Fragen über 1930 und alte Zeitungen

yellowgreen

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hey, :)
momentan bereite ich mich auf mein mündliches Abi zum Thema Weimarer Verfassung und Machtergreifung Hitlers vor. Leider habe ich aber noch nicht durchstiegen, wieso die Reichskanzler nach der “großen Koalition” die Notverordnungen von Hindenburg gebraucht haben. Ich weiß, dass es etwas mit der Mehrheit aus dem Reichstag zu tun hat, aber ich verstehe nicht ganz, wieso. Wenn der Reichstag so den Reichskanzler absetzen konnte, wieso hätte er denn das dann in dieser Zeit gemacht, ich meine, der Reichstag kann doch nicht gewollt haben, dass der Reichskanzler so oft wechselt, sodass sie ihn immer gleich abgesetzt hätten?
weiß eigentlich einer, woher man im internet zeitungen von 1933 findet, die aus der "politischen Mitte" kommen oder die Gesinnung der DNVP oder des Zentrums vertreten?
Ich würde mich sehr über Hilfe freuen und danke im Vorraus!
lg,
yellowgreen
 
Eine umfassende Beantwortung:

Präsidialkabinett ? Wikipedia

Machtergreifung ? Wikipedia

Gleichschaltung ? Wikipedia

Die DNVP und Herrn Hugenberg in der politischen Mitte einzusortieren, entspricht nicht ganz den Tatsachen. Eher war Hugenberg ein extremer Nationalkonservativer, der als "publizistischer Steigbügelhalter" nicht unerheblich die Schuld daran trägt, Hitler in einem breiteren Publikum bekannt und wählbar gemacht zu haben.

http://de.wikipedia.org/wiki/DNVP

Zur politischen Mitte des weimarer Parteienspektrum zählten das Zentrum, das Du auch korrekt erwähnt hast und die Sozialdemokratie.
 
Zuletzt bearbeitet:
momentan bereite ich mich auf mein mündliches Abi zum Thema Weimarer Verfassung und Machtergreifung Hitlers vor. Leider habe ich aber noch nicht durchstiegen, wieso die Reichskanzler nach der “großen Koalition” die Notverordnungen von Hindenburg gebraucht haben.

Weil sie keine "Kanzlermehrheiten" hatten.


Ich weiß, dass es etwas mit der Mehrheit aus dem Reichstag zu tun hat, aber ich verstehe nicht ganz, wieso. Wenn der Reichstag so den Reichskanzler absetzen konnte, wieso hätte er denn das dann in dieser Zeit gemacht, ich meine, der Reichstag kann doch nicht gewollt haben, dass der Reichskanzler so oft wechselt, sodass sie ihn immer gleich abgesetzt hätten?

Mindestens drei Parteien hatten nicht wirklich ein Interesse daran, dass die Republik funktionierte.


weiß eigentlich einer, woher man im internet zeitungen von 1933 findet, die aus der "politischen Mitte" kommen oder die Gesinnung der DNVP oder des Zentrums vertreten?

Du verwechselst hier vermutlich die rechtsradikale (monarchistische) DNVP mit der konservativen DVP. (Siehe auch Harzburger Front)
Zeitungen, die die Weltsicht der DNVP spiegelten, wirst du sicher finden können, da dem DNVP-Politiker Hugenberg auch ein Medienkonzern gehörte.
Online dürfte es aber schwierig sein, Zeitungen aus der Zeit zu finden, da müsstest du eher in Zeitungsarchive gehen.

Für die Vorbereitung auf das Abi ist das allerdings nicht zu empfehlen.
 
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, zu antworten! :)

@thanepower: Ich meinte nicht, dass die DNVP und das Zentrum zur selben politischen Gesinnung gehören, ich meinte nur, ob jemand das vom zentrum, der Mitte oder der DNVP meint. Sollte nicht heißen, dass das alles dasselbe ist (wobei ich ja jetzt weiß, dass das Zentrum zur Mitte gehört).

