Durch ein Schlupfloch kam Hitler an die Macht

El Quijote

Moderator
Teammitglied

Eigentlich ging es mit Hitler und seiner Partei schon zu Ende. Aber durch Intrigen und Querelen der Konservativen gelangte er am 30. Januar 1933 doch noch ins Kanzleramt. Eine Chronik der dramatischen Tage vor achtzig Jahren.


Es ist der Vormittag des 30. Januar 1933. Im Hotel Kaiserhof in der Mohrenstraße, Hitlers Berliner Residenz nahe der Reichskanzlei, versammeln sich seine Gefolgsleute. Es herrscht eine fiebrige Spannung. Um 11 Uhr soll Reichspräsident Paul von Hindenburg das neue »Kabinett der nationalen Konzentration« unter Führung des NSDAP-Vorsitzenden vereidigen. Doch es scheint Komplikationen zu geben. Endlich, kurz nach zwölf, kehrt der frisch ernannte Reichskanzler, begleitet vom Jubel seiner Anhänger, ins Hotel zurück. »Uns allen stehen die Tränen in den Augen. Wir drücken Hitler die Hand. Er hat’s verdient«, notiert Joseph Goebbels, der Berliner Gauleiter und Propagandachef der Partei.

Am Abend feiern die Nationalsozialisten das Ereignis mit einem stundenlangen Fackelzug. »Träum’ ich oder wach’ ich«, schreibt Rudolf Heß, der Sekretär des »Führers«, am Morgen danach an seine Frau. »Ich sitze im Arbeitszimmer des Kanzlers in der Reichskanzlei am Wilhelmplatz.« Dabei habe er vor wenigen Stunden geglaubt, es könnte sich im letzten Augenblick doch noch alles zerschlagen. Auch sein Chef habe ihm anvertraut, dass »es ein paar Mal auf des Messers Schneide stand«.

Tatsächlich war Hitlers Weg zur Macht kein unaufhaltsamer Siegeszug, sondern eine Hängepartie, die auch anders hätte ausgehen können. Zwar hatten die Nationalsozialisten ihren kometenhaften Aufstieg seit 1929/30 mit den Reichstagswahlen von Ende Juli 1932 gekrönt. Mit 37,3 Prozent der Stimmen war die NSDAP zur stärksten Partei geworden, und die Tür zur Wilhelmstraße schien sperrangelweit offen.

Doch am 13. August lehnte Hitler das Angebot Hindenburgs kategorisch ab, als Vizekanzler in das Präsidialkabinett des Reichskanzlers Franz von Papen einzutreten. Er wollte, wie er erklärte, die Führung der Regierung »in vollem Umfang« für sich und seine Partei, was ihm der Reichspräsident verweigerte. Der angeblich so instinktsichere Hitler hatte zu hoch gepokert. Von nun an begann der Abstieg der NSDAP. Bei den Reichstagswahlen am 6. November verlor sie über zwei Millionen Stimmen; ihr Anteil ging um 4,2 Prozentpunkte auf 33,1 Prozent zurück. »Wir haben eine schwere Schlappe erlitten«, gab Goebbels unumwunden zu.

Hitlers Prestige war angeschlagen. Mit seiner Alles-oder-nichts-Strategie hatte er seine Bewegung in eine Sackgasse manövriert. Zum ersten Mal regten sich auch in den eigenen Reihen massive Zweifel an seinem Weitblick. Und es kam noch härter: Bei den thüringischen Gemeindewahlen Anfang Dezember 1932 büßte die NSDAP 40 Prozent der Stimmen ein. Es drohte ein Sturz ins Bodenlose. In München beobachtete die Politische Polizei erste Auflösungserscheinungen unter den Parteimitgliedern; in der SA, Hitlers Bürgerkriegstruppe, rumorte es.
 
Zurück
Oben