Frage zur "Germania" von Tacitus

Barbarossa

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Hallo, heute hab ich mal ne Frage. Ich hab mir mal die Übersetzung der "Germania" von Tacitus vorgenommen. Bei den Göttern, die er nennt, komme ich mit der Zuordnung nicht ganz klar. Er nennt ja ohnehin die Götter mit den Namen, die ihm aus seinem Kulturkreis bekannt sind - also Merkur (=Wotan), Herkules (Donar), Mars (Tyr) und er meint: "Ein Teil der Sueben opfert auch der Isis." Meine Frage dazu:
Welche germanische Gottheit entspricht der Isis? Ist es Freya, oder Frigg, oder noch eine andere?
Weiß da jemand was?
 
In Südösterreich (Kärnten), aber auch in Tirol, sind Weihestätten für die Isis Noreia bekannt. Es handelt sich um typische Muttergottheitsorte, z.B. Höhlen. Vermutlich ist Isis Noreia gleichzusetzen mit der keltischen Brigita /Brigantia. Nach Brigantia ist übrigens das vorgeschichtliche Bregenz Früher Brigantium), Hauptstadt Vorarlbergs, benannt.
 
Guten Abend liebe Freunde,
mitunter deutet sich in der Literatur an, daß gegebenenfalls Freia hinter dem Isis-Kult gesehen werden kann, dies müßte aber sicherlich noch genauer recherchiert werden.
Eine Noreia ist in der Steiermark bekannt. Es ist zweifelhaft ob es sich tatsächlich um eine keltische Göttin handelt, Möglicherweise ist ein derartiger Kult sogar auf älter eingesessene Kulturgruppen zurückzuführen.
Brigantia ist richtig zurückzuführen auf den gleichnahmigen Stamm der Briganten deren Schutzgöttin sie war. Nachvollziehen läßt sich ihre Identität aus insgesamt sieben Weiheinschriften . Zwei davon nehmen Bezug auf die römische personifizierte Siegesgöttin Viktoria.
mit freundlichem Gruß Max
 
Frigg ist es wohl nicht, da sie mit der römischen Venus gleichgesetzt wurde. Freya kann es dann auch nicht sein, da sich ihr Kult wahrscheinlich erst später von dem der Frigg trennte.

Bisher konnte die Isis des Tacitus, der den Kult bei den Sueben ansiedelt, noch nicht archäologisch belegt werden. Am ehesten passt der Kult der Nehalennia dazu, deren Heiligtümer sich auf den niederländischen Inseln Walcheren und Noord-Beveland befanden. Der Kult reichte aber auch bis Köln, wo solche Votivaltäre gefunden wurden. Darstellung und Kult ähneln stark denen der Isis, aus welchem Grund man von einer germanischen Isis sprechen könnte. Sie wurde vor allem mit einem Hund, Früchten, einem Ruder oder einem Schiffsbug dargestellt und war wohl eine Gottheit der Händler und Seefahrer.

Möglich könnte natürlich auch der Zusammenhang mit dem Matronenkult sein, welcher durch die Gegenseitige Beieinflussung von germanischen, keltischen und römischen Glaubensvorstellungen entstand und wohl mit dem Glauben an die Nornen und Disen (den idisi des Merseburger Zauberspruchs) weiterlebte.
 
Aus den Anmerkungen meiner Reclam-Ausgabe der Germania von Manfred Fuhrmann:
Anders als bei den vorhergenannten Gottheiten denkt Tacitus hier an einen von fremden, bei den Germanen von auswärts eingeführten Kult; zu diesem Schluss verleitet ihn das den Germanen schon in der Bronzezeit geläufige Schiffssymbol. Vielleicht ist die hier erwähnte Isis mit Nerthus (Germania, Kap.40) identisch; beide Göttinnen wurden durch Umzüge gefeiert bei denen man einen Schiffskarren mitführte.
 
Die Isis des Tacitus mit Nerthus gleichzusetzen, scheint wohl doch wahrscheinlicher. Tacitus schreibt ja, dass der Isiskult auf dem Seeweg zu den Sueben gekommen ist, was vom Ostseegebiet sehr gut möglich ist.

Rudolf Simek (Götter und Kulte der Germanen) empfiehlt der Beschreibung des Nerthuskultes nicht allzu große Bedeutung zuzumessen und zieht dann den oben erwähnten Kult der Nehalennia zur Erklärung der Isis heran.
 
