Soziale, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte (Streifzug) - Teil 1
Eine fundierte Vorstellung von der Wirklichkeit der Lebensweise einer mesopotamischen Familie in den vorchristlichen Jahrtausenden ist infolge des Fokus der existierenden Keilschrifttexte auf Recht und Wirtschaft schwierig.
Über urbane Kern- und Großfamilien ohne Anbindung an institutionelle Haushalte in Sumer und Akkad gibt es nur spärliche textliche Quellen. Eine Orientierung geben hauptsächlich Fragmente von Gesetzesvorschriften jener Zeit. Schon in den ältesten Rechtssammlungen finden sich Bestimmungen zum Eherecht. Eigenartig mutet ein Paragraph in den Rechtsvorschriften des sumerischen Königs Urukagina von Lagasch aus der Zeit um 2355 v. Ch., der lautet: „Die Frauen früherer Tage hatten zwei Ehemänner. Diesen Gräuel habe ich beseitigt. Heute werden derartige Frauen dafür gesteinigt...“
Aus Babylon des 2. und 1. Jahrtausends v. Ch. sind zahlreiche Keilschriftdokumente aus Privatarchiven der babylonischen Mittel- und Oberschicht, Prozessakten sowie der Kodex Hammurabi erhalten, die uns Einblicke vor allem in die wirtschaftlichen und rechtlichen Gepflogenheiten einer vollfreien Familie jener Zeit erlauben und auch einige Schlüsse zur rechtlichen und sozialen Stellung der Frau zulassen. Im Kodex Hammurabi wird das Familienrecht in den §§ 127- 195 behandelt, die Bestimmungen über den Brautpreis und die Mitgift, das Eigentum der Ehefrau, das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebenfrau samt deren Kindern, über Scheidung, Adoption, Inzest und Erbschaft enthalten.
Die urbanen Babylonier des 2. und 1. vorchristlichen Jahrtausends praktizierten die Einehe, unter bestimmten Umständen waren allerdings Nebenfrauen (zweite Ehefrau), meist von niedrigerem Status, erlaubt. Die Familie war meist patrilinear und patrilokal, das heißt, der Erbgang verlief primär nach der väterlichen Linie (wenn es keine männlichen Nachkommen gab, durfte auch eine nicht verheiratete Tochter erben) und die Frau zog an den Wohnort des Ehemannes. Haushalte mit mehreren verheirateten Paaren waren selten, typisch war die Kernfamilie (eigentlich ein Begriff aus späterer Zeit), damals „Haus“-(-halt) genannt. Dem „Haus“ stand das Oberhaupt des Hauses, der Patriarch, vor. Zum „Haus“ gehörte seine rechtmäßige Ehefrau, eventuell die Nebenfrau, eigene und/oder adoptierte Kinder und die Sklaven. Der Patriarch allein vertrat nach außen alle Belange seines „Hauses“ und hatte auch innerhalb des Hauses die absolute Entscheidungsgewalt über Menschen und Material.
Die babylonische Frau war aber nicht ohne Rechte - unter bestimmten Voraussetzungen konnte sie ihr Recht einklagen. Bei der Eheschließung hatte sie aber kein Mitspracherecht. Die Heirat wurde durch Absprachen der Elternpaare ausgehandelt. Frauen heirateten mit etwa 13 –14 Jahren, Männer 5 – 6 Jahre später. Eine Eheschließung hatte damals mit Liebe und Romantik wenig gemeinsam (das änderte sich erst Jahrtausende später), sie war eine ökonomische Angelegenheit. Aufgabe der Ehe war die Fortpflanzung, um die Kontinuität der männlichen Blutlinie zu garantieren, sowie die vorhandenen materiellen Güter zu mehren. Der Bräutigam hatte dem Brautvater für seine Tochter einen Breitpreis zu zahlen - nach orientalischer Auffassung nicht als Abwertung der Frau zu verstehen, sondern eher als Wertschätzung. Kam die Heirat nicht zustande, erhielt der Bräutigam den doppelten Preis zurück. Anstelle des verstorbenen Vaters übernahmen andere männliche Vertreter der Braut (Brüder, Onkel) das „Brautgeschäft“. Position und Rechte der Frau in der Ehe mussten durch Urkunden festgeschrieben werden. Eine Eheschließung