Faschismus in den Niederlanden

steffen04

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Ich such einen Thread zum Thema Faschistische/NS-nahe Parteien in den Niederlanden zwischen den Kriegen. Ich meine, wir hätten das schon mal diskutiert?
 
Ich such einen Thread zum Thema Faschistische/NS-nahe Parteien in den Niederlanden zwischen den Kriegen. Ich meine, wir hätten das schon mal diskutiert?

Also die Suche nach "Mussert" bzw. "NSB (Nationaal-Socialistische Beweging)" als prominenteste Vertreter der faschistischen Organisationen in den Niederlanden in der Zwischenkriegszeit bringt da keine Ergebnisse. Deswegen vermute ich, dass wir die Geschichte der faschistischen Bewegungen in den Niederlanden noch nicht thematisiert haben.


Es gibt ein Sonderheft von DER SPIEGEL - Geschichte zum Faschismus vom Mai 2017, da könnte etwas zu dieser Thematik stehen:

Faschismus in Europa: Historiker Robert Gerwarth im Interview - SPIEGEL ONLINE
 
Warum das Thema im "smalltalk"?

Ich meine, wir hätten das schon mal diskutiert?

Nein, eher unwahrscheinlich. Wir hatten Italien, Frankreich, Spanien, auch Norwegen, Polen, Rumänien, Jugoslawien und die Frage, die verneint wurde, nach einer "Faschistischen europäischen Internationale".

Nur am Rande wurden die Phänomene beleuchtet, dass es in den USA und in GB ebenfalls Strömungen gab, die dem Faschismus zumindest bis 1939 ein gewisses Wohlwollen, teilweise sogar Bewunderung entgegen gebracht haben.

Aber die Niederlande war bisher - als Schwerpunkt - nicht angesprochen worden, soweit meine Erinnerung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum das Thema im "smalltalk"?



Nein, eher unwahrscheinlich. Wir hatten Italien, Frankreich, Spanien, auch Norwegen, Polen, Rumänien, Jugoslawien und die Frage, die verneint wurde, nach einer "Faschistischen europäischen Internationale".

Nur am Rande wurden die Phänomene beleuchtet, dass es in den USA und in GB ebenfalls Strömungen gab, die dem Faschismus zumindest bis 1939 ein gewisses Wohlwollen, teilweise sogar Bewunderung entgegen gebracht haben.

Aber die Niederlande war bisher - als Schwerpunkt - nicht angesprochen worden, soweit meine Erinnerung.

Ich plädiere auch dafür, den Thread aus dem Smalltalk zu verlegen, zumal die von Anton Adriaan Mussert und Cornelis Geelkirken 1931 gegründete Nationaal- Socialistische Beweging (NSB) durchaus einige Wahlerfolge erzielen konnte. Das Parteiprogramm war sehr stark dem der NSDAP angeglichen, allerdings vertraten Mussert und Geelkerken keinen radikalen, exterministischen Antisemitismus und Rassismus, die Parteimitgliedschaft war prinzipiell auch für Juden und Kolonialniederländer mit eingeborenem Elternteil möglich. Musserts Anspruch als Leider (Führer) wurde aber angefochten. Die NSB spaltete sich in einen deutschfreundlichen, völkischen Flügel unter Meinod Rost van Tonningen und den Anhängern Musserts. Bei den Wahlen 1939 war der Anteil der NSB nur noch gering, Van Tonningen diente sich nach der deutschen Besatzung sehr stark bei Arthur Seyss Inquart als Kolloborateur an. Seine Gattin, Florentine Rost van Tonningen, in Holland als "die schwarze Witwe" bekannt, war eng mit Himmler befreundet und nach dem Krieg bis zu ihrem Tod stark in der "Stillen Hilfe" engagiert, einer Organisation, die SS- Angehörige und deren Verwandte unterstützte, u. a. Erich Priebke, den die "Schwarze Witwe" für einen "fabelhaften Kerl" hielt, der sich gegen den Bolschewismus engagiert habe. Florentine Rost van Tonningen war bis zu ihrem Tod eine Art Neonazi- Ikone, die häufig öffentlich u.a. beim Ulrichbergtreffen auftrat und in TV- Dokumentationen der ausgehenden 1990er und 2000er Jahren zu sehen war. Die Stille Hilfe und andere Kameradschaften agierten auch als "Sponsoren" und Stichwortgeber für junge Nazis, bezahlten Geldstrafen und Prozesse, stellten Rechtsanwälte bereit.

Ich bin zu faul, das zu verlinken, aber über Meinoud Rost van Tonningen, die NSB und die Kollaboration in den Niederlanden ist sicher noch einiges an Diskussionsbedarf vorhanden. Leider sind meine eigenen Kenntnisse auf dem Gebiet eher bescheiden. Florentine behauptete immer, ihr Mann sei umgebracht worden. 2000 sorgte eine Sendung Het Zwarte Schaap für Aufsehen in den NL, als ein ehemaliger Mitarbeiter des NIOB (Nederderlandse Instituut vor Oorlogs, Holocaust und Genocidestudies) von Misshandlungen des Wachpersonals an van Tonningen und anderen Gefangenen sprach und die Meinung äußerte, dieser sei durch Folter in den Suizid getrieben worden.
 
