Fliegende Segelschiffe und deren Deutung

Nergal

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Ich weiß nun nicht mehr die Namen der betreffenden Kirchenmänner die das Ganze überliefert haben, möglich dass Jemand aus dem Forum das parrat hat, jedenfalls geht es um mehrere Berichte über fliegende Segelschiffe. Es wurde etwa bereichtet dass ein Segelschiff über eine Ortschaft (UK oder Irland) flog, dort den Anker auswarf, welcher sich in irgendeinem Bauwerk verfing, und dann von einem der "Seemänner" geborgen werden mußte, und es dann Erzählungen gibt in welchen dieser Seemann "ertrinkt", oder einfach keine Luft bekommt und "auftauchen muß, wobei die Ankerleine gekappt wird, und der Anker zurück bleibt.

Wie deutet man diese Geschichten heute? Sind das religiöse Lehrgeschichten mit einer bestimmten Aussage zu einem Thema, oder wie ist das zu verstehen?
Manche meinen ja es seien UFOs gewesen, besonders weil einer dieser Anker noch lange in einer Kirche ausgestellt wurde, aber ein Anker ist ja nicht schwer zu besorgen.
 
Ich weiß nun nicht mehr die Namen der betreffenden Kirchenmänner die das Ganze überliefert haben

Das lässt sich z. B. hier nachlesen:

Am Anfang stehen dürre Einträge in den Chroniken, in der Ulster-Chronik heißt es schlicht:
"U749/9
Ships with their crews were seen in the air above Cluain Moccu Nóis."

Daraus entwickelten sich verschiedene Versionen mit allerlei Ausschmückungen. Ein Gedicht "De mirabilibus Hiberniae" (Über die Wunder Irlands) von Patrick, Bischof von Dublin 1074-1084 mit allerlei wundersamen Geschichten beschreibt, wie einer vom Schiff aus einen Speer herabwirft, um Fische zu fangen und dann zur Erde herunterschwimmt, um den Speer wieder nach oben zu holen.

In späteren Versionen wird dann der Speer durch einen Anker ersetzt.


Manche meinen ja es seien UFOs gewesen, besonders weil einer dieser Anker noch lange in einer Kirche ausgestellt wurde
Wie unlogisch ist das denn? Wer meint denn bitte sowas?
 
Sehe mal wieder dass da ein Beitrag verschwunden ist. Irgendwas scheint mit meinem Browser nicht in Ordnung zu sein :-(

Wie unlogisch ist das denn? Wer meint denn bitte sowas?

Kurze Antwort, als Ersatz für meine längere Antwort die verloren gegangen ist: Die Präastronautiker, Giorgi A. Tsoukalos etc.
 
Am Anfang stehen dürre Einträge in den Chroniken, in der Ulster-Chronik heißt es schlicht:
"U749/9
Ships with their crews were seen in the air above Cluain Moccu Nóis."
Der lateinische Eintrag lautet:

Naues in aere uisae sunt cum suis uiris os cinn Cluana Mc. Nois.​

Bodleien.png


Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich die HS nicht wirklich entziffert kriege. Es handelt sich um die beiden letzten Worte in der vorletzten Zeile und die letzte Zeile. Was aussieht, wie ein -y- ist offensichtlich ein s. und was aussieht, wie ein langes -s- ist offensichtlich ein i.

Ich gehe jetzt mal aus, dass das oben richtig gelesen ist. Wenn ich von der wirklich erfahrbaren Welt ausgehe, gibt es keine fliegenden Schiffe.
Wie gehe ich also mit dem Text um?
  • man hält das für eine schlichte Lüge
  • man schaut, wo sich ein Fehler eingeschlichen haben könnte:
Naues in aere uisae sunt cum suis uiris os cinn Cluana Mc. Nois
Was ist denn, wenn von einem Wikingerüberfall die Rede war? Statt in der Luft - aere - wären diese im Gebiet - area - des Klosters Clonmacnoise gewesen. Cinn würde ich als gälisch 'Kopf' deuten. Das Wort wird oft in der Topographie benutzt, ich will nicht wissen, wie viele Kinlochs es in der Region gibt (das sind Ortschaften, die am Ende eines Sees oder Fjords liegen).
 
749 war allerdings noch vor der Zeit der (bekannten) Wikingerüberfälle.
Cluain Moccu Nóis liegt außerdem im Landesinneren. Anfangs beschränkten sich die Wikinger noch auf Angriffe auf Küstengebiete, erst später streiften sie auch ins Landesinnere.

