Erbfolge in Frankreich

Minelle

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Konnte der Erbe eines Titels (Comte, also ein Graf) eigentlich auch darauf verzichten? Wenn ja, was passierte dann mit Titel und Besitz? Es geht um alten Adel, nicht den Noblesse d'Empire, den Napoleon eingeführt hat. Im vorliegenden Fall ist mein Protagonist der einzige noch verbliebende Erbe des Titels.
 
Gibt es denn wirklich überhaupt keinen weiteren Erben?

In der britischen Fernsehserie Downton Abbey hat der Earl of Grantham nur Töchter und deshalb ist ein Cousin Erbe von Titel und Besitz. Als dieser mit der Titanic untergeht, wird ein Cousin dritten Grades, den die Familie bis dahin gar nicht persönlich kennt, zum Erben (auch wenn der Erbfall während der Serie nie eintritt, da der aktuelle Earl noch am Leben ist).

Das ist jetzt natürlich ein anderes Land und Fiktion, aber ich denke nicht, dass die Macher der Serie diese Erbfolgeprinzipien erfunden haben. Und gerade bei altem Adel, wo sich die Stammbäume relativ weit zurückverfolgen lassen, sollte sich doch noch irgend ein lebender entfernter Verwandter finden lassen.
 
Konnte der Erbe eines Titels (Comte, also ein Graf) eigentlich auch darauf verzichten? Wenn ja, was passierte dann mit Titel und Besitz? Es geht um alten Adel, nicht den Noblesse d'Empire, den Napoleon eingeführt hat. Im vorliegenden Fall ist mein Protagonist der einzige noch verbliebende Erbe des Titels.

Ich habe zwar von der Materie keine Ahnung, was mich trotzdem nicht daran hindert, hier dazu etwas zu schreiben:rolleyes:.

Ob der Erbe des Titels Comte diesen ausschlagen konnte, halte ich für nicht unmöglich. Normalerweise würde man dann nach weiteren Erben suchen. Bei männlicher Erbfolge wäre das dann bei den Brüdern des Erblassers, dann bei deren Söhnen. Da müßte man ggf. schon weiter im Familienstammbaum herumsuchen, bis dann jemand zu finden wäre.

Aber hier geht es um den Fall, dass derjenige der einzig verbliebene Erbe ist, der auf den Titel verzichtet.

Ich vermute, dass in diesem Falle Titel und Besitz an die Krone zurückfallen. Die Adelstitel waren ursprünglich nicht erblich, sondern Positionen in der spätantiken Provinzverwaltung. Die französischen Bezeichnung comte (Graf) und duc (Herzog) gehen noch auf die lateinischen Bezeichnungen comes und dux zurück.

Ansonsten würde ich auf google verweisen: regles de l'heritage en france noblesse ancien regime - Google Suche

Es gibt auch ein französischsprachiges Geschichtsforum, vielleicht kann man Dir dort weiterhelfen: Forum Histoire - Passion Histoire • Page d’index

Bonne chance!
 
Zuletzt bearbeitet:
Konnte der Erbe eines Titels (Comte, also ein Graf) eigentlich auch darauf verzichten?
Keine Ahnung, ob er einfach von sich aus seinen Verzicht erklären konnte.

Er hätte aber, wenn er den Grafentitel unbedingt hätte loswerden wollen, sich natürlich in einen dafür als unangemessenen empfundenen Lebenswandel einlassen und darauf abzielen können, dass man ihm den Adel und den Titel schlicht aberkennt.
Das wäre, sicherlich, wenn er sich z.B. darin eingelassen hätte "unehrliche" Berufe zu praktizieren oder ähnliches zu erreichen gewesen.

Möglicherweise wäre es auch durch ein zwischenzeitliches Überwechseln in den geistlichen Stand (vor allem Ordensgeistlichkeit) machbar gewesen das los zu werden.

Gegebenenfalls wäre es auch möglich gewesen jemanden zu adoptieren, als Erben einzusetzen und dann zu dessen Gunsten auf den Titel zu verzichten.
So etwas hätte sicherlich der königlichen Zustimmung bedurft und möglicherweise entsprechender Bestechungsmittel bedurft, aber für ganz ausgeschlossen würde ich das nicht halten.


Die Frage ist eher warum sollte jemmand das wollen?

