dt. Marine 1750-1815

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Liebe Forenfreunde,

ich beschäftige mich gerade mit einer Marinegeschichte Deutschlands in der Zeit ab 1750 und danach.
Dazu habe ich in "Deutsche Marinen im Wandel der Zeit" vom Oldenbourgverlag gelesen, daß als Grund keiner starker maritimer Bestrebungen, das Fehlen eines größeren "einheitlicher" Flächenstaats in Deutschland benannt wurde.
Selbst allein Preußen konnte zu jenen Jahren zwar in kleinen Rahmen Flottillen je nach Bedarf zusammenstellen, unterhielt aber keine ständige Marine z.B. zum Schutz der Ostseeküste. In der Zeit nach 1800 kam dann aber auch noch die Problematik mit Napoleon und der Kontinentalsperre u.s.w.
Frage, war das Aufbauen bzw. ständige Unterhalten von Seestreitkräften damals in der Tat an eine Nationalstaatlichkeit gebunden?
Und, kennt Ihr hier zu diesem Entwicklungsstadium deutscher maritimer Bestrebungen, also nach der Kurbrandenburgische Marine bis zum Deutschen Bund 1815, interessante Literatur?

Vielen Dank
 
Preußische Marine – Wikipedia kennst du vermutlich schon? Vielleicht ist die Literaturliste dort für dich interessant.
Da finden sich u.a. diese für dich evtl interessanten Bücher:
Kurt Petsch: Seefahrt für Brandenburg-Preußen, 1650–1815. Geschichte der Seegefechte, überseeischen Niederlassungen und staatlichen Handelskompanien. Osnabrück 1986
Ludwig Friedrich Wilhelm von Henk: Die brandenburgische und die preussische Marine. In: Die Kriegführung zur See in ihren wichtigsten Epochen. 2. Auflage. Janke, Berlin 1884; archive.org.
 
Frage, war das Aufbauen bzw. ständige Unterhalten von Seestreitkräften damals in der Tat an eine Nationalstaatlichkeit gebunden?
Ja und Nein, zuerst einmal sind hier die hohen Kosten und die "nationalen" Interessen zu betrachten. Seefahrt im "Weltmaßstab" wurde eigentlich nur von den deutschen Hafenstädten betrieben ( Hamburg, Bremen), Kaufleute haben kein Interesse an kostenintensiven Kriegsschiffen.
 
noch eine Anmerkung zum Titel des Fadens: als Gründungsdatum der "deutschen Marine" bzw. "Reichsflotte" gilt der 14.6.1848. Davor, und darum geht es hier ja, kann von einer "deutschen Marine" nicht die Rede sein.
 
Frage, war das Aufbauen bzw. ständige Unterhalten von Seestreitkräften damals in der Tat an eine Nationalstaatlichkeit gebunden?
Das nicht, aber an geographische Gegebenheiten, die ein Stück weit die Prioritäten diktierten.

Hamburg, Bremen, Oldenburg und Mecklenburg-Schwerin waren für den Unterhalt einer ernstzunehmenden Seestreitkraft einfach zu klein, Barunschweig-Lüneburg/Kurhannover/Kgr. Hannover war durch die Personalunion mit Großbritannien ein Stück weit durch die Britische Flotte gschützt, Schleswig und Holstein durch die Verbindung mit der dänischen Krone durch die dänische Flotte.

Preußen wiederrum, als einziger einigermaßen großer Staat an den Norddeutschen Küsten, hatte das Problem durch die Mittellage zwischen den Großmächten immer stehr stark als Landmacht gebunden zu sein.
Erst im 18. Jahrhundert durch Österreich, da ja im Prinzip bis in die Zeit der Koalitionskriege immer wieder die Gefahr bestand, die Habsburger monarchen könnten nochmal versuchen sich Schlesien zurück zu holen.
Und ab dem Wiener Kongress 1815 grenzte man mit Frankreich, Russland und Österreich an drei Großmächte gegen die man sich gegebenenfalls verteidigen musste, außerdem musste die außenpolitische Priorität darauf liegen ein zusammenhängendes Staatsgebiet zu schaffen, um Verkehr und Verteidigung zu vereinfachen.
Das Ergebnis des Wiener Kongresses war langfristig mit den Rheinlanden und Westfalen als Zugewinne für Preußen zwar wirtschaftlich durchaus sehr erfolgreich, aber strategisch war das ein Problem.

