Frauen in der NS-Ökonomie und Rüstungswirtschaft

thanepower

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Ein Aspekt kommt mir bei diesem Diskurs etwas zu kurz, vllt. nur gefühlt - mangels Themenkenntnis -, und zwar die ökonomische Rolle der Frau, auch schon vor Kriegsbeginn (z.B. Bäuerinnen) und selbstverständlich während des Krieges. Die Arbeit der Frauen, auch wenn tw. zwangsverpflichtet, spielte in der Kriegswirtschaft eine bedeutende Rolle.

Möchte auf den wirklich guten Reader von Sösemann hinweisen, in dem Gisela Bock einen lesenwerten Überblick über die Rolle der Frau im NS-System bietet (S. 188ff).

In Fortführung der Darstellung von Ursi in #1 bietet sie eine Übersichtsdarstellung der sehr unterschiedlichen Themenkreise an, die die Frauenforschung bearbeitet und geht auch dezidiert auf die zentrale Rolle im Rahmen der Wirtschaft ein.

Im weltweiten Vergleich lag die Beschäftigung von Frauen in der Wirtschaft im NS-Deutschland 1943, auf dem Höehepuntk des Krieges, bei 45 Prozent. In England lag sie bei 37 Prozent und in den USA bei 37 Prozent (Bock, S. 199).

An diesen Punkten kann man bereits sehr deutlich das Spannungsverhältnis einer NS-Ideologie erkennen, die den Frauen traditionelle Rolle im Rahmen der Familie zuordnet und den Erfordernissen eines Staates, der einen totalen Krieg führte.

Und die Frauen im NS-System, ähnlich wie die Männer, den Zielen des Systems dienten. Manche mit Begeisterung, manche mit einer neutrale Resignation und wenige mit aktivem Widerstand.

Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft: Einführung und Überblick - Google Books

Eine spannende Frage für mich wäre, welche Rolle die Frauen im "linken" Widerstand gespielt haben. Also im Bereich der Sozialdemokratie oder bei der KPD. Haben sie die milieugebundene Widerstandskultur mit getragen, sie aktiv organisiert oder tendenziell dagegen gearbeitet?
 
Im weltweiten Vergleich lag die Beschäftigung von Frauen in der Wirtschaft im NS-Deutschland 1943, auf dem Höehepuntk des Krieges, bei 45 Prozent. In England lag sie bei 37 Prozent und in den USA bei 37 Prozent (Bock, S. 199).

Die Zahlen sind richtig, bedürfen aber einer inhaltlichen Interpretation.

Es handelt sich hier um die Kennzahl der relativen Beschäftigung von Frauen, die in der Interpretation unbedingt vom gesamten nominellen "Mobilisierungsgrad" für die Kriegswirtschaft zu unterscheiden ist.

Zu den Zahlen:

Die Gesamtbeschäftigung von Frauen betrug 1939 rd. 14,6 Mio., dann 31.12.1942 (worauf sich oben die Kennzahl von 45-46% bezieht) rd. 14,3 Mio. (!), Ende 1944 rd. 14,8 Mio. (51,1%). Im Rahmen des inzwischen "totalen Krieges" ergeben sich keine relevanten Veränderungen gegenüber 1939.

Hieraus wird deutlich, dass das Deutsche Reich keine relevante Mobilisierung des Frauen-Arbeitskräftepotenzials für die Steigerung in der Kriegswirtschaft vorgenommen hat.

Die ansteigenden Prozentzahlen ergeben in der Interpretation nur den Sinn, dass durch die Millionen-Einziehungen von Männern zur Wehrmacht etc. der Frauenanteil relativ angestiegen ist.

Völlig anders ist die Vergleichsgröße in Großbritannien zu interpretieren: hier lag eine zusätzliche nominale Mobilisierung des Frauen-Arbeitskräftepotenzials (gemessen an der verfügbaren weiblichen Bevölkerung) vor.

Damit kehrt sich die Interpretation der oben angeführten relativen Kennzahlen in ihrem Aussagegehalt um! Die Verpflichtungslage "auf dem Papier" und in der verbreiteten Propaganda, Frauen zur Kriegswirtschaft zu ziehen, wurde in der Praxis nicht realisiert, bzw. erfolgte in der Realität in schwächerem Umfang als zB bei den Westalliierten (von dem Mobilisierungsgrad in der SU mal ganz abgesehen).

