Europa vor dem 1. Weltkrieg

Conrad vertrat jedenfalls die Ansicht, man sei in Südtirol mit den Kriegsvorbereitungen in Rückstand. Auf italienischer Seite würde bedeutend mehr getan und erhebliche finanzielle Mittel aufgewendet.

Das Italien in Sachen Verteidigung mehr tat, ist kaum verwunderlich, da die Schweiz für eine Offensive gegen Italien oder durch sie hindurch nach Italien auf Grund des Geländes mehr oder minder ausfiel, bot Italien an Land ja auch kaum Einfallstore, mit der österreichischen Problematik in Galizien kaum vergleichbar.

Von dem her, wie sinnvoll ist es Investitionen an diesem Schauplatz vergleichen zu wollen?

Das Fort Strino diente beispielsweise der Verteidigung des Strino-Stausdamms. Das Fort Busa di Verle versperrte die Straße, die zum Asiago-Plateau führte.

Vollkommen klar, dass es auch im Trentino sensible Objekte und Positionen gab, die man ungerne zerstört oder, wenn auch nur zeitweise in italienischen Händen sehen wollte.
Die Frage ist, rechtfertigte das entsprechende Investitionen, angesichts der Tatsache, dass auch wenn der Verlust dieser positionen weh getan hätte, sie wohl kaum in irgendeiner Form kriegsentscheidend sein konnten, während in strategischer Hinsicht wesentlich sensiblere Positionen nicht optimal geschützt werden konnten?

Ich denke mal, wenn der Fall Italien mit Kriegsbeteiligung Russlands geplant wurde, war an einem offensiven Vorgehen gegen Italien nicht zu denken. Da kam nur Defensive in Frage.

Um so mehr wäre die Frage zu stellen, warum dann Fortifikationen in Südtirol und nicht an den kritischeren Punkten am Isonzo?
Das wird man hinterfragen dürfen.
Ich würde meinen, wenn man auf eine Auseinandersetzung mit Russland und Italien zeitgleich rechnete, musste klar sein, dass es nötig sein würde Land aufzugeben um seine Kräfte nicht allzu sehr zu verzetteln.
Das wäre im Trentino und in Südtirol ohne weiteres möglich gewesen, auf die Idee sicht auf dem Alpenhauptkamm bis vor Wien durchkämpfen zu wollen, wäre wohl niemand gekommen.

Wenn man mit einem Krieg nur mit Italien plante, wäre angesichts der industriellen Potentiale und der Geographie, es wohl sinnvoll gewesen in offensiv vom Isonzo aus in Richtung Veneto zu führen.
Auch dafür eigneten sich Befestigungsmaßnahmen in Südtirol wohl eher wenig.
 
Dein Hinterfragen ist absolut berechtigt. Ich kann dir momentan keine befriedigende Antwort liefern.

Findest du es nicht eigenartig, das Italien sein Territorium gegenüber seinen Verbündeten so aufrüstete? Ganz gewiss keine vertrauensbildende Maßnahme. Und wie überaus verhalten der Ballhausplatz darauf reagierte. Schwer zu verstehen.

Wenn es nach Conrad gegangen wäre, dann hätte die Monarchie Italien angegriffen, als dieses seinen Räuberfeldzug in Nordafrika durchführt, dort nicht zu Rande kam und den Krieg ist östliche Mittelmeer ausdehnte. Nur machte sich Conrad eben keine Freunde am Ballhausplatz mit seinen ständigen Vorstößen in die Kompetenz des Außenministeriums. Conrad musste, für kurze Zeit, gehen.
 
Findest du es nicht eigenartig, das Italien sein Territorium gegenüber seinen Verbündeten so aufrüstete? Ganz gewiss keine vertrauensbildende Maßnahme. Und wie überaus verhalten der Ballhausplatz darauf reagierte. Schwer zu verstehen.

Nein, eine besonders vertrauensbildende Maßnahme war das sicherlich nicht, aber sie wundert micht auch so überhaupt nicht.
Schon, weil man ja, demonstriert an der bosnischen Annexionskrise 1908, auf dem Zettel haben musste, dass Russlands Handlungsfähigkeit nach 1905 ja eine ganze Zeit lang infrage stand.

