Einkreisung des Deutschen Reiches?

Turgot

Aktives Mitglied
@El Mercenario hat in einem anderem Thread die Meinung geäußert, dass das Deutsche Reich vor dem Erstem Weltkrieg „eingekreist“ worden sein. @El Mercenario hat angeregt, diese Thematik in einem gesonderten Thread zu diskutieren. Ich komme dieser Anregung hier nach. Mich würde nämlich interessieren, anhand welcher Fakten diese These festgemacht werden soll?

Wilhelm II. hat den Begriff der „Einkreisung“ gern in Zusammenhang mit seinem Onkel, den englischen König Edward VII., verwendet. Aber fangen wir von vorne an.

Als Wilhelm II. im Jahre 1888 die Regentschaft übernahm, befand sich das Deutsche Reich in einer wesentlichen besseren außenpolitischen Situation als im Jahre 1907. Was war passiert, dass sich deutsche außenpolitische Lage so dramatisch verschlechtert hat? Dazu ist es erforderlich weiter in die Vergangenheit zurückzugehen.

Als das Deutsche Reich 1871 gegründet worden war, hat es sich durch Bismarck für saturiert erklärt. Mit anderen Worten, es wurde kein weiterer territorialer Erwerb angestrebt. Des Weiteren galt es ein paar außenpolitische Maximen zu beachten. Das Deutsche Reich war durch seine Mittellage potentiell gefährdet. Es galt also den Feind Frankreich zu isolieren und isoliert zu halten. Die übrigen europäischen Mächte sollten des Deutschen Reiches bedürfen.

Im Jahre 1879 wurde mit Österreich-Ungarn der Zweibund abgeschlossen, 1882 der Dreibund ebenfalls mit Österreich-Ungarn und darüber hinaus noch Italien. 1887 kam das Mittelmeerabkommen zwischen Italien, Österreich-Ungarn und Großbritannien zustande. Im gleichen Jahr wurde mit Russland der Rückversicherungsvertrag unter Dach und Fach gebracht. Ich habe hier nur die wesentlichen Vereinbarungen genannt, die auch noch zu Beginn des Jahres 1890 Bestand hatten.

1890 markiert eine Zäsur in der deutschen Geschichte, denn Wilhelm hat in seinem Geltungsdrang Bismarck unmissverständlich aufgefordert sein Entlassungsgesuch einzureichen. Wilhelm wollte sein eigner Bismarck sein und das ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, wo sich das Zarenreich um eine vorzeitige Verlängerung des Rückversicherungsvertrages bemühte. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt beginnt die Auskreisung des Deutschen Reiches.

So wurde auf Betreiben des AA, hier ist im Besonderen Friedrich Holstein zu nennen, der Rückversicherungsvertrag nicht erneuert. Begründung: Der Vertrag würde im Widerspruch zu den Vereinbarungen mit der k.u.k. Monarchie stehen. Als die Russen im Verlauf des Jahres 1890 dann anboten, die Bestimmungen des Rückversicherungsvertrages, die im Widerspruch zu dem Zweibund stehen, fallen zu lassen, hat man trotzdem abgelehnt. Man war im AA entschlossen auf Sicht ein Bündnis mit Großbritannien ins Werk zu setzen. Dabei ging man denn auch noch so außerordentlich ungeschickt vor, dass daraus nichts wurde. Das AA, hier Berchem, hat nämlich die unfassbare Dummheit begangen, die Briten darüber aufzuklären, dass das Deutsche Reich seine enge Bindung an das Zarenreich gelöst hatte. Für Salisbury bestand nun ganz gewiss keine Notwendigkeit, trotz dem für Großbritannien so vorteilhaften Helgoland-Sansibarabkommen, mit Deutschland ein Bündnis abzuschließen.
Ich möchte den Rückversicherungsvertrag hier zwar nicht überbewerten, aber es wurde doch der Draht zu Russland gekappt, in dem man die schriftliche Vereinbarung löste und das ohne jede Not. Das war äußerst amateurhaft.

Was machte nun aber Russland? Verständlicherweise war man St.Petersburg darüber in Sorge, isoliert zu sein. Es geschah genau das, was Bismarcks Albtraum war, nämlich die französische-russische Allianz von 1894. Deutschland war zwischen den beiden kontinentalen Flügelmächten Europas. Die Geschichte der Annäherung zwischen Frankreich und Russland reicht selbstverständlich schon weiter zurück als 1890, aber die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages hat hier schon wie ein Katalysator gewirkt. Das war der erste bedeutende Schritt, aufgrund der nicht eben besonders glücklich agierenden Diplomatie des Deutschen Reichs, zur Auskreisung und nicht zur Einkreisung!
 
Das Jahr 1897 markiert eine weitere Zäsur in der deutschen auswärtigen Politik. Bernhard von Bülow wurde zum Staatssekretär des AA und Tirpitz zum Staatssekretär des Reichsmarineamts berufen. Wilhelm war entschlossen Weltpolitik zu betreiben. Das Deutschland Wilhelms wollte Weltmacht werden.

Die offizielle Argumentationslinie für den Ausbau zu einer der größten Flotten der Welt, war keineswegs, wie man bei einer Landmacht, wie Deutschland es nun einmal war, vermuten könnte, der Schutz der eigenen Küsten, nein, nein, als Grund wurde der Schutz der Handelsinteressen im Übersee bemüht. Nur war das eigentlich gar nicht so ohne weiteres möglich, das wurde natürlich öffentlich nicht gesagt, weil es hierfür nämlich an überseeischen Stützpunkten fehlte, die beispielsweise für die Kohleversorgung oder die Erhaltung der Einsatzbereitschaft wichtig waren.

In Wahrheit war der Flottenbau gegen Großbritannien ausgerichtet. Tirpitz brachte ja schon 1897 zum Ausdruck, das England der für Deutschland gefährlichste Gegner zu See ist. Großbritannien sei auch der Gegner, gegen den Deutschland eine Flotte als politischen Machtfaktor benötige. So weit Tirpitz.

Wie schon oben gesagt, es ging um die Erlangung des Status als Weltmacht. Deutschland wollte beispielsweise auch über ein großes Kolonialreich verfügen. Das Problem war aber, das die Welt schon damals so gut wie verteilt war, es gab praktisch keine weißen Flecken mehr. Wo es noch "etwas zu holen gab", wie beispielsweise in China oder Marokko war die Rivalität ausgesprochen hart. In Tsingtau, China, waren es dann beispielsweise primär keine wirtschaftlichen Interessen sich dort "niederzulassen", sondern es ging hier um einen Flottenstützpunkt.

Hier prallte Deutschlands Bedürfnis mit denen anderer Welt- oder Großmächte zusammen. Deutschlands Ansprüche konnten eigentlich nur zu Lasten anderer Mächte, in erster Linie Großbritanniens, realisiert werden. Dazu war Großbritannien gegenüber Deutschland aber nicht bereit. Man wollte deutscherseits eine große starke Flotte, so dass sich Großbritannien eben genötigt sah, Deutschland in weltpolitischen Angelegenheiten insbesondere kolonialpolitischen entgegenzukommen.

Des Weiteren wurde ein Flotte angeblich auch gebraucht, um Deutschland blockadesicher sein. Man ging im Falle einer militärischen Auseinandersetzung mit Großbritannien davon aus, dass die Briten zu dem Mittel der Nachblockade greifen würden. Um diese zu durchbrechen, wurde eine große Seeschlacht in der Deutschen Bucht angestrebt und dazu sollte eben die Flotte dienen, die hierfür natürlich eine gewisse Stärke, 60 Linienschiffe, benötigte.

Und schließlich vertrat man im Sinne von Mahan, das eine Position als Weltmacht nur mit einer starken Flotte erreichen bzw. behaupten kann.
 