Wollten also die parlamentsfeindlichen Parteien durch ihre "Mehrheitsverweigerung" erreichen, dass das System geändert wird, weil kein Reichskanzler so vor dem Reichstag bestand hatte, wenn nicht die Notverordnungen in Kraft traten?
 
Wollten also die parlamentsfeindlichen Parteien durch ihre "Mehrheitsverweigerung" erreichen, dass das System geändert wird, weil kein Reichskanzler so vor dem Reichstag bestand hatte, wenn nicht die Notverordnungen in Kraft traten?
Kann man verkürzt schon so sagen. Aber diese Parteien lehnten auch die konkrete Tagespolitik der Parteien der "Weimarer Koalition ab.
Zu den Präsidialkabinetten kam es aber auch deshalb, weil sich auch die Parteien der Weimarer Koalition immer wieder mal nicht auf eine gemeinsame Politik einigen konnten
Weimarer Koalition ? Wikipedia
Kabinett Müller II ? Wikipedia

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..ich meine, der Reichstag kann doch nicht gewollt haben, dass der Reichskanzler so oft wechselt, sodass sie ihn immer gleich abgesetzt hätten?..
Leider war es tatsächlich ungefähr so. Böse ausgedrückt: Wenn es keiner von uns sein darf oder einer der unsere Politik macht, dann auch kein anderer.
 
.Leider war es tatsächlich ungefähr so. Böse ausgedrückt: Wenn es keiner von uns sein darf oder einer der unsere Politik macht, dann auch kein anderer.

Diese Beurteilung übersieht eine Reihe wichtiger Rahmenbedingungen für die Koalitionsbildung.

So konstatiert Büttner in einer relativ neuen Abhandlung über Weimar, dass es eine einseitige Verkürzung der wissenschaftlichen Analyse von Weimar auf ihre Defizite hin gekommen ist.

Weimar: Die überforderte Republik - Ursula Büttner - Google Books

Nicht ausreichend wurde das demokratische Potential untersucht und dargestellt, dass bereits in der Frühphase ihrer Gründung angelegt war.

Neben diesem grundsätzlichen Defizit, das obiges Vor-Urteil teilweise spiegelt, übersieht es auch, dass die "Zwischenphase der WR von 1924 bis 1929, lediglich durch eine relative Stabilität gekennzeichnet waren.

Und eine Vielzahl außenpolitischer Herausforderungen m.E sehr gut gelöst worden sind, aber auch innenpolitisch zu einer verstärkten Polarisierung beitrugen, und im Bereich der Wirtschaftspolitik ebenfalls beachtliche Fortschritte erzielt wurden. Die ebenfalls die Ablehnung von Weimar durch die rechtsextremen, nationalen Kräfte verschärfte.

In dieser ausgesprochen angespannten politischen Situation, mit einem zunehmenden Druck aus dem linken und rechten Spektrum war die Konsensfähigkeit deutlich eingeschränkt.

Zumal der Konsens der demokratischen Parteien nicht ausschließlich dem Kriterium einer rationalen Politikformulierung zu gehorchen hattes, sondern ebenfalls deutlich der Mobilisierung der jeweiligen Parteigänger diente.

Vor diesem Hintergrund "lediglich" eine Vermutung über den "Dilettantismus der Weimarer demokratischen Politiker auszusprechen wird der komplexen Situation nicht gerecht.

Abschließend sei noch zusätzlich darauf hingewiesen, dass die Obrigkeitsstaatliche Organisation des Parteiensystems unter KW2 das Ausbilden einer demokratischen Parteienkultur nachhaltig behindert hat.

Und sich an diesem Umstand der abweichenden historischen Entwicklung der Parteienlandschaft und der Findung eines demokratischen Grundkonsenses der Unterschied zwischen dem britischen Meinungsbildungsprozess in dieser Phase der zwanziger und dreißiger Jahre und dem deutschen deutlich machen läßt.
 