Und dass Österreich-Ungarn und das Königreich Italien keine natürlichen Alliierten waren, liegt auf der Hand.

Es gab in der Adria reichlich handelspolitische Rivalitäten, der ideologisch zunehmend stärker werdende Irredentismus und die innerhalb Italiens lauter werdenden Forderungen nach territorialen Arrondierungen auf Seiten Österreichs konnte in Wien nur für Misstrauen sorgen.
Auf der anderen Seite ließen sich natürlich, so lange in Wien das Haus Habsburg regierte auch gsnz gut Revanche-Absichten für 1859 und 1867 vermuten und die engen Verbindungen des Hauses Habsburg zum Heiligen Stuhl und gewisse Sympathienn für die Sache des Papstes entgegen der Ansprüche des italienischen Nationalstaates, dürften einigen Herrschaften in Rom auch eher suspekt gewesen sein.

Italien fehlte ohne Verbündeten die industrielle Basis sich aussichtsreich mit der Donaumonarchie direkt anlegen zu können, außerdem benötigte man für überseeische Aktionen bis zu einem gewissen Grad einen freien Rücken, der sich nur durch Anlehnung an Österreich-Ungarn oder Frankreich erreichen ließ.
Mit Frankreich rivalisierte man ja aber auch wegen Tunesien und gewisser anderer, das Mittelmeer betreffenden Fragen, besonders Korsika, außerdem hätte eine allzu enge Anlehnung an Frankreich Ärger mit Deutschland bedeutet.
Der wäre allerdings auf Grund des italienischen Energieproblems, mangels eigener ergiebiger Kohlevorkommen, auch in wirtschaftlicher Hinsicht kontraproduktiv gewesen, zumal Frankreich da als Lieferant nicht infrage kam.

Für Italien Grund genug formell beim Bündnis zu bleiben, aber wie schaut's mit Österreich-Ungarn aus?

Überseeische Kolonialprojekte, die auf territorialen Besitz abgezielt hätten, gab es nicht. Nachdem Russland 1905 aus dem Mächtekonzert ausgefallen war, hätte Österreich-Ungarn, im Besonderen wenn Berlin mitgespielt hätte im Gefolge dessen, die Zeit nutzen können, seine strategischen Positionen durch den einen oder anderen Zugewinn zu verbessern.

An wen wäre da aber in erster Linie zu denken gewesen?

Russland im Westen zu zerlegen wäre, wenn Deutschlland mithespielt hätte der Befreiungsschlag nach Osten gewesen, hätten aber auch den polnischen Teilungskonsenz zerstört und damit für die Monarchie in Galizien reichlich neue Probleme geschaffen.
Am weitgehenden Erhalt des Osmanischen Reiches ausgenommen Bosnien und die Herzegowina war man in Wien interessiert und Anlass zu Auseinandersetzungen mit Rumänien gab es, so lange Russland Bulgarien unterstützte, mit dem Bukarest wegen der Dorbudja rivalisierte und so lange Rumänien an Bessarabien und Siebenbürgen gleichsam interessiert war auch nicht wirklich.

Es wäre wohl eine Gelegenheit gewesen Serbien klein zu machen oder aber die Zeit zu nutzen die eigenen strategischen Positionen in Italien zu verbessern.
Mit einem militärischen Vorfeld im Veneto oder der Lombardei, von wo aus Italien relativ schnell niederzuwerfen geweses wäre und womit es sich einen offenen Konflikt mit Österreich-Ungarn 3 mal hätte überlegen müssen, vielleicht nebst einem wiederhergestellten Kirchenstaat, möglicherweise in den Dimensionen des Lazio, hätte manch einer in Wien möglicherweise deutlich besser schlafen können.

Vom italienischen Standpunkt aus hätte ich unter diesen Umständen auch Wert darauf gelegt, gegenüber Kakanien mindestens vorübergehend mal auf Nummer sicher zu gehen, jedenfalls so lange bis Russland wieder aktionsfähig würde und man in Wien damit wieder andere Sorgen hätte.