Dazu kommt ein weiterer Problemkreis: von den zitierten 14,8 Mio. weiblichen Arbeitskräften 1944 entfielen 5,7 Mio. auf die Landwirtschaft (ggü. 6,0 Mio. in 1939). Der "Nettoeffekt" - sozusagen Umgliederungen in die militärrüstungs-industriellen-verwaltungsbezogenen Komplexe der Volkswirtschaft betrug rd. 0,3 Mio., davon nur rund 100.000 in die Industrie-Transport-Komplexe (1939: 4,0 Mio. Frauen, 1944: 4,1 Mio. Frauen), dagegen ergab sich ein Anstieg von 0,4 Mio. in der "militärischen Verwaltung" im weitesten Sinn.

Ergebnis:
Für die industriellen-rüstungsrelevanten Bereiche ist keine Mobilisierung von Frauen im NS feststellbar. Diese Mobilisierung ist dagegen in Großbritannien und den USA in großem Umfang gelungen.

Für den Quellen-Nachweis: Reichsstatistiken verwertet und abgedruckt in USSBS E3-European War-Office of the Chairman-The Effects of Strategic Bombing on the German War Economy, dort diverse Tabellen im Statistischen Anhang.

Falls das interessiert, kann ich gerne die exakten Zahlen und Grafiken hier einstellen. Hierzu USSBS E3/Appendix4:
 

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Die ansteigenden Prozentzahlen ergeben in der Interpretation nur den Sinn, dass durch die Millionen-Einziehungen von Männern zur Wehrmacht etc. der Frauenanteil relativ angestiegen ist.

...

Die statistischen Daten sind valide, die Interpretation m.E. schlüssig.

Allerdings eröffnet sich mir nunmehr ein "Ressourcenpotentialdilemma" (<= scheußliche Wortkombination).

Wir haben einerseits eine leistungsfähige Kriegsproduktion, zumindest bis 1944, andererseits eine Abnahme der männlichen Beschäftigten infolge verstärkter Einziehungen zum Wehrdienst, einen mindestens seit 1944 erfolgenden Verlust der Rückgriffsmöglichkeiten auf wirtschaftliche Potentiale besetzter Gebiete. Eine Kompensation dieses Dilemmas alleine durch "Zwangs- bzw. Sklavenarbeit" ist, wissend um die mangelnde Produktivität dieser Art von "Arbeit", schwer vorstellbar.

Können wirklich Arbeitsproduktivitätssteigerungen bzw. Steigerungen der Arbeitsintensität einen derartigen "Produktionsschub" (längere Arbeitszeiten, bzw. Normerhöhungen etc.) erzielt haben?

M.

P.S.: Sorry, ursi, das Thema ist weitab vom Thread.
 
Allerdings eröffnet sich mir nunmehr ein "Ressourcenpotentialdilemma" (<= scheußliche Wortkombination).

Wir haben einerseits eine leistungsfähige Kriegsproduktion, zumindest bis 1944, andererseits eine Abnahme der männlichen Beschäftigten infolge verstärkter Einziehungen zum Wehrdienst, einen mindestens seit 1944 erfolgenden Verlust der Rückgriffsmöglichkeiten auf wirtschaftliche Potentiale besetzter Gebiete. Eine Kompensation dieses Dilemmas alleine durch "Zwangs- bzw. Sklavenarbeit" ist, wissend um die mangelnde Produktivität dieser Art von "Arbeit", schwer vorstellbar.

Können wirklich Arbeitsproduktivitätssteigerungen bzw. Steigerungen der Arbeitsintensität einen derartigen "Produktionsschub" (längere Arbeitszeiten, bzw. Normerhöhungen etc.) erzielt haben?

Ich bin mir nicht ganz sicher, den Hinweis bzw. das Problem richtig verstanden zu haben:

Geht es Dir um einen Ansatz, der den Arbeitskräfteeinsatz (inkl. seiner oben aufgezeigten strukturellen Veränderungen) in einen plausiblem Kontext zum Produktions- und Rüstungsanstieg setzt, sozusagen den mengenmäßigen Output erklärt?

Steht dahinter die Prämisse, aufgrund dieser Verschiebungen im Arbeitskräftepotenzial zunächst von einer negativen Wirkung im Hinblick auf den mengenmäßigen Output auszugehen und demnach nach "überkompensierenden" Einflussfaktoren zu suchen?
 
...
Steht dahinter die Prämisse, aufgrund dieser Verschiebungen im Arbeitskräftepotenzial zunächst von einer negativen Wirkung im Hinblick auf den mengenmäßigen Output auszugehen und demnach nach "überkompensierenden" Einflussfaktoren zu suchen?

Genau, das ist der Punkt, diese scheinbare "Überkompensierung" und realiter erreichte Überkompensierung.

