Film über Alt-Nazi

Dennoch erwartet Regisseur Schwaiger vor allem von den Deutschen Gegenwind. "In Deutschland und Österreich sind wir so erzogen worden, dass an einem Nazi nichts Menschliches dargestellt werden darf. Doch wie man heute Verbrecher psychologisch analysiert und nicht einfach nur wegsperrt, so müssen wir auch die Nazis und ihr Denken untersuchen, damit sie nicht einfach zu sterilen Figuren der Geschichte verkommen", meint Schwaiger. "Ohne ihn entschuldigen zu wollen, zeigt Hafner, dass viele Nazis eigentlich auch tragische Figuren waren - verirrt und verbohrt in emotionalen und moralischen Einbahnstraßen", erklärt der Regisseur.


Finde ich einen vernünftigen Ansatz.
Erinnert an einen Uralt-Thread http://www.geschichtsforum.de/f66/m...3/]Müssen Nazi-Verbrechen unerklärilich sein?
 
Ja, sowas sollte unbedingt gezeigt werden. Ich halte es sehr wichtig, zu versuchen, sich solchen Menschen anzunähern, um zu verstehen, weshalb sie die Ansichten haben, wie sich das in ihr Weltbild einfügt, usw.
Und das Darstellen von Nazis als kalte Killermaschinen oder debile Dumpfbacken ist auf die Dauer auch kontraproduktiv.

Letzteres macht ein automatisches Abgrenzen von solchen Publikum von solchen Figuren zu leicht möglich. Äußerst bequem, aber ist das wirklich der Sinn der Sache?
An welchem Punkt eines Lebens weicht ein Mensch von "normalen" Ansichten ab und driftet in eine radikale Ideologie? Und warum halten sich solche Ansichten?

Und es doch irgendwie immer ein leichter Schreck/Schock, dass Leute mit derart verqueren Ansichten in anderen Dingen sympathisch, tragisch oder nur interessant sind, nicht wahr?
 
Habe mir erlaubt den Titel zu ändern, denn es handelt sich ja offensichtlich nicht um einen Ex- sondern einen Alt-Nazi, was schon ein gewichtiger Unterschied ist.
 
In der Position wahrscheinlich auch schwer ihm Kriegsverbrechen anlasten zu können..:grübel:

Angeblich soll er 1942/43 vorher in Finnland/Rußland bei der 6. SS-Division "Nord" gewesen sein...
Ausbilder ist man wohl kaum "aus dem Stand" geworden.
Das werden dann die Auskünfte ergeben.



Vielleicht kann man auch seinem Gedächtnis etwas nachhelfen:

Die SS-Junkerschule Bad Tölz wurde Ende März 1945 dazu benutzt (rd. 1000 Schüler), um vor den anrückenden Amerikanern die 38. SS-Division "Nibelungen" aufzustellen.Das Lehrpersonal übernahm die Führungsstellen ("Junkerschaftsführer" wurden Kompanieführer), und hier findet sich:

1. Kompanie SS-Grenadier-Regiment 96, Kompaniechef:
SS-Untersturmführer Paul Haffner

Sieht so aus, als sei er vor dem Kriegsende noch befördert worden. Das SS-Reg. war am Tag der Kapitulation noch rd. 300 Mann stark.


Übrigens klärt das auch, wieso er über Dachau reden kann (Besichtigungen wird er dort wohl kaum abhalten haben):
Um den 15.4.1945 wurde die 1. Kompanie (Jahrgänge 1928/29) aus der Position im Schwarzwald - wie andere Kompanien des Regiments 96 auch - in einen Personenzug nach Dachau verladen. Dort wurde die Einheit im SS-Bekleidungslager Dachau "umgekleidet".
 
Zuletzt bearbeitet:
Habe mir erlaubt den Titel zu ändern, denn es handelt sich ja offensichtlich nicht um einen Ex- sondern einen Alt-Nazi, was schon ein gewichtiger Unterschied ist.