Zwischen 1898 und 1901, gab es möglicherweise dann noch die Chance, zwischen Großbritannien und Deutschland zu einer Normalisierung und sogar zu Absprachen zu kommen und das trotz des Ärgers in den vergangene Jahren (Krüger-Depesche, Beginn des Ausbaus der Flotte, Bagdad-Bahn, Rivalität in Afrika).

Diese Möglichkeit wurde von den verantwortlichen Politkern, Schuljungen wie der Reichstagsabgeordnete Roggenbach meinte, in der Wilhelmstraße nicht ergriffen.

Bei dieser Imitative Großbritanniens ging es um die grundsätzliche Verbesserung der Beziehungen und ein Zusammenwirken auf anderen Schauplätzen wie beispielsweise in China. Die deutschen Politiker wollten sich aber nicht "vor den britischen Karren spannen lassen" und haben wohl nicht wirklich ernsthaft ausgelotet, was an Übereinkünften mit den britischen Staatsmännern möglich gewesen wäre.

England benötigte in jener Zeit nämlich Verbündete. Für die Briten stellten nämlich bisher die Franzosen und Russen die Bedrohung dar. Mit Frankreich war es, Stichwort Faschoda Krise von 1898, fast zum Krieg gekommen. Russland hatte seinen Einfluss in Ostasien immer weiter ausgedehnt; es hatte sich in der Mandschurei Rechte gesichert gehabt. Großbritannien benötige also dringend Unterstützung und es lag daher nahe, sich an das Deutsche Reich zu wenden. Das war eine Chance, die die deutsche Diplomatie nicht in ihrer vollen Tragweite erfasst hat.

Der einflussreiche britische Kolonialminister Chamberlain richtete dies Angebot sogar öffentlich an Deutschland und den USA. Chamberlain machte gegenüber den Deutschen aber auch deutlich, dass so ein Angebot nicht beliebig wiederholt werden würde. Chamberlain äußerte im Verlaufe der Verhandlungen sogar, "dass die teutonischen Völker Großbritanniens, der Vereinigten Staaten und Deutschlands dazu berufen seien, künftig über die ganze nicht-weiße Welt zu herrschen." Chamberlain brachte dann auch ein englisch-deutsche Bündnis ins Gespräch.

Wilhelm II. versuchte dies Angebot mit einem billigen, plumpen Versuch gegenüber den Zar Nikolaus II. für Deutschland auszunutzen, nur holte er sich dort eine glatte Abfuhr ein. Peinlich, peinlich.

Die Briten waren bereit sich mit den Deutschen über Kolonialfragen zu unterhalten. Die deutsche Diplomatie wollte sich mit den Briten über Kolonien in Afrika einigen und dabei natürlich Gewinne einstreichen aber im Gegenzug war man nicht bereit mit den Briten in China zu kooperieren, denn man wollte nicht im Gegensatz zu Russland gelangen. Im Endeffekt haben die "Künstler" in der Wilhelmstraße es vollbracht, sich zwischen alle Stühle, mit den bekannten Folgen, zu setzen.

Dies war wohl der zweite bedeutende Schritt, der zur Auskreisung des Deutschen Reiches geführt hat. Was tat Großbritannien in der Folge. Wie Chamberlain schon gefordert hatte, wurden sämtliche Reibungsflächen mit den USA beseitigt. 1902 wurde mit Japan ein Bündnis abgeschlossen, 1904 kam es zur Entente Cordiale mit Frankreich und schließlich hat man im Jahre 1907 mit Russland seine Spannungen erfolgreich abgebaut. Und das Deutsche Reich hat selbst noch im Jahre 1912, Haldane-Mission, es versäumt, sich mit Großbritannien zu einigen um den sinnlosen, ruinösen Wettrüsten zur See ein Ende zu setzen, um dann in der Folge auch die weiteren Spannungen mit Großbritannien abzubauen.


Des Weiteren sind hier noch die zahlreichen diplomatischen Krisen, wie die beiden Marokkokrisen, Liman-Sanders-Krise, die bosnische Annexionskrise etc., etc. erwähnenswert, die ich hier nicht detailliert beschreiben, das würde den Rahmen der Eröffnungsposts sprengen, in denen das Deutsche Reich reichhaltig diplomatisches Geschirr zerschlug. Das Deutsche Reich wollte immer zu schnell viel zu viel.


Es kann also m.E. nach nicht von einer Einkreisung des Deutschen Reiches die Rede sein.
 
Man müsste erst einmal zu einer Einigung gelangen, was Auskreisung und Einkreisung überhaupt unterscheidet, das war in dem anderen Thread schon etwas strittig. Einkreisung heißt aus meiner Sicht, einen Staat aus mehreren Richtungen militärisch zu bedrohen, machtpolitisch und militärisch so schmachmatt zu setzen, um ihn schließlich zu zerschlagen oder wie im kalten Krieg nur kalt zu stellen.

Bei der Einkreisung wären dabei imperialistische Gründe dafür ausschlaggebend, zwei, drei Staaten schließen sich zusammen, um einen lästigen Konkurrenten zu neutralisieren. Bei der Auskreisung handeln die Partner aus Notwehr und schließen sich gegen einen Feind, der sie alle bedroht, zusammen.

Das Bündnis von Russland, Preußen und Österreich gegen Polen wäre eine Einkreisung, die Bildung der NATO gegen die UDSSR eine Auskreisung (schiefes Beispiel aber mir fällt nix besseres ein).

Ich würde die Einkreisung 1914 im wesentlichen an zwei Tatbeständen festmachen, einmal an der Verschlechterung der Beziehungen zu Russland und zum zweiten an der festen Bündnisbildung.
Die Beziehungen zu Frankreich und GB waren 1914 nicht viel anders als nach 1871 (vielleicht tendenziell schlechter) aber Russland war 1871 ein Verbündeter und 1914 ein Feind. Hinzu kam die Festschreibung des Verhältnisses in Bündnisse, die als unkündbar betrachtet wurden und so die Lage auf Dauer festschrieben, oder zumindest den Anschein erweckten.

Die 40-jährige Entwicklung der Abkehr Russlands vom DR wesentlich an dem nichtverlängerten Rückversicherungdingens festzumachen, bereitet mir ehrlich gesagt ziemliche Bauchschmerzen. Im Grunde setzt die Entwicklung nämlich schon früher ein und der von Bismarck abgeschlossene Zweibund-Vertrag, tendeziell gegen Russland gerichtet, war viel entscheidender als der Rüchversicherungsvertrag. Im Grunde ein Versuch Bismarcks die Russen zu erpressen, den "DreiKaiserBund" wieder zu erneuern. Da liegt der Ausgangspunkt der schiefen Bahn, die Bündnisse schon in Friedenszeiten schriftlich zu fixieren und Stellung gegen Russland zu beziehen.
Und der Versuch den Russen den Geldhahn abzudrehen war doch auch noch auf Bismarcks Mist gewachsen, oder der Berliner Kongress. War Bismarck wirklich so viel geschickter im Umgang mit den Russen als seine Nachfolger?

Die Einschätzung:
Das AA, hier Berchem, hat nämlich die unfassbare Dummheit begangen, die Briten darüber aufzuklären, dass das Deutsche Reich seine enge Bindung an das Zarenreich gelöst hatte.
finde ich verblüffend. England und Russland waren zu dem Zeitpunkt nunmal noch verfeindet, also war es doch völlig logisch, wenn man ein Bündnis mit GB will, offen und ehrlich zu sagen, dass man gegen Russland auf Abstand geht. Da hat man einmal auf machiavellistische Mätzchen verzichtet und offen agiert, dann war es auch wieder falsch.

Mein Hauptpunkt ist aber das hier:
Des Weiteren sind hier noch die zahlreichen diplomatischen Krisen, wie die beiden Marokkokrisen, Liman-Sanders-Krise, die bosnische Annexionskrise etc., etc. erwähnenswert, die ich hier nicht detailliert beschreiben, das würde den Rahmen der Eröffnungsposts sprengen, in denen das Deutsche Reich reichhaltig diplomatisches Geschirr zerschlug. Das Deutsche Reich wollte immer zu schnell viel zu viel.
Einfach alle diplomatischen Fehlgriffe der Deutschen aufzuzählen und dann zu dem Schluss zu kommen, die Deutschen haben sich ausgekreist, ist aus meiner Sicht ein falsches Verfahren, weil völlig einseitig. Man müsste die entsprechenden Fehlgriffe der "Gegenseite" dagegenstellen und gewichten, um zu einem ausgewogenen Urteil zu gelangen.

