1. Einleitung
1.1. Begründung der Themenwahl und Fragestellung
Die Wahl meines Themas fiel auf die Person N.S. Chruschtschow, da mich die Geschichte der Sowjetunion aufgrund meiner eigenen Herkunft sehr interessiert und ich die Erfolge, aber auch die Niederlagen der Weltmacht des 20.Jh. in Erfah-rung bringen möchte. Stalins den Lehren des Kommunismus widersprechende Diktatur und Heldenverehrung hat ein dunkles Kapitel in der Geschichte der UdSSR hinterlassen, da Menschenrechte unbeachtet blieben und Verfolgungen, sowie Hinrichtungen den Alltag des von Paranoia geplagten Führers darstellten.
Ich möchte mir mit meiner Facharbeit ein Bild von der innen- und außenpoliti-schen Situation nach Stalins Tod unter Chruschtschows Führung machen, da dieser als erster die Verbrechen Stalins öffentlich machte, obwohl er an diesen auch teil-genommen hatte.
Auf die Fragestellung: „Wie verändert sich die Situation in der Sowjetunion unter der neuen Leitung Chruschtschows und welche außenpolitischen Neuerungen und Ziele verfolgte Chruschtschow, um ein Zusammenleben der kapitalistischen und kommunistischen Welt zu ermöglichen?“ möchte ich mit meiner Facharbeit versu-chen eine Antwort zu liefern.
2. Hauptteil
2.1. Chrustschows Leben und Aufstieg
2.1.1. Berufliches und militärisches Leben:
- am 17. April 1894 in Kalinowka, Russland, als Nikita Sergejewitsch
Chruschtschow, Sohn einer westrussischen Bauernfamilie, geboren
- nach der Übersiedlung 1908 in die Ukraine absolvierte Chruschtschow eine
Lehre zum Maschinenschlosser und arbeitete danach in den Minen von Jusowka
- er trat 1919 in die Rote Armee ein, um beim Bürgerkrieg in der 9.Gewehrdivisi-
on den Bolschewiki zu dienen
- 1922 begann er eine Ausbildung an der Arbeiterfakultät von Jusowka
- 1929 bildet er sich zum Metallurgen in der Moskauer Industrieakademie weiter
- während des 2.Weltkrieges war Chruschtschow höchster Politoffizier und bei
Marschall Timoschenko an der ukrainischen Front aktiv
- 1942 und 1943 nahm er als Frontkommissar bei den Stalingradkämpfen und an
der Schlacht bei Kursk teil
- am 11. September 1971 in Moskau verstorben
2.1.2 Parteiinterner Aufstieg:
- 1918 gehörte Chrustschow mit 24 Jahren der Bolschewiki Partei an
- auf dem XV. Parteitag 1927 bekannte Chrustschow sich zur Anhängerschaft
Stalins, woraufhin er in den Parteiapparat der Ukraine befördert wurde
- 1931 wurde Chrustschow zum Parteichef des Moskauer Parteibezirkes Krasnaja
Presnja
- 1932 nahm er die Position des Zweiten Sekretärs des Stadtparteikomitees ein
- 1933 wurde er Chef des Moskauer Gebietsparteikomitees
- seit 1935 unterlag ihm die Verantwortung für die Neubauten in Moskau
- von 1939 bis 1964 war er Vollmitglied im Politbüro der KPdSU und löste
Kossior als Parteichef in der Ukraine ab
- vom 16. Dezember 1949 bis zum 7. September 1953 war er Sekretär des Zentral-
komitees der KPdSU und führte dort ab 1950 das Landwirtschaftsressort
- von 1949 bis 1953 Erster Sekretär der Moskauer Parteiorganisation
- Chruschtschow erreichte die Trennung der Ämter des Ersten Sekretärs und des
Regierungschefs
- am 7. September 1953 wurde er zum Ersten Sekretär des ZKs gewählt
2.2. Chruschtschow und Stalin
2.2.1 Stellung gegenüber Stalin und dessen Politik
Chruschtschow zählte sich fast 20 Jahre zum begrenzten Freundeskreis Stalins, da er das Vertrauen des Diktators gewann, indem er die Verhaftung und die damit meist verbundene Ermordung von Feinden des Vaterlandes veranlasste, was er auch in einem Bericht vom 10. Juli 1937 an Stalin über die Ausmachung von 8500 Feinden des Landes, die für eine Hinrichtung bestimmt seien, verkündete.
Um unter Stalin zu überleben, führte Chruschtschow die Befehle meist wider-spruchslos aus: „Wenn Stalin sagt tanz, dann tanzt der kluge Mann“1, sodass Chruschtschow Alkohol zu sich nahm, wenn Stalin es befahl.