Dass jemand „area“ zu „aere“ verschrieben haben soll, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Man müsste davon ausgehen, dass der Abschreiber Latein konnte, da es schon ein großer Zufall wäre, wenn beim Verschreiben rein zufällig ein existierendes Wort herauskommt. Dann müsste man aber unterstellen, dass ihm trotzdem nicht auffiel, was für ein Blödsinn das war.

Ich nehme am ehesten an, dass irgendeine Himmelserscheinung gemeint ist, die (in der mündlichen Überlieferung) fantasievoll ausgedeutet wurde. Auch in deutschen mittelalterlichen Chroniken ist mitunter davon die Rede, dass am Himmel Drachen oder fliegende Schwerter gesehen worden seien.
 
Nachtrag:
Hätte es sich tatsächlich um einen Überfall gehandelt, wäre das wohl erwähnt worden, denn das wäre das Berichtenswerte gewesen, nicht dass Schiffe gesehen wurden.
Hätte es sich tatsächlich nur um normale (auf dem Wasser fahrende) Schiffe gehandelt, wäre das wohl nicht berichtenswert gewesen.
Der Eintrag in die Chronik legt also nahe, dass die Schiffe tatsächlich als etwas Ungewöhnliches wahrgenommen wurden.
 
749 war allerdings noch vor der Zeit der (bekannten) Wikingerüberfälle.
Cluain Moccu Nóis liegt außerdem im Landesinneren. Anfangs beschränkten sich die Wikinger noch auf Angriffe auf Küstengebiete, erst später streiften sie auch ins Landesinnere.
Hätte es sich tatsächlich um einen Überfall gehandelt, wäre das wohl erwähnt worden, denn das wäre das Berichtenswerte gewesen, nicht dass Schiffe gesehen wurden.
Du hast natürlich Recht damit, dass Clonmacnoise - im Landesinneren gelegen, richtig, aber direkt am Shannon - eher kein Kandidat für frühe Wikingerüberfälle und dann auch noch Jahrzehnte vor Lindisfarne ist.
Die Ulster Annals haben Platz für zehn Nachrichten im Jahr 749, die uns kaum etwas sagen. Der Informationsgehalt früh- und hochmittelalterlicher Annalen ist regelmäßig sehr dürftig. Wenn es keine ergänzenden Quellen gibt (Diplomata, Hagiographien...) dann bleiben viele Sachverhalte rätselhaft und dunkel.

Das ist der text für das gesamte Jahr 749:

Kl Ianair, [...]. Anno Domini .dcc.xl.uiii. Iugulatio Cathusaigh filii Ailello i r-Raith Beithech, regis Cruithne. Mors Bresail m. Colggen abbatis Fernand. Combustio Cluana Ferta Brendain. Combustio Cille Moire Aedain filii Oengussa. Bellum Airde Ciannachtae in quo cecidit Ailill m. Duib Da Crich, ri Ardda Oa Cinn Faeladh, in quo cecidit Domnall m. Cinadon i fridguin, id est rex qui uicit prius. Mors Coirpri m. Murcadho Mide, & Becc Baili m. Echach, & Liber abbas Maighi Bile, & uentus maghnus. Dimersio familie Iae. Mors Conaill abbatis Tome Grene. Naues in aere uisae sunt cum suis uiris os cinn Cluana Mc. Nois.​


Dass jemand „area“ zu „aere“ verschrieben haben soll, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Man müsste davon ausgehen, dass der Abschreiber Latein konnte, da es schon ein großer Zufall wäre, wenn beim Verschreiben rein zufällig ein existierendes Wort herauskommt.
EIgentlich nicht. Kopisten, die der Sprache mächtig sind, versuchen ja dem Text einen Sinn zu geben. Ergo würden sie nicht irgendetwas dahin schreiben, sondern ein sinnvolles Wort. Dass Kopierfehler mitunter sehr wirkmächtig sind, kann man am Bsp. Köln sehen und seinen XII mart. virginiae, seinen 12 jungfräulichen Märtyrerinnen. Irgenwann wurden aus derm Märtyrerinnen (M) 1000 (M) und man hatte plötzlich XII M Virginae - 12.000 Jungfrauen.
Vielleicht hat ein Abschreiber ähnlich gedacht wie du: Was soll die Angabe, dass man im Gebiet des Klosters Clonmacnoise Schiffe gesehen hat?! Und hat zu aere verbessert. Ich muss natürlich zugeben, dass es wahrscheinlicher wäre, dass jemand aere zu area verbessern würde, als umgekehrt.