Wenn es nach Conrad gegangen wäre, dann hätte die Monarchie Italien angegriffen, als dieses seinen Räuberfeldzug in Nordafrika durchführt, dort nicht zu Rande kam und den Krieg ist östliche Mittelmeer ausdehnte. Nur machte sich Conrad eben keine Freunde am Ballhausplatz mit seinen ständigen Vorstößen in die Kompetenz des Außenministeriums. Conrad musste, für kurze Zeit, gehen.

Es wäre im Österreichischen Sinne auch möglicherweise gar nicht allzu doof gewesen, dies zu tun, so lange Russlands Schwäche dafür noch den Rücken frei hielt.
Nur wie gesagt, Sicherungsmaßnahmen in Südtirol passen da einfach überhaupt nicht wirklich dazu. Und bei denen drängt sich mir ein Bisschen der Eindruck auf, als wäre deren Errichtung eher persönlichen Sentiments bestimmter leitender Persönlichkeiten und politischen Gründen geschuldet gewesen, als dass sie in handfeste, sinnvolle militärische Konzeptionen eingebunden wären.
 
Es wäre im Österreichischen Sinne auch möglicherweise gar nicht allzu doof gewesen, dies zu tun, so lange Russlands Schwäche dafür noch den Rücken frei hielt.
Nur wie gesagt, Sicherungsmaßnahmen in Südtirol passen da einfach überhaupt nicht wirklich dazu. Und bei denen drängt sich mir ein Bisschen der Eindruck auf, als wäre deren Errichtung eher persönlichen Sentiments bestimmter leitender Persönlichkeiten und politischen Gründen geschuldet gewesen, als dass sie in handfeste, sinnvolle militärische Konzeptionen eingebunden wären.

In der Tat, es wäre von Österreich möglicherweise tatsächlich gar nicht "so doof gewesen" die anhaltende Schwächeperiode des Zarenreichs auszunutzen.
Das gleiche gilt auch für das Deutsche Reich. Aber dort gab es keine derartigen Bestrebungen. Im Endeffekt wurde es den Mittelmächten schlecht gedankt, das sie die Füße still gehalten haben. Möglicherweise hätte es gar keinen Weltkrieg gegeben, aber das sind schon was wäre wenn Szenarios.
 
Das Italien in Sachen Verteidigung mehr tat, ist kaum verwunderlich, da die Schweiz für eine Offensive gegen Italien oder durch sie hindurch nach Italien auf Grund des Geländes mehr oder minder ausfiel, bot Italien an Land ja auch kaum Einfallstore, mit der österreichischen Problematik in Galizien kaum vergleichbar.

Von dem her, wie sinnvoll ist es Investitionen an diesem Schauplatz vergleichen zu wollen?

Verstehe ich jetzt nicht. Italien rüstete seine Grenze gegen seinen Verbündeten und das findest du nicht verwunderlich?
 
Italien rüstete seine Grenze gegen seinen Verbündeten und das findest du nicht verwunderlich?
...so lange war der "Besitzwechsel" (1866) der Festung Verona (bzw des kompletten Festungsvierecks) noch nicht her, und wie sich im Ersten Weltkrieg zeigte, wurde die von den Italienern seitdem massiv modernisierte Festung von Österreich-Ungarn angegriffen.
 
Verstehe ich jetzt nicht. Italien rüstete seine Grenze gegen seinen Verbündeten und das findest du nicht verwunderlich?

Warum sollte ich das verwunderlich finden, wenn man auch auf italienischer Seite den Österreichern nicht so unbedingt traute?
Das man Österreich und den Habsburgern die Lombardei und Venetien abgenommen hatte, war schließlich noch keine 50 Jahre her, der Typ, der damals in Österreich Kaiser war, saß noch immer auf dem Thron, beschäftigt einen notorischen Italienfresser wie den Conrad als Kriegsminister und gewisse Streitigkeiten zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl betreffs der Stadt Rom und des Lazio, bei denen man mindestens das Habsburger Kaiserhaus mal relativ eindeutig auf der päpstlichen Seiten vermuten durfte, was die Sympathien angeht, waren ja auch noch nicht so ganz aus der Welt.
Wenn wir ganz ehrlich sind, dass ganze Bündnis an und für sich ist unter diesen Aspekten ein Bisschen merkwürdig.

