Europäische Union

Rovere

Premiummitglied
Zum ersten möchte ich anregen dieses Thema als eigenens Überthema in der Rubrik "Neuzeit" zu positionieren. Wenn man die Geschichte des Warschauer Paktes hier diskutiert könnte auch Platz für die nun ebenfalls schon Jahrzehnte existierende Union sein.

Zum anderen hätte ich aber auch eine Frage an die Forumsteilnehmer:
In der Wiener "Presse", Österreichs bester Tageszeitung (nur Standard-Leser sind anderer Meinung ;) ), schrieb der Journalist Wolfgang Böhm folgenden Leitartikel

In diesem Artikel steht folgendes Zitat: "Wahrscheinlich war es ihr ausgeprägtes Selbstbewusstsein, das die Westdeutschen glauben ließ, sie müssten selbst keine Anpassungen durchführen, um die DDR zu integrieren. Die EU sollte nun nicht den selben Fehler begehen."

Wie beurteilt ihr, die die deutsche Situation besser kennt als ich als Österreicher, diese Aussage?
 
Sehr gute Idee das mit der EU-Diskussion.......Könnte lang werden....



Jetzt aber erstmal zu deiner Frage:

Ich glaube, das hing auch damit zusammen, dass es keine Vereinigung im eigentlichen Sinne war. Nicht einmal de jure: Die DDR (sprich die jeweiligen Länder) ist/sind schlicht dem Grundgesetz beigetreten. Möglich gemacht hat das eine Klausel zum Beitritt zum Grundgesetz (die aber eigentlich für das Saarland gedacht war).

Es hieß auch im Grundgesetz:

"...hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war."

Da stand dann auch:

"Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."

Nun muß ich sagen: Ich gehöre zum deutschen Volke und zumindest ich durfte nicht frei entscheiden.....
Aber mal im Ernst: Es war eigentlich gedacht, dann eine neue Verfassung zu implementieren, was auch zumindest symbolisch ein wirklich vereinigender Akt gewesen wäre.

Heute heißt es in der Präambel:
"Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk."

Podiumsdiskussion dazu:
http://www.fes.de/fulltext/historiker/00527002.htm

Nun halte ich das GG durchaus für eine sehr gute Verfassung, aber das zeigt eben auch, wie da improvisiert werden musste.


Aber es stellt sich ja grundlegend die Frage, wie und was vereinigt werden hätte können....politisches System? Nein. Wirtschaftliches System? Nein. Und es stellt sich dann auch die Frage, wo und wie da was "angepasst" hätte werden können.
Es blieb eigentlich nur eine Art "Übernahme des westdeutschen Systems".

Nur: Man hat auch versucht auf allen Ebenen symbolische Vereinigungen zu vermeiden. So hätten durchaus gemeinsam existierende Verbände vereinigt werden können. Aber das hat man schön bleiben lassen. Die DDR sollte da völlig getilgt werden.

Und was dann noch so alles in der Wendezeit lief, kann man dann ja mal im Detail aufrollen...


Nur der Irrglaube, man müsse da ein bißchen reinpumpen (mittlerweile 1250 Milliarden (!)) und dann ginge es ganz von allein war da in der Euphorie nicht zu bremsen.....
Dann wurde davon gesprochen, keinem würde es schlechter gehen (Hurvinek hat clevererweise mal darauf hingewiesen, dass es da aber auch nie drum ging, dass es einem besser ginge), man sah blühende Landschaften (ich schwöre, ich habe sie gesehen. Wirklich und ganz im Ernst. An der A9 kurz hinter Leipzig. Im Frühling wars. Und da standen ganz ehrlich blühende Rapsfelder.)


Und noch ein kleines Detail wenn es schon um EU geht: Auf deren Betreiben hin muß nun das Land Mecklenburg-Vorpommern ein Seilbahngesetz erlassen. Eine Seilbahn gibts da zwar nicht und ist angesichts der höchsten Erhebung von grade mal 200 Meter auch nicht geplant. Und selbst die Regierung hat glaubhaft versichert, in den nächsten Jahren da keine Abfahrtspiste anlegen zu wollen.....
Österreich muss sicher demnächst ein Leuchtturmgesetz erlassen.....
 
:cool:
Rovere schrieb:
Zum anderen hätte ich aber auch eine Frage an die Forumsteilnehmer:
In der Wiener "Presse", Österreichs bester Tageszeitung (nur Standard-Leser sind anderer Meinung ;) ), schrieb der Journalist Wolfgang Böhm folgenden Leitartikel

In diesem Artikel steht folgendes Zitat: "Wahrscheinlich war es ihr ausgeprägtes Selbstbewusstsein, das die Westdeutschen glauben ließ, sie müssten selbst keine Anpassungen durchführen, um die DDR zu integrieren. Die EU sollte nun nicht den selben Fehler begehen."