war vor allem ein Transfer von Gütern – in der Hauptsache ging es dabei um die Auszahlung der Mitgift an den Ehemann. Typischerweise umfasste die Mitgift Acker- oder Gartenland, Sklaven und Sklavinnen, Silber, Hausrat verschiedenster Art, z.B. Möbel, Gefäße und anderes sowie Gewänder. Mit der Mitgift galten Frauen als erbrechtlich abgegolten. Urkunden über die Mitgift waren der eigentliche Grund für die Ausstellung einer Heiratsurkunde und wichtig, weil die Mitgift zwar vom Ehemann genutzt werden konnte, aber Eigentum der Frau blieb und in der weiblichen Linie, also an die Kinder der Ehefrau, weiter gegeben werden musste. In der Mittel- und Oberschicht Babylons galt nur eine beurkundete Heirat als rechtmäßig: „Wenn ein Mann eine Frau genommen hat und es darüber keine schriftliche Abmachung gibt, ist diese Frau nicht seine rechtmäßige Ehefrau“ (Kodex Hammurabi). Die Frau hatte das Recht, die Mitgift oder Teile davon ertragreich zu verleihen und im Fall einer Scheidung ihre Mitgift, samt dem Scheidungsgeld, das ihr der Ehemann schuldete, mitzunehmen. Das galt aber nur, wenn die Ehe ohne ihre Schuld geschieden wurde. War der Ehemann mit seiner Frau unzufrieden, konnte er sie mitsamt den Kindern verstoßen oder in die Sklaverei verkaufen. Eine Scheidung zu verlangen war für den Mann dann problematisch, wenn die Ehefrau ihm Söhne geboren hatte und der Frau kein Verschulden nachzuweisen war. In einem solchen Fall war der Mann verpflichtet für die Familie weiter zu sorgen und ihr ein Haus zur Verfügung zu stellen. Bei Krankheit, Erblindung oder Lähmung der Ehefrau durfte der Mann die Scheidung nicht verlangen. Die Ehefrau blieb im Haus des Ehemannes und wurde von ihm auf Lebenszeit versorgt. Allerdings durfte er sich dann eine Nebenfrau nehmen. Starb der Ehemann, hatte die Witwe gesetzlichen Anspruch auf Unterkunft und Verpflegung im Haus ihres verstorbenen Mannes. Erbansprüche hatte sie keine, Gütergemeinschaft gab es nicht. Sie durfte wieder heiraten und ihre väterliche Mitgift in die neue Ehe einbringen. Als Witwe hatte sie das Recht, den neuen Ehemann selbst zu wählen und den Heiratsvertrag zu unterschreiben.
Quelle: siehe Teil 2
Eine fundierte Vorstellung von der Wirklichkeit der Lebensweise einer mesopotamischen Familie in den vorchristlichen Jahrtausenden ist infolge des Fokus der existierenden Keilschrifttexte auf Recht und Wirtschaft schwierig.
Über urbane Kern- und Großfamilien ohne Anbindung an institutionelle Haushalte in Sumer und Akkad gibt es nur spärliche textliche Quellen. Eine Orientierung geben hauptsächlich Fragmente von Gesetzesvorschriften jener Zeit. Schon in den ältesten Rechtssammlungen finden sich Bestimmungen zum Eherecht. Eigenartig mutet ein Paragraph in den Rechtsvorschriften des sumerischen Königs Urukagina von Lagasch aus der Zeit um 2355 v. Ch., der lautet: „Die Frauen früherer Tage hatten zwei Ehemänner. Diesen Gräuel habe ich beseitigt. Heute werden derartige Frauen dafür gesteinigt...“
Aus Babylon des 2. und 1. Jahrtausends v. Ch. sind zahlreiche Keilschriftdokumente aus Privatarchiven der babylonischen Mittel- und Oberschicht, Prozessakten sowie der Kodex Hammurabi erhalten, die uns Einblicke vor allem in die wirtschaftlichen und rechtlichen Gepflogenheiten einer vollfreien Familie jener Zeit erlauben und auch einige Schlüsse zur rechtlichen und sozialen Stellung der Frau zulassen. Im Kodex Hammurabi wird das Familienrecht in den §§ 127- 195 behandelt, die Bestimmungen über den Brautpreis und die Mitgift, das Eigentum der Ehefrau, das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebenfrau samt deren Kindern, über Scheidung, Adoption, Inzest und Erbschaft enthalten.