Witege schrieb:
Frigg ist es wohl nicht, da sie mit der römischen Venus gleichgesetzt wurde. Freya kann es dann auch nicht sein, da sich ihr Kult wahrscheinlich erst später von dem der Frigg trennte.
Die römische Venus ist die germanische Göttin Freya. Tacitus kannte sie bereits, da er ihren Bruder Ing (Freyr) nennt (Ingwäonen). Isis ist bei Tacitus die germanische Göttin Frigg. Die Wesensmerkmale der Nehalennia sind Fruchtkörbe sowie ein Schiff, bisweilen auch ein Hund. Sie könnte demnach eine Göttin der Fruchtbarkeit, der Schiffahrt und des Todes (Perchta) sein. Dies sind Wesensmerkmale der Frigg. Isis ist Schwester und Gemahlin des Osiris. Sie bewahrt ihr Kind vor allen Gefahren durch ihre Zauberkunst. Frigg ist die Gemahlin Wodans und Mutter Balders, auch sie bewahrt ihn durch ihre Zauberkunst vor allen Gefahren. Für Tacitus ist Nerthus die Mutter Erde (Mater Terra), also die Riesin Gerda; weshalb sie bei Tacitus nicht zugleich die Göttin Isis sein kann.
 
Tacitus setzt in seiner germanische Gottheiten mit griechisch- römischen gleich, die ähnliche Aufgaben und Attribute haben. So identifiziert er Thor mit Juppiter und Wodan mit Merkur.
 
Hallo, heute hab ich mal ne Frage. Ich hab mir mal die Übersetzung der "Germania" von Tacitus vorgenommen. Bei den Göttern, die er nennt, komme ich mit der Zuordnung nicht ganz klar. Er nennt ja ohnehin die Götter mit den Namen, die ihm aus seinem Kulturkreis bekannt sind - also Merkur (=Wotan), Herkules (Donar), Mars (Tyr) und er meint: "Ein Teil der Sueben opfert auch der Isis." Meine Frage dazu:
Welche germanische Gottheit entspricht der Isis? Ist es Freya, oder Frigg, oder noch eine andere?
Weiß da jemand was?

Tacitus setzt in seiner germanische Gottheiten mit griechisch- römischen gleich, die ähnliche Aufgaben und Attribute haben. So identifiziert er Thor mit Juppiter und Wodan mit Merkur.
Ich glaube das war nicht sehr hilfreich, denn diese Aussage steht ja schon in der Frage. Ich empfehle immer den ganzen Strang zu lesen, vor allem wenn er (noch) so kurz ist.
 
Du hast recht!

deorum maxime Mercurium colunt, cui certis diebus humanis quoque hostiis litare fas habent. Herculem et Martem concessis animalibus placant. Pars Sueborum et Isidi sacrificat. (Tac., Germania 9)
 
Ich möchte noch hinzufügen, dass es korrekter weise nicht "zur Germania", sondern "zu den Germania" heißen müsste - Germania ist Neutrum Plural, nicht, wie allgemein angenommen, Femininum.

[/klugschei**] ;)
 
Die römische Venus ist die germanische Göttin Freya. Tacitus kannte sie bereits, da er ihren Bruder Ing (Freyr) nennt (Ingwäonen).
Und wo sagt eine römische Quelle wirklich, dass Freya Venus ist und nicht Frigg bzw. Frigg/Freya? Überhaupt kann man die erste Erwähnung von Freya erst auf kurz vor 1000 datieren und erst von Snorri Sturluson wurde überhaupt die Götterfamilie der Wanen genannt. Es ist wahrscheinlich, dass sich Freya und Frigg erst später (also nach der römischen Zeit) getrennt haben.


Isis ist bei Tacitus die germanische Göttin Frigg.
Wie du in dem ganzen Thread hättest lesen können, wird das in keiner Quelle behauptet, oder kannst du einen Quellenbeleg nennen?



