Einteilung und Ursprung des Begriffs Inflation

zividrk

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In der VWl Vorlesung kamen wir heute auf das Thema Inflation zu sprechen und in welche Stufen diese eingeteilt wird ( schleichende <10%; trabende 10-20% und die galoppierende >20%).
Unser Dozent hat uns nun angeboten dass, wenn wir rausfinden wo diese Einteilung und die Prozenzsätze ihren Ursprung haben, wir keine Klausur zu schreiben bräuchten. Er selber konnte es bis heute auch nicht ermitteln, sagte aber, der Ursprung sei schon sehr alt.
Bei meinen Recherchen bin ich nun darauf gestoßen, dass u.a. eine Inflation zum Auslöser des 30 jährigen Krieges geführt hat und der Begriff damals also auch zum ersten mal für eine große Masse ein Thema war.
Vielleicht weiß ja jemand von euch hierzu etwas näheres oder kann mir einen Tipp geben wo ich noch suchen könnte.
Vielen Dank schon mal im Voraus
 
Zu trennen sind erst einmal
- Geldentwertung
- Teuerung
Letzteres ist eine immer wiederkehrende Erscheinung während längerer Kriege oder nach Missernten, wenn schwer substituierbare Produkte aus dem "Warenkorb" knapp werden. Meist handelt es sich dabei um ein verbreitetes "Getreide". Tritt wieder eine Normalisierung der Situation ein, dann fällt auch wieder der Preis.

Es gibt verschiedene mehr oder weniger einleuchtende Theorien zur Entstehung von Inflation; ohne Zweifel spielt die Geldpolitik des Staates keine unwichtige Rolle.
In Zeiten geringen Buchgeldanteil, als Geld in erster Linie in Edelmetall-Münzprägungen umlief, konnte man "Inflation" gut am konkreten Silberanteil der Münzen festmachen. Es gibt hier eine ständige Inflation des mittelalterlichen "Pfennigs", ebenfalls in England z.Zt Heinrich VIII /Edward VI eine systematische Abwertung des Pfunds ("Great Debasement".) Ähnlich im RR, zuerst nur vorsichtig; nach 250 enthielt ein denarius weniger als einen "kritischen Wert" von 3% Silber und wurde kurz darauf durch den argenteus ersetzt. Phasen so einer Geldentwertung sind deshalb bei Edelmetallwährung meist nur sehr kurz...


Der "Wert" von Silber ist bis etwa 1850 ziemlich konstant geblieben. Ein "Tageslohn" bestand seit der Antike immer aus etwa 4 g Silber.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da es verschiedenen Erklärungsmodelle gibt, sind solche Zahlen a priori ziemlich unsinnig.

Es gibt in der Regel eine "natürliche" Inflation, die in nicht abgesicherten faulen Krediten, Münzfälschungen, Mangelsituation bei Luxusgütern,.. begründet liegt. Ein wenig Inflation scheint auch ein Anreiz für Kreditnehmer zu sein, die damit - egal ob als Unternehmer oder Konsument - die Wirtschaft "ankurbeln. Keine Inflation, oder sogar Deflation ist möglicherweise nicht gut für eine Volkswirtschaft... Ein Wert von 10% wäre hierfür aber reichlich hoch gegriffen.

Eine "Inflation durch die Notenpresse" (oder Reduktion des Edelmetallgehalts) ist eine Maßnahme, die zwangsläufig eskaliert: Ein Gewinn für den Staat besteht nur, wenn im "nächsten Jahr" die Inflationsrate weiter erhöht wird.
Beispiel:
30% im ersten Jahr -> Staatsgewinn: 30% des Silbers der umlaufenden Münzen.
Im zweiten Jahr -> wieder die gleiche Menge Silber, was jetzt aber schon eine Inflation von 0,3/0,7 = 42% ausmacht
Im dritten Jahr (zum letzen Mal!) Inflation von 0,3/0,4 = 75%
Bei einer Edelmetallwährung ist hier etwa Schluss, bei Banknoten kann man natürlich jedes Jahr eine weitere Null draufdrucken....
 
