Fängt die deutsche Geschichte schon 113 v.Chr. an?

Ostpreußen als das Kernland des Königreiches Preußen ja, aber Preußen insgesamt hatte angrenzende Besitzungen inner- und außerhalb der jeweiligen deutschen Grenzen (v.a. Brandenburg und somit Berlin) und konnte so seinen Einfluß geltend machen. Zumal gerade in dieser Phase der Erstarkung Preußens der Begriff Deutschland spätestens nach dem Niedergang 1806, aber auch schon durch die Auseinandersetzungen Preußens mit Österreich, etwas in den Schatten trat.
Zum Thema der Bedeutung Preußens für Deutschland sehe ich als bedeutend an, dass die Bezeichnung Preußen eben erst schrittweise auf die übrigen Gebiete der Hohenzollern überging, was vor allem durch die Erlangung der Königswürde durch Friedrich I. König in Preußen 1701 erreicht wurde. Dabei vollzog sich ebenso wie bei vielen deutschen Staaten aber erst im 18.Jh. die Entwicklung von der Personal- zur Realunion. D.h. die Person des Königs stand Preußen vor, während er in Berlin eigentlich in seiner Funktion als Markgraf von Brandenburg und in der Grafschaft Mark in der dortigen Funktion regierte. Durch die Reformen der Administration wurde die Verwaltung der verschiedenen Gebiete vereinheitlicht und die Regierung zugleich zunehmend auf die Hauptstadt Berlin fixiert, wozu auch der Absolutismus beigetragen haben mag. Die früheren Strukturen waren durch die jeweiligen Landstände und deren Einfluss ja konserviert worden. Letztlich wuchs somit das preußische Königreich nach Deutschland sozusagen hinein, ohne dass sich das Gebiet, auf welches sich die Königswürde ursprünglich bezog bedeutend bis zu den polnischen Teilungen änderte.

Bedeutend für die Rolle Preußens in diesem HRR und in dem auch was sich im 19.Jh. in Deutschland abspielen sollte, war natürlich das glückliche Händchen die Konkurrenten um eine Vorherrschaft in Norddeutschland und dann in Gesamtdeutschland nacheinander auszuschalten. Somit hatten Staaten wie die mecklenburgischen Herzogtümer, die zwischen Preußen und dem Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg politisch lavierten bspw. die andere Option neben der Anlehnung an die Führungsmacht Preußen genommen. Zum Teil warfen sich allerdings diese Konkurrenten auch selbst aus dem Rennen, indem z.B. den Kurfürsten in Hannover durch ihre Regierung in London der Handlungsspielraum in Deutschland letztlich gestutzt wurde.
 
Würdet Ihr dann die Anfänge auf den 8.02.806 [Divisio Regnorum - Reichsteilungsgesetz von Karl dem Großen] "datieren", - oder auf den 28.01.814 [Todesdatum von Karl den Großen]?

Also den Anfang der Geschichte eines jeden Volkes an einem bestimmten Datum/Ereignis festzumachen hallte ich für schwierig, ja eigentlich sinnlos da jedes Ereigniss von Vorangegangenen beeinflusst wurde.

Die beiden oben genannten Ereignisse halte ich auch nicht gerade für historisch Einflussreich. Karls des Großen Herrschaftsteilung wurde mit dem vorzeitigen Tod seiner beiden älteren Söhne hinfällig so das 814 Ludwig der Fromme das Gesamterbe antretten konnte.
Die Herrschaftsteilung von Verdun 843 da schon mehr, da deren Vereinbarungen dauerhaft blieben und in West wie auch Ost eine jahrhundertelange staatliche Kontinuität begründete. In West bis ins 19. Jahrhundert hinein, in Ost bis 1806.
 
...Also den Anfang der Geschichte eines jeden Volkes an einem bestimmten Datum/Ereignis festzumachen hallte ich für schwierig, ja eigentlich sinnlos da jedes Ereigniss von Vorangegangenen beeinflusst wurde.
...

Sicher ist es schwierig - allein schon wenn ich mir die Diskussion hier im GF anschaue - mir ging es im Grunde auch nur um eine "Hausnummer" wo man sinnvoll den Anfangspunkt der deutschen Geschichte setzen kann.