Insgesamt muß ich sagen, dass man die germanische Götterwelt auf keinen Fall mit der römischen oder gar ägyptischen Götterwelt gleichsetzen darf, wie das gerne von Neuheiden gemacht wird. Tacitus hat einfach den germanischen Gott mit dem römischen Gott (wozu ja zu dieser Zeit auch einige ägyptischen gehörten) gleichgesetzt, deren Kulte er am ähnlichsten fand. Das war ja bekanntlich Sitte bei den Römern und Griechen und hatte bestimmt auch politische Hintergründe.
Das bedeutet noch lange nicht, dass man jetzt Gemeinsamkeiten zwischen der germanischen Mythologie (wozu man die durch römisch-griechische, christliche und orientalische Einflüße verfasste Edda nicht als Originalquelle zählen darf) und der ägyptischen finden muß. Wenn man nur alles raussucht was passt, findet man diese Gemeinsamkeiten bei allen polytheistischen Mythologien bzw. natürlich den Himmelsgott, die Riesen usw. bei den indogermanischen Religionen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Witege schrieb:
Und wo sagt eine römische Quelle wirklich, dass Freya Venus ist und nicht Frigg bzw. Frigg/Freya?
Das besagt keine römische Quelle, das ergibt sich aus den Wesensmerkmalen der Gottheiten, wie sie von Tacitus genannt werden. Tacitus nennt Isis und nicht Venus, also ist die Muttergottheit und nicht die Geliebte gemeint.
Witege schrieb:
Überhaupt kann man die erste Erwähnung von Freya erst auf kurz vor 1000 datieren und erst von Snorri Sturluson wurde überhaupt die Götterfamilie der Wanen genannt.
Die Wanen-Götter werden schon in der Inglingersage (Ynglingatal) erwähnt. Ing (Freyr/Yngvi) wird in einem altenglischen Runengedicht erwähnt, er gilt als Stammvater des germanischen Stammesverbandes der Ingwäonen.
Witege schrieb:
Wie du in dem ganzen Thread hättest lesen können, wird das in keiner Quelle behauptet, oder kannst du einen Quellenbeleg nennen?
Nun sind ja nicht alle Quellen hier genannt, aber dir selbst kam offenbar Frigg in den Sinn. Wir sind in der Beurteilung der Gottheit auch nicht weit auseinander, da du für die von Tacitus genannte Isis Nehalennia heranziehst, bei der es sich aus meiner Sicht um Frigg handelt.
Witege schrieb:
Insgesamt muß ich sagen, dass man die germanische Götterwelt auf keinen Fall mit der römischen oder gar ägyptischen Götterwelt gleichsetzen darf, wie das gerne von Neuheiden gemacht wird.
Da wir hier von Tacitus sprechen, dürfte wohl klar sein, daß Tacitus mit Merkur nicht den Gott Merkur meint, sondern den germanischen Gott, der Wesensmerkmale des Merkur aufweist.
Witege schrieb:
Das bedeutet noch lange nicht, dass man jetzt Gemeinsamkeiten zwischen der germanischen Mythologie (wozu man die durch römisch-griechische, christliche und orientalische Einflüße verfasste Edda nicht als Originalquelle zählen darf) und der ägyptischen finden muß.
Ob die Edda wirklich die genannten Einflüsse aufweist, das läßt sich nach meiner Erfahrung überhaupt nicht entscheiden. Wenn aber für die Erklärung von germanischen Bräuchen die Namen von fremden Gottheiten herangezogen werden, dann kann man davon ausgehen, daß das etwas mit dem Wesentlichen dieser fremden Gottheiten zu tun hat. So wurde das häufig dargestellte Bild der Isis, die auf ihrem Schoß den Horusknaben trägt und stillt, zum Vorbild der Darstellung Marias mit dem Kinde.
 
Das besagt keine römische Quelle, das ergibt sich aus den Wesensmerkmalen der Gottheiten, wie sie von Tacitus genannt werden. Tacitus nennt Isis und nicht Venus, also ist die Muttergottheit und nicht die Geliebte gemeint.
Wesensmerkmale der Gottheiten? Woher kennst du denn die Unterschiede der Wesensmerkmale der Frigg und Freya um die Jahrtausendwende? Wie schon gesagt, man darf die Edda nicht als Quelle nehmen...

Die Wanen-Götter werden schon in der Inglingersage (Ynglingatal) erwähnt. Ing (Freyr/Yngvi) wird in einem altenglischen Runengedicht erwähnt, er gilt als Stammvater des germanischen Stammesverbandes der Ingwäonen.
Ich habe mich etwas schlecht ausgdrückt, ich meinte dass sie das erste Mal als "Götterfamilie" genannt wurden, Simek schreibt dass sie von Snorri zum ersten Mal zur Götterfamilie stilisiert wurde. Der Begriff der Wanen taucht natürlich schon im 9./10. Jahrhundert in der altwestnordischen Dichtung der Skalden auf. Das war aber trotzdem noch 800 Jahre nach Tacitus.