Die Italiener konnten sicher so lange darauf rechnen mit Österreich-Ungarn relativ wenig Ärger zu haben, so lange dieses mit Russland beschäfftigt war und sich Ärger mit den Italienern daher nicht leisten konnte. Aber wenn Russland mal ausfiel oder man sich mit den Österreichern irgendwie verständigte?

Hätte es so fern gelegen in Conrad eine Art österreichischen Boulanger zu sehen und dem alten Franz-Joseph gewisse Revanchegelüste gegenüber Italien und eine notorrisch papstfreundliche Linie zu unterstellen?

Wenn ich die Italiener gewesen wäre, ich hätte da auch Wert darauf gelegt, mich auf Eventualitäten vorzubereiten unter diesen Umständen.
 
Conrad war nicht Kriegsminister, sondern Generalstabschef. Das ist schon ein gewisser Unterschied. Und Franz-Joseph als "Typ" auf dem Thron zu bezeichnen, finde ich nicht in Ordnung. Passt auch sonst nicht zu deinen Ausführungen.

Es wäre dann von Italien wohl nur folgerichtig und konsequent gewesen, die Mitgliedschaft im Dreibund auslaufen zu lassen. Tat man aber nicht. Man wollte auf die Vorteile nicht verzichten.

Und es war Italien welches Anfang der 1880ziger, welches bei Österreich, den man ja Venetien und die Lombardei, mit massiver Unterstützung einmal Frankreichs und das andere Mal Preußens, abgenommen hatte, alleine wäre das nichts geworden, angekommen war und Schutz und Unterstützung gebeten hatte und erhalten hat. Wo war denn da das Misstrauen?

Italien hat nie begriffen, das der Dreibund keine Erwerbsgemeinschaft sondern ein Defensivbündnis gewesen war. Stattdessen wollte Italien den Dreibund zu seiner eigenen aggressiven Kolonialpolitik ausnutzen und stellte entsprechende Forderungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Italien hate zwar nicht gegen die Buchstaben des Dreibundvetrrages verstoßen, aber mit dem Geist des Vertrages hatte man es nicht so sehr.

Der italienische Irredentismus war auch so ein Problem. Man wollte nicht anderes als Teile des Territoriums des Verbündeten. Je länger der Dreibund Bestand hatte, desto geringer wurden die Bemühungen Roms, dieses einzudämmen.
 
Conrad war nicht Kriegsminister, sondern Generalstabschef. Das ist schon ein gewisser Unterschied.
Entschuldigung, mein Fauxpas.
Dennoch, der Typ war ein diploamtisches Sicherheitsrisiko und er wäre sicher nicht Generalstabschef gewesen, wenn der Kaiser dagegen irgendwelche Einwände gehabt hätte.

Es wäre dann von Italien wohl nur folgerichtig und konsequent gewesen, die Mitgliedschaft im Dreibund auslaufen zu lassen. Tat man aber nicht. Man wollte auf die Vorteile nicht verzichten.
Wer willl das schon?
Genau so konnte mal allerdings auch hinterfragen, ob Österreichs Dreibundmitgliedschaft noch konsequent war, wenn es sich einen Generalstabschef leistete, der Permanent versuchte die politische Leitung dazu zu bewegen doch bitte mit dem Bündnispartner Krieg zu führen.
 
Über Conrad lässt sich trefflich diskutieren; es gibt bei ihm aber auch Grautöne. Und rückblickend, aus der Perspektive des Mai 1915, wird Conrad sich ohne Frage bestätigt gefühlt haben.
 
Über Conrad lässt sich trefflich diskutieren; es gibt bei ihm aber auch Grautöne. Und rückblickend, aus der Perspektive des Mai 1915, wird Conrad sich ohne Frage bestätigt gefühlt haben.