Das:
Die Briten waren bereit sich mit den Deutschen über Kolonialfragen zu unterhalten. Die deutsche Diplomatie wollte sich mit den Briten über Kolonien in Afrika einigen und dabei natürlich Gewinne einstreichen aber im Gegenzug war man nicht bereit mit den Briten in China zu kooperieren, denn man wollte nicht im Gegensatz zu Russland gelangen.
ist zwar richtig, aber die Briten haben das doch nicht anders gemacht. Sie wollten zwar, ein Flottenabkommen mit dem DR, dass ihnen die unangefochtene maritime Vorherrschaft zusichert, aber ein Vertrag mit den Deutschen wo das Wort "neutral" vorkommt, war im Gegenzug natürlich nicht drin. Man wollte sich ja nicht in Gegensatz zu den Franzosen oder Russen bringen.

Ein anderes Beispiel: Die Bosnienkrise von 1908. Der russ. Außenminister geht zum öster. Außenminister und vereinbart mit ihm, den Berliner Vertrag zu brechen und dass Ö.U. Bosnien vertragswidrig annektieren darf, gegen freie Duchfahrt durch den Bosporus. Als das dann nicht klappt wird die Annektion von den Russen als ruchlose Tat verschrien und eine massive Krise ausgelöst und schuld sind am Ende die Deutschen, weil sie ÖU den Rücken gestärkt haben, anstatt ihren Verbündeten zurückzupfeifen. Da haben sie sich schon wieder ausgekreist. Wenn man den Russen quasi Narrenfreiheit zugesteht, steht die deutsche Diplomatie natürlich schlecht da, aber mir scheint das keine sachliche Betrachtungsweise zu sein.

Was mir auffällig war, als ich noch mehr darüber gelesen habe, dass es eine umfassende Beschreibung zu der Politik, die zum 1.WK führt, nur aus deutscher und englischer Sicht gibt. Aus brit. Sicht gibt es "Schalen des Zorns" oder "Der falsche Krieg" und aus deutscher Sicht "Krieg der Illusionen" und massig andere "Nachfolgewerke" aber für Russland, ÖU oder Frankreich habe ich nichts dergleichen gefunden.
 
Was mir auffällig war, als ich noch mehr darüber gelesen habe, dass es eine umfassende Beschreibung zu der Politik, die zum 1.WK führt, nur aus deutscher und englischer Sicht gibt. Aus brit. Sicht gibt es "Schalen des Zorns" oder "Der falsche Krieg" und aus deutscher Sicht "Krieg der Illusionen" und massig andere "Nachfolgewerke" aber für Russland, ÖU oder Frankreich habe ich nichts dergleichen gefunden.

Das Grundproblem jeder Diskussion hier im Forum ist [EDIT: natürlich auf diesen Zeitraum bezogen], das offenbar die nicht-deutschsprachige Literatur kaum bekannt ist. Das ist auch eine Form von Germanozentrik.

Massie und Ferguson werden offenbar gern als neuere Beispiele "gehandelt", weil übersetzt. Massie hat populärwissenschaftliche Werke geschrieben und schreibt - zT für den Laien nicht erkennbar, zT zitiert - ab. Ferguson überrascht offenbar - neben unbelegten Schlußfolgerungen und selektiven Zitaten - durch seine auch wirtschaftshistorischen Anklänge, deren fachliche Qualität serienweise zweifelhaft ist, um das höflich auszudrücken. Die beiden Autoren sind so ziemlich die letzten Beispiele, die mir für den entsprechenden Bedarf einfallen würden (obwohl ich sie gelesen habe).

Solche "Überblickswerke" sind ohnehin nach dem Stand der Forschung mit Vorsicht zu genießen. Mir ist kein einziges Werk bekannt, dass in den komplexen, in wichtigen Fragen umstrittenen wesentlichen Ereignissen und zu den handelnden Personen die Unsicherheiten korrekt wiedergibt.

Es gibt eben keine einfachen Antworten, wobei ich die Auskreisungs-/Einkreisungsdiskussion als Gipfel der Simplifizierung bewerten würde, aus zwei Aspekten:

- der Sehnsucht nach einfachen Antworten
- speziell in der Nachkriegsliteratur als Instrumentalisierung der Kriegsschuldfrage - Exkulpation der Deutschen Politik

EL_Mercenario schrieb:
Die 40-jährige Entwicklung der Abkehr Russlands vom DR wesentlich an dem nichtverlängerten Rückversicherungdingens festzumachen, bereitet mir ehrlich gesagt ziemliche Bauchschmerzen.
Da sind wir einer Meinung, ganz im oben gerade beschriebenen Sinne.
Es gibt hier nicht DAS Schlüsselereignis, sondern einen Verlauf.

EL_Mercenario schrieb:
Einfach alle diplomatischen Fehlgriffe der Deutschen aufzuzählen und dann zu dem Schluss zu kommen, die Deutschen haben sich ausgekreist, ist aus meiner Sicht ein falsches Verfahren, weil völlig einseitig.
So will hier wohl auch niemand sonst verfahren. Interessant ist doch, dass die Sache in der Exkulpationsliteratur diametral entgegengesetzt verlief: es wurden alle greifbaren Zitate und Ereignisse aufgefahren, in die man einen Einkreisungsplan der Alliierten hinenideuten konnte. Diesen Hang der deutschen zeitgenössischen Geschichtswissenschaft hat Fischer abserviert, und das ist das eigentliche Ergebnis der Kontroverse - über alle inhaltlichen Details kann man streiten.

Ach ja, da würde das hier passen - noch unvollendet und mit laufendem Aktualisierungsbedarf - es fehlen insbesondere herausragende Fachartikel zu Einzelfragen und Dokumentensammlungen:
http://www.geschichtsforum.de/f58/literaturempfehlungen-f-r-die-zeitspanne-von-1870-1914-a-36907/
 
Zuletzt bearbeitet:
Man müsste erst einmal zu einer Einigung gelangen, was Auskreisung und Einkreisung überhaupt unterscheidet, das war in dem anderen Thread schon etwas strittig. Einkreisung heißt aus meiner Sicht, einen Staat aus mehreren Richtungen militärisch zu bedrohen, machtpolitisch und militärisch so schmachmatt zu setzen, um ihn schließlich zu zerschlagen oder wie im kalten Krieg nur kalt zu stellen.

Vielleicht könnten wir uns ja auf die Fragestellung einigen, ob sich das Deutsche Reich durch eine ganze Reihe von diplomatischen Fehlgriffen, im Rahmen der angestrebeten Weltmachtstellung, in diversen Krisensituationen selbst ins Aus, Aus hier gleichbedeutend mit außerhalb bzw gegen die Gemeinschaft der Großmächte zu stellen, gestellt hat. Der Begriff eingekreist stammt ja, wie ich schon weiter ober erwähnt habe, von Wilhelm und ich glaube auch von Bülow bzw. Bethmann.


El Mercenario schrieb:
Die 40-jährige Entwicklung der Abkehr Russlands vom DR wesentlich an dem nichtverlängerten Rückversicherungdingens festzumachen, bereitet mir ehrlich gesagt ziemliche Bauchschmerzen.

