Einsatz von Bögen im fränkischen Heer

SvenGlückspilz

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Im Buch "Die Karolinger" von Pierre Riché wird aus einem Brief Karls des Großen an den Abt Fulrad von Saint-Quentin zitiert, in dem Karl die Bewaffung für Fulrad´s Gefolgsleute festlegt. In diesem Brief heißt es ".... Jeder Reiter muß einen Schild, eine Lanze, ein langes und ein kurzes Schwert, einen Bogen und einen pfeilgefüllten Köcher haben...."

Das führt mich zur Frage wie, und welche Bögen wurden eingesetzt? Haben sich die Franken an der Tatik der nomadischen Reitervölker orientiert und berittene Bögenschützen eingesetzt?
 
Es gab im Fränkischen Reich tatsächlich berittene Bogenschützen, allerdings waren das nur sehr kleine Einheiten, üblich war dies nicht. Diese Einheiten wurden erst mit den Kämpfen in Italien und gegen die Awaren aufgestellt.

In diesem speziellen Fall hier stellt das wieder einmal die Frage nach der Natur der Karolingischen Reiterei und wie weit die berittenen Truppen Karls des Großen echte Kavallerie und wie weit sie berittene Infanterie waren.

Die normalen fränkischen Bögen waren aus Holz, keine Reflexbögen und daher meist etwas länger (keine Langbögen, aber schon recht lang). Solche Bögen wurden eigentlich zur Fuß benutzt, die Frage ist also, ob diese Reiter für das Schießen nicht einfach abstiegen.

Die berittenen Bogenschützen im fränkischen Heer verwendeten vermutlich Reflexbögen awarischer Art. Die Frage ist also, was für Bögen hier für diese Truppe gefordert werden. Angesichts der sonstigen Bewaffnung mit Lanze, Schild und zwei Schwertern ist zu vermuten, dass es normale Bögen waren, item diese Bögen nicht für den Einsatz vom Pferd sondern für den Kampf um Befestigungsanlagen und den Einsatz zur Fuß gedacht waren.
 
Normaler Bogen

Die meisten Abbildungen von berittenen fränksichen Bogenschützen, die ich kenne, zeigen Reflexbögen; wie Quintus Fabius schon angedeutet hat, vermutlich von den Awaren übernommen. (Nebenbei würde einiges von den Awaren zumindest zeitweilig übernommen, so auch mehrteilige Gürtelgarnituren und diverses Reiterzubehör).

Allerdings gibt es im Psalterium Aureum Sangallensis (Goldener Psalter von Sankt Gallen, Archivnummer SANG_22) auf Blatt 141 eine Abbildung, bei der ein vollgerüsteter Reiter inmitten anderer Reiter beim Angriff auf eine Stadt gezeigt wird, der einen normalen Bogen zu Pferde benutzt. Der Bogen scheint weder "lang" noch "reflex" zu sein.
Der Künstler, welcher diesen Psalter illustrierte, hat zeichnerisch sichtlich weit mehr Talent und Sorgfalt in sein Werk gelegt, als seine Kollegen bei vielen anderen Bildquellen, weswegen man ihn durchaus aufmerksam betrachten sollte.

Zu beachten ist, dass der Psalter zwar ausgesprochen "karolingische" Figuren zeigt, aber inhaltlich natürlich biblische Geschichten unter anderem von David und Saul erzählt (das oben erwähnte Bild zeigt die Armee Sauls). Somit wird seine Relevanz als verlässliche Quelle für karolingische Ausrüstung mitunter durchaus kontrovers diskutiert.

Was den Brief an Abt Fulrad betrifft:

Das ist quasi die "Quelle Nummer 1" für die Ausrüstung karolingischer Reiter. Es gibt noch andere Quellen für die Ausrüstung zumindest zeitgenössischer Krieger; recht aufschlussreich ist z.B. ein Waffenstatut von König Aistulf (Langobarde). Dieser deckt sich in nahezu allen relevanten Bereichen mit zeitgleichen fränkischen Vorschriften.
Man kann erkennen, dass die Ausrüstung mit Pfeil und Bogen quasi die absolute Basisausrüstung war, selbst noch unterhalb von Speer und Schild angesiedelt. Diese Basisausrüstung setzt sich nach oben fort; von qualitativ besser Ausgerüsteten wird erwartet, dass sie zusätzlich über die Basiselemente verfügen. So kommt der bis an die Zähne bewaffnete, im Fulrad-Brief beschriebene Reiter zustande.

Mir persönlich ist keine Waffenvorschrift bekannt, die einen Reiter beschreibt, der sichtlich auf den vornehmlichen Einsatz als berittener (BBS) Bogenschütze ausgelegt ist (also leichte bis gar keine Rüstung, keine Lanze, kein Schild). Das schließt natürlich nicht aus, dass im Einzelfalle kleinere Reiterkontingente durch Zurücklassen hinderlicher Ausrüstung ad hoc zu BBS umgerüstet und entsprechend eingesetzt worden sein mögen. (Wie Quintus ebenfalls schon angedeutet hat.)

Man kann nun eventuell argumentieren, dass ein Reiterkrieger, der ohnehin zum Besitz eines Bogens verpflichtet war, wahrscheinlich einen solchen gewählt hätte, der bei Bedarf auch vom Pferderücken aus optimal einsetzbar gewesen wäre, zumal Reflexbögen ja nachweislich bekannt und verfügbar waren. Für dieses - prinzipiell durchaus einleuchtende - Argument fehlt mir allerdings der Beleg.

Gruß,

Panzerreiter
 
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