Ich nehme am ehesten an, dass irgendeine Himmelserscheinung gemeint ist, die (in der mündlichen Überlieferung) fantasievoll ausgedeutet wurde. Auch in deutschen mittelalterlichen Chroniken ist mitunter davon die Rede, dass am Himmel Drachen oder fliegende Schwerter gesehen worden seien.
Ja, ich hatte gestern gemutmaßt (das aber vor dem Abschicken wieder gelöscht), dass es sich evtl. um eine Fata Morgana gehandelt haben mag. da sieht es ja auch so aus, als würden Dinge über dem Boden schweben.
 
Ich nehme am ehesten an, dass irgendeine Himmelserscheinung gemeint ist, die (in der mündlichen Überlieferung) fantasievoll ausgedeutet wurde. Auch in deutschen mittelalterlichen Chroniken ist mitunter davon die Rede, dass am Himmel Drachen oder fliegende Schwerter gesehen worden seien.
vgl. Scheibelreiter "die barbarische Gesellschaft" im Kapitel Krieg: dort werden Quellen aus der (und karolingische zur) Merowingerzeit zitiert, u.a. über Panik auslösende Himmels/Witterungserscheinungen. In halbheidnisch/synkretistischen Zusammenhängen des Frühmittelalters tauchen derartige "Zeichen" gelegentlich ohne hagiographische kirchliche Deutungen auf bzw lassen sich aus hagiographischen Texten extrahieren (laut Scheibelreiter)
Nebenbei erwähnenswert: hin wieder versuchte man im Frühmittelalter auch, Zeichen/Erscheinungen zu simulieren, also zur Täuschung des Gegners einzusetzen (ebenfalls nachzulesen bei Scheibelreiter)
....man nagele mich nicht darauf fest, ob dieser Historiker eine große Leuchte zur Frühmittelalterforschung sei - ich erwähne das nur, weil es zur Annahme von @Ravenik passt. Ob irische Verhältnisse im frühen 8.Jh. (vor Ankunft der Wikinger) sich mit den fränkischen (späte Merowingerzeit) vergleichen lassen, kann ich nicht beurteilen.
 
Aus den Annalen von Clonmacnoise (1627 ins Englische übersetzt):

734 There was a Dragon both huge & ugly to behould this harvest seen and a great Thunder heard after him in the firmament.
742 There was Drogons seen in the skyes.
744 There was snow this yeare of wonderfull Greatness that there was in no man's memory such seen. In so much that the cattle of Ireland for the most part Died after which ensuing Great & unaccustomed Drowth in the world. The Rules of O'Swany of Rahin were established in Leigh Coynn' or Con's half in Deale. There were shipes seen in the skyes with their men this yeare.

Schneefall war den Autoren der Annalen deutlich mehr und dramatischere Worte wert, als Schiffe am Himmel. Der Satz mit den Schiffen liest sich fast so wie: dieses Jahr gab es Maikäfer. Suchte man vielleicht die Schuld am Tod des Viehs am Himmel und fand Schiffe? Schon der Drache 734 scheint eine Auswirkung auf die Ernte gehabt zu haben, die ich allerdings nicht verstehe. Schützte er die Ernte?

Drachen und Schiffe wurden jedenfalls unterschieden, möglicherweise noch etwas Drittes, wenn Drogons keine Drachen sind.
 
Drachen scheinen da ja etwas gewöhnliches gewesen zu sein.
Persönlich dachte ich eher dass das Ganze eine Art Geschichte war die einen religiösen Inhalt transportieren sollte, oder einen politischen.
Es sollen ja nach der Krönung von Karl II. Himmelsercheinungen in Form von Cavaliers die über die Puritaner siegen, gegeben haben, was aber sicher Propaganda zum Nutzen des Königs war.

btw.: Kennt jemand eine Seite bzw. Anwendung mit der man das Lesen der Majuskel/Minuskel etc. lernen kann?
 
Im Jahr 749 gab es im Heiligen Land ein Erdbeben, und als Folge davon ein Tsunami im Mittelmeer. Möglich, dass die zeitgenössischen Berichte darüber auch das irische Kloster erreichten. Und bei einem Tsunami können auch große Schiffe weit ins Land getragen werden.
 
Aber wieso sollten die fliegenden Schiffe dann ausgerechnet bei Cluain Moccu Nóis lokalisiert werden?
Außerdem würde ich annehmen, dass Mönche, die mit der biblischen Sintflutgeschichte vertraut waren, im Fall eines Tsunamis eher von der großen Flut fasziniert gewesen wären und die Schiffe nicht in der Luft verortet hätten.
 
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