Wenn wir den Anfang der Geschichte an einem Datum festmachen könnten, dann könnten wir bestimmt auch die Frage klären was zuerst da war, "das Huhn oder das Ei"
OK, einige hier können das bestimmt :S

Was ich bislang gelesen habe - hier im Forum und in diversen Büchern und Internetseiten - lässt mich zu dem Schluss kommen das der "eigentlich sinnvolle" Anfang der deutschen Geschichte mit der Reichsteilung begann. Jetzt stellt sich mir die Frage ob die Reichsteilung denn schon mit dem Erlass des Reichsteilungsgesetzes oder erst mit dem Tod von Karl dem Großen in Kraft trat.
Ist im Grunde absolut uninteressant, aber mich würde es interessieren :grübel:
 
Was ich bislang gelesen habe - hier im Forum und in diversen Büchern und Internetseiten - lässt mich zu dem Schluss kommen das der "eigentlich sinnvolle" Anfang der deutschen Geschichte mit der Reichsteilung begann. Jetzt stellt sich mir die Frage ob die Reichsteilung denn schon mit dem Erlass des Reichsteilungsgesetzes oder erst mit dem Tod von Karl dem Großen in Kraft trat.
Ist im Grunde absolut uninteressant, aber mich würde es interessieren :grübel:

Nun ja, dieses Reichteilungsgesetz diente wohl der gleichen Motivation wie schon vorrangegangene Herrschaftsteilungen der Merowinger und Kapetinger, allen Söhnen des Herrschers gleichberechtigt als Erben einzusetzen und ihnen ihre Herrschaftsräume zuzuweißen.
Das besondere an der Teilung von 806 war das denn Söhnen schon zu Lebzeiten ihres Vaters diese Räume zugewiesen wurden. So wurde Karl der Jüngere in Neustrien zum (Unter)König ernannt, also dem Territorium nördlich der Loire bis in den heutigen niederländischen Raum hinein. Karlmann/Pippin wurde Italien (Lombardien) und Bayern zugewiesen, Ludwig der Fromme erhielt Aquitanien, was damals etwa das gesammte Territorium südlich der Loire bedeutete, als Königreich.
Diese Teilung dürfte dann nach dem Tod des Vaters weiterhin gegolten haben. Doch dazu kam es bekanntlich nicht mehr.

Auch Ludwig der Fromme hatte diese Praxis fortgeführt.
Ordinatio imperii - Wikipedia
Auch er setzte seine Söhne noch zu Lebzeiten in Teilreichen ein. Lothar 814 in Bayern und 822 in Italien. Pippin I. in Aquitanien und Ludwig der Deutsche 817 in Bayern.
Karl der Kahle 829 in Alemannien und 838 in Neustrien.

Doch auch diese Teilung hielt nur bis 843 wo die Brüder in Verdun schließlich das Reich noch einmal unter sich aufteilten.
 
Mir ist das mit Dänemark erst in dieser Diskussion bewußt geworden.
Ist doch irgendwie faszinierend:
Überall sonst in Europa tobt der Bär (da haben die Dänen ja zeitweise auch mitgetobt), Grenzen und Völker werden verschoben, Imperien kommen und gehen, Sprachen und Kulturen ändern sich - und da hockt da ein Volk seit wohl 3000 Jahren recht unverändert und regiert sich die ganze Zeit selber.
Hätte mich vorher jemand gefragt, ob so etwas denkbar sei, hätte ich das spontan verneint.
Die Litauer haben sich mWn in den letzten Jahrtausenden auch nicht viel vom Fleck bewegt. Sogar solchen Ideen wie dem Christentum haben sie sich recht lange verweigert.
 
Richtig.
Aber da fehlt - wie bei vielen kleinen europäischen Völkern - das "regieren sich immer selbst".
Diese Kombination ist schon erstaunlich.


Aber die Schweden!

Seit Gustav Wasa.


Zusammengefasst, außer an der Peripherie haben alle Europäer diverse Brüche und Umschichtungen.

Also auch da, nix gar nix mit der besonders schwierigen Geschichte der Deutschen. Scheibe, wieder kein Alibi für den Hitler:motz:
 
...und wer hats erfunden? Ich finde das politische Überleben der Schweiz seit dem Mittelalter bemerkenswert - trotz mehrerer Versuche dies ändern.
 