vielen dank erst mal für den ausführlichen exkurs.
leider geht daraus immer noch nicht hervor, worauf die in vielen lehrbüchern vertretene beschreibung der einzelenen inflationsarten und die damit verbundenen prozentsätze beruht.
wurden diese beispielsweise durch die welthandelsorganisation oder die ezb festgelegt?(soll nur als beispiel dienen, ich weiß dass es keiner der beiden war)
 
Das tut mir leid... Der einzige grobe Anhaltspunkt überhaupt, den ich kenne, sind Werte des "magischen Dreiecks" aus besseren Zeiten: Wirtschaftswachstum Arbeitslosigkeit, Inflation: alles ca 4% :)

Wie ich oben ausgeführt habe, ist eine absolute Angabe für ein Jahr auch sinnlos. Die Höhe der "Inflation" zeigt eine Entwicklung: Wenn sie eskaliert, ist es egal wo es anfängt.. beträgt sie 20% dann sind irgendwelche Maßnahmen schon lange zu spät.... Etwas Anderes sind "einmalige" Einschnitte, wie eine Währungsreform..

Eine Unterscheidung verschiedener Inflationsarten muss an den Ursachen ansetzen, nicht an dem (später) gemessenen Zahlenwerten...
 
Kipper- und Wipperzeit

Also ich erinnere mich an Führungen durch Museen, dass beim Thema Geldentwertung die sog. Kipper- und Wipperzeit erwähnt wurde. Unter Wikipedia Kipper- und Wipperzeit ? Wikipedia fand ich dazu: Man verstand darunter die gezielte Verschlechterung des (Edel)metallgehaltes von Münzen duch Einschmelzen und Neuprägungen (Wippen - ein Wägevorgang also) sowie das Beschneiden von Münzrändern derselben (Kippen, niederdt. für beschneiden).
 
@zividrk
Vielleicht hat der Dozent auch nur die Spur eines Phantoms ausgelegt...

Wenn ich fünf volkswirtschaftliche Lehrbücher aufschlage, finde ich darin zehn unterschiedliche, zwei bis vierstufige Skalen. Eine davon ist: schleichend (unter 10 %) - trabend (10-20 %) - galoppierend (über 20 %); Gerhard Merk ergänzt noch die Hyper-Inflation (über 50 %) (in: Staatslexikon, 7. Auflage, Sonderausgabe, Freiburg: Herder, 1995, Band 3, Sp. 67-70). Begründung: keine!

Alle derartigen Modelle verwenden, so meine ich, "gefühlte" Werte, will sagen: Es gibt keine allgemein anerkannte Klassifizierung, die man auf ökonomische Gesetzmäßigkeiten oder Algorithmen zurückführen könnte. Sinn macht das Ganze sowieso nur aus wirtschafts- bzw. ordnungspolitischer Sicht, etwa in Form der Frage: Wann könnte bei der Entwicklung ein Wert X (bezogen auf die Geschwindigkeit oder die Beschleunigung der Preisentwicklung o. ä.) erreicht sein, bei dem die Verantwortlichen (Regierung/Notenbank) die Maßnahme Y zu erwägen haben?

Fixe Zahlen oder Intervalle, so bereits daSilva, sind unsinnig; auch als die bundesdeutsche Finanzpolitik Ende der 60er Jahre sich ein "Instrumentarium" zur Behandlung von Gleichgewichtsproblemen schuf, hat man auf irgendwelche ziffernmäßige Festlegungen/Abstufungen meines Wissens verzichtet.