Natürlich mag er sich bestätigt gesehen haben, keine Frage, so falsch war seine Einschätzung Italiens ja auch grundsätzlich nicht, nur so wirklich passte der Mann doch nicht zur Wiener Politik, die am Dreibund festhalten wollte.
 
Deshalb wurde er ja auch zwischenzeitlich von seiner Tätigkeit als Generalstabschef entbunden. Und die Außenpolitik wurde vom Ballhausplatz geleitet.

Interessant in diesem Kontext ist auch das Jahr 1902. In Sommer wurde der Dreibund verlängert. Kurze Zeit danach in November wurde ein Abkommen mit Frankreich abgeschlossen, welches die italienische Neutralität, für den Fall eines von Frankreich nicht provozierten Angriffs Deutschland vorsah. Wieder kurz danach konnte Italien eine Staatsanleihe in Paris platzieren.
 
Deshalb wurde er ja auch zwischenzeitlich von seiner Tätigkeit als Generalstabschef entbunden. Und die Außenpolitik wurde vom Ballhausplatz geleitet.

Um dann allerdings nach nicht allzu langer Zeit wieder in dieses Amt zurück zu kehren. Ja, der Ballhausplatz leitete sicherlich die Außenpolitik wenn auch mit zunehmenden Usurpationsversuchen vom Belvedere aus.

Die Frage wäre da jetzt, ob Conrads zwischenzeitliche Entbindung von seinen Verpflichtungen als Generalstabschef irgendeine beruhigende Wirkung in Italien haben konnte, angesichts seiner Wiedereinsetzung? Oder konnte man gerade diese Wiedereinsetzung nicht als Festlegung auf eine agressivere Gangart interpretieren?
Abgesehen davon stand in Österreich, bedenkt man das Alter des Kaisers, ein Thronwechsel in näherer Zukunft erwartbar bevor.
War, was dann hätte folgen können so unbedingt berechenbar?

Interessant in diesem Kontext ist auch das Jahr 1902. In Sommer wurde der Dreibund verlängert. Kurze Zeit danach in November wurde ein Abkommen mit Frankreich abgeschlossen, welches die italienische Neutralität, für den Fall eines von Frankreich nicht provozierten Angriffs Deutschland vorsah. Wieder kurz danach konnte Italien eine Staatsanleihe in Paris platzieren.

Naja, inwiefern interessant? Ist doch im Grunde nichts anderes, als Bismarck sein Rückversicherungsvertrag mit dem Zarenreich,
In Frankreich wusste man sicherlich ganz gut, dass der italienische Irredentismus sich nicht nur für das Trentino, Istrien und die eine oder andere Ortschaft an der dalmatinischen Küste interessierte, sondern auch für, beispielsweise Korsika, Savoyen und Nizza und hin und wieder Allüren an den Tag legte, italienische Landsleute in Tunesien, derer es einige 10.000 gab, vor französischen Herrschaftspraktiken zu schützen usw.

Mit den Briten hatte man sich französischerseits noch nicht geeinigt, außerdem waren die gerade mit dem 2. Burenkrieg vollauf beschäftigt und hätten in Europa gerade wahrscheinlich nur begrenzt eingreifen können.

Was sprach da jetzt aus französischer Sicht dagegen, Italien sein Agressionspotential vorsichtshalber mal abzukaufen?
Und was sprach aus italienischer Sicht dagegen sich darauf einzulassen? Das war weder den Bestimmungen noch dem Geist des Dreibundvertrags entgegenstehend.
 
Gina Conrad von Hötzendorf – Wikipedia
Manche seiner Briefe an von Reininghaus werden von Historikern häufig zitiert, so der Brief vom 28. Juni 1914, in dem Conrad in Bezug auf den bevorstehenden Krieg schrieb: „Es wird ein aussichtsloser Kampf werden, dennoch muß er geführt werden, da eine so alte Monarchie und eine so glorreiche Armee nicht ruhmlos untergehen können.“[
 
Ganz kurz zu Bismarck. Der Vergleich hinkt nun. Bismarck hatte nun ganz gewiss keine expansiven Absichten, immer von seinem Albtraum cauchemar des coalitions geleitet. Die italienischen Politiker hatten nun andere Motive; Sicherheit hatten sie schon als Mitglied im Dreibund. Doch das genügte nicht. Du verharmlos hier ein wenig die zwiespältige italienische auswärtige Politik.

