Ende der Normannenzüge?

Pope

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Normannen in Nordfrankreich, Normannen in England, Normannen auf Sizilien, Raubzüge zwischen Hamburg und Irland ...

Wann und warum haben eigentlich "die Normannen" aufgehört, fremde Länder zu plündern und einzunehmen?
 
Die Normannenzüge haben aufgehört, als die Staatenbildung der Normannen abgeschlossen war.
Ohne ein konkretes Jahr zu nennen, grenze ich das mal auf die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts ein.

Letzte Normannenfeldherren waren Bohemund von Tarent und Roger II.
 
Mit der Staatenbildung und folgender Christianisierung verloren die Wikinger ihren Biss, ihren Sinn für Gold und Abenteuer?
 
Vielleicht verloren sie einen Teil davon schon mit der Christianisierung, in den Himmel kommt man ja auch ohne im Krieg zu fallen. Ich denke, dass auch die Religion ein bisschen damit zu tun haben könnte.
Wilhelm der Eroberer wie Bohemund von Tarent verhielten sich ja schon so wie andere europäische Adelige der Zeit auch und nicht unbedingt typisch nomannisch, wie immer das auch deffiniert sei.
 
Mit der Staatenbildung und folgender Christianisierung verloren die Wikinger ihren Biss, ihren Sinn für Gold und Abenteuer?
Da beide Prozesse imho in der Normandie vollendet wurden, muss man sagen, ohne Biss und Sinn nach Abenteuer begannen die Normannen nachhaltig zu erobern. Sizillien und England wichen nicht vor solchen Nordmännern wie ihrerzeit Lindisfarne plünderten, sondern unter fortschrittlichen Menschen Nordfrankreichs. Von Sizillien aus nahmen viele Normannen an Kreuzzügen teil und gründeten dort Königreiche (in einer WOche ist Timo wieder da, der wird dazu mehr sagen können).
Ich tendiere deshalb zum Ende des 12. Jhd.
Gab es denn danach noch Gebiete zum erobern? Die Starken oder Ungläubigen (gegen die man leichter mit Unterstützung oder zumindest nicht auf Unverständnis der Glaubensbrüder rechnen konnte) waren doch schon vertrieben. Außerdem mussten die Normannen eroberte Gebiete ja erstmal absichern.
 
Mann sollte noch anmerken, dass die Wikingerzüge in einer Zeit statt fanden wo das fränkische Reich der Erben Karls des Großen politisch instabil war und daher zu Raubzügen, ob von Wikingern oder später durch Ungern, geradezu einlud.
Erst nachdem erste Abwehrerfolge erzielt werden konnten wie die Verteidung von Paris 886 und einem Sieg über die Normannen 888 durch Odo ließen die Wikingerzüge abflauen. Zudem wurde durch die Belehnung des Wikingerführers Rollo, 911, mit dem Gebiet um Rouen eine Seßhaftwerdung der Wikinger erreicht. Die klassischen Wikingerzüge fanden um diese Zeit sowohl in West wie auch Ostfranken ihr Ende.

Die normanischen Eroberungen Englands und Süditaliens im 11. Jahrhundert kann man aber durchauß als Renaissance dieser Züge sehen. Nur eben nicht mehr mit dem Ziel der schnellen Beute, sondern um dauerhafte Eroberungen zu machen.
Religiöse Motive spielten dabei meiner Meinung nach eine eher untergeordnete Rolle.
Natürlich war Wilhelm 1066 viel daran gelegen seinen Anspruch auf England vom Papst anerkannt zu sehen. Schließlich bedeutete dies eine Art moralische Legitimation seines Anspruches gegenüber den anderen Prädendenten (Norwegen, Dänemark).

In Unteritalien hatte das religiöse Element einen noch geringeren Einfluß, wie ich meine. Da waren es in erster Linie die lokalen langobardischen Fürsten, welche normanische Ritter als Söldner für ihre Kleinkriege anwarben, die ihnen diese Region schmackhaft machten. Dort herrschten ähnliche politische Verhältnise vor wie einst im Frankreinreich 200 Jahre zuvor. Raubritter wie Rainulf "Drengot" oder Wilhelm "Eisenarm" sahen darin eine ideale Chance.
Freilich genossen sie dabei das Wohlwollen Roms. Die Kirche konnte schließlich im Windschatten der Normannen gegenüber der Ostkirche Boden gutmachen in Süditalien. Den Normannen selber dürfte das jeoch wenig gescherrt haben. Jedanfalls hatte ein Robert "Guiscard" keine Probleme mit dem Kirchenbann der ihn traf als sich weigerte die Oberhoheit des Papstes über Apulien anzuerkennen. Er führte munter Krieg gegen "Bruder Hildebrant". Am Ende war es der Papst der die Unterstützung des Normannen gegen Kaiser Heinrich IV. von Nöten hatte.