Damit soll nichts gegen die Nützlichkeit der eingangs zitierten Werte bei ex-post-Analysen gesagt werden. Wie weit man dabei mit dem heutigen Vokubular in die Vergangenheit zurückgehen sollte, ist vielleicht eine Geschmacksfrage. Die erste einschlägige Erwähnung des Wortes "Inflation" stammt übrigens sehr wahrscheinlich von 1864 (so Kurt Singer am Ende seines Artikels in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. Aufl., Jena: G. Fischer, 1923, Band 5, S. 444-446).
 
dass eine abstufung mit festen größen wenig sinn macht, dem stimme vollends zu, nur irgendjemand muss doch mal der erste gewesen sein der eine generelle einstufung vorgenommen hat, die sich bis heute gehalten hat.
ich bin inzwischen auf philipp cagan und milton friedmann gestoßen.
cagan hatte mitte der 1950er erstmals eine abstufung gegenüber der hyperinflation ab einen wert von 50% für sinnvoll erachtet und in friedmans [FONT=verdana,arial,helvetica][SIZE=-1]Studies in the Quantity Theory of Money [/SIZE][/FONT]publiziert.
da werde ich jetzt mal weiter nachhaken.
 
Without that a set scientific language exists, we speak of creeping inflation at an rate of inflation until 10%, of trotting Inflation until 100% per year and of galloping inflation or hyper inflation at higher inflation rates.
(Cagan, P.: The monetary dynamics of hyperinflation in Studies in the quantity theory of money. Published by Friedman, Milton. Chicago 1956. p. 25-1321 especially p. 25 speaks of hyper inflation only at an increase of the rates of price of 50% per month and more.

Cagan hat sehr viel über Inflation geschrieben. Aber hatte der Dozent nicht auf einen sehr alten Ursprung verwiesen?
 
Ich bin absoluter Wirtschaftsbanause und kenne mich da nicht aus, aber könnte der Dozent vielleicht gar nicht nach den Prozentsätzen, sondern nach dem Hintergrund für deren Bezeichnungen (also schleichend, trabend, gallopierend) gefragt haben. Für diese Bezeichnungen muss es doch eine Erklärung geben, wenn schon nicht für die Festlegung der jeweiligen Prozentsätze.

Nur eine Vermutung...:schau:
 
Cagan hat sehr viel über Inflation geschrieben. Aber hatte der Dozent nicht auf einen sehr alten Ursprung verwiesen?[/quote]

ja, das hat mich auch etwas verwundert. da er aber selber keine konkretes ergebnis, sondern auch nur eine gewisse richtung bzw. ahnung hat, versuche ich es erstamal hierbei, zumal ich mir eigentlich auch kaum vorstellen kann, dass man bereits während des 30 jährigen Krieges eine derartige Abstufung vorgenommen hat. Das scheint mir nach meinem Empfinden eher in die Zeit der 1920er zu passen.
 
Ich bin absoluter Wirtschaftsbanause und kenne mich da nicht aus, aber könnte der Dozent vielleicht gar nicht nach den Prozentsätzen, sondern nach dem Hintergrund für deren Bezeichnungen (also schleichend, trabend, gallopierend) gefragt haben. Für diese Bezeichnungen muss es doch eine Erklärung geben, wenn schon nicht für die Festlegung der jeweiligen Prozentsätze.

Nur eine Vermutung...:schau:

das hatte ich auch schon vermutet, aber er wollte wirklich wissen, warum man bei einem bestimmten prozentsatz die jeweilige inflationsart vorfindet bzw. wem diese werte "eingefallen" sind.
 
... ich bin inzwischen auf philipp cagan und milton friedmann gestoßen
Ich habe mal nachgehakt, muss aber Fehlanzeige melden: Die verdächtigen Vokabeln (creeping, trotting, galloping) tauchen im Sachindex nicht auf, auch nicht bei (kursorischer) Durchsicht des Cagan-Beitrags. Zur 50-%-Schwelle sagt Cagan selbst (p. 25), sie sei "purely arbritrary but serves the purposes of this study satisfactorily" - er war offenbar niemand, der sich auf Zahlenspielereien eingelassen hätte.

Bezüglich der ominösen Zahlen würde ich weiter zurück gehen, z. B. zu Keynes oder ins 19. Jh. (zu letzterem gibt es in Friedmans Band den Aufsatz über "Inflation in the Confederacy 1861-1865"). Die ausführliche Arbeit von Bronfenbrenner/Holzman, Survey of Inflation Theory, in: American Economic Review 53 (1963), S. 593 ff. habe ich leider nicht zur Hand.