Wie beurteilt ihr, die die deutsche Situation besser kennt als ich als Österreicher, diese Aussage?

Kohl hatte sich und die ehemalige DDR überschätzt.
Die DDR war nicht die zehntstärkste Wirtschaftsmacht auf der Welt und der Aufbau Ost konnte nicht aus der Portokasse bezahlr werden. Außerdem entstanden keine blühenden Landschaften, höchstens Blumen auf Ruinen, Kohl und vielleicht keiner außer Lafontaine hat den Schlamassel gesehen in den wir geraten sind. :cool:
 
Man darf aber auch nicht diese Wirtschaftsraubritter vergessen. Manche Firmen sind rübergegangen, haben Subventionen kassiert, haben verkauft was zu verkaufen war und sind mit dem ehemals Ostkapital wieder nach Westen abgehauen. Ausser ihrem Gewinn haben sie eine zerstörte Infrastruktur und ein Haufen Arbeitslose hinterlassen.
Leider sind das keine hohlen Phrasen!
 
Und noch ein kleines Detail wenn es schon um EU geht: Auf deren Betreiben hin muß nun das Land Mecklenburg-Vorpommern ein Seilbahngesetz erlassen. Eine Seilbahn gibts da zwar nicht und ist angesichts der höchsten Erhebung von grade mal 200 Meter auch nicht geplant. Und selbst die Regierung hat glaubhaft versichert, in den nächsten Jahren da keine Abfahrtspiste anlegen zu wollen.....
Oh, da könnten die Feinheiten des EU-Rechts im Verhältnis zum deutschen Recht zugeschlagen haben.

Denn die Umsetzung von Richtlinien bleibt der innerstaatlichen Kompetenzverteilung überlassen (dh manche Gesetze müssen auf Landes- andere auf Bundesebene oder sogar auf beiden Ebenen erlassen werden). Grundlage dafür ist Art 249 EG-V, der besagt:"Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel." Die EU kann im Grunde genommen einem Bundesland gar nichts anschaffen, da diese nicht Adressaten von Rechtsvorschriften sein können. Die EU ist sozusagen "bundesstaatenblind". Wie die Richtlinie umgesetzt wird, bestimmen innerdeutsche Gesetze, und nicht die EU. (Übrigens: hier, die Richtlinie im Wortlaut...). Wenn diese vorschreiben, dass alle Bundesländer ein Seilbahngesetz zu erlassen haben, dann muss das auch so sein.

Zur Richtlinie selbst: Diese betrifft nicht nur Seilbahnen wie Schilifte, sondern gem Art 1 Abs 3 auch Standseilbahnen, das heißt, sich am Boden auf Rädern bewegende Kabinen, die von einem Seil gezogen werden. Das kann es selbst am relativ flachen Land geben...

Merke: nicht alles, wo EU draufsteht, ist auch nur EU drinnen...
Es ist auch für deutsche Politiker leicht zu behaupten "Die EU wars...", auch wenn sie es selbst waren oder diese Sache sogar mitbeschlossen haben.

Übrigens: Auf der Donauinsel gibt es sogar einen Leuchtturm...
 
Zur Richtlinie selbst: Diese betrifft nicht nur Seilbahnen wie Schilifte, sondern gem Art 1 Abs 3 auch Standseilbahnen, das heißt, sich am Boden auf Rädern bewegende Kabinen, die von einem Seil gezogen werden. Das kann es selbst am relativ flachen Land geben...

Ein berühmtes Beispiel: Die Strassenbahn von San Fransisco! Aber Kalifornien ist nicht an die EU angeschlossen, naja noch nicht, schließlich wissen wir ja aus der Geschichte was passieren kann, wenn Österreich Politiker exportiert. ;)
 
Ich sag es ja: Europa + Russland = Europa von den ABC-Inseln in der KaribiK bis zu den Aleuten in der Beringsee. Japan und Kalifornien werden als autonome Wohlstandssphären mit Aufgenommen, vielleicht Hawaii auch!
Oje, ich glaube das war eben ein Anfall von imperialen Grössenwahn!
 