Frankreich war nach der Abmachung von 1902 in der Lage seine militärischen Vorkehrungen gegenüber Italien auf Sparflamme zu kochen; was wohl nicht wirklich im Geist des Dreibundvertrages war.

Frankreichs Interesse war doch Italien aus dem Dreibund herauszubrechen und das gelang letzten Endes mit der bewährten Kreditvergabepolitik. Italien war halt käuflich. Das hat man 1915 dann überdeutlich sehen können.

Italien hatte übrigens Nizza und Savoyen freiwillig Frankreich überlassen; das war seinerzeit der Preis für Napoleon III. seine Unterstützung gegenüber Österreich. Nur so gelang es Österreich die Lombardei abzuknüpfen.

Na, du findest wahrschein auch das Abkommen von 1909 zwischen Russland und Italien, der Kitt war wohl Antipathie gegen Österreich-Ungarn, in Ordnung. Bei der Gelegenheit hat Italien sich gleich von den Russen zusichern lassen, das die bei einem Krieg gegen Tripolis keinen Widerstand leisten würden. Italien hält dafür in der Meerengenfrage die Füße still.

Zu dem Zeitpunkt als Conrad wieder, dank dem Thronfolger, in sein Amt gehievt wurde, ist einiges passiert. Italien hatte seinen räuberischen Feldzug in Nordafrika gestartet; übrigens ohne die Dreibundpartner zu informieren. Die zurückhaltenden Reaktion der anderen Mächte ist wohl nicht unbemerkt geblieben. Italien hatte sich innerlich vom Dreibund verabschiedet, da weder Berlin noch Wien die Hand für die agressive militärische Kolonialpolitik reichen wollten.

Ich glaube nicht, das wir hier einen Konsens finden. Unsere Ansichten divergieren doch erheblich.
 
Gina Conrad von Hötzendorf – Wikipedia
Manche seiner Briefe an von Reininghaus werden von Historikern häufig zitiert, so der Brief vom 28. Juni 1914, in dem Conrad in Bezug auf den bevorstehenden Krieg schrieb: „Es wird ein aussichtsloser Kampf werden, dennoch muß er geführt werden, da eine so alte Monarchie und eine so glorreiche Armee nicht ruhmlos untergehen können.“[

Und was sagt uns das jetzt?
 
Noch ein paar allgemeine Sätze zur Thematik.

Weder den Franzosen noch den Deutschen und Österreichern war es entgangen, dass der Schwerpunkt der italienischen Kriegsvorbereitung von der Westgrenze hin zur Nordostgrenze, den verbündeten „Feind“ Österreich-Ungarn stattgefunden hat. Das wurde schon durch die Anlage der Manöver und entsprechenden Truppenverlegungen deutlich.

Nur in Berliner AA schloss man noch nicht unbedingt auf einen unmittelbar bevorstehenden Angriffskrieg Italiens. Der deutsche Botschafter Monts berichtete unter dem Datum des 10.01.1907 nach Berlin:“ Denn Italien muß schon aus finanziellen Gründen noch eine Reihe von Jahren die Freundschaftsmaske weitertragen. Wenn man in Wien diesem Bestreben (unauffälige italienische Rüstungs- und Kriegsvorbereitungen) ob sehend oder mit verbundenen Augen, ob aus politischen Gründen oder aus dem dort alles domminierenden Ruhebedürfnis freundlichst entgegenkommt, so paßt das natürlich vortrefflich in die die hiesige Rechnung.“(1)

