Frage zum 2+4-Vertrag

L

Luciferan

Gast
Hallo liebe Gemeinde,

ich bin mir nicht exakt sicher, ob das folgende Thema wirklich schon in den Bereich "Geschichte" fällt, weil die Übergänge zur aktuellen Politik hier fließend sind. Andererseits haben ja auch römische Entscheidungen bis heute einen gewissen Einfluss auf unsere Kultur.

Welche Ziele verfolgten die verschiedenen außenpolitischen Akteure mit Unterzeichnung des Vertrages?
Bei den Sowjets scheint de Fall erst Mal klar zu sein. Man wollte aus Mitteleuropa raus. In England und Frankreich gab es massive Vorbehalte. Die USA waren wohl eher dafür.
 
England und Frankreich wollten sichergehen, dass auch von einem wiedervereinigten Dtld. keine Gefahr mehr ausginge, ein - wie ich meine - 1989/90 von der Realität weit entferntes Problem. Die Frage ist natürlich auch, ob Mitterand und Thatcher solche Gründe nicht vorschoben und eigentlich ganz andere Zugeständnisse erwirken wollten. Das Deutschland und Kohl einheitsgeil waren, lag ja auf der Hand, auch wie die SPD für die Lautstärke ihrer Einheitskritiker abgestraft wurde (okay, heute würde man über solche Verluste wie 1990 lachen). Die Sowjets erhofften sich die Finanzierung ihres Wohnungsbaus und waren daher bereit Zugeständnisse zu machen. Der Wohnungsbau wurde medial mit dem Rücknahme der sowjetischen Soldaten und ihrer Familien verknüpft, für welche die Wohnungen bestimmt seien.
Für Mitterand war in erster Linie die Einbindung Deutschlands in die EG und die NATO wichtig. Thatcher warf ihm in ihren Memoiren auch - m.E. kontrafaktisch, da auch Mitterand wiedervereinigungsskeptisch war - vor, sich zu sehr auf eine deutsch-französische Achse verlassen zu haben, statt gemeinsam mit Britannien sich gegen die Wiedervereinigung zu stellen. Thatcher sagte gewissermaßen voraus, dass ein wiedervereinigtes Deutschland ein wirtschaftliches und politisches Schwergewicht sei, welches gewissermaßen die Geschicke Europas an sich reißen würde (lustigerweise warf man Dtld. dann 1991 vor, sich nicht ausreichend an der internationalen Allianz gegen Saddam Hussein, der in Kuweit einmarschiert war zu beteiligen).
 
Als Literaturempfehlung für diese Frage kann ich Andreas Rödders "Deutschland einig Vaterland" empfehlen. Es gibt dort ein Kapitel, welches genau diese Frage thematisiert.
 
Rödder hätte ich eher auf die Analyse der deutsch-deutschen Interna bezogen, als auf die Expertise zu/Analyse der vier Siegermächte und ihrer Aktivitäten, Motivationen, Strategien.

In den letzten Jahren würde ich dazu eine gewisse Revision in der Deutung der Aktivitäten Mitterrands/Frankreichs als spannend ansehen. Hier scheint eine Neubewertung vorzuliegen, die insbesondere auf Frederic Bozo zurückgeht, der auch zusammen mit Rödder schon publiziert hat, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.
 
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