Nun sind ja nicht alle Quellen hier genannt, aber dir selbst kam offenbar Frigg in den Sinn. Wir sind in der Beurteilung der Gottheit auch nicht weit auseinander, da du für die von Tacitus genannte Isis Nehalennia heranziehst, bei der es sich aus meiner Sicht um Frigg handelt.
Frigg wurde vom Threadersteller genannt und nicht von mir. Ich habe nur die Theorie geschrieben, dass Frigg und Freya in der Kaiserzeit noch nicht unterschieden wurden.
Wie kann Nehalennia gleich Frigg sein, wenn die damals lebenden Ausüber des Kultes etwas anderes behaupteten? Oder wußten die noch nicht so viel über ihre Religion, wie wir heutzutage?

Ob die Edda wirklich die genannten Einflüsse aufweist, das läßt sich nach meiner Erfahrung überhaupt nicht entscheiden.
Sie wurde ja schließlich von christlichen Skalden für Christen geschrieben. Aber das ist ja ein bekanntes Streitthema zwischen Neuheiden und Historikern.
 
Zuletzt bearbeitet:
Witege schrieb:
Wesensmerkmale der Gottheiten? Woher kennst du denn die Unterschiede der Wesensmerkmale der Frigg und Freya um die Jahrtausendwende? Wie schon gesagt, man darf die Edda nicht als Quelle nehmen.
Das führt doch nicht weiter, denn dann bleibt man bei Tacitus hängen. Der nennt nur Isis als eine herminonisch-suebische Göttin, deren germanischen Namen wir nicht kennen. Daß Wodan schon von dem Stammesbund der Sueben verehrt wurde, als dessen Siedlungsraum noch auf das Gebiet der unteren Elbe beschränkt war, geht aus Tacitus Germania hervor. Demnach kamen Abgesandte der Sueben zu bestimmten Zeiten in einem heiligen Hain der Semnonen zusammen, um den Göttern in ebenso fröhlicher wie vorzeitlicher Art das Leben eines Menschen darzubringen. Unter den Göttern verehrten sie nach Tacitus am höchsten Merkur. Merkur ist Wodan. Wodans Gemahlin ist Frigg. Wenn also Tacitus eine germanische Göttin gemeint hat, dann war vermutlich sie es. Der Isis-Kult läßt vermuten, daß es sich bei der germanischen Gottheit nicht um Hathor gehandelt hat. Sie wurde als Liebesgöttin entsprechend der griechischen Aphrodite verehrt. Tacitus hat also nicht Venus, die Liebesgöttin, gemeint; deren Entsprechung war, soweit uns bekannt ist, Freya; sie ist in der Edda als Fruchtbarkeitsgöttin mit Odin vermählt (Frija, Frea, Frigg). Frigg scheint als einzige der nordischen Göttinnen bei allen germanischen Stämmen bekannt gewesen zu sein.
Witege schrieb:
Ich habe mich etwas schlecht ausgedrückt, ich meinte dass sie das erste Mal als "Götterfamilie" genannt wurden, Simek schreibt dass sie von Snorri zum ersten Mal zur Götterfamilie stilisiert wurde. Der Begriff der Wanen taucht natürlich schon im 9./10. Jahrhundert in der altwestnordischen Dichtung der Skalden auf. Das war aber trotzdem noch 800 Jahre nach Tacitus.
Du zählst Freya zu den Wanen, greifst also insoweit schon auf die Edda u.a. zurück.
Witege schrieb:
Wie kann Nehalennia gleich Frigg sein, wenn die damals lebenden Ausüber des Kultes etwas anderes behaupteten?
Der Name ist auf zahlreichen Votivtäfelchen überliefert. Nehalennia stammt vielleicht von lat. necare = töten (Perchta). Eine Verbindung, wie sie von dir zu den Herminonen (Sueben) hergestellt wird, besteht genaugenommen nicht, da Nehalennia zu den Ingwäonen gehört. Wenn du Nehalennia mit der Isis des Tacitus in Verbindung bringen willst, dann führt dieser Weg über Frigg.
Witege schrieb:
Sie wurde ja schließlich von christlichen Skalden für Christen geschrieben.
Da machst du ein neues Faß auf, das besser hier verschlossen bleibt.
 
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