Oh, das war ein Fehler, er ist natürlich ein Alt-Nazi.

Ich finde, die Idee des Films auch super, fast sollte er Pflicht werden an Deutschen Schulen. Deshalb habe ich mir einfach mal erlaubt, in die Presse-News Abteilung einzusteigen :devil:.

Der brutale Kontrast des netten, vitalen Opas zu dem starrsinnigen Alt-Nazi, der den Holocaust, trotz aller Erkenntnise, leugnet und voll hinter der nationalsozialistischen Diktatur steht. Dass er KZs besucht hat und dann den Holocaust leugnet ist blanke Blasphemie.
 
Der brutale Kontrast des netten, vitalen Opas zu dem starrsinnigen Alt-Nazi, der den Holocaust, trotz aller Erkenntnise, leugnet und voll hinter der nationalsozialistischen Diktatur steht. Dass er KZs besucht hat und dann den Holocaust leugnet ist blanke Blasphemie.

Ich begegnete mal einer älteren Dame.. sehr freundlich, höflich, sympathisch und intelligent. Man konnte mit ihr wirklich außerordentlich interessante Gespräche führen - bis die Sprache auf Russen kam. SO hasserfüllt habe ich bislang kaum jemanden sprechen hören.. Der Russe, Iwan und anderes - aber nicht zitierfähiges. (Ich weiß freilich nicht genau, was sie nach dem Krieg durchgemacht hat - dies sei noch erwähnt. )

Jedenfalls erscheinen mir solche Darstellungen realer als so manches im TV gezeigtes.

"zwei seelen wohnen, ach!, in meiner brust."
 
"zwei seelen wohnen, ach!, in meiner brust."
Genau das würde ich für den ehemaligen Lehrer einer solchen Indoktrinationseinrichtung und wegen seiner bis heute geäußerten Gesinnung ausschließen. So einer läßt sich auch schlecht mit Fällen vergleichen, bei denen aufgrund von Flucht/Gewalt Hass entstanden ist. Haffner von der SS-Junkerschule ist ein Überzeugungstäter. Solche haben die 16-Jährigen Ende April 1945 in einen sinnlosen Widerstand an der Donau bei Regensburg geführt.
 
Ich begegnete mal einer älteren Dame.. sehr freundlich, höflich, sympathisch und intelligent. Man konnte mit ihr wirklich außerordentlich interessante Gespräche führen - bis die Sprache auf Russen kam. SO hasserfüllt habe ich bislang kaum jemanden sprechen hören.. Der Russe, Iwan und anderes - aber nicht zitierfähiges. (Ich weiß freilich nicht genau, was sie nach dem Krieg durchgemacht hat - dies sei noch erwähnt. )

Das hängt stark mit Erlebnissen zusammen, mein Grossvater war in Stalingrad und hatte kein gutes Bild gegenüber den Russen, das wundert mich aber weniger, als dass manch Alt-Nazi noch immer den Holocaust leugnet.
 
- bis die Sprache auf Russen kam. SO hasserfüllt habe ich bislang kaum jemanden sprechen hören..
Da kann verschiedenes dahinter stecken: Reines Überbleibsel von Nazi-Indoktrination, persönliche Erlebnisse im/nach dem Krieg oder später in der DDR.

Wobei interessant ist, daß es für solche nationalen Antipathien nicht unbedingt eine klare Korrelation zu tatsächlich erlittenem Leid oder Unrecht geben muß.

Nach allem was ich gelesen habe, haben die Russen ein deutliches positiveres Bild von den Deutschen als umgekehrt - obwohl sie unter dem Krieg und der Wehrmacht wohl deutlich mehr gelitten haben als die Deutschen unter der Roten Armee.

Interessant auch, daß die antideutschen Gefühle in Tschechien angeblich deutlich ausgeprägter sind als in Polen - obwohl die Polen nun wirklich Entsetzliches hinter sich haben, um Größenordnungen schlimmer als die Tschechen.

