Normaler Bogen
Die meisten Abbildungen von berittenen fränksichen Bogenschützen, die ich kenne, zeigen Reflexbögen; wie Quintus Fabius schon angedeutet hat, vermutlich von den Awaren übernommen. (Nebenbei würde einiges von den Awaren zumindest zeitweilig übernommen, so auch mehrteilige Gürtelgarnituren und diverses Reiterzubehör).
Allerdings gibt es im Psalterium Aureum Sangallensis (Goldener Psalter von Sankt Gallen, Archivnummer SANG_22) auf Blatt 141 eine Abbildung, bei der ein vollgerüsteter Reiter inmitten anderer Reiter beim Angriff auf eine Stadt gezeigt wird, der einen normalen Bogen zu Pferde benutzt. Der Bogen scheint weder "lang" noch "reflex" zu sein.
Der Künstler, welcher diesen Psalter illustrierte, hat zeichnerisch sichtlich weit mehr Talent und Sorgfalt in sein Werk gelegt, als seine Kollegen bei vielen anderen Bildquellen, weswegen man ihn durchaus aufmerksam betrachten sollte.
Zu beachten ist, dass der Psalter zwar ausgesprochen "karolingische" Figuren zeigt, aber inhaltlich natürlich biblische Geschichten unter anderem von David und Saul erzählt (das oben erwähnte Bild zeigt die Armee Sauls). Somit wird seine Relevanz als verlässliche Quelle für karolingische Ausrüstung mitunter durchaus kontrovers diskutiert.
Was den Brief an Abt Fulrad betrifft:
Das ist quasi die "Quelle Nummer 1" für die Ausrüstung karolingischer Reiter. Es gibt noch andere Quellen für die Ausrüstung zumindest zeitgenössischer Krieger; recht aufschlussreich ist z.B. ein Waffenstatut von König Aistulf (Langobarde). Dieser deckt sich in nahezu allen relevanten Bereichen mit zeitgleichen fränkischen Vorschriften.
Man kann erkennen, dass die Ausrüstung mit Pfeil und Bogen quasi die absolute Basisausrüstung war, selbst noch unterhalb von Speer und Schild angesiedelt. Diese Basisausrüstung setzt sich nach oben fort; von qualitativ besser Ausgerüsteten wird erwartet, dass sie zusätzlich über die Basiselemente verfügen. So kommt der bis an die Zähne bewaffnete, im Fulrad-Brief beschriebene Reiter zustande.
Mir persönlich ist keine Waffenvorschrift bekannt, die einen Reiter beschreibt, der sichtlich auf den vornehmlichen Einsatz als berittener (BBS) Bogenschütze ausgelegt ist (also leichte bis gar keine Rüstung, keine Lanze, kein Schild). Das schließt natürlich nicht aus, dass im Einzelfalle kleinere Reiterkontingente durch Zurücklassen hinderlicher Ausrüstung ad hoc zu BBS umgerüstet und entsprechend eingesetzt worden sein mögen. (Wie Quintus ebenfalls schon angedeutet hat.)
Man kann nun eventuell argumentieren, dass ein Reiterkrieger, der ohnehin zum Besitz eines Bogens verpflichtet war, wahrscheinlich einen solchen gewählt hätte, der bei Bedarf auch vom Pferderücken aus optimal einsetzbar gewesen wäre, zumal Reflexbögen ja nachweislich bekannt und verfügbar waren. Für dieses - prinzipiell durchaus einleuchtende - Argument fehlt mir allerdings der Beleg.
Gruß,
Panzerreiter