Genau, es wäre doch eine nette Romanvorlage!
Wenn man, bedenkt das man danach eine Eingliederung der Commenwealth-Staaten in die EU erwägt, könnte man danach mal mit den USA mal über die Rückgabe gewisser 13 Kolonien sprechen. Na, das würde ein düsterer Endzeitroman ergeben. :rofl: ;)
 
askan schrieb:
Genau, es wäre doch eine nette Romanvorlage!
Wenn man, bedenkt das man danach eine Eingliederung der Commenwealth-Staaten in die EU erwägt, könnte man danach mal mit den USA mal über die Rückgabe gewisser 13 Kolonien sprechen. Na, das würde ein düsterer Endzeitroman ergeben. :rofl: ;)
Wenn du danach gehst kannst du rest gleich mit eingliedern...,
EU als UNO-Ersatz, wohl eher nicht.
 
askan schrieb:
Ich sag es ja: Europa + Russland = Europa von den ABC-Inseln in der KaribiK bis zu den Aleuten in der Beringsee. Japan und Kalifornien werden als autonome Wohlstandssphären mit Aufgenommen, vielleicht Hawaii auch!
Oje, ich glaube das war eben ein Anfall von imperialen Grössenwahn!


Ich kenn da einen Österreicher- Der hatte dieselben Pläne. Der EU Gedanke ist also schon viel älter.;)
 
Aus dem Geschichtsunterricht kann ich mich noch erinnern, das es eigentlich ein Korse war, der diese Idee hatte.
 
Eigentlich gings in dem Artikel auf den ich mich bezogen habe um die Frage ob eine großzügige (fast verschwenderisch) zu nennende Umverteilung von Geldern in wirtschaftlich noch nicht so weit entwickelte Gebiete nicht eher kontrapoduktiv ist. Der Autor meint damit z.B. ob es sinnvoll ist, landwirtschaftliche Strukturen, die keine Überlebenschance am Markt haben, durch Unmengen an Fördergeldern künstlich am Leben zu erhalten.

Er forderte daher eine Umstrukturierung der Förderpolitik um nicht wie in Deutschland einfach Strukturen eines Staates auf einen anderen überzustülpen.
Ich habe meine Frage vielleicht nicht klar genug definiert, eine derartige "EU-Grundsatzdiskussion" habe ich jedenfalls nicht intendiert.
 
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Stimmt. Ich gebe dir recht was die Verteilung der Gelder angeht. Und auch in der Höhe. Ich glaube viele "Ossis" könnten auf bankrotte Spaßbäder, Funparks, nicht genutzte Industriegebiete oder ähnlichen Kram verzichten. Ich glaube eher es ging in der Frage darum wie und wo das Geld verschwindet....
 
Naja, ein bisserl kenn ich mich aus in dem Fördercircus. Ich sehe ein Hauptproblem in der Schaffung einer Vielzahl von regionalen Entwicklungstrukturen. Beobachte mal was es so alles an Tourismusinitiativen, Wirtschaftsparksentwicklungsagenturen und ähnliche Organisationen gibt. Vieles an Fördergeldern verschwindet in den Overheadkosten der diversen Projekte. Und hier sind wir wieder am Anfang meiner Frage. Wenn die EU ihre Förderpolitik gleich in den neuen Mitgliedsstaaten wie in den alten betreibt dann wirds nicht funktionieren. Lassen wir mal den wirtschaftlichen Entwicklungsgrad beiseite - es gibt auch einen riesigen Unterschied im Know-How-Bereich - vor allem den "Fördercircus" betreffend. Ich habe die Befürchtung daß diverse "Förderprofis" ausschwärmen werden und durch gut dotierte "Beratungsleistungen" einen großen Anteil der für Entwicklung reservierten Fördergelder abschöpfen. Wie es ja gerade auch in den neuen Bundesländer häufig passiert ist.
 
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Barosos Kommission wurde gestern vom EU-Parlament gestanzt. Wie soll man diese Ereignisse werten? Wird das EU-Parlament "erwachsen" und nimmt erstmals seinen Auftrag als parlamentarische Vertretung die die Interessen ALLER EU-Bürger vertritt wahr?
Ist das eine Chance der Union sich zu einer wahren Supranationalen Organisation zu entwickeln oder ist die ganze Geschichte nur ein weiterer Mosaikstein in der großen Krise der EU?
Ich sehe es als Chance endlich mal ein Gegengewicht zum übermächtigen Rat zu schaffen. Der Rat ist ja wirklich nur mehr ein Forum der Regierungsschefs die dort beinahe schalten und walten wie absolute Herrscher - kein Ruhmesblatt für Europas Demokratie.
 
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