch im Gedächtnis. Nein, so klar war es den Griechen wohl nicht. Jedenfalls hatte Athen noch keinen direkten Kontakt mit den Persern, ja, die Perser kannten Athen noch nicht einmal. Die Perser waren für die Griechen nicht kalkulierbar, mal überschätzte man sie maßlos, mal befand man sie als zu schwach. Und diese Unkalkulierbarkeit stimmt ja: auf dem Marsch nach Sardes war man völlig unbehelligt; Sardes war eines der Zentren des persischen Reiches, man konnte es unbehelligt erobern.
Was nun Hippias betrifft: seinen Rat bzw eine Berufung auf seine Erfahrung wäre nun in der Volksversammlung ganz unmöglich gewesen, hatte man ihn doch erst weggejagt und fürchtete seine Rückkehr! Und dann hatte er sich mit den Persern verbündet: ein weiterer möglicher Grund, warum man sich für einen Feldzug gegen die Perser eher erwärmen konnte als etwa Sparta. Außerdem hatte der Hochmut des persischen Satrapen Artaphernes einigen Unmut in Athen erzeugt. So kamen Unkenntnis und Zorn zusammen.
 
..Aber auch die Politik der Ionier war kurzsichtig: der weitsichtige Rat des Hekataios von Milet, der ihnen die Macht der Perser verklickerte, wurde einfach abgewiesen (Herodot V.36).
Außerdem war das persische Heer bzw Flotte ja nicht immer erfolgreich: Naxos konnte es nicht bezwingen; solche Ereignisse aber lagen noch frisch im Gedächtnis. Nein, so klar war es den Griechen wohl nicht. Jedenfalls hatte Athen noch keinen direkten Kontakt mit den Persern, ja, die Perser kannten Athen noch nicht einmal. Die Perser waren für die Griechen nicht kalkulierbar, mal überschätzte man sie maßlos, mal befand man sie als zu schwach. Und diese Unkalkulierbarkeit stimmt ja: auf dem Marsch nach Sardes war man völlig unbehelligt; Sardes war eines der Zentren des persischen Reiches, man konnte es unbehelligt erobern.

Deine Aussagen berühren den Kern der persischen Herrschaftsform. Es kam ja während der persischen Geschichte auch durchaus einmal hin und wieder zu Differenzen zwischen persischen Satrapen. Persien war relativ dezentral organisiert, vor allem im Westen war in der Regel nur die Macht von Satrapen (also regionalen persischen Machthabern) zu spüren. Indem die Griechen aber Sardes, als Sitz eines Satrapen eroberten, forderten sie die Zentralmacht mit dem Großkönig heraus - und der verfügte über eine immens stärkere Macht als jeder Satrap!
Ein gutes Beispiel für einen ziemlich unabhängigen persischen Satrapen ist der bekannte Auftraggeber für eines der 7 antiken Weltwunder Mausolos II. mit seinem Mausoleum. Militärisch verfügten Satrapen meist nur über eine kleine persische Kerntruppe und ansonsten über regional typische Kräfte. Ganz Griechenland hatte mit einiger Sicherheit ein genaues Bild über die Kräfte nahe liegender Satrapien... Dass es nicht sinnvoll sein konnte die Zentralmacht zu reizen versteht sich von selbst. Wäre es nur ein "innerpersicher Aufstand" gewesen mag es sein dass ein Großkönig das Problem ohne allzu direkte Intervention "diplomatisch" geregelt hätte. Das Engagement von Ausländern - als solches mussten die "freien" Hellenen von jenseits des Meeres in den Augen des Großkönigs gelten - wurde als Provokation entsprechend verfolgt.
 
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