Und natürlich musste das irgendwie finanziert werden und im Militäretat konkurrierten immer die Bedürfnisse von Landheer und Seestreitkräften miteinander. Wenn das Landheer einen Großteil des Budgets verschlingt, bleibt halt wenig für Seestreitkräfte übrig. Davon abgesehen, hatte Preußen zwar im 18. und frühen 19. Jahrhundert Häfen, aber die lagen verkehrstechnisch eher ungünstig in der Ostsee, waren kommerziell nicht besonders bedeutend (zumal damals der Sundzoll noch nicht abgeschafft war) und Preußen war weder eine bedeutende Handels- noch Kolonialmacht, die einer Flotte zum Schutz eigener Handelsinteressen in besonderem Maße bedurft hätte.

Nen bisschen anders sah das möglicherweise mit Österreich aus, aber für Österreich waren halt Nord- und Ostsee völlig irrelevant und eher die Adria und das Mittelmeer hatten für Wien entsprechende Bedeutung.


Andere Staaten, die zu einem gewissen Grad Seemächte wurden, waren durchaus keine Nationalstaaten. Dänemark etwa wird man vor 1864 kaum so bezeichnen können, aber anderswo diktierte halt auch die geographische Mittellage nicht die Priorität vorweigend Landmacht zu entwickeln um sich halten zu können.
 
Andere Staaten, die zu einem gewissen Grad Seemächte wurden, waren durchaus keine Nationalstaaten. Dänemark etwa wird man vor 1864 kaum so bezeichnen können, aber anderswo diktierte halt auch die geographische Mittellage nicht die Priorität vorweigend Landmacht zu entwickeln um sich halten zu können.
Wieso war Dänemark kein Nationalstaat vor 1864? Die Dänen waren ja schon länger vereint in einem Land, und von anderen Staaten unabhängig.
Die Existenz von nicht-dänischer Bevölkerung und/oder Ländereien oder Kolonien (z.B. Norwegen) verneint doch nicht den Nationalstaat.
 
als Gründungsdatum der "deutschen Marine" bzw. "Reichsflotte" gilt der 14.6.1848. Davor, und darum geht es hier ja, kann von einer "deutschen Marine" nicht die Rede sein.
Spitzfindig.......... könnte man sagen, dass der Deutschodensstaat im Mittelalter mal mindestens zeitweise über eine bescheidene Flotte verfügt haben muss, die es ermöglichte Truppenkontingente auf Gotland anzulanden, Visby einzunehmen und die Vitalienbrüder von der Insel zu vertreiben.
So gesehen könnte man ggf. auch in diesem Kontext wahrscheinlich von einer "deutschen Flotte" o.ä. sprechen, hätte dann nur eben nichts mit dem späteren deutschen Staat zu tun.
 
Wieso war Dänemark kein Nationalstaat vor 1864?
Weil das dänische Reich als Gesamtkonstrukt vorher mit seinen Nebenländern immer auch reichlich Bevölkerungsgruppen umfasste, die jetzt nicht unbedingt im ethnischen Sinne Dänen waren.

Der Versuch das einigermaßen sauber von einander zu trennen und Inseldänemark, Jütland und Schleswig in Rahmen einer gemeinsamen Verfassung miteinander zu verbinden, hatte ja die beiden deutsch-dänischen Kriege zur Folge, in deren Folge die bevölkerungsmäßig letzten bedeutenden nicht dänisch geprägten Territorien verloren gingen.
Allerdings in der Mitte des 19. Jahrhunderts war ja die dänische Seemacht längst auf dem absteigenden Ast.

Während der FNZ und bis ins 18. Jahrhundert und frühe 19. Jahrhundert hinein, als Dänemark tatsächlich eine ernstzunehmende Seemacht war, die auch die Briten so ernst nahmen, dass sie die dänische Flotte keinesfalls in französischen Händen sehen wollten und deswegen lieber Kopenhagen bombardierten, der Komplex des dänischen Reiches ja noch in größerem Maße ein Vielvölkerimperium war, wenn man bedenkt, dass da Norwegen, Schonen, Blekinge, Halland, Island und Gotland neben den Elbherzogtümern auch noch mehr oder weniger zur Geamtmonarchie dazugehörten.

Das war in der FNZ, als Dänemark seine Blütezeit als Seemacht hatte wahrscheinlich eher mit den multinationalen Imperien Osteuropas vergleichbar, als mit einem Nationalstaat im modernen Sinne.
 
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