Ich stelle gar nicht in Frage, das es zum Zeitpunkt der Nichtverlängerung bereits einen Annäherungsprozess zwischen Frankreich und Russland gegeben hat. Und auch nicht, das dieser aufzuhalten gewesen wäre. Aber es war eben doch ein wichtiges Ereignis und die Nichtverlängerung hat diesen Prozess eher beschleunigt und es muss wohl offen bleiben, ob es bei einer Verlängerung auch zu einer militärischen Vereinbarung gekommen wäre. Ich habe dieses Ereignis ausgewählt, weil es doch eben eine Zäsur markiert, nämlich dass das Deutsche Reich den Draht zu Russland, ohne jede Not, gekappt hat, ohne ein Urteil fällen zu wollen, was diese Vereinbarung tatsächlich wert war.

Schon die Reichsgründung, 20 Jahre zuvor, hätte wohl kaum stattgefunden, wenn Russland nicht die Füße stillgehalten hätte und Österreich-Ungarn unmissverständlich klargemacht hat, dass das Zarenreich im deutsch-französischen Krieg nicht mehr länger neutral bleiben würde, wenn Österreich-Ungarn auf Seite Frankreichs in dem Krieg eintreten würde. Bismarck hat sich ja dann auch kurze Zeit später, als Gortschakow die Pontusklauseln des Pariser Vertrages kündigte, entsprechend dankbar verhalten. Zu jener Zeit war die Beziehung also gut.

Im Übrigen ist auch festzuhalten, das sich das Deutsche Reich und das Zarenreich immer wieder in Bündnissen zusammen gefunden haben. So war man beispielsweise von 1872-1878 im Dreikasierbund mit Österreich-Ungarn verbunden. Von 1882 -1887 haben sich die drei Kaiserreiche wieder zu einen Bündnis zusammen gefunden. Ab 1887 bestand zwischen dem Deutschen Reich und dem Zarenreich der Rückversicherungsvertrag, dessen vorzeitige Verlängerung von der Reichsleitung abgelehnt worden war. Als Begründung diente der Widerspruch zum Bündnis mit Österreich-Ungarn. Ich laße jetzt einmal offen, ob das tatsächlich zutreffend war, aber Tatsache ist, das man zu jener Zeit eben ein Bündnis mit Großbritannien ins Werk setzten wollte.

El Mercenario schrieb:
Und der Versuch den Russen den Geldhahn abzudrehen war doch auch noch auf Bismarcks Mist gewachsen, oder der Berliner Kongress. War Bismarck wirklich so viel geschickter im Umgang mit den Russen als seine Nachfolger?

Bismarck hat eben die Politik von Zuckerbrot und Peitsche gefahren und damit ja lange Zeit auch Erfolg gehabt. Auf diesem Wege hat er ja letzlich auch es geschafft, das es 1881 zu einer Neuauflage eines Bündnisses zwischen den drei Kaiserreichen gekommen war. Seine brutale Maßnahme den Russen den Kredit zu sperren war alles andere als ein genialer Schachzug, denn die Pariser Börse ist gerne eingesprungen. Das war ebenfalls ein wichtiges Ereignis! In der Summe aber war aber Bismarcks Handeln von weit größerer Voraussicht und Umsicht geprägt als das seiner Nachfolger im Amt. Seine Außenpolitik hat nicht so viel Lärm verursacht.

England und Russland waren zu dem Zeitpunkt nunmal noch verfeindet, also war es doch völlig logisch, wenn man ein Bündnis mit GB will, offen und ehrlich zu sagen, dass man gegen Russland auf Abstand geht. Da hat man einmal auf machiavellistische Mätzchen verzichtet und offen agiert, dann war es auch wieder falsch.

Gar nicht. Es war schon ziemlich peinlich, in London damit hausieren zu gehen, das ich schon im Vorfeld eventueller ggf. stattfindene Bündnisverhandlungen mich damit brüste, die Vereinbarung mit dem Gegener Großbritanniens gelöst zu haben. Mit Vereinbarung wäre das Deutsche Reich für Großbritannien zu jenem Zeitpunkt interessanter gewesen.

Einfach alle diplomatischen Fehlgriffe der Deutschen aufzuzählen und dann zu dem Schluss zu kommen, die Deutschen haben sich ausgekreist, ist aus meiner Sicht ein falsches Verfahren, weil völlig einseitig. Man müsste die entsprechenden Fehlgriffe der "Gegenseite" dagegenstellen und gewichten, um zu einem ausgewogenen Urteil zu gelangen.

Was schägst du vor?

In den meisten diplomatischen Krisen mit Beteiligung des Deutschen Reiches, hat sich das Reich nicht eben wirklich geschickt verhalten. Und wenn das Recht auf deutscher Seite lag, ich erwähne beispielsweise südliches Afrika vor der Jahrhunderwende, da meinte das AA dann so plump und töpelhaft agieren zu müssen, das der Gegenseite kaum eine Chance verblieb, ohne Gesichtsverlust nachzugeben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ohne in die Literatur tiefer eingestiegen zu sein, wäre es doch nicht ganz unwichtig nach dem Motor im DR zu fragen, der zu einer außenpolitischen Isolierung beigetragen hat.

Und vielleicht zu hinterfragen, ob auf der diplomatischen Bühne alle Optionen die gleich Chance hatte, realisiert zu werden.

Und ein Aspekt, der wichtig war für die Beziehung zu Russland, war wohl die Intervention der ostelbischen Junker für hohe Schutzzölle gegenüber Russland.

In diesem Sinne reduzierte der partielle Eigennutz dieser Gruppe, auf deren Unterstützung des Kaiserreich ja angewiesen war, die außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten.

Und begünstigte durch dieses egoistische Verhalten die Entwicklung der zweiten Front im Osten bzw. das Empfinden eingekreist zu sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es gab einen weiteren Motor, um im in deinem Bild zu bleiben:), nämlich die Industrie, die sehr gern Russland als Absatzmarkt für ihre Produkte zur Verfügung hätte. Es gab also mehrere Strömungen und diese beiden standen sich diametral gegenüber.
 
Für Russland war ein Bündniss mit dem Deutschen Reich schon deshalb vorteilhaft, weil das Zarenreich über Deutschland seine Interessenkonflikte mit der k.u.k. Monarchie entschärfen konnte/wollte. Das war auch Giers erkärte Absicht, ja er wollte sogar über Berlin, passende Gelegenheit vorausgesetzt, zu einem Ausgleich mit der Donaumonarchie gelangen. (1) Des Weiteren war Giers der durchaus zutreffenden Auffassung, das eine Verbindung mit Frankreich das Zarenreich in Stellung gegen das Deutsche Reich und natürlich auch Österreich-Ungarn bringen würde. So ein Bündnis würde nach Giers Auffassung aber mehr den französischen Interessen dienen als denen Russlands. Das wollte Giers vermeiden, da er befürchtete, dass das Zarenreich von Frankreich in einen Krieg gegen das Deutsche Reich hineingezogen zu werden. Und weiter, so Giers Gedankengänge, was würde denn nach einem französischen Sieg geschehen? Seiner Meinung nach würde das Reich eine Republik werden und Russland hätte an seiner westlichen Grenze einen unversöhnlichen Feind sitzen. (2)

Paul Schuwalow hat von Wilhelm erfahren müssen, das dieser mittlerweile als schweren Fehler betrachte, das der Rückversicherungsvertrag nicht verlängert worden ist. Er, Wilhelm, habe auf dem schelchten Rat von Caprivi und sei quasi erpresst worrden. Hierüber informierte Schuwalow umgehend Giers und der informierte die Sängerbrücke. Bekanntermaßen starb Giers am 26.01.1895, so das er nicht mehr die Chance erhielt, auszuloten, was mit diesen Aussagen Wilhelm verwertbar und in praktische Politik umgesetzt werden könnte.

thanepower schrieb:
Ohne in die Literatur tiefer eingestiegen zu sein, wäre es doch nicht ganz unwichtig nach dem Motor im DR zu fragen, der zu einer außenpolitischen Isolierung beigetragen hat.

Und vielleicht zu hinterfragen, ob auf der diplomatischen Bühne alle Optionen die gleich Chance hatte, realisiert zu werden.