Zur Debatte: früher (vor 1945) konnten den Forschern die Anfänge Deutschlands nicht früh genug liegen, gerne sah man eine Kontinuität von den jungsteinzeitlich/bronzezeitlichen Überresten her...

Heute ist es eher umgekehrt, da beginnt für manchen die deutsche Geschichte erst mit Bismarck. Beides sind ideologisch motivierte Extremhaltungen, früher der strammdeutsche Nationalist mit seinem Religionsersatz, heute der Postliberale, der sich an seinen eigenen vermeintlichen 'Aufgeklärtheit' aufgeilt.

Für mich darstellen Karl der Große, die Straßburger Eide (843) und die Gründung des Heiligen Römischen Reiches unter Otto dem Großen Schlüsselmomente für die Entstehung einer deutschen identität, auch wenn auf Jahrhunderte hinaus noch keine Rede von Deutschland sein konnte, aber eben doch von Deutschen.
 
Für mich darstellen Karl der Große, die Straßburger Eide (843) und die Gründung des Heiligen Römischen Reiches unter Otto dem Großen Schlüsselmomente für die Entstehung einer deutschen identität, auch wenn auf Jahrhunderte hinaus noch keine Rede von Deutschland sein konnte, aber eben doch von Deutschen.
Richtig. Das Bewusstsein, dass dieses und jenes Gebiet deutsch war, existierte ohne einen Staat nach moderner Auffassung, der 1:1 der Fläche entsprochen hätte, wo man sich selbst für deutsch hielt. Wenn jemand im 17. und 18.Jh. von den deutschen Höfen sprach, wussten die anderen, was damit gemeint war. Das Selbstverständnis ist für mich daher der springende Punkt, das vielleicht nämlich sogar wichtiger als die staatliche Einheit ist.
 
Richtig. Das Bewusstsein, dass dieses und jenes Gebiet deutsch war, existierte ohne einen Staat nach moderner Auffassung, der 1:1 der Fläche entsprochen hätte, wo man sich selbst für deutsch hielt. Wenn jemand im 17. und 18.Jh. von den deutschen Höfen sprach, wussten die anderen, was damit gemeint war. Das Selbstverständnis ist für mich daher der springende Punkt, das vielleicht nämlich sogar wichtiger als die staatliche Einheit ist.

Das es ein irgendwie geartetes deutsches Bewußtsein geben mußte, konnte man auch im Zeitalter der Kreuzzüge erkennen, als der Neid auf die erfolgreichen (West-)Franken 1099 die deutschen Ritter anstachelte, es ihnen gleich zu tun.
 
Hab mich heute mit meinem Dozenten, dem Landesdirektor für Politische Bildung und Lehrbeauftragten unserer Uni, über dieses Thema unterhalten... ich hab ihn einfach mal ein wenig ausführen lassen. Er konzentrierte sich in seinen Aussagen auch auf die Zeiträume um 843 und 1806 (in Bezug auf die neuere Geschichte), aber ein Konsens dazu existiert nicht.
Wie so oft (genannt) sind hier mehrere Faktoren von Bedeutung, der geographische, der linguistische, der kulturelle Aspekt... und ein paar mehr.
 
Aber die Schweden!
Nu - da fehlt jetzt wieder die sehr lange geschichtliche Kontinuität der Dänen.

Seit Gustav Wasa.
Eben. Gerade mal kurz vor gestern ;-)

Zusammengefasst, außer an der Peripherie haben alle Europäer diverse Brüche und Umschichtungen.
Auch an der Peripherie haben einige viele Wechsel durchgemacht.
Man nehme mal Portugal: Die Römer, die Sueben, die Araber, die Spanier ...
Oder das nun wirklich periphere Irland, das so lange von England beherrscht wurde.
Oder die Finnen mit ihren wechselnden Herren.
Von diversen Balkanländern gar nicht erst zu reden.

Und umgekehrt mitten drin die Deutschen mit einer durchgängigen Kontinuität.

Also auch da, nix gar nix mit der besonders schwierigen Geschichte der Deutschen.
Das in der Tat.

Scheibe, wieder kein Alibi für den Hitler:motz:
Da reicht doch schon als Alibi, daß er Österreicher war ;-)
 
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