Französische Revolution- eine Notwendigkeit?

Weiß jemand etwas über die Umstände der Mißernten und inwiefern auch andere europäische Gebiete betroffen waren?

Das ältere Werk von See, Französische Wirtschaftsgeschichte Band 1, schiebt die Missernten weniger auf klimatische Verschlechterungen (die Niederlande und Großbritannien steigerten ihre Produktion im gleichen Zeitraum, allerdings auch aufgrund von Innovationen in der Bewirtschaftung), sondern auf den langsamen Niedergang bzw. regional auch den Zusammenbruch der Höfe, die durch schwere Steuerbelastungen und dadurch bedingte Verschlechterungen der Ausrüstungen (Zugtiere etc.) geprägt waren. Also demnach: jahrelange Auszehrung.

Landesweite Erntedaten sind mir nicht geläufig. Wenn man da weiterkommen will, muss man wohl einzelne Regionen, Höfe, etc. betrachten, von denen die Entwicklung dokumentiert ist.
 
Das ältere Werk von See, Französische Wirtschaftsgeschichte Band 1, schiebt die Missernten weniger auf klimatische Verschlechterungen (die Niederlande und Großbritannien steigerten ihre Produktion im gleichen Zeitraum, allerdings auch aufgrund von Innovationen in der Bewirtschaftung), sondern auf den langsamen Niedergang bzw. regional auch den Zusammenbruch der Höfe, die durch schwere Steuerbelastungen und dadurch bedingte Verschlechterungen der Ausrüstungen (Zugtiere etc.) geprägt waren. Also demnach: jahrelange Auszehrung.

Landesweite Erntedaten sind mir nicht geläufig. Wenn man da weiterkommen will, muss man wohl einzelne Regionen, Höfe, etc. betrachten, von denen die Entwicklung dokumentiert ist.

Ja ,die Steuern und das Wetter.Frankreich war eigentlich schon nach dem Louis XIV bankrott.

http://fr.wikipedia.org/wiki/Histoire_de_l%27imposition_en_France
 
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Ja ,die Steuern und das Wetter.Frankreich war eigentlich schon nach dem Louis XIV bankrott.

Dafür wurde dann aber im Siebenjährigen Krieg, im anschließenden (auch maritimen) Rüstungswettlauf und im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg recht viel Geld ausgegeben. ;)

Die Qualifikation "bankrott" sollte man vermeiden. Hier ging es um die Zuspitzung der finanziellen Lasten aus den Staatsdefiziten, ihrer "Umlage" auf die Bevölkerung, und den Beitrag zur Entwicklung bis 1789.
 
Dafür wurde dann aber im Siebenjährigen Krieg, im anschließenden (auch maritimen) Rüstungswettlauf und im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg recht viel Geld ausgegeben. ;)

Die Qualifikation "bankrott" sollte man vermeiden. Hier ging es um die Zuspitzung der finanziellen Lasten aus den Staatsdefiziten, ihrer "Umlage" auf die Bevölkerung, und den Beitrag zur Entwicklung bis 1789.


Man kann ja Schulden machen.Das hört man heute noch.:pfeif:
 
Danke für die Hinweise Isleifson und Silesia.

Es interessiert mich auch deshalb, weil in diese Zeit auch die Dritten Schwabenzüge fallen (Familiengeschichte).

Das mit der "kleinen Eiszeit" hab ich auch gelesen in Wiki, hab da aber meine Zweifel. Denn zum einen war die ja schon eine Weile her, wenn man sich die globalen Klimadaten ansieht. Zum anderen sind ja stets erhebliche lokale Abweichungen vorhanden.
Zudem gab es ja erst wenige Jahre vorher so gute Ernten, dass Wein- und Getreidepreise fielen (sofern man dieser Quelle folgt, die ich leider nicht direkt beurteilen kann).
Es gibt auch Quellen die sagen, dass ein El Nino Ereignis Einfluß hatte.

Silesia
...sondern auf den langsamen Niedergang bzw. regional auch den Zusammenbruch der Höfe, die durch schwere Steuerbelastungen und dadurch bedingte Verschlechterungen der Ausrüstungen (Zugtiere etc.) geprägt waren. Also demnach: jahrelange Auszehrung.
Wenn dem so ist, dann verstehe ich nicht warum die Getreidepreise seit 1781 zurückgingen und bis 1787 niedrig waren.

Jetzt hab ich umeinandgestöbert und leider zu den lokalen Klimadaten nix gefunden was für einen Überblick taugen könnte.
Es gibt wohl zu dieser Zeit auch keine systematischen Wetteraufzeichnungen.

Jetzt weiß ich also immer noch nicht, warum es die Mißernte im Vorjahr der französischen Revolution gab und welche Gebiete sonst noch betroffen waren.
:weinen:
 
Man kann ja Schulden machen.Das hört man heute noch.:pfeif:

Nein. Wirtschaftlich bankrott ist man, wenn man keine neue Schulden mehr machen kann. Hätte Louis XVI. noch welche machen können, hätte er die Generalstände nicht einberufen müssen, und es hätte keine Revolution gegeben.