Und ein Aspekt, der wichtig war für die Beziehung zu Russland, war wohl die Intervention der ostelbischen Junker für hohe Schutzzölle gegenüber Russland.

In diesem Sinne reduzierte der partielle Eigennutz dieser Gruppe, auf deren Unterstützung des Kaiserreich ja angewiesen war, die außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten.

Und begünstigte durch dieses egoistische Verhalten die Entwicklung der zweiten Front im Osten bzw. das Empfinden eingekreist zu sein.

Interessant ist auch, das die Reichsleitung in den späteren Jahren die Flüstertüte der Junker benötigte. um die Flottengesetze durch dem Reichstag zu bringen. Das hieß es denn, den Weg auf dem schmalen Grat zu finden.




(1)Schweinitz, Denkwürdigkeiten, II, S.333

(2)Jakobs, Das Werden des französichen Zweibundes
 
Schauen wir uns den deutschen diplomatischen Apparat nach dem Abgang Bismarcks an.

Der neue Staatssekretär des AA war Marschall von Bieberstein, der ursprünglich Staatsanwalt gewesen war. Ludwig Raschdau, ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes urteilte übe Bieberstein,.." aber für die Beurteilung auswärtiger Verhältnisse fehlte ihm alle Erfahrung, er sei von Holstein vorgeschoben. (1)

Der sehr erfahrene Diplomat Schweinitz meinte, ....."die Diplomaie wird ihm immer fremd bleiben, denn er kennt weder Länder noch die Menschen, mit welchem man bei diesem geschäft zu rechnen hat. (2)

Die aufmerksame Beobachterin Baronin vom Spitzemberg gelangte zu dem gleichen Urteil,...."schwieriger wird ihm die Arbeit nach außen fallen." (3)

Sein Vorgesetzter, der Reichskanzler Caprivi urteilte, " Wenn der Mann auch nichts versteht, der macht was, denn er hat Schneid. (4)

Die Urteile von Schuwalow und Salisbury, ebenfalls sehr erfahrene Diplomaten, fielen auch nicht sehr gnädig aus.

Und so ein Mann wurde in einer wichtigen Phase deutscher Außenpolitik zu Staatssekretär des deutschen Auswätigen Amtes bestellt. Er ließ sich von Holstein benutzen und setzte Caprivi massiv unter Druck, damit dieser Wilhem klar macht, das der Rückversicherungsvertrag nicht verlängert werden darf.

Die graue Eminenz des AA, auf die Bieberstein wegen seiner eigenen nicht vorhandenen Kompetenz dringend angewiesen war, war Friedrich Holstein. Aufrund der Arnim Affäre war Vortragender Rat. Er pflegte auch enge Beziehungen zu Philipp von Eulenburg, der bekanntermaßen ein enger Freund Wilhelms war. Holstein nahm beispielsweise niht gerade geringen Einfluss auf personpolitische Entscheidungen des AA und bedients sich dabei Eulenburgs, der diese dem Kaiser entspechend verkaufte. Holstein war bloß leider nicht immer in der Lage seine privaten Meinungen mit dem Interessen des Deutschen Reiches unter ein Hut zu bringen. So hat er auch im Hintergrund fleißig an der Entlassung Bismarcks gewerkelt. Dieser Holstein war von der Idee durchdrungen, das Bündniss mit Russland zu beenden und stattdessen mit Großbritannien ein Bündnis einzugehen. Schweinitz urteilte über ihm: " Dieser Sonderling [...] hat eine hämischen Charakter, läßt sich durch persönliche Abneigungen beeinflussen [...]den Geist und Charakter eines Buckligen." (5)

Otto Hammann, Chef der Presseabteilung, der viele Jahre mit Holstein zusammenarbeitete, kam zu folgendem Schluss: " Für mich blieb er durch krankhafte Veranlagung zum Unheilvollen prädistinierte, aber doch immer vom reinsten patriotischen Streben geleitete Mann. (6)
Holstein unterlag den Irrtum, die freie Wahl zwischen Großbritannien und Russland zu haben.


Bismracks Botschafter in Konstantinopel, der sehr erfahrene Radowitz, wurde kurzerhand auf einen unbedeutenden Posten nach Madrid abgeschoben.

Arthur Nicolson meinte zu erkennen, das Holstein nur darauf aus sei, aus den Differnezen anderer Länder Kapital zu schlagen und dabei nur den augenblicklichen Vorteil, nicht das künftige Wohl seines Landes im Auge zu haben. (7)

Das war also die andere entscheidene Persönlichkeit im deutschen Auswärtigen Amt. Keine guten Voraussetzungen also, für eine Fortsetzung von Bsimarcks auswärtiger Poltik. Von einer Verlängerung des Rückversicherungvertrages erst gar nicht zu reden.


(1) Raschdau, S.141

(2) Schweinitz, Briefwechsel, S.302

(3) Spitzemberg, S.274

(4) Röhl, Koorespondenz, I, Nr.372

(5) Schweinitz, Denkwürdigkeiten, II, S.349

(6) Hamman, Der neue Kurs, S.66-68

(7) Nicolson, S.93-98
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe das schon einmal anderen Orts gesagt, aber wenn ein eigener Thread dazu eröffnet wird, dann ist Anlass, es zu wiederholen: Ich sehe Auskreisung und Einkreisung nicht als einander ausschließende Tatbestände. Unter Einkreisung verstehe ich alle Aktionen von Entente- oder ihnen nahestehenden Mächten, das Deutsche Reich zu isolieren, Vereinbarungen und Bündnisse gegen seine Interessen zu schließen. Unter Auskreisung verstehe ich Aktionen seitens des Deutschen Reiches, sich andere Mächte zu Gegnern und Feinden zu machen, aus welchen Motiven auch immer. Beide Tatbestände können miteinander zu tun haben, müssen aber nicht. Bei beiden Tatbeständen handelt es sich um äußerst verhängnisvolle Entwicklungen, die in den Ersten Weltkrieg mit all seinen z.T. bis heute andauernden Folgen mündeten.

Soviel zum Objektiven. Daneben gibt es noch das "ganz einfache" Problem der subjektiven Einschätzungen. KWII war sicher eine problematische Persönlichkeit, aber andererseits auch kein Komplettkretin. Wenn er subjektiv eine Einkreisung konstatiert, mit welchem Recht spricht man ihm diese Einschätzung ab?

Grüße, Holger
 
HolgerXX schrieb:
Unter Einkreisung verstehe ich alle Aktionen von Entente- oder ihnen nahestehenden Mächten, das Deutsche Reich zu isolieren, Vereinbarungen und Bündnisse gegen seine Interessen zu schließen. Unter Auskreisung verstehe ich Aktionen seitens des Deutschen Reiches, sich andere Mächte zu Gegnern und Feinden zu machen, aus welchen Motiven auch immer

Beziehst du dich dabei auf Manfred Rauh?

Ansonsten ganz kurz zur Erläuterung der Auskreisung: Ich verweise auf meinen obigen Beitrag.

Zu Wilhem:

Wilhelm war nicht nur problematische Persönlichkeit, sondern ein Herrscher, der für sein Job definitv nicht geeigent war. Er war schlicht überfordert. Sein Charakter war zumindest problematisch.

Wie äußertete sich Waldersee doch gleich, ganz gewiss kein Kind von Traurigkeit, über Wilhelm II:" Er will sein eigner Chef sein. Gott schütze das Vaterland." (1) Waldersee war ja nur jahrelanglang unter Moltke der stellvertetende Chef des Generalstabchefs, hat in den letzten Jahren eigentlich das Amt wahrgenommen und wurde folgerichtig dessen Nachfolger.

Auch meinte Wilhelm II. den Reichsgründer vor die Haustür setzen zu müssen, denn er wolte sein eigener Bismarck sein. Er entließ Bismrack, ohne auch nur einen Überblick über die vielfältigen innen- und auußenpoltischen Zusammenhänge gewonnen zu haben. Erfuhr er keinen Beifall, verlor er rasch das Interesse. Wilhem betrachtete sowohl den Reichskanzler als auch den Chef des Generalstabs als seine Handlanger!