M. :winke:
 
Genau, das ist der Punkt, diese scheinbare "Überkompensierung" und realiter erreichte Überkompensierung.

M. :winke:

Danke.:winke:

Das ist mE eine höchst komplizierte Fragestellung, in Verbindung mit den strukturellen Verschiebungen im arbeitskräfte-Potenzial.

Herangehen könnte man folgendermaßen:

(erster Schritt: ) zunächst einmal müsste man den "Output" definieren, also vermutlich auf die Industrie- und Rüstungsproduktion begrenzen. Dann kann man diesbezüglich die
a) Ausstattung dort mit Arbeitskräfte
b) Ausstattung mit Fertigungskapazitäten
c) Ausstattung mit Raumkapazitäten

untersuchen. Ich vermute, dass das in den Zuordnungen "Überraschungen" gibt.

(zweiter Schritt: ) man könnte "Schlüsselindustrien" (oder noch tiefer: "Schlüsselbetriebe") untersuchen. Dabei würde ich a priori einschätzen, dass die Entwicklungen sehr unterschiedlich sind. Beispiel: Messerschmidt: hier spielen die Investitionen bzgl. Fertigungskapazitäten und die Fremdarbeiter vermutlich die entscheidende Rolle, mehr als die Arbeitskräfte-Mobilisierung betr. weibliche Arbeitskräfte. Andere Betriebe werden vermutlich ein anderes Bild aufweisen. Ebenso wird es branchenbezogene Unterschiede geben: andere Entwicklungen in montagelastiger Fertigung als zB Munitionsindustrie. Oder die Organisation Todt als Schlüssel für die Raumkapazitäten: dort spielten weibliche Arbeitskräfte kaum eine Rolle. Statistiken müsste ich heraussuchen.

Worauf das abzielt: neben den Feststellungen oben zur Gesamtzahl der Mobilisierung weiblicher Arbeitskräfte (erste "Relativierung") würde ich den Thesen zuneigen, dass (a) weibliche Arbeitskräfte nicht gleichförmig im s.g. "Rüstungswunder" beteiligt waren bzw. (b) in Schlüsselsektoren überhaupt keine Rolle spielten.

Schließlich wird die Fragestellung durch die Einflüsse der Zwangsarbeit verkompliziert, durch die Auswirkungen des Bombenkrieges, durch Standardisierung, Werkzeugmaschinenkapazitäten etc. Ich vermute, dass der Schwerpunkt des Beitrages weiblicher Arbeitskräfte in Versorgung und in eher rüstungsfernen Betrieben lag (insofern dort aber Lücken füllten, die ansonsten hätten besetzt werden müssen, sozusagen eine indirekte Auswirkung).
 
Zuletzt bearbeitet:
@silesia

Das es da große statistischen Unschärfen gibt, Du benanntst (Zwangsarbeit, den Bombenkrieg etc.). Subsumierst Du unter "Zwangsarbeit" auch die Arbeit die die KZ-Häftlinge leisten mussten.

Trotz dieser Unschärfen wären Statistiken mit einigermaßen harmonisierten Erfassungsgrundlagen und Auswertungsmethoden eine "Steilvorlage".

Ich denke, muß aber nochma nachschauen, das Statistische Jahrbuch stoppte spätesten mit der Ausgabe 194/1942; mit alliierten Archiven kenne ich mich nicht aus.

M.
 
@silesia
Das es da große statistischen Unschärfen gibt, Du benanntst (Zwangsarbeit, den Bombenkrieg etc.). Subsumierst Du unter "Zwangsarbeit" auch die Arbeit die die KZ-Häftlinge leisten mussten.
Trotz dieser Unschärfen wären Statistiken mit einigermaßen harmonisierten Erfassungsgrundlagen und Auswertungsmethoden eine "Steilvorlage".
Ich denke, muß aber nochma nachschauen, das Statistische Jahrbuch stoppte spätesten mit der Ausgabe 194/1942; mit alliierten Archiven kenne ich mich nicht aus.

Zu den Fragen:

1. ich würde zunächst darunter nur die direkten Beschäftigten in den Industrieunternehmungen erfassen, die abgestellt worden und in den Werkstatistiken erfasst sind. Also keine Zulieferbetriebe aus den SS-Wirtschaftsbereichen.

2. von den Alliierten ist das Jahrbuch 41/42 in reduziertem Umfang in einer (Gesamt-)Ausgabe 1928/44 fortgeführt worden. Daneben gibt es die Statistik der Deutschen Industrie 1939/45 von Wagenführ.