Genauso wie sein Vater hatte auch Bohemund wenig Skrupel wen es um religiöse Bedenken ging. Den I. Kreuzzug hat er wohl auch mehr als Chamce für neue Eroberungen gesehen. Das reiche Antiochia wog ihm sicher schwer. An der Belagerung Jerusalems nahm er nicht mal teil.

Der I. Kreuzzug kann man sicher als den letzten großen Eroberungszug von Normannen nennen. In jener Zeit festigte sich das Staatensystem in Europa und im Orient, so das es keine günstigen Bedingungen für große Eroberungen mehr gab. Zudem starben im 12. Jahrhundert die führenden Normannenfamilien aus.
In der Normandie und England wurden sie von den Anjou (Plantagenets) beerbt. In Italien von den Staufern und in Antiochia vom Hause Portiers.

In Richard "Löwenherz", vor allem in seinem Kreuzzug und Kampf gegen Philipp August, kann man ein gewisses "normannisches Erbe" erkennen.
Den letzten echten normannischen Feldherrn, Eroberer und Abenteurer sehe ich in Roger de Flor (+1305), den Anführer der katalanischen Kompanie, den ich woanders schon mal erwähnt hatte.
 
Hallo,
habe mich kürzlich auch mit dem Thema beschäftigt und leider nirgendwo g e n a u e Hinweise auf Nomanneneinfälle gefunden. Alles ist nur sehr wage und nicht spezifiziert (nachprüfbare Daten waren nicht zu fnden).
Würde mich freuen wenn mir jemand Quellen nennen könnte (keine Kirchlichen, da bin ich etwas skeptisch) die auch für Laien zugänglich sind.

Außerdem besteht m.E. ein Problem darin, die Raub- und Eroberungszüge der christlichen Chroniken mit den wissenschaftlich belgten Funden im Ostseegebiet (Haitabu und Gräberfunde) in einklang zu bringen. Es existieren keine mir bekannten Funde, die die "Großen Plünderungen der Städte" belegen.
Hier sollten wohl auch mehr Gräberfunde vorzuweisen sein - ohne Verluste erobert (Nord)mann keine Städte.

MfG
 
Außerdem besteht m.E. ein Problem darin, die Raub- und Eroberungszüge der christlichen Chroniken mit den wissenschaftlich belgten Funden im Ostseegebiet (Haitabu und Gräberfunde) in einklang zu bringen. Es existieren keine mir bekannten Funde, die die "Großen Plünderungen der Städte" belegen.
Hier sollten wohl auch mehr Gräberfunde vorzuweisen sein - ohne Verluste erobert (Nord)mann keine Städte.
Du machst es uns nicht gerade einfach. Wer außer der Geistlichkeit soll denn als Zeuge die Einfälle dokumentiert haben, zu einer Zeit als selbst die Eliten wie der Adel noch lange zu den Analphabeten gehörten?

Wie sollen diese Gräber die Eroberung von Städten nachweisen? Meinst Du das so, wenn die Gräber direkt vor den Städten angelegt wurden? Man sollte dabei nicht außer Acht lassen, dass die Wikinger seltener Städte belagerten, sondern eher Handstreichunternehmen durchführten. Natürlich ist das dann bei den Normannen des 11.Jh. etwas anderes, die sich nicht mehr von befestigten Städten zurück schrecken ließen, anzugreifen, aber zu dem Zeitpunkt hatten die Normannen schon viel von der Kriegsführung der Franken etc. übernommen.
 
Hallo und danke für die schnelle Antwort.
Ich habe einfach nur ein Problem damit, das die christlichen Chroniken der damaligen Zeit (wie eigentliche auch später) nur die Wahrheit der Schreibenden ( welche auch sonst?) zeigt.
Gibt`s es andere "Zeitzeugen" aus anderen Kulturkereisen (im maurischen Spanien, im "heidnischen" Osten) ?