Ich denke, es handelt sich nicht um ein wirtschaftstheoretisches, sondern um ein -politisches bzw. -psychologisches Problem (siehe etwa die "Psychologie der Inflation" bei Schmölders, Psychologie des Geldes, Reinbek: Rowohlt 1966, S. 166 ff.).
 
Gleiches Problem - Ursprung der Abstufung bei Infaltion

Hallo, ich stehe genau vor dem gleichen Problem, wie "zividrk" vor knapp 2 Jahren...
Unser VWL-Prof. hat uns genau die gleiche Aufgabe gestellt, nur dass er es im Gegensatz zu zividrks Prof. es weiß und uns natürlich nicht verrät....;)
Ist in der Zwischenzeit eine Lösung für die Sache aufgetaucht? Wenn ja, würde ich mich risieg freuen, wenn die jemand posten oder mir eine PN schicken würde...!!!

DANKE!!!!!!
 
Wenn man davon absieht, den Begriff Inflation zu suchen, und die Umschreibung gelten läßt, könnte man das Preisedikt Dioletians heranziehen:

bibliotheca Augustana

Dort werden die Preiserhöhungen genannt, die sich nicht nur jährlich, sondern täglich, stündlich oder sogar minütlich vollziehen. Es findet sich damit eine frühe Umschreibung der galoppierenden Inflation in Abgrenzung zu langsamen Preissteigerungen.

Wem das zu früh oder unbestimmt ist, der kann auf Kopernikus zurückgreifen.
Google Translate

... oder auf das Greshamsche Gesetz, Bodin oder Hume.
Jean Bodin – Wikipedia
Greshamsches Gesetz – Wikipedia
David Hume – Wikipedia
 
Danke für die Antwort

Danke, für diesen interessanten Ansatz...
Ich meine eigentlich mehr den Ursprung der Einteilung (schleichende Inf. <10%; trabende Infl. 10-20% und die galoppierende Infl. >20%), als den Urspung des Begriffs Inflation, wann dieser umschrieben wurde.
Gibt es zu der Einteilung Ansätze zum Ursprung dieser????
 
Speziell zu den genannten Prozentsätzen meine ich - wird so auch im Internet angeführt - Paul Samuelson mit seinem Standardwerk zu Volkswirtschaftslehre als Urheber in Erinnerung zu haben.

Paul A. Samuelson ? Wikipedia

Die Hyperinflation wird auch beschrieben bei:
Bresciani-Turroni, Constantino: The Economics of Inflation - A study of currency depreciation in post-war germany, aus den 1930er Jahren
 
Speziell zu den genannten Prozentsätzen meine ich - wird so auch im Internet angeführt - Paul Samuelson mit seinem Standardwerk zu Volkswirtschaftslehre als Urheber in Erinnerung zu haben.
Da habe ich auch nachgeschaut, als die Frage zum ersten Mal aufkam - aber meine Ausgabe gibt im einschlägigen Kapitel "Geld und Preise" [1] nichts her. Der Altmeister meint
Preissteigerungen, die unter zwei Prozent jährlich gehalten werden können, mögen angehen. Wird aber jeder Preisanstieg zum Signal weiterer Lohn- und Kostenerhöhungen [...], geraten wir mitten hinein in eine bösartige galoppierende Hyperinflation...
äußert sich dort aber zu den erwähnten "Stufen" nicht. Scherf [2] kennt nennt auch nur "schleichend" und "galoppierend" sowie eben die Hyper-I. - "die Abgrenzung ist in der Literatur nicht eindeutig und scharf." Die meisten Autoren - siehe Deinen Hinweis - arbeiten sich an der Hyperinflation ab.


[1] Volkswirtschaftslehre, Band I, Köln 3/1964, S. 344 ff. - bliebe aber noch der Band II (Teil VI), den ich leider verstruddelt habe.
[2] Inflation, in: HdWW, Bd. 4, Stuttgart 1988, S. 159
 
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