Wenn ja, was passierte dann mit Titel und Besitz? Es geht um alten Adel, nicht den Noblesse d'Empire, den Napoleon eingeführt hat. Im vorliegenden Fall ist mein Protagonist der einzige noch verbliebende Erbe des Titels.

Naja, wenn das der letzte denkbare Erbe des Titels gewesen wäre , da würde ich Carolus zustimmen, würde der König sicherlich versucht haben, den Titel für erloschen zu erklären und einzuziehen, um die Möglichkeit zu haben, ihn an irgendwelche in seinen Augen verdienten Leute neu zu vergeben, möglicherweise auch zu verkaufen.


Beim Besitz käme es natürlich darauf an, ob dieser Besitz in irgendeiner Form noch als Lehen oder Appanage mit dem Titel verbunden waren, wenn ja wäre das dann sicherlich mit eingezogen worden und der königlichenn Domäne zugefallen (wenn es nicht anderweitig verliehen worden wäre), Privatbesitzungen der Familie ohne Lehensverhältnisse würde das natürlich nicht betroffen haben.

Ich weiß nicht ob es in Frankreich Güter gab, deren Besitz ausschließlich dem Adel vorbehalten war und die von Nichtadligen nicht erworben oder besessen werden durften.
Wenn es so etwas gab, hätten diese, wenn die Person nicht nur den Grafentitel abgelegt hätte, sondern aus irgendwelchen Gründen ganz aus dem Adel ausgeschieden wäre, sinnvoller Weise vorher veräußert werden müssen.
 
Nach dem salischen Gesetz wäre eine Adelsfamilie nach dem Wegsterben des letzten männlichen Erben "im Mannesstamm erloschen". Aber auch in Ländern, in denen das salische Gesetz herrschte, also Frauen eigentlich vom Erbe von Land und Titel ausgeschlssen waren, haben die Männer oder Söhne immer wieder versucht ein ius uxoris oder ius matris durchzusetzen, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Oft hat man auch eine sogenannte pragmatische Sanktion erlassen, wenn abzusehen war, dass eine Familie "im Mannesstamm erlöschen" würde und hat entgegen der herrschenden Gesetze die Frau ins Erbe gehievt: In Spanien hat etwa Philipp III. 1713 das salische Gesetz nach frz. Vorbild erlassen, sein Nachfahre Ferdinand VII. hat es 1830 zu Gunsten seiner Tochter Isabell II. (*1830) und zu Ungunsten seines Bruders Karl in der Pragmática (Sanción) von 1830 umgangen, was letztlich seiner Tochter die Herrschaft sicherte (1833 - 1868 -> Exil +1904) aber zu den drei Karlistenkriegen (konstitutionelle Monarchie vs. Absolutismus mit tradierten Partikularrechten) führte.

Wenn nun ein männlicher Adeliger seinen Adelstitel nicht hätte führen wollen, dann hätte er m.E. kenntlich machen müssen, dass er ein Bastard sei oder aber einfach verschwinden und untertauchen. Also angenommen im 18. Jhdt. will ein junger Mann kein Adeliger mehr sein: Wer würde ihn in Paris unter falschem Namen schon erkennen? Oder er stiege auf ein Schiff und führe nach Louisiana und käme nach Jahren zurück.
 
Ab dem späten 18. Jahrhundert kam es mitunter in Europa vor, dass demokratisch oder sozialistisch gesinnte Personen einen ererbten Adelstitel ablegten (wie etwa der badische Märzrevolutionär Gustav Struve). Mit den Verhältnissen im absolutistischen Frankreich bin ich nicht vertraut, aber spontan fällt mir kein Grund ein, warum nicht auch dort die bloße Erklärung genügen sollte, um einen Adelstitel abzulegen. Immerhin verstieß eine solche Erklärung ganz entschieden gegen die ständische Gesellschaftsordnung und das Standesdenken des Adels. Die Aristokratie hatte keinen Grund, jemanden weiterhin als Standesgenossen zu betrachten, der sich genau dagegen verwahrte.

Zumindest in England (aber möglicherweise auch in anderen Monarchien) kam es überdies bis weit in die Neuzeit hinein vor, dass jemand einen Adelstitel ablegte oder gar nicht erst annahm, weil er die damit verbundenen Kosten für Repräsentationszwecke scheute.
 
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