Bei der großen Menge der Verwüstungen im Frankenreich, in Britannien sollen auch eine Menge an Gräbern vorhanden sein, leider bisher kaum Funde oder?
Wo sind die gefallenden Nordmänner geblieben? Alle in Ihren Booten verbrannt? Wo sind die Waffen und Besitztümer geblieben, in vielen Museen finde ich Reste der Legionen Roms aber keine Normannen (außer den Funden aus den bekannten Schiffs([Kisten]gräbern..)

Ich würde mich freuen, wenn jemand mir Informationen und Hinweise über weiterführende, in Deutschland erhältliche Literatur, gerade zu diesm Thema geben könnte.

Mit den Besten Grüßen und Wünschen für ein neues Jahr.

Wadenbeisser (der heisst nur so...)
 
Ich glaube in Stralsund im Kulturhistorischen Museum findet man auch etwas neben natürlich slawischen auch an wikingischen Funden. http://www.museumstour.de/museenvonabisz/museum.html_museumid=1101972465097&view=kontact.html In Bergen auf Rügen könnten auch wikingische Funde neben slawischen sein, leider ist es schon wieder fast zwei Jahre her, dass ich dort war.

Leider kenne ich auch nur Berichte in christlichen Chroniken. Ich weiß nicht genau, wieso diese angezweifelt werden können. Das schlichte Problem ist halt immer die Vergleichbarkeit bei einem gewissen Mangel an schriftlichen Quellen.
 
Hallo und danke für die schnelle Antwort.
Ich habe einfach nur ein Problem damit, das die christlichen Chroniken der damaligen Zeit (wie eigentliche auch später) nur die Wahrheit der Schreibenden (welche auch sonst?) zeigt.
Gibt`s es andere "Zeitzeugen" aus anderen Kulturkreisen (im maurischen Spanien, im "heidnischen" Osten)?

Tja, im polnisch, russischen Raum wirst Du Probleme haben, denn hier hat dem Schriftkultur erst mit dem Christentums ihren Einzug gehalten (Altkirchenslawisch), also auch wieder christliche Autoren. Die spanisch-arabischen Autoren unterstützen die christlichen Quellen. Hier werden die Wikinger als Mağus bezeichnet, die 844 Sevilla plünderten. Quellen: Ibn 'Idhārī, Ibn al-Qūt.īyah, Ibn al-Khat.īb, al-'Udhrī.

Ibn al-Khat.īb existiert in deutscher Übersetzung von Wilhelm Hoenerbach (1979).

Bei der großen Menge der Verwüstungen im Frankenreich, in Britannien sollen auch eine Menge an Gräbern vorhanden sein, leider bisher kaum Funde oder?
Wo sind die gefallenden Nordmänner geblieben? Alle in Ihren Booten verbrannt? Wo sind die Waffen und Besitztümer geblieben, in vielen Museen finde ich Reste der Legionen Roms aber keine Normannen (außer den Funden aus den bekannten Schiffs([Kisten]gräbern...)

Von Feuerbestattung wirst Du wohl ausgehen müssen. Dass das archäologische Fundgut so dünn ist, liegt auch daran, dass Du hier eine 600jährige Anwesenheit der Römer mit einer etwa 200jährigen Phase der Überfälle und des Handels vergleichst.
 
danke schön

Von Feuerbestattung wirst Du wohl ausgehen müssen. Dass das archäologische Fundgut so dünn ist, liegt auch daran, dass Du hier eine 600jährige Anwesenheit der Römer mit einer etwa 200jährigen Phase der Überfälle und des Handels vergleichst.[/quote]

Hallo,
danke für die Info`s.
Stimmt natürlich, sind ja wirkich ein "paar" Jährchen mehr gewesen.
Habe gerade auch nachgelesen, das wohl im osteuropäischen Raum auch nicht viel von den sog. Hunneneinfällen übrig geblieben ist - eigentlich fast überhaupt nichts...

Die Völkchen werden wohl alles wieder mitgenommen haben - waren wohl auch praktisch veranlagt.

Gruß
Wadenbeisser
 
Die Völkchen werden wohl alles wieder mitgenommen haben - waren wohl auch praktisch veranlagt.
Nö. Vielmehr dürfte alles längst verrottet sein. Die Toten wurden ja nach der Schlacht kaum in Särgen bestattet worden sein - wenn überhaupt. Wenn die nur so verbuddelt wurden, dann hat über 1000 jahre Agrikultur und Siedlungsgeschichte wohl kaum etwas Brauchbares übrig gelaasen. Das gilt übrigens auch von den Pfalzen Karls d. Gr. Die waren in der Regel aus Holz. Unter den Ottonen wurden dann Steinbauten drübergestzt.
 
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