Wenn der Reichstag so den Reichskanzler absetzen konnte, wieso hätte er denn das dann in dieser Zeit gemacht, ich meine, der Reichstag kann doch nicht gewollt haben, dass der Reichskanzler so oft wechselt, sodass sie ihn immer gleich abgesetzt hätten?

Hier muß man unterscheiden zwischen den Präsidialkabinetten Brünings und denen seiner Nachfolger von Papen und von Schleicher. Der Reichstag hätte Brüning jederzeit durch ein Mißtrauensvotum stürzen oder die zur Durchsetzung seiner Politik vom Reichspräsidenten erlassenen Notverordnungen aufheben können, was aber nicht geschah, weil die SPD den jeweiligen Anträgen von Kommunisten und Nationalsozialisten nicht zustimmte, also die Regierung Brünings zumindest tolerierte, ohne ihr anzugehören.

Bei von Papen und von Schleicher war die Sache anders. Ihre Kabinette wurden nicht mehr von der SPD toleriert, und nach den Wahlen von Juli 1932 hatten die beiden offen systemfeindlichen Parteien NSDAP und KPD zusammen eine negative Mehrheit und damit die Macht, jede Notverordnung wieder aufheben und jeden Kanzler durch Mißtrauensvotum stürzen zu können. Wie bereits erwähnt, reichte dazu eine "negative" Mehrheit, ohne dass, wie es im Grundgesetz der Bundesrepublik durch das Mittel des konstruktiven Mißtrauensvotums geregelt ist, ein anderer Kanzler an seiner Stelle gewählt werden muß.
 
So konstatiert Büttner in einer relativ neuen Abhandlung über Weimar, dass es eine einseitige Verkürzung der wissenschaftlichen Analyse von Weimar auf ihre Defizite hin gekommen ist.
...
Neben diesem grundsätzlichen Defizit, das obiges Vor-Urteil teilweise spiegelt, übersieht es auch, dass die "Zwischenphase der WR von 1924 bis 1929, lediglich durch eine relative Stabilität gekennzeichnet waren.

Gut, dass das mal wieder deutlicher formuliert wird!

Die differenzierte Betrachtung tritt indirekt auch der Tendenz entgegen, eine Einbahnstraße von Versailles zu Hitler "ohne Kreuzungen" zu unterstellen.

Die relative Stabilität 24/28 trifft es ebenso wie die positiven Feststellungen, überhaupt die Katastrophenjahre 19/23 überlebt zu haben. Die Überlebenschancen des kleinen Pflänzchens wurden jedenfalls durch die Weltwirtschaftskrise entscheidend eingeschränkt, nahezu zertreten. Bereits Bresciani-Turroni (The Economics of Inflation - A study of currency depreciation in post-war germany) bezeichnet Hitler als Kind (erst!) dieser Krise, Robbins zieht den Schluss: "Hitler is the foster-child of the inflation", ... und Bullock assistiert: "The real revolution in Germany was the inflation".
 
Ok, das mit der Unterstützung von Seiten der SPD verstehe ich jetzt besser. Das würde auch erklären, wieso Brüning im Vergleich zu von Papen und von Schleicher so lange im Amt war, denn dann musste der Reichstag nicht aufgelöst werden, was er ohnehin ja nur 60 Tage lang sein durfte.
Dass Hitler an so ein hohes Amt gelangen konnte, war ja nichts, das zwangsläufig passieren musste. Es gab ja auch viele Skeptiker. Denken Sie, dass es eine interessante Fragestellung wäre, wie gefährlich man Hitler einschätze oder ist diese Frage wenn man Meinungen der Liberalen, Kommunisten, Juden und der SPD untersucht (dazu habe ich Zeitungsartikel gefunden) eher langweilig, da man lediglich verschiedene Stufen von gefährlich bis sehr gefährlich aufzeigen kann?
 
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