IkeVanDerWind

Neues Mitglied
Hallo zusammen,

ich überlege eine Lehrprobe zum Thema "Edelweißpiraten - Widerstandskämpfer?" zu machen.

Ich suche hierfür (Historiker)Meinungen, die Stellung dazu nehmen, ob die Edelweißpiraten eine Gruppe von Widerstandskämpfern gewesen ist. Hat jemand zufällig einen Literaturtipp? Ich habe einige Veröffentlichungen gefunden, allerdings bräuchte ich klare Statements.

Ich bin für jeden Tipp dankbar :)!
 
Auf die Schnelle. Es war sicherlich eine Form von Widerstand. Sie unterschied sich jedoch als jugendspezische Form, indem zusätzlich zu einer politischen Motivierung auch generationsspezfische Aspekte kamen. Indem man sich nicht anpassen wollte und einen anderen Lebensstil führen wollte, jenseits des gesellschaftlichen erzwungenen Konsens

Es finden sich eine Reihe von Biographien, gerade zu Köln und zu einigen Mitgliedern.

Insgesamt wird man jedoch sagen müssen, dass es wohl eine der tragischten Formen des Protestes war, der dadurch dass ein totalitäres System keine Abweichung non der Norm anerkennen kann, nicht nur ein jugendlicher Protest war, sondern durch die Stigmatisierung durch das NS-Regime erst zu einer Form von politischen Widerstand wurde.

Eine Einordnung, die diese Bewegung historisch überhöht. Sie hatte nicht ansatzweise eine Bedeutung, die später die Akteure des 20. Juli 1944 hatten.

Deswegen war der Tot einzelner Mitglieder so tragisch und so völlig sinnfrei. In diesem Sinne ist diese Gruppe wohl auch kaum als "Widerstandskämpfer" einzuordnen, sondern eher als eine rebellische unangepaßte Gruppe einer Jugendkultur, die andere Werte hatte.

Sie waren sicherlich keine "Widerstandskämpfer", da sie keine realistische Perspektive hatten, einen Systemwandel herbeizuführen. Sonst wäre jeder oder jede Gruppe, die nicht mit einem System übereinstimmt, ein "Widerstandskämpfer".

https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1982_3_1_muth.pdf

Klönne, Arno (2014): Jugend im Dritten Reich. Die Hitler-Jugend und ihre Gegner. Köln: PapyRossa
Muth, Heinrich (1982): Jugendopposition im Dritten Reich. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 30 (3), S. 369–417.
Peukert, Detlev J. K. (1988): Die Edelweisspiraten. Protestbewegungen jugendlicher Arbeiter im Dritten Reich. S.L.: Bund-Verlag.
 
Die Edelweißpiraten gehörten zu den sog. "wilden Jugendgruppen" oder auch "bündischen Gruppen", die aus der Wandervogelbewegung hervorgegangen waren und in kultureller Opposition zum rigiden Lifestyle der Nationalsozialisten, inbesondere der Hitlerjugend, standen. Die EWP bestanden aus mehrere tausend Jugendlichen zwischen 14 und 17, die ihren aktiven Widerstand gegen die NS zunächst in Form von Überfällen auf HJ-Gruppen oder einzelne HJ-Gruppenführer praktizierten. Dazu kam das Verteilen von gegen den NS gerichteten Flugblättern und das Anfertigen von Anti-NS-Graffiti. Schon mehr ans Eingemachte ging das Abhören von Radiosendern des NS-feindlichen Auslands und die Verbreitung der empfangenen Nachrichten durch Flugblätter. Die sog. Ehrenfelder Gruppe der EWP wurde von dem geflohenen KZ-Häftling Hans Steinbrink geleitet und organisierte u.a. das Verstecken von Deserteuren und geflohenen Zwangsarbeitern. Die Gruppe verschaffte sich auch Waffen und lieferte sich einige Gefechte mit der Gestapo. Ab 1944 wurde die meisten "wilden Gruppen" von den Nazis nur als jugendliche Kriminelle eingestuft, die für sie gefährlicheren Gruppen (wie die Ehrenfelder Gruppe) aber als politische Kämpfer und Staatsfeinde, für welche die Gestapo zuständig war. 1944 wurden dreizehn EWP, davon sechs jugendlich, von der Gestapo verhaftet, schwer gefoltert und öffentlich gehängt.