Ein qualifizierter Nachfolger für Bismarck war aber nicht vorhanden. War Wilhelm ja auch egal, denn der hatte ja nur seinem Herrn, nämlich Wilhelm, zu gehorchen. Wilhelm war in seinem ganzen Denken und Handeln den Absolutismus verhaftet und in dieser Hinsicht in keinster Weise im 19.Jahrhundert angekommen. Wie sagte Wilhem I. doch gleich auf dem Sterbebett: "Ich bin ersetzbar, Bismarck ist es nicht."

Hier ließe sich noch eine Unmenge an Fakten über Wilhelm präsentieren, aber wir wollen über die Auskreisung diskutieren.



(1) Waldersee, Denkwürdigkeiten, II, S.1
 
Zuletzt bearbeitet:
Rauh findet es müßig, zwischen Einkreisung und Auskreisung zu unterscheiden (Seitenzitat auf Anfrage). Das finde ich überhaupt nicht.

Grüße, Holger
 
Das Grundproblem jeder Diskussion hier im Forum ist [EDIT: natürlich auf diesen Zeitraum bezogen], das offenbar die nicht-deutschsprachige Literatur kaum bekannt ist. Das ist auch eine Form von Germanozentrik.
Naja, mein Französisch und Russisch ist eher mäßig. Ob bekannt oder nicht, macht da wenig Unterschied.

Diesen Hang der deutschen zeitgenössischen Geschichtswissenschaft hat Fischer abserviert, und das ist das eigentliche Ergebnis der Kontroverse - über alle inhaltlichen Details kann man streiten.
Aber Fischer dreht das Verfahren doch nur um und sammelt jeden Fitzel der für seine These spricht. Und neben der Exkulpationsliteratur gibt dann ja auch noch nach dem 3. Reich die politisch korrekte "Schuldliteratur".

Und wenn ich mir deine Literaturliste angucke, das bestätigt was Russland angeht so ein bisschen meinen Eindruck. Das meiste geht um Detailfragen und Bücher von 1937 oder 1924 sind nicht so wirklich up to date oder? Interessant sind eigentlich nur Altrichter und Katzer. Aber auch die sind beide sehr spezifisch.
Was Frankreich angeht, könnte die "schicksalhafte Allianz" interessant sein.

---

Vielleicht könnten wir uns ja auf die Fragestellung einigen, ob sich das Deutsche Reich durch eine ganze Reihe von diplomatischen Fehlgriffen, im Rahmen der angestrebeten Weltmachtstellung, in diversen Krisensituationen selbst ins Aus, Aus hier gleichbedeutend mit außerhalb bzw gegen die Gemeinschaft der Großmächte zu stellen, gestellt hat.
Nein. :)
Die Liste der diplomatischen Fehlleistungen und Flopps des DR ist mir glaube ich im wesentlichen bekannt. Mich würde eine Liste von Fehlgriffen der anderen Großmächte interessieren, mit denen das DR in die Isolation getrieben (eingekreist) wurde und eine vergleichende Gegenüberstellung.

Bismarck hat eben die Politik von Zuckerbrot und Peitsche gefahren und damit ja lange Zeit auch Erfolg gehabt... In der Summe aber war aber Bismarcks Handeln von weit größerer Voraussicht und Umsicht geprägt als das seiner Nachfolger im Amt. Seine Außenpolitik hat nicht so viel Lärm verursacht.
Wirklich? Zuckerbrot und Peitsche - Drohen und Anbiedern, das war doch genau die Politik seiner Nachfolger, bei ihm abgeschaut. War die machiavellistische Schaukelpolitik von Bismarck, basierend auf sich widersprechenden Geheimverträgen wirklich soviel besser?

Gar nicht. Es war schon ziemlich peinlich, in London damit hausieren zu gehen, das ich schon im Vorfeld eventueller ggf. stattfindene Bündnisverhandlungen mich damit brüste, die Vereinbarung mit dem Gegener Großbritanniens gelöst zu haben.
Sehe ich nicht so. Wenn GB wirklich an einem Bündnis interessiert ist, das auf gemeinsamen Interessen beruht, dann kann das kein Hindernis sein, im Gegenteil.

In den meisten diplomatischen Krisen mit Beteiligung des Deutschen Reiches, hat sich das Reich nicht eben wirklich geschickt verhalten.
Das wäre dann aber schon das Fazit. Hat sich denn die Gegenseite in diesen Krisen geschickter verhalten?

Eine Untersuchung aller Krisen würde wohl den Rahmen sprengen vielleicht könnte man das anhand ein zwei Beispielen versuchen, ob so eine Betrachtung überhaupt sinnvoll ist.


zu Wilhelm:
Der olle Wilhelm war wirklich ein unmöglicher Mensch, allerdings müsste man ihm gerechterweise dann seine "Kollegen" gegenüberstellen, Nikolaus (samt Frau und ihrem legendären Sidekick Rasputin ^v^) und den verknöcherten Franz-Joseph.
 
El Mercenario schrieb:
Nein. :)
Die Liste der diplomatischen Fehlleistungen und Flopps des DR ist mir glaube ich im wesentlichen bekannt. Mich würde eine Liste von Fehlgriffen der anderen Großmächte interessieren, mit denen das DR in die Isolation getrieben (eingekreist) wurde und eine vergleichende Gegenüberstellung.

Es wird wohl nicht wesentlich anders gehen. Ich denke, wir sind uns darüber einig, das unter Wilhelm II, ganz besonder ab 1897, eine andere Außenpoltik, nicht eben die der Saturiertheit, gefahren wurde als unter Bismarck. Das Deutsche Reich wollte Weltmacht werden und dazu gehörten nach dem damaligen Verständnis eben auch Kolonien. Die Kolonien waren aber im Wettlauf der Mächte bereits weitesgehend vergeben wurden und so eine vorsichtige Kolonialpolitik wie die von Bismarck war wohl nach Meinung der Reichsleitung nicht mehr zeitgemäß. Bismarck ha aus gutem Grunde sich in dieser Frage zurückgehalten, die wohl nicht weiter vertieft werden müssen. Diese Zurückhaltung hatte unter der neuen Reichsleitung keinen Bestand mehr.

Wie verkündete Wilhelm II. doch großspecherisch, "ohne Deutschland und den Deutschem Kaiser dürfe keine große Entscheidung mehr fallen.

Diese Äußerung war Programm und wurde auch in der täglichen außenpolitischen Praxis gelebt und umgesetzt. Das Deutsche Reich mischte sich immer wieder in internationale, in der weiter oben beschriebenen Art und Weise, Konflikte ein. Man stieß den "etablierten" Mächten immer wieder vor dem Kopf. Man stritt sich beispielsweise mit den USA und Großbritannien jahrelang um die Aufteilung der Samoainseln, man meinte Großbritannien (Krüger Depesche) als Weltmacht unnnötig heftig kritisieren zu müssen. Mit dem Bau der Bagdadbahn setzte man sich zwischen allen Stühlen, hier Großbritannien und Russland. Und wofür das alles? Für den Status einer Weltmacht, den doch keiner anerkannt hat und anerkennen wollte. Und dann ist natürlich der unsägliche Flottenbau, der gegen Großbritannien gerichtet war, zu nennen. Das Deutsche Reich hat agiert und die anderen Mächte habe reagiert und deshalb meine ich, das meine Definition der Auskreisung richtig ist.

Wirklich? Zuckerbrot und Peitsche - Drohen und Anbiedern, das war doch genau die Politik seiner Nachfolger, bei ihm abgeschaut. War die machiavellistische Schaukelpolitik von Bismarck, basierend auf sich widersprechenden Geheimverträgen wirklich soviel besser?