Manches bleibt offenbar viel tiefer im kollektiven Gedächtnis hängen.

Und zu den Russen: In der aktuellen Ausstellung in Kassel zum Königreich Westphalen wird auch dargestellt, wie dann 1813 die Russen in Kassel und Umgebung einrückten. Und mit großer Begeisterung als Befreier empfangen wurden. Die zitierten Dokumente sind schon erstaunlich, z. B. wurden eigens Sprachführer gedruckt, um die neuen Freunde in russich nett empfangen zu können.
So Rußlandfreundlich war Deutschland wahrscheinlich nie wieder.
 
@R.A.: Interessant auch, daß die antideutschen Gefühle in Tschechien angeblich deutlich ausgeprägter sind als in Polen - obwohl die Polen nun wirklich Entsetzliches hinter sich haben, um Größenordnungen schlimmer als die Tschechen.
Gerade die Völker, die noch relativ "glimpflich davonkamen", pflegen ihre Phobie gegen alles Deutsche bis heute. Nehmen wir zum Beispiel die Holländer...
Die meisten Russen sind dagegen geradezu germanophil.
 
Interessant, dass Arne ebenfalls diesen Satz zitiert, den ich mir ganz unabhängig von ihr aus dem Spiegel-Artikel kopiert hatte:
In Deutschland und Österreich sind wir so erzogen worden, dass an einem Nazi nichts Menschliches dargestellt werden darf. Doch wie man heute Verbrecher psychologisch analysiert und nicht einfach nur wegsperrt, so müssen wir auch die Nazis und ihr Denken untersuchen, damit sie nicht einfach zu sterilen Figuren der Geschichte verkommen.
Genau das ist das Problem: sofern man Nazis zu Teufeln deklariert, schiebt man sie auf eine "transzendente" Ebene, die mit Menschen nichts mehr zu tun hat, und dort können sie ruhen und haben mit uns nichts mehr zu tun.

Mein Vater war 16, als er 1944 eingezogen wurde. Aufgrund eines falschen Desertionsvorwurfs wurde er beinahe hingerichtet. Dennoch(!) war er bis zu seinem Tod letztes Jahr glühender Nazi-Verehrer. Neben dieser eigentümlichen Verehrung war er weder ein besonders auffälliger Mensch, noch bösartig, vielleicht etwas provinziell im Denken, jedoch ein liebevoller Vater, so wie er es eben vermochte.
 
Genau das ist das Problem: sofern man Nazis zu Teufeln deklariert, schiebt man sie auf eine "transzendente" Ebene, die mit Menschen nichts mehr zu tun hat, und dort können sie ruhen und haben mit uns nichts mehr zu tun.

Genau. Was "mythische Wesen" oder "Geisteskranke" gemacht haben, kann den Normalbürger ja nicht betreffen. Das ist die Gefahr dabei. Schau mal in den Thread, den ich verlinkt habe...
 
Gerade die Völker, die noch relativ "glimpflich davonkamen", pflegen ihre Phobie gegen alles Deutsche bis heute. Nehmen wir zum Beispiel die Holländer...
Ich würde jetzt auch nicht umgekehrt behaupten, je "glimpflicher" desto mehr Abneigung. Sonst müßten z. B. die Dänen auch den dicken Hals wg. Nazizeit schieben - nach allem was ich weiß ist das dort aber fast überhaupt kein Thema.

Es sieht wohl eher so aus, als wären "objektive" Faktoren wie Kriegsgreuel, Tote, Unterdrückung gar nicht wirklich relevant für das spätere Bild.

Vielleicht spielt eher eine Rolle, welchen Eindruck von den eigenen Leistungen ein Volk zurückbehält.
Die Deutschen haben es wohl nicht verwunden, daß sie ausgerechnet von den "russischen Untermenschen" besiegt wurden. Gut möglich, daß der Russenhaß nicht viel geringer gewesen wäre, wenn sich die Rote Armee ganz mustergültig aufgeführt hätte.