In der BRD wurden diese Kämpfer erst spät als Widerstandskämpfer anerkannt (ab den 1980er Jahren), bis dahin galten sie für die deutsche Justiz nur als Kriminelle, weil es ihnen angeblich an einem politischen Konzept mangelte.

In diesem Sinne ist diese Gruppe wohl auch kaum als "Widerstandskämpfer" einzuordnen, sondern eher als eine rebellische unangepaßte Gruppe einer Jugendkultur, die andere Werte hatte.

Das gilt aber kaum für jene, die aktiv gegen das NS-Regime arbeiteten. Ich habe die entsprechende Stelle oben kursiv gesetzt. Deserteure und entflohene Häftlinge zu verstecken oder sich mit der Gestapo Feuergefechte zu liefern, geht sicher über das hinaus, was du unter "rebellische unangepaßte Gruppe einer Jugendkultur, die andere Werte hatte" verstehst.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sie wurden durch das Regime zu "Widerstandskämpfern" gemacht, obwohl sie es m.E. objektiv nicht waren.

Insofern war es völlig korrekt, sie nach dem Krieg als "Widerstandskämpfer" anzuerkennen, da sie der politischen Verfolgung ausgesetzt waren.
 
Inhaltlich kann ich nicht mehr sagen als meine Vorredner. Wenn du an einer musikalischen Untermalung interessiert bist, bzw an Liedern aus diesem Spektrum, die zumindest ein paar Hinweise auf die Gegnerschaft zum NS enthalten, hätte ich ein paar Tipps.

EDIT
(...) Die sog. Ehrenfelder Gruppe der EWP wurde von dem geflohenen KZ-Häftling Hans Steinbrink geleitet und organisierte u.a. das Verstecken von Deserteuren und geflohenen Zwangsarbeitern.
Ich kenn den Namen Hans Steinbrück.

Edelweißpiraten – Scout-o-wiki

Die Gruppe verschaffte sich auch Waffen und lieferte sich einige Gefechte mit der Gestapo.
Wenn Revolverschüsse blitzen und die Hitlerjungen flitzen
Und Edelweißpiraten hintendrein
Was kann das Leben uns denn noch geben?
Wir wollen frei von Hitler sein!

Aus nem umgedichteten Fahrtenlied dieser Zeit (mWn). Statt der Revolverschüsse kenn ich auch die Version "Wenn die Fahrtenmesser blitzen...".
 
Zuletzt bearbeitet:
Sie wurden durch das Regime zu "Widerstandskämpfern" gemacht, obwohl sie es m.E. objektiv nicht waren.

Insofern war es völlig korrekt, sie nach dem Krieg als "Widerstandskämpfer" anzuerkennen, da sie der politischen Verfolgung ausgesetzt waren.
Ich kann im Moment nicht auf meine Bibliothek zurückgreifen, daher alle Angaben ohne Gewähr. ich meine mich aber schon daran zu erinnern, dass einzelne Gruppen der Edelweißpiraten schon so etwas wie politisches Bewusstsein hatten, dass über bloße rebellische Ablehnung des Drills in der HJ hinausging und einzelne Gruppen versuchten Kontakt zu anderen Widerstandsgruppen aufzunehmen. Jedenfalls hat ihr Engagement manchen Jugendlichen der Edelweißpiraten einen Aufenthalt im Jugend-KZ Moringen bei Göttingen eingetragen.
 
Da muss man sicherlich sehr genau auf einzelne Gruppen schauen, wie weit es um bewussten politischen Widerstand ging. Manche verübten mWn bspw Sabotage. Inwieweit das (auch) eine Folge der Verfolgung war, kA.
 
Hallo zusammen,

ich überlege eine Lehrprobe zum Thema "Edelweißpiraten - Widerstandskämpfer?" zu machen.

Ich suche hierfür (Historiker)Meinungen, die Stellung dazu nehmen, ob die Edelweißpiraten eine Gruppe von Widerstandskämpfern gewesen ist. Hat jemand zufällig einen Literaturtipp? Ich habe einige Veröffentlichungen gefunden, allerdings bräuchte ich klare Statements.

Ich bin für jeden Tipp dankbar :)!

Zwar Soziologe und kein Historiker und auch nicht mehr ganz neu, aber trotzdem gut lesbar:
Arno Klönne Die Hitlerjugend und ihre Gegner
 
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