Das Ergebnis spricht jedenfalls ganz eindeutig für Bismarck. Vergleiche die Bündniskonstellation 1887 mit der des Jahres 1907. Das beantwortet deine Frage. Und Salisbury hat bei Gelegenheit ausgeführt, "ich vermisse den Scharfsinn des alten Mannes." Weiter oben habe ich mich ja schon über den diplomatischen Apparat des Reiches unmittelbar nach Bismarck geäußert.

Sehe ich nicht so. Wenn GB wirklich an einem Bündnis interessiert ist, das auf gemeinsamen Interessen beruht, dann kann das kein Hindernis sein, im Gegenteil.

Geheimdiplomatie war damals nicht ungewöhnliches , sondern häufig angewandte Praxis. Wolhelm II. hat schlicht und ergreifend die vertrauliche Sondierung der Briten schamlos ausgenutzt, um in Petersburg zu punkten und etwas herauszuschlagen. Dabei hat er das Vertrauen der britischen Staatsmänner mißbraucht und sich gegenüber Nikolaus lächerlich gemacht. Die Antwort von Nikolaus fiel ja auch entsprechend aus.

El Mercenario schrieb:
Hat sich denn die Gegenseite in diesen Krisen geschickter verhalten?

Zu häufig war es das Deutsche Reich was sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufgeführt hat. Wenn ich nur an die beiden Marokkokrisen denke, wird mir ganz anders zumute. Kiderlen war bereit Krieg mit Frankreich zu führen. Der Herr hatte doch den Schuß nicht mehr gehört. SO ein Vorgehen war schon krass. Mir fällt kein vergleichbarer Vorfall ein, wo sich beispielsweise Großbritannien so aufgeführt hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die USA würde ich allerdings nicht unbedingt als etablierte Macht betrachten. Die USA haben Spanien angegriffen, die span. Kolonien eingesackt und die ebenfalls interessierten Deutschen rüde vor den Kopf gestoßen. Wofür brauchten die USA die Philippinen? Wofür Samoa? Wieso hatten die USA ein Recht auf Samoa und haben demzufolge "reagiert"?

Wolhelm II. hat schlicht und ergreifend die vertrauliche Sondierung der Briten schamlos ausgenutzt, um in Petersburg zu punkten und etwas herauszuschlagen.
Das wohl, aber es ging ja nicht darum, sondern darum dass die Kündigung des Rückversirungsdingens in GB offen zugegeben wurde, bevor man in Bündnisverhandlungen eintritt.

Zu häufig war es das Deutsche Reich was sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufgeführt hat. Wenn ich nur an die beiden Marokkokrisen denke, wird mir ganz anders zumute. Kiderlen war bereit Krieg mit Frankreich zu führen. Der Herr hatte doch den Schuß nicht mehr gehört. SO ein Vorgehen war schon krass. Mir fällt kein vergleichbarer Vorfall ein, wo sich beispielsweise Großbritannien so aufgeführt hatte.
Faschoda-Krise. Großbritannien hat die Ansprüche der Franzosen einfach ignoriert, sie vor die Wahl gestellt, zurückzuweichen oder einen Krieg anzufangen und sie dann am langen Arm verhungern lassen. GB war ganz offensichtlich bereit für den (durch nichts gerechtfertigten) Besitz Ägyptens bis zum Krieg zu gehen.
Der Unterschied zu 1905 ist, dass das DR nicht bereit war, für Marokko bis zum Krieg zu gehen, anders als die Briten in der Faschoda-Krise. Delcassè der franz. Außenminister hat das auch ganz klar erkannt: GB hat nicht geblufft, die Deutschen bluffen und er wollte auf Konfrontation gehen, nur seine Kabinettskollegen haben geschwächelt.


Ich glaube aber ein willkürliches Herausgreifen von Ereignisse ist nicht so interessant. Was ich spannend fände, wäre einmal vergleichbare Situationen (soweit das möglich ist) zu identifizieren und dann zu schauen, mit welchen diplomatischen Mitteln hat der jeweilige Staat versucht, die Lage anzugehen.

Ein Beispiel: Dardanellen vs Nordsee. Hier ging es für Russland und Deutschland um die Gewinnung eines freien Zugangs und Sicherung der Handelswege zu den Weltmeeren. Und zusätzlich zur militärischen "Machtgewinnung", also Zugang mit den Kriegsflotten zu den Weltmeeren = "Weltpolitik".
Die Frage wäre dann, wie und mit welchen Mitteln/Zielsetzung hat man versucht das "Problem" zu lösen.

Oder auch ein Vergleich Faschodakrise, Marokkrise, Koreakrise.

Vielleicht gibt es auch viel bessere Beispiele, das ist mir jetzt so ad hoc eingefallen, gibt ja auch viel kompetentere Leute hier mit mehr Fachwissen.

Problematisch ist natürlich inwieweit eine Lage überhaupt vergleichbar sein kann. Andereseits müsste ich aber für einen Vergleich der Außenpolitik der späteren Kriegsgegner DR/ÖÜ=aggressiv GB/FR/Rus=defensiv, irgendwie dahin kommen zu sagen:
In dieser Situation hätte GB aber nicht so gehandelt, Beleg siehe Verhalten in ähnlicher Lage da und da.

Andernfalsig bleibt zur Einschätzung dann nur noch der persönliche Eindruck des "Historikers".
 
Faschoda-Krise. Großbritannien hat die Ansprüche der Franzosen einfach ignoriert, sie vor die Wahl gestellt, zurückzuweichen oder einen Krieg anzufangen und sie dann am langen Arm verhungern lassen. GB war ganz offensichtlich bereit für den (durch nichts gerechtfertigten) Besitz Ägyptens bis zum Krieg zu gehen.

Ich halte von solchen Vergleichen wenig.

Das Problem ist hier, dass im Rahmen eines Forums kaum die Tendenz und auch die objektive Möglichkeit besteht, das detailliert zu analysieren.


So bleibt es beim Kreuzworträstselwissen, als Abschreckungsbeispiel mal diese Wiki-Darstellung:

"Großbritannien hatte sich zum Ziel gesetzt, einen Nord-Süd-Gürtel von Kolonien in Afrika, vom Kap der Guten Hoffnung bis Kairo (Kap-Kairo-Plan), zu errichten. Frankreich wollte dagegen einen Ost-West-Gürtel, von Dakar bis Dschibuti. Die Ansprüche beider Staaten kollidierten schließlich in dem kleinen sudanesischen Ort Faschoda (seit 1905 Kodok) am Weißen Nil. Dort hatten die Ägypter 1820, zur Zeit Muhammad Ali Paschas, ein kleines Fort errichtet, das aber seit Jahren verlassen und verfallen war.

Ägypten hatte Sudan in den Jahren seit 1819 schrittweise erobert, durch den Mahdi-Aufstand aber ab 1885 die tatsächliche Kontrolle über das Land verloren. Mit dem Sieg in der Schlacht von Omdurman am 2. September 1898 war der Aufstand durch den britischen General Kitchener praktisch niedergeschlagen worden und Sudan wurde in ein anglo-ägyptisches Kondominium umgewandelt. ...Frankreich hatte es 1882 versäumt, an der Besetzung Ägyptens teilzunehmen, und seinen zuvor großen Einfluss dort zunehmend an die Briten verloren. Eine Expedition zum Nil sollte Frankreichs Rolle in der Region aufwerten. "


Bzgl. der Entwicklungslinie zu dieser Krise sind das nicht einmal halbe Fakten, eben ein Lexikoneintrag. Die darunter abgelegte Literatur ist ein Witz. Mit solchen gnadenlosen Simplifizierungen wird dann - evt. gemixt durch ein, zwei passende Zitate (egal von wem und von wann, ob unter 2 Promille oder drüber :devil: ) in die Diskussion gestartet.

Wenn man sich mit Krisen-Vergleichen dennoch beschäftigen will, sollte man zunächst mit einem gesicherten Konsens in der Diskussion starten, dass heißt, eine Krise inhaltlich ausdiskutieren, was bislang im Forum auch einige Male recht weitgehend gelungen ist.