Noch mal zur Suche nach einem älteren Thread:

Da hat doch vor nicht allzu langer Zeit ein Gast oder Newbie die Frage nach der Bewertung des Verhaltens eines niederländischen Beamten während der deutschen Besatzung während des II. Weltkrieges gestellt. Es ging ganz grob darum, ob dieser Beamte die Judenverfolgung unterstützen oder sabotieren hätte sollen. Wenn ich mich recht erinnere, hat der Fragesteller unterstellt, dass "Juden" keine richtigen Holländer und damit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung seien.

Lief wahrscheinlich unter "Fragen und Antworten" und vielleicht kamen wir hier von der schrägen Ausgangsfrage und der noch schrägeren Wertung, wer ein richtiger Hollaender ist, auf den Faschismus in den Niederlanden. Erinnert sich da jemand
 
Ich bin durch das Buch „Das Jahrhundert meines Vaters“ von Gert Maak auf das Thema gekommen. Maak hat sich an der Biografie der eigenen Familie durch die Geschichte der Niederlande im 20. Jahrhundert gehangelt. Ich habs noch nicht ganz geschafft, das hat aber nichts mit dem Buch zu tun. Es ist wirklich gut lesbar und als Ferienlektüre uneingeschränkt zu empfehlen.

Im Klappentext steht „niederländische Durchschnittsfamilie“. Das stimmt zum Glück nicht. Maaks Vater war protestantischer Pfarrer in der Kolonie Indonesien, im Krieg Militärpfarrer auch in den japanischen Kriegsgefangenenlagern, da kommt mehr Diskussionsstoff auf, als sagen wir mal aus dem Lebensweg eines holländischen Bankangestellten.

Interessant ist natürlich der Blick aus einem Nachbarland auf die Ereignisse der 30er und 40er-Jahre, deswegen auch die Frage zu Faschismus in den Niederlanden.

In Kürze: es gab faschistische bzw. nationalsozialistische Gruppierungen. Die bedeutendste war, wie Thane schon schrieb, die Nationaal-Socialistische Beweging NSB unter dem „Leider“ Anton Adriaan Mussert. Zweites Gründungsmitglied war Cornelius van Geelkerken. Später wurde Rost van Tonningen wichtig. Der Rechtsanwalt brachte antisemitische Ideen in die Partei. Van Tonningen wurde während der Besatzung von den Deutschen Mussert vorgezogen (siehe auch Scorpios Beitrag).

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern waren die Erfolge der NSB gering. 1935 erreichte die NSB bei Wahlen 8 Prozent, Anfang 1936 hatte sie 47.000 Mitglieder. Davon 5.000 in Batavia. Aber schon 1937 wählten nur noch 4,2 Prozent extrem rechts. Die Wähler kamen vor allem aus dem protestantischen Milieu. Hier war wohl durchaus eine gewisse Sympathie für die Idee eines starken, nationalistischen Staates vorhanden. Der langjährige Ministerpräsident Hendrik Colijn versuchte auch, die Wirtschaftskrise durch Abgrenzung nach außen zu überwinden, erinnert an die Austeritätspolitik der Weimarer Republik. Die Weltwirtschaftskrise traf Holland erst in den 30er-Jahren mit voller Wucht, daher auch der Zeitversatz bei den Wahlerfolgen der Radikalen.

Das die Nazis schwach blieben, mag auch an der Figur Colijns gelegen haben, ein Ex-Soldat mit Vaterfigur-Zügen. Seine Partei nannte sich „Anti-Revolutionäre Partei“, anti-revolutionär als Abgrenzung zur französischen, nicht zur kommunistischen Revolution. Maak zeigt sich verwundert, dass die extreme Rechte nicht mehr Zulauf hatte, die Ideen war unter Protestanten zumindest in den Kolonien und in der Kleinstadt, aus der seinen Familie stammt, wohl durchaus wohl gelitten. Wobei die NSB bis 1938 nicht anti-semitisch war. Rassismus war dagegen in der Gesellschaft normal, nicht verwunderlich bei einem Kolonialstaat. Maaks Buch gibt zum Thema der Beziehungen zwischen Holländern und Asiaten in Niederländisch-Indien einiges her.

Während der Besatzung hatte die NSB die gleichen Probleme, wie andere faschistische Parteien in Europa. Von der Bevälkerung als Kollaborateure wahrgenommen, wurden sie auch von deutscher Seite nicht unterstützt. Mussert wurde zwar „Führer des niederländischen Volkes“, bekam aber als Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart vor die Nase gesetzt. Damit ging es ihm ähnlich wie Quisling in Norwegen. Hoffnungen, dass die „germanischen Nachbarvölker“ eine eigenständige Rolle im NS-Europa spielen sollten, scheiterten am kompletten deutschen Desinteresse.

Quellen: Bauerkämper, Der Faschismus in Europa 1918 – 1945, Spiegel-Geschichte 3/2017 Faschismus und natürlich ein bisschen Wiki.
 
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