Erst nach Stalins Tod wurden dessen Taten vor allem von Chruschtschow auf dem XX. Parteitag kritisiert und verurteilt, denn zuvor war Stalin der grausame unfehl-bare Führer des Landes gewesen: "Wir waren damals überzeugt, dass Stalin sich nicht irren konnte."2
2.2.2. Entstalinisierung
Auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 kritisierte Chruschtschow als Erster Se-kretär den von Stalin und seinen Anhängern geschaffenen stalinistischen Perso-nenkult und die begangenen Verbrechen gegen den Leninismus und das sowjeti-sche Volk:
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1Khrushchnev Remembers; 1970 Little, Brown & Company - Boston-Toronto, 3.Auflage, S.301
2http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=54841317&top=SPIEGEL&suchbe
griff=chruschtschow&quellen=%2BBX%2CWIKI%2C%2BSP%2C%2BMM%2CALME%2C%2
BMEDIA&vl=-100 => DER ZWIESPÄLTIGE REFORMER
„Seit Beginn der dreißiger Jahre setzte jedoch eine starke Überschätzung der Be-deutung seiner praktischen und theoretischen Arbeit ein.
… die Rolle der Partei und des Volkes im Kampf um den Sieg des Sozialismus herabgesetzt und alle Errungenschaften der Sowjetunion … allein auf die besonde-ren Eigenschaften …, J.W. Stalins, zurückgeführt. Stalin selbst hat dieses Hervor-heben seiner Person, diese Lobhudeleien nicht nur nicht unterbunden, sondern in jeder Weise gefördert.“3
Jedoch wurde nicht der Personenkult um Chruschtschow und Lenin bekämpft, was sich darin zeigte, dass zwar Stalindenkmäler abgerissen, geographische Namen wie Stalingrad in Wolgograd umgewandelt und Stalins Leichnam aus dem Lenin-mausoleum entfernt wurde, aber Bezeichnungen wie Leningrad oder Orte wie das Leninmausoleum nicht aufgehoben, sondern beibehalten wurden und 1961 die Stadt Kremges ohne Protest nach Chruschtschow benannt werden konnte.
Trotzdem hatte die Entstalinisierung eine Auflockerung des Systems und der Ge-sellschaft und eine grundlegende Wende in Politik und Wirtschaft verursacht, die nicht mehr zu bremsen war.
Das hatte in Polen und Ungarn den Sturz der stalinistischen Parteiführer und das Einsetzen der liberalen Ministerpräsidenten Wladyslaw Gomulka 1956 in Polen und Imre Nagy 1953 in Ungarn zur Folge.
Am 15. Mai 1955 fand die Besatzung Österreichs durch die Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrags zwischen den UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich, sowie Österreich ein Ende.
Außerdem wurden in den ersten Jahren der Chruschtschow Ära politische Gefan-gene der Sowjetunion und anderer Ostblock-Staaten nach der Auflösung des Gu-lag-Systems freigelassen oder rehabilitiert Auch die 30.000 deutschen Kriegsge-fangenen erlangten ihre Freiheit zurück.
Diese neue „Tauwetter-Politik“ der Sowjetunion wurde nicht von allen Ländern, vor allem nicht von China als positiv angesehen, da die Entstalinisierung und die „friedliche Koexistenz“ in den Augen Maos ein Verrat an den kommunistischen Lehren war.
Trotzdem blieben diese Handlungen ein gewaltiger Umsturz der alten Politik der Unterdrückung und ermöglichten es die Sowjetunion zu öffnen und andere Refor-mer der UdSSR, wie Gorbatschow, griffen auf Chruschtschows Veränderungen zurück, da sie sich als Kinder des XX. Parteitages sahen.
2.3. Verhältnis zu den USA
2.3.1 Allgemein
Die Beziehungen mit den USA waren schon seit der Entstehung der UdSSR bela-stet, da die Ideologien beider Mächte im Gegensatz zueinander standen.
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3Der XX. Parteitag der KPdSU und die Aufgaben der Erforschung der Parteigeschichte; Dietz
Verlag GmbH, Berlin - 1.Auflage 1956, Seite 5
Die „Umzingelung“ der Sowjetunion durch die Installation von US-Raketen in England, Italien, Irak und Afghanistan verstärkte die angespannten Beziehungen nur noch weiter. Jedoch versuchte Chruschtschow eine „friedliche Koexistenz“ zwischen den beiden Großmächten als oberstes Ziel anzustreben, um ein Gleich-gewicht der Kräfte zu erhalten, gleichzeitig betrieb er aber auch einen Konkur-renzkampf mit den USA, die es in allen wirtschaftlichen Bereichen zu überholen galt, da der Kommunismus dadurch eine wichtige Hürde überschreiten würde und so den Kapitalismus als Einflussfaktor in der Welt ersetzen könnte.
Vom 15. bis zum 27. September 1959 besuchte Chruschtschow auf Einladung Dwight D. Eisenhowers als erster sowjetischer Regierungschef die USA, lehnte jedoch den Gegenbesuch Eisenhowers ab, als man festgestellte, dass die Sowjet-union durch ein U2-Flugzeuge ausspionierte wurde. Daraufhin ließ er das Flug-zeug abschießen und mied den Vier-Mächte-Gipfel in Paris zu europäischen Si-cherheitsfragen.
Durch die Stationierung der amerikanischen Jupiter-Raketen in der Türkei 1959 setzt Chruschtschow sein Augenmerk auf, den von ihm als schwach und nachgie-bigen angesehenen4, John F. Kennedy, der am 8. November 1960 zum neuen US-Präsidenten gewählt werden soll.