Deshalb hatte es auch so lange gedauert, dass die nicht mehr getagt hatten. Jeder König wusste, dass er seine absolute Macht zumindest gefährdete, wennn nicht aufgab, wenn er dies tat. Die Situation muss aus finanzieller Sicht wirklich, wirklich mies gewesen sein, bevor das auch nur in Erwägung gezogen wurde.

Insofern als verspätete Antwort auf die ursprüngliche Thread-Frage: In der Situation waren grundsätzliche Änderungen notwendig, da die bisherige Verfassung 1789 finanziell tatsächlich bankrott war; weiter wirtschaften wie bisher war schlicht nicht möglich. Alles weitere ist dann nicht kaufmännische, sondern historisch...
 
Wenn dem so ist, dann verstehe ich nicht warum die Getreidepreise seit 1781 zurückgingen und bis 1787 niedrig waren.

Bei Mager finden sich eine Reihe von Tabellen zur Entwicklung der Bevölkerung, den Ernteerträgen und der entsprechenden Preisbildung bei Getreide (S. 47 ff).

Frankreich vom Ancien Régime zur Moderne: Wirtschafts-, Gesellschafts- und ... - Wolfgang Mager - Google Books

Zumindest für Toulon zeigt er beispielsweise, dass es einen deutlichen positiven langfristigen Trend bei der Preisentwicklung zwischen 1700 und 1800 gab.

Und zumindest für Toulon kann man diese negative Entwicklung des Preises zwischen 81 und 87 nicht erkennen.

Insgesamt sind die Hektarerträge in Frankreich in diesem Zeitraum durchaus angewachsen, allerdings wuchsen sie nicht in dem Maße wie die Bevölkerungsentwicklung. Und gerade die Bevölkerungsentwicklung setzte insbesondere Frankreich massiv unter einen demographischen Druck.

Aus diesem Verhältnis wird die Entwicklung des Preises erklärt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Malthusianische_Katastrophe
 
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thanepower,

Danke für den Hinweis.

Es ist wohl so, dass zwischen 1700 und 1789 die Einwohnerzahl Frankreichs von 20 auf 28 Mio stieg und gemäß dieser Quelle die Bevölkerung in den Städten im Vergleich zur Landbevölkerung "1740 und 1800 vier bis sechsmal stärker wuchs".
Na, da wird vielleicht auch eine schlechte Ernte zur sehr schlechten..

Leider ist das Buch von Mager auf Googlebooks nicht wirklich verfügbar.
 
Diskutiert wird in Frankreich z.Z.auch viel die Auswirkungen vom Vulkanausbruch auf Island einige Jahre vor der Revolution.


Und dann natürlich sehr kontrovers und sehr aktuell die Thesen vom letzten franz.Meisterdenker Emmanuel Todd.

Er behauptet vereinfacht folgendes-Revolutionen sind die Folge der Massenalphabetisierung,bei mehr als 50% Alphabeten kracht es!Es hat das anhand der franz.Revolution und der russischen Revolution nachgewiesen.


Emmanuel Todd - Wikipédia
 
Diskutiert wird in Frankreich z.Z.auch viel die Auswirkungen vom Vulkanausbruch auf Island einige Jahre vor der Revolution.

Und dann natürlich sehr kontrovers und sehr aktuell die Thesen vom letzten franz.Meisterdenker Emmanuel Todd.

Er behauptet vereinfacht folgendes-Revolutionen sind die Folge der Massenalphabetisierung,bei mehr als 50% Alphabeten kracht es!Es hat das anhand der franz.Revolution und der russischen Revolution nachgewiesen.
Sicherlich kann man über vieles diskutieren, die im Ancien Régime bestandende Bevölkerungs- und Eigentumsstruktur und deren sozialen Wirkungen wird man deshalb nicht "wegdiskutieren" können:

Zunächst ein paar Zahlen zur Landbevölkerung:

Gesamt: 21,5 Millionen
Großbauern, dörfliche Oberschichten: 3,4
Kleinbauern: 8,6
Gesinde, Tagelöhner, ländl. Proletariat: 9,5

In den (geschätzten) Zahlen sind die großen Grundbesitzer nicht enthalten!

Der ländliche Grundbesitz verteilte sich mit 10 % auf den Klerus, 20 % auf adlig. Grundherren und 30 % auf großbürgerl. Grundherren. Nur 35 % des Landbesitzes verteilte sich auf die Landbevölkerung, wobei noch anzumerken ist, dass "diese Flächen aus schlechten Böden bestanden, ungünstig gelegen und dazu wegen der vielfach bestehenden Realteilungsregel im Erbfall stark parzelliert waren." Von diesem Land besaß die Schicht der Großbauern wiederum den Löwenanteil. "In nicht wenigen Fällen musste sich "die Masse der Bauern mit Gütern von 2 ha oder weniger begnügen und vermochte nur dann ihr Leben zu fristen, wenn sie sich zusätzlich anderswo verdingte."
Das Mißverhältnis wird im Vergleich mit den westelbischen Gebieten deutlich, wo "die westdeutschen Bauern oft mehr als 90 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche zu Mit- und Untereigentum innehatten."
Es bestand in Frankreich also Landarmut, eine "der wesentlichen Ursachen für den bedeutsamsten sozialen Konflkt am Ende des Ancien Régime."