Bei den raumgreifenden Thesen wie hier führt das ansonsten zu einer endlosen Kette von Themenwechseln. Wie bei einem Schrottschuss wird alles mögliche angerissen, greift das ein Diskutant auf, wird gleich der nächste Fall ins Feld geführt, wenn die Einwürfe ungelegen kommen.:winke:

Das Verhaltensmuster kann man derzeit an der Paralleldiskussionen Rußland/Japan/1904 hervorragend beobachten.
 
el Mercenario schrieb:
Die USA würde ich allerdings nicht unbedingt als etablierte Macht betrachten.

Ich auch nicht. Die andere beteiligte Macht, Großbritannien, war es wohl aber ohne jeden Zweifel und diese hatte ich auch primär im Auge.

El Mercenario schrieb:
Die USA haben Spanien angegriffen, die span. Kolonien eingesackt und die ebenfalls interessierten Deutschen rüde vor den Kopf gestoßen. Wofür brauchten die USA die Philippinen? Wofür Samoa? Wieso hatten die USA ein Recht auf Samoa und haben demzufolge "reagiert"?

Was aber haben die USA mit der Auskreisung oder der, deiner Meinung nach, Einkreisung des Deutschen Reiches zu tun?

Aber gut. Ein paar Anmerkungen zur Samokrise möchte ich dennoch machen.
Als der samoanische König verstarb, schlug das deutsche Auswärtige Amt ein Aufteilung der Inseln unter Großbritannien, den USA und dem Deutschen Reich vor. Das AA reklamierte die "wertvollste" Insel für sich. Die USA zeigten sich gegenüber dem Vorschlag des Reichs aufgeschlossen, weil für sie Pago-Pago, die Flottenstation, herausspringen sollte. Australien und Großbritannien waren nichteinverstanden. Zu Beginn des Jahres 1899 kam es zu einem Aufstand, der durch britische und amerikanische Truppen niedergeschlagen wurde. Da bei wurde auch deutscher Besitz beschädigt. Im Reichstag ging es gleich rund. Es bestand nun die Chance den "ersehnten" Zollkrieg gegen die USA zu realisieren und Bülows Politik gegenüber Großbritannien zu diskreditieren.(1) Die ganze Angelegenheit wurde in der deutschen Öffentlichkeit hochgeputscht.

Interesanterweise wurde der Wert Samoas von Experten im AA als gering qualifiziert.(2)

Bülow hatte gegenüber Lascelles die Inseln als geringwertig bezeichnet. Die deutsche Öfftenlichkeit würde sie für zu wichtig halten. (3)

Es war deutscherseits Tipitz , der der Meinung, Samoa sein doch als Flottensützpunkt wichtig. Wie er diesen dann schützen wollte, darüber verlor er kein Wort.

El Mercenario schrieb:
Das wohl, aber es ging ja nicht darum, sondern darum dass die Kündigung des Rückversirungsdingens in GB offen zugegeben wurde, bevor man in Bündnisverhandlungen eintritt.


Und das war eben taktisch nicht klug. Es war für die Briten doch nicht gar nicht so unvorteilhaft, wenn die Bindung des Deutschen Reiches zu Russland gelöst worden war. Großbritannien hatte zwar reichlich Rebungsflächen mit Russland und auch Frankreich, hatte aber nicht wirklich die Absicht ein Kireg gegen eine diese Mächte zu führen. Das Deutsche Reich war aus Salisburys Sicht als Bedrohungsfaktor für Russland und Frankreich. Es würde Russland dann von einer zu großen außereuropäischen Aktivität, die für Großbritannien nicht eben vorteilhaft waren, hoffentlich abhalten. Es war also alles so, wie Salisbury es sich wünschte. Des Weiteren wollte sich Salisbury sich nicht gegen Frankreich in Stellung bringen lassen, denn ihm war klar, das es dem Deutschen Reich daum ging, Frankreich auf Sicht klein zuhalten. Weshalb solle er sich nun seiner vorteilhaften Lage berauben und mit dem Deutschen Reich verbünden?

El Mercenario schrieb:
Faschoda-Krise. Großbritannien hat die Ansprüche der Franzosen einfach ignoriert, sie vor die Wahl gestellt, zurückzuweichen oder einen Krieg anzufangen und sie dann am langen Arm verhungern lassen. GB war ganz offensichtlich bereit für den (durch nichts gerechtfertigten) Besitz Ägyptens bis zum Krieg zu gehen.

Auch Faschoda hat in der Sache nichts mit der Auskreisung des Deutschen Reiches zu tun.

Auch hier ein paar Anmerkungen. Beide Mächte haben aber kurz darauf im Sudanvertrag ihre Interessengebiete abgesteckt. Dieser Umstand dürfte den Herren im AA so einige Kopfschmerzen bereitet haben und war wohl auch irgendwo bei der Marokkokrise präsent. Jedenfalls war der Sudanvertrag mit dafür verantwortlich, das es nur wenige jahre später zurEntente Cordiale zwischen Großbritannien und Frankreich gekommen ist. Unter dem Strich, hat Frankreich also davon ganz erheblich profitiert.


El Mercenario schrieb:
Ein Beispiel: Dardanellen vs Nordsee. Hier ging es für Russland und Deutschland um die Gewinnung eines freien Zugangs und Sicherung der Handelswege zu den Weltmeeren. Und zusätzlich zur militärischen "Machtgewinnung", also Zugang mit den Kriegsflotten zu den Weltmeeren = "Weltpolitik".
Die Frage wäre dann, wie und mit welchen Mitteln/Zielsetzung hat man versucht das "Problem" zu lösen.

Oder auch ein Vergleich Faschodakrise, Marokkrise, Koreakrise.

Wie schon gesagt, Faschoda hat mit der Auskreisung, genau wie die Frage der Meerengen, nichts bzw. nicht viel zu tun. Wir können nur die internationale Krisensitutationen herausgreifen, an denen das Deutsche Reich beteligt war und sich so letzten Endes, eben nach einer Serie von Krisen, sich aus dem Kreis der Welt bzw. Großmächte, also Großbritannien, Frankreich und Russland, ausgekreist hat. Natürlich hat im Falle Großbritanniens das Flottenrüsten auch eine bedeutende Rolle gespielt.




(1) Hallgarten, Imperialismus, Bd.1, S.485f

(2) BA Koblenz, NL Solf, Nr.18, B1.168f: Solf an Schmidt-Dargitz v. 08.08.1899

(3)Die amtlichen Britschen Dokumente Bd. I/I. S.177
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch Faschoda hat in der Sache nichts mit der Auskreisung des Deutschen Reiches zu tun.
Auch hier ein paar Anmerkungen. Beide Mächte haben aber kurz darauf im Sudanvertrag ihre Interessengebiete abgesteckt.

Man könnte aber auch die Ansicht vertreten, alle anderen Großmächte waren in der Lage, solche zT massiven imperialisitischen Streitpunkte mindestens temporär (GB/RUS) und irgendwann zu regeln, nur das Deutsche Reich war zu solchen Einsichten nicht in der Lage.

Die weitere Peripherie (Afrika, Fernost) hatte vordergründig nichts mit dem Kriegsausbruch zu. Auf dem Balkan stand allerdings die Machtbalance zur Debatte (bei einer weiteren Schwächung Ö-U oder gar einem mittelfristigen Kollabieren dieses Staates), indirekt auch die letzte deutsche Chance auf den Platz an der Sonne, die Stoßrichtung über das Osmanische Reich in den Mittleren Osten, deren geographischer Ausgangspunkt die Balkan-Frage darstellte.
 
silesia schrieb:
Man könnte aber auch die Ansicht vertreten, alle anderen Großmächte waren in der Lage, solche zT massiven imperialisitischen Streitpunkte mindestens temporär (GB/RUS) und irgendwann zu regeln, nur das Deutsche Reich war zu solchen Einsichten nicht in der Lage.

Uneingeschränke Zustimmung.
 
Zurück
Oben