Sein Glaube an die Schwäche Kennedys erhärtet sich als DDR-Grenztruppen am 13. August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer begannen. Dabei standen sich sowjetische und amerikanische Panzer gegenüber, jedoch blieb ein amerikanischer Angriff aus, ganz wie Chruschtschow es vermutet hatte.
2.3.2. Kubakrise 22.10. - 27.10.1962
Nach dem Sieg der kubanischen Revolutionäre 1959 wandten sich die USA von Kuba ab und importierten nicht mehr den kubanischen Rohrzucker, exportierten auch kein Erdöl mehr, sodass eigentlich die amerikanische Regierung die Annähe-rung Kubas an die Sowjetunion herbeiführte, da die UdSSR durch das Handelsem-bargo der USA die Möglichkeit nutzte und den Zucker der Kubaner abkaufte, so-wie Erdöllieferungen an den Inselstaat leistete.
Unter Kennedy verstärkte sich die Beziehung Castros zu der Sowjetunion, da die neue US-Regierung die Schweinebuchtinvasion durch Exilkubaner plante und aus-führte.
Nach der Niederlage der Exilkubaner fürchtete die kubanische sowie die sowjeti-sche Regierung eine weitere Invasion auf kubanisches Territorium durch die USA.
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4http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=54841317&top=SPIEGEL&suchbe
griff=chruschtschow&quellen=%2BBX%2CWIKI%2C%2BSP%2C%2BMM%2CALME%2C%
2BMEDIA&vl=-100 =>DER ZWIESPÄLTIGE REFORMER, Der Kleine Pinja im Oval Office
Daraufhin beschloss Chruschtschow mit dem Einverständnis Fidel Castros Mittel-streckenraketen nach Kuba zu schaffen, um eine Verteidigung Kubas zu gewähr-leisten5.
Die Waffenlieferungen der UdSSR nach Kuba erfolgten geheim und wurden des-halb nach ihrer Entdeckung durch amerikanische Aufklärungsflugzeuge als offen-sive Bedrohung gegen die USA angesehen, woraufhin Kennedy am 21.10.1962 in Friedenszeiten eine „Quarantäne“6 über Kuba legte und einen atomaren Krieg nicht ausschloss, falls die Mittelstreckenraketen weiterhin auf Kuba verbleiben:
„Die Fortsetzung dieser Bedrohung oder die Verzögerung der Gespräche über Ku-ba … würden sicher zu einer Intensivierung der Kuba-Krise und zu einer ernst-haften Gefährdung des Weltfriedens führen“7.
Kennedy sprach sich gegen Verhandlungen mit der UdSSR aus und veranlasste die größte Mobilmachung seit dem 2.Weltkrieg. Um Kennedy seine defensive Haltung zu zeigen, ließ Chruschtschow die Schiffe vor dem Blockadering abdrehen. Als Kennedy bereits eine Invasion nicht mehr ausschloss, bot Chruschtschow Ver-handlungen über den Abzug der Raketen aus Kuba an7.
Am 27.10.62, dem „schwarzen Samstag“, erreichte die Krise ihren Höhepunkt als ein US-Zerstörer ein sowjetisches U-Boot zum Auftauchen zwang. Die Welt ent-ging einem Atomkrieg nur, weil der Kapitän des U-Boots die sich an Bord befun-denen Nuklearwaffen ohne weitere Befehle aus Moskau nicht abfeuerte8.
Als danach über Kuba ein U-2-Aufklärungsflugzeug durch den eigenständigen Be-fehl eines russischen Artillerieoffiziers abgeschossen wurde, glaubte man an einen amerikanischen Gegenschlag, der jedoch ausblieb. Stattdessen fanden Geheimver-handlungen zwischen Robert Kennedy und dem Sowjetbotschafter Dobrynin statt, die den Abzug der Raketen aus der Türkei und Kuba, aber auch die Sicherheit Ku-bas vor amerikanischen Invasionen vorsahen. Der Abzug der Jupiter-Raketen blieb geheim, sodass es am 28.10.62 nach einem Sieg Kennedys aussah.
Die Kuba-Krise, die beinahe einen Atomkrieg herbeigeführt hätte, zeigte den bei-den Weltmächten, wie wichtig diplomatische Wege im Atomaren Zeitalter waren und dass man nicht leichtfertig den Frieden zu einem Krieg umwandeln sollte, deshalb wurde 1963 der so genannte „heiße Draht“ zwischen Moskau und Wa-shington eingeführt, um weitere Krisen zu vermeiden
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5Khrushchev Remembers; Little, Brown & Company - Boston-Toronto, 3.Auflage, S.492, S.493
6Kubakrise, Produktion Tag/Traum, Auftrag WDR in Zusammenarbeit mit ARTE,
7http://www.peterhall.de/cuba62/docs/doc15.html => Telegramm J.F. Kennedys an N.S.
Chruschtschow 27. Oktober 1962, Brief N.S. Chruschtschows an J.F. Kennedy 26. Oktober 1962
8Kubakrise, Produktion Tag/Traum, Auftrag WDR in Zusammenarbeit mit ARTE,