Grüße
excideuil

Quelle:
Michael Erbe: Die gesellschaftlichen Konflikte und der Ausbruch der Französischen Revolution, in:
Malettke, Klaus (Hrsg): Soziale und politische Konflikte im Frankreich des Ancien Régime – Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin Bd. 32, Colloquium Verlag, Berlin, 1982, Seiten 101-124
 
Es bestand in Frankreich also Landarmut, eine "der wesentlichen Ursachen für den bedeutsamsten sozialen Konflkt am Ende des Ancien Régime."

Richtig, auf dieses strukturelle Problem als Voraussetzung für die Bauernaufstände zu diesem Zeitpunkt weisen auch Milward und Saul in dem Kapitel "The Economic Causes of the French Revolution" (S. 256ff) hin.

The economic development of continental Europe, 1780-1870 - Alan S. Milward, S. B. Saul - Google Books

Und sie führen ebenfalls das Argument aus, dass durch die Bindung von Budget für den Erwerb des teuren Brotes, die entsprechenden Budgets für andere Güter nicht zur Verfügung standen. Und dieses hat vor allem auch die Handwerker in Paris vor das Problem der fallenden Nachfrage = Einkommen gestellt. Und diese Gruppe dann auch politisch mobilisiert.

Und so ergab sich eine kausale Abfolge, die zusammen mit anderen Faktoren die ersten Schritte in Richtung Revolution begünstigt haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und sie führen ebenfalls das Argument aus, dass durch die Bindung von Budget für den Erwerb des teuren Brotes, die entsprechenden Budgets für andere Güter nicht zur Verfügung standen. Und dieses hat vor allem auch die Handwerker in Paris vor das Problem der fallenden Nachfrage = Einkommen gestellt.

Und so ergab sich eine kausale Abfolge, die zusammen mit anderen Faktoren die ersten Schritte in Richtung Revolution begünstigt haben.
Dies findet bei Erbe "auch" mit Zahlen statt:

Die Ausgaben einer Handwerkerfam. vor der Revolution:
50 % für Brot
16 % für and. Nahrungsmittel und Wein
10 % für Bekleidung
6 % für Heizung und Beleuchtung
Vor dem Hintergrund wird deutlich, was ein plötzlich höherer Getreide/Brotpreis bedeutet, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass ein hoher Preis die Masse der Bevölkerung traf, da nur ein sehr kleiner Teil über den eigenen Bedarf hinaus produzieren konnte.

Grüße
excideuil

Quelle: #36 ebenda
 
was ein plötzlich höherer Getreide/Brotpreis bedeutet, ...

Völlig richtig, wobei anzumerken ist, dass ähnliche Ausgabenstrukturen mit dem hohen Anteil für Nahrungsmittel vor und nach der Revolution, aber auch in anderen Ländern festzustellen sind.

Wenn Du oben die Tabellen im verlinkten Aufsatz durchsiehst, sind bemerkenswerte Getreidepreis-Steigerungen 1783/84 bis 1789 ausgewiesen. Diese wiederum lagen an unzureichenden Erträgen, zu trockene Sommer, zu kalte Winter.

Ein Nachsatz bzgl. der Verschuldung und der Staatsausgaben: verschiedene Autoren sprechen in Bezug auf die Französische Revolution von einem "Januskopf" des Staatsdefizits, jedenfalls soweit es um die binnenwirtschaftlich wirksamen Ausgaben geht (abzutrennen sind zB die Staatsausgaben für die Stützung des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges).

Hier wurde für inländisches Einkommen gesorgt (ohne jetzt Keynesianische Multiplikatoreffekte zu strapazieren), wobei diese "Quelle" mit den Einschränkungen der Staatsausgaben schrumpfte.

Es gilt also, wie auch schon von Euch betont, eine Vielzahl von Faktoren zu beachten: neben den Eigentumsverteilungen die Preise, Löhne, Bevölkerungswachstum, Getreidepreise, landwirtschaftliche Produktivitäten, staatliches Ausgabeverhalten usw. Diese Gemengelage spitzte sich in den 1780ern fortlaufend zu, und bekam offenbar durch die (relativen) Missernten zusätzliche Dynamik.
 
Diese Zahlen in allen Ehren,aber soche Situationen gab es auch schon früher.Das hat dann zu Bauerrevolten geführt und nicht zu fundamentalen Umwälzungen wie die franz.Revolution.

Daher das grosse Interesse an den Thesen von Todd ,das eben eine gewissene Massenalphabetisierung zu einem Umsturz führt.Todd weist das in seinen Werken anhand von genauen Zahlen nach.Am Beispiel der franz.Revolution und der russischen Revolution.


http://www.geschichte-luzern.ch/sites/default/files/Tagi 16.7.2011 Der Vermesser der Zukunft.pdf
 
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