Bei den Tschechen könnte es sein, daß sie die Kriegszeit deswegen so negativ in Erinnerung haben, weil sie sich kampflos besetzen und unterdrücken ließen (nicht daß sie eine andere Option gehabt hätten), sie verbinden das mit Ohnmacht und Schande.
Während die Polen kämpfend unterlegen sind, und mit dem Aufstand und dem Widerstand Erinnerung haben, auf die sie stolz sind.

Wie übrigens auch die Dänen mit ihrer Kollektivaktion zur Rettung der dänischen Juden - eine einmalige Leistung, die das Selbstwertgefühl trotz Niederlage und Besetzung eher gestärkt zurückläßt.

Was eben umgekehrt die Holländer nur sehr eingeschränkt von sich sagen können. Da gab es wohl deutlich mehr Waffen-SS-Freiwillige als Widerstandskämpfer. Fürs Nationalbewußtsein also eine insgesamt eher negative Erinnerung - das tragen sie uns halt nach.
Wobei angeblich die wesentlichen Ressentiments erst 1972 wg. des WM-Finales entstanden sind, der Rückgriff auf den Krieg wurde wohl erst dann richtig üblich.


Übrigens können auch positive Einstellungen problematisch sein.
Wir hatten vor zwei Jahren indische Geschäftspartner zu Besuch. Und beim Abendessen haben die dann von Herzen angefangen Deutschland zu loben - wir sind dort wohl wirklich sehr beliebt.
Und es war ja noch schön, wie sie deutsche Technik und deutsch Literatur und so weiter gelobt haben. Aber dann ging es weiter mit dem großen Staatsmann Hitler und wie schade es wäre, daß wir den Krieg verloren haben. Da waren wir schon in leichten Schwierigkeiten, unauffällig das Thema zu wechseln.

Aber was soll man sagen? Aus ihrer Sicht haben sie ja recht: Ohne Hitler und den Krieg wären sie wohl noch viele Jahr längere Kolonie geblieben. Und was er hierzulande an Gemeinheiten angestellt hat, muß sie auf der anderen Seite der Erde nicht wirklich im Detail interessieren.
 
Ein faszinierender Gedanke: Großbritannien konnte ihre Kolonien nicht wirklich schlechter behandeln als die USA Deutschland :) Bei Frankreich dauerte es dann noch ein paar Jahre...
 
Für das Denken von Nazis (es gibt keinen politischen Unterschied zwischen Alt- und Neunazi!) ist der Film geeignet. Leider hat der Film einen Schönheitsfehler: der Hauptakteur ist 84 Jahre alt und senil.
 
Für das Denken von Nazis (es gibt keinen politischen Unterschied zwischen Alt- und Neunazi!) ist der Film geeignet. Leider hat der Film einen Schönheitsfehler: der Hauptakteur ist 84 Jahre alt und senil.

Altnazis (irgendwie ein bescheuerter Ausdruck) haben aber das Dritte Reich miterlebt, die Verfolgungen, die völlige Zerstörung Deutschlands im WWII and so on. Und vor allem die Prosperität der - noch verhältnismäßig - jungen Bundesrepublik und einem stabilen politischen System.
Das ist schon die weit krassere Variante.

Bei jungen Nazis - wenn sie denn die einen oder anderen Sachen vom Stapel lassen - fällt mir immer nur wieder die sich wiederholenden Phrasen ein, die im Grunde auf Nichtwissen (-WOLLEN!) hinweisen. Zutiefst romantisierte Vorstellungen, die in ihren Überlegenheitsphantasien den Freispruch für die eigene Familie und jeglicher Involvierung in Verbrechen bedeuten. Hat etwas von zwanghaftem Verhalten.
 
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