Die urbanen Babylonier des 2. und 1. vorchristlichen Jahrtausends praktizierten die Einehe, unter bestimmten Umständen waren allerdings Nebenfrauen (zweite Ehefrau), meist von niedrigerem Status, erlaubt. Die Familie war meist patrilinear und patrilokal, das heißt, der Erbgang verlief primär nach der väterlichen Linie (wenn es keine männlichen Nachkommen gab, durfte auch eine nicht verheiratete Tochter erben) und die Frau zog an den Wohnort des Ehemannes. Haushalte mit mehreren verheirateten Paaren waren selten, typisch war die Kernfamilie (eigentlich ein Begriff aus späterer Zeit), damals „Haus“-(-halt) genannt. Dem „Haus“ stand das Oberhaupt des Hauses, der Patriarch, vor. Zum „Haus“ gehörte seine rechtmäßige Ehefrau, eventuell die Nebenfrau, eigene und/oder adoptierte Kinder und die Sklaven. Der Patriarch allein vertrat nach außen alle Belange seines „Hauses“ und hatte auch innerhalb des Hauses die absolute Entscheidungsgewalt über Menschen und Material.
Die babylonische Frau war aber nicht ohne Rechte - unter bestimmten Voraussetzungen konnte sie ihr Recht einklagen. Bei der Eheschließung hatte sie aber kein Mitspracherecht. Die Heirat wurde durch Absprachen der Elternpaare ausgehandelt. Frauen heirateten mit etwa 13 –14 Jahren, Männer 5 – 6 Jahre später. Eine Eheschließung hatte damals mit Liebe und Romantik wenig gemeinsam (das änderte sich erst Jahrtausende später), sie war eine ökonomische Angelegenheit. Aufgabe der Ehe war die Fortpflanzung, um die Kontinuität der männlichen Blutlinie zu garantieren, sowie die vorhandenen materiellen Güter zu mehren. Der Bräutigam hatte dem Brautvater für seine Tochter einen Breitpreis zu zahlen - nach orientalischer Auffassung nicht als Abwertung der Frau zu verstehen, sondern eher als Wertschätzung. Kam die Heirat nicht zustande, erhielt der Bräutigam den doppelten Preis zurück. Anstelle des verstorbenen Vaters übernahmen andere männliche Vertreter der Braut (Brüder, Onkel) das „Brautgeschäft“. Position und Rechte der Frau in der Ehe mussten durch Urkunden festgeschrieben werden. Eine Eheschließung war vor allem ein Transfer von Gütern – in der Hauptsache ging es dabei um die Auszahlung der Mitgift an den Ehemann. Typischerweise umfasste die Mitgift Acker- oder Gartenland, Sklaven und Sklavinnen, Silber, Hausrat verschiedenster Art, z.B. Möbel, Gefäße und anderes sowie Gewänder. Mit der Mitgift galten Frauen als erbrechtlich abgegolten. Urkunden über die Mitgift waren der eigentliche Grund für die Ausstellung einer Heiratsurkunde und wichtig, weil die Mitgift zwar vom Ehemann genutzt werden konnte, aber Eigentum der Frau blieb und in der weiblichen Linie, also an die Kinder der Ehefrau, weiter gegeben werden musste. In der Mittel- und Oberschicht Babylons galt nur eine beurkundete Heirat als rechtmäßig: „Wenn ein Mann eine Frau genommen hat und es darüber keine schriftliche Abmachung gibt, ist diese Frau nicht seine rechtmäßige Ehefrau“ (Kodex Hammurabi). Die Frau hatte das Recht, die Mitgift oder Teile davon ertragreich zu verleihen und im Fall einer Scheidung ihre Mitgift, samt dem Scheidungsgeld, das ihr der Ehemann schuldete, mitzunehmen. Das galt aber nur, wenn die Ehe ohne ihre Schuld geschieden wurde. War der Ehemann mit seiner Frau unzufrieden, konnte er sie mitsamt den Kindern verstoßen oder in die Sklaverei verkaufen. Eine Scheidung zu verlangen war für den Mann dann problematisch, wenn die Ehefrau ihm Söhne geboren hatte und der Frau kein Verschulden nachzuweisen war. In einem solchen Fall war der Mann verpflichtet für die Familie weiter zu sorgen und ihr ein Haus zur Verfügung zu stellen. Bei Krankheit, Erblindung oder Lähmung der Ehefrau durfte der Mann die Scheidung nicht verlangen. Die Ehefrau blieb im Haus des Ehemannes und wurde von ihm auf Lebenszeit versorgt. Allerdings durfte er sich dann eine Nebenfrau nehmen. Starb der Ehemann, hatte die Witwe gesetzlichen Anspruch auf Unterkunft und Verpflegung im Haus ihres verstorbenen Mannes. Erbansprüche hatte sie keine, Gütergemeinschaft gab es nicht. Sie durfte wieder heiraten und ihre väterliche Mitgift in die neue Ehe einbringen. Als Witwe hatte sie das Recht, den neuen Ehemann selbst zu wählen und den Heiratsvertrag zu unterschreiben.
Quelle: siehe Teil 2
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