Entstehung der christlichen Großkirche?

G

Großketzer

Gast
Wie entstand aus dem Glaubensstreit der verschiedenen Konfessionen und Theologien eine einheitliche christliche Großkirche?

War diese Entwicklung erst durch die Ernennung zut Staatsreligion unter Konstantin eingeleitet worden oder wie waren die Christen zuvor organisiert?
 
Abgesehen davon, dass das Christentum von Konstantin nicht zur Staatsreligion gemacht wurde (er förderte es nur, zur de-facto-Staatskirche wurde es erst unter Theodosius I.):
Eine "einheitliche christliche Großkirche" gab es eigentlich nie. Vor der "konstantinischen Wende" bestand das Christentum überwiegend aus Einzelgemeinden, wobei jede größere Stadt mit zahlenmäßig relevanter christlicher Gemeinde ihren eigenen Bischof hatte. Diese Gemeinden arbeiteten nur lose zusammen, z. B. indem sich die Bischöfe einer Provinz hin und wieder zu Synoden trafen, um verschiedene Angelegenheiten zu besprechen, oder indem die Bischöfe theologische Lehrschreiben verschickten. Der Bischof von Rom, der damals noch nicht als Papst bezeichnet wurde, hatte allenfalls einen Ehrenvorrang, ebenso die Bischöfe von Alexandria und Antiochia, aber eine zentrale Leitung gab es nicht. Diese dezentrale Struktur begünstigte das Aufkommen unterschiedlichster theologischer Strömungen, die sich heftig (anfangs aber fast nur literarisch) befehdeten.
Das änderte sich mit Konstantin. Im 4. Jhdt. entstand dann eine straffere Organisation, wobei es aber noch länger dauerte, bis der Papst tatsächlich von den meisten (katholischen) Bischöfen als Oberhaupt anerkannt wurde. Die abweichenden theologischen Richtungen ("Häresien"), vor allem der damals neu entstandene Arianismus, konnten aber nicht vollständig unterdrückt werden. Die Arianer z. B. hatten ihre eigenen Bischöfe. (Noch unter den Langobarden war es anfangs so, dass es in den meisten italienischen Städten zwei Bischöfe gab, einen katholischen und einen arianischen). Als dann der Arianismus und andere Strömungen wie der Pelagianismus im Frühmittelalter endlich verdrängt werden konnten, hatte der Papst aber wieder zunehmend Probleme mit dem Patriarchen von Konstantinopel, der den Vorrang des Papstes meist bestenfalls auf dem Papier anerkannte, außerdem verbreitete sich in den orientalischen Provinzen des oströmischen Reiches seit dem 5. Jhdt. der Monophysitismus, was zu neuen Abspaltungen führte.
Eine einheitliche christliche Kirche gab es also nie.
 
Es waren aber nicht nur Abspaltungen, so daß die (katholische) Kirche heute wie ein gerupftes Huhn aussähe. Im Laufe der Zeit lernte man auch, mit anderen Riten umzugehen, wenn bestimmte Grundsätze übereinstimmten. Also wenn man bestimmte Symbola (Glaubensbekenntnisse) anerkannte, episkopal verfaßt war, die ökumenischen Konzilien in bestimmtem Umfang anerkennt etc. Die Gretchenfrage lautet allerdings immer: Wie hältst du's mit dem Papst. So gibt es heute zu vielen orientalischen Kirchen auch eine unierte Form, die den Papst als Oberhaupt anerkennt, aber einen eigenen Ritus hat. In der griechisch-unierten Kirche z.B. dürfen Priester vor der Weihe heiraten, das allein macht sie nicht zu Häretikern.
Die Vormachtstellung Roms muß man auch zusammen mit der Reichsteilung sehen, die dazu führte, daß im "Apostelpoker" Rom als einziges Patriarchat im Westen übrig war und zudem die Gräber Petri und Pauli beheimatete. Wenn andere sich streiten, freut sich der übriggebliebene.

Gruß
Kassia
 
Zurück
Oben