Im Sommer 1907 gab es auch einen recht spektakulären Zwischenfall. Im italienischen Parlament waren gerade die Rüstungskredite auf der Tagesordnung, als mehrere italienische Abgeordnete im Zuge der Debatte den Verbündeten Österreich-Ungarn als Gegner Italiens bezeichneten und die Zustimmung zur Vorlage als Kriegsvorbereitung gegen denselben begründeten. Von Seiten der Regierung war kein Widerspruch gekommen. (2)

In einer Denkschrift Conrads an Franz Joseph heißt es u.a.:

Italien hat in der Zeit von 1907 bis 1910 seine Panzerwerke um 12 vermehrt und wird sie bis 1912 um 47 vermehrt haben; es hat dann alle benützbaren Wege aus Tirol mit Panzerwerken gesperrt…..(3)

Erstmals bereiteten die Italiener im Frühjahr 1904 einen Aufmarsch gegen Österreich-Ungarn vor. Ein Problem war sicher der Bestand an leistungsfähigen Eisenbahnlinien. Ebenfalls waren bisher Depots und Magazine für einen Krieg gegen Frankreich errichtet worden. Das waren Mängel die in der Folgezeit behoben werden sollten; was natürlich nicht unbemerkt blieb.

Nach der Annexionskrise 1908/09 setzte in Italien, man wußte die Krise entsprechend zu nutzen, eine Hochrüstungsphase ein.



(1) GP Band 21.2, Dokument 7177

(2) Behnen, Rüstung – Bündnis – Sicherheit, S.194

(3) Conrad, Aus meiner Dienstzeit Band 2, S.88
 
@Turgot Du bist mir sehr schnell dabei die Probleme des Dreibunds, allein an Italien festzumachen.

Das eigentliche Problem ist aber, dass zwischen Österreich-Ungarn und Italien nie ein wirklich sinnvoller Ausgleich zustande gekommen ist.
Was bedeutet es denn vom italienischen Standpunt aus, wenn Österreich-Ungarn stur darauf beharrte, seine italienischsprachigen Restgebiete im Trentino und am Isonzo um jeden Preis zu behalten?
Letztendlich bedeutete es, dass Österreich-Ungarn seine Position in dem, was man von italienischer Seite als Italien verstanden hat, nicht aufgeben wollte und wenn es sie nicht aufgeben wollte, war damit zu rechnen, dass es seine Position dort irgendwann einmal wieder ausbauen wollen würde, während man auf der österreichischen Seite den italienischen Nationalismus/Irredentismus fürchtete.

Das Problem ist aber nicht Abgefeimtheit und Böswilligkeit auf einer einzigen Seite gewesen, dass Problem ist gegenseitiges Misstrauen gewesen, das mehr oder minder eine zwangsläufige Folge dessen war, dass man 1866/1867 einen Frieden geschlossen hat, der was den Süden betrifft, ziemlich irrational war.

Wenn man 1867 einigermaßen vorausschauend gewesen wäre, von österreichischer Seite her, hätte man den Italienern neben der Abtretung des Veneto das Trentino und die Gebiete westlich des Isonzo verkauft und mit selbigem Vertrag auch versucht eine klare, europaweit anerkannte Definition zu schaffen, nach der die italienische Halbinsel im Tal des Isonzo ihre östliche Begrenzung findet.

Das wäre wahrscheinlich eine wesentlich solidere Regelung gewesen, die eine gewisse Sicherheit für beide Seiten geschaffen hätte und auf der sich eine tatsächliche Partnerschaft hätte aufbauen lassen.
In meinen Augen krankte der Dreibund vor allem daran, dass sich Österreich-Ungarn anno 1867 mit der Tatsache des italienischen Nationalstaates nicht abfinden konnte und festhielt, woran es sich eben noch klammern konnte, was dazu führte, dass man um ein paar wirtschaftlich und strategisch vollkommen unbedeutende Dörfer und Kleinstädte im Trentino und am Isonzo halten zu können, sich schwelende Territorialfragen, mit dem gesamten italienischen Nationalstaat auflud, die trotz zeitweilig guten Willens beider Seiten doch stetiges Misstrauen hervorrufen mussten.
 
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