3. Basis der Branchenstatistiken und der Betriebsstatistiken sind die USSBS, mE in der Literatur bislang nicht umfassend, sondern nur punktuell ausgewertet. Die liegen mir zu vielen rüstungsrelevanten Großbetrieben und Branchen vor.

Insgesamt ist das für ein Forum nicht handhabbar. Vielleicht könnte man exemplarisch mal einen Fall angehen.
 
...Insgesamt ist das für ein Forum nicht handhabbar. Vielleicht könnte man exemplarisch mal einen Fall angehen.

@silesia

Hab vielen Dank!

Der Meinung bin ich auch.

Ich werde mal schauen, ob es nicht eine firmengeschichtliche Aufarbeitung eines "Schlüsselbetriebes" gibt, vllt. IG Farben (?), mal schauen, da müßte es eigentlich firmengeschichtlich ausgerichtete Publikationen bzw. Dissertationen geben.

M.
 
Ich gebe mal ein Beispiel, Hanomag AG Hannover, USSBS E 107 European War-Munitions Division-Hannoverische Maschinenbau AG, Hanover, Germany, Exhibit L:

[die Entwicklung ist aufschlussreich für die Mobilisierungsvorgänge und die Bedeutung des Ost-Feldzuges, spiegelt aber auch dessen Verlauf, zB den "Männerbedarf" 1941/42 und 1942/43 nach Stalingrad etc.)
 

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@silesia

Sorry, wegen der Responsezeit und danke für die Statistik der Hanomag, ein wirklicher „Schlüsselbetrieb“.

Mir fällt folgendes auf, ob das extrapolierbar ist, kann ich nicht beurteilen.

ad 1)

Die Beschäftigtenquote von Frauen steigt von 08/1939 bis ca. 12/1943 resp. Anfang 1944 signifikant an und fällt dann, eigentlich mitten im „Totalen Krieg“, rasant ab.

Die statistische Variation dabei ist sehr hoch, ca. 40 bis 45%.

ad 2)

Es besteht keine Korrelation der Beschäftigungsquote von Frauen mit der letzten Spalte „Men in the service of the Wehrmacht“. Was eigentlich zu erwarten gewesen wäre.

ad 3)
Eine derartige Korrelation besteht aber mit der Zunahme der Beschäftigten der Hanomag aus den Bereichen POW’s and Civilian Foreigners.

ad 4)
Die statistische Variation der gesamten Beschäftigten der Hanomag ist während des Krieges relativ gering, ca. 10%, Spalte „Total“.

Wenn man jetzt noch eine Absatzstatistik hätte, wäre die Fragestellung noch prononcierter.

Unterstellt, dass „Zwangsarbeit“ weniger produktiv ist, obwohl die Korrelation mit dem Ersatz der deutschen Männer, die eingezogen wurden, in absoluten Zahlen einigermaßen übereinstimmt – was war dann die Grundlage des sog. „Rüstungswunder“?

A)
Steigerung der Arbeitsproduktivität? Das müsste man aber anhand von gestiegenen Nettoinvestitionen in das Anlagevermögen der Hanomag nachweisen, insbesondere der Bilanzposition „Maschinen und Anlagen“. Ich weiß nicht, ob man das kann. Vllt. hast Du hier Geschäftsberichte.

B)
Steigerung der Arbeitsintensität, also Verlängerung des „Normalarbeitstages“, ich wäre mir nicht sicher, ob das derartig signifikant wäre.

Bislang lautet bei mir hier die Arbeitshypothese, nicht „Rüstungswunder“ sondern „Produktivitätswunder“.

M.
 
Hallo Melchior,

auf die Hinweise kann ich eingehen, der Output von Hanomag und auch die Ausrüstungsinvestitionen und Flächenkapazitäten sind im USSBS verzeichnet.

Damit haben wir Arbeit, Boden und Kapital komplett:D

Außerdem habe ich im Wagenführ nachgeschlagen. Dort sind die zusätzlich nach den Branchen aufgegliedert (oben war lediglich die Gesamtbeschäftigung). Quelle ist die Reichswirtschaftsgruppe Industrie mit ihren Statistiken.

Ich komme darauf zurück. Es spricht einiges für Deine These "Produktivitätswunder".
 
hier der Output (ohne Hülsenringe etc.):

Produktionsdaten Geschütze
39 88/150mm: 326 ---- 210/280mm: 25
40 88/150mm: 474 ---- 210/280mm: 113
41 105/150mm: 355 ---- 210/280mm: 122
42 105/150mm: ??? ---- 210/280mm: ???
43 100/105See/128mm: 352 ---- 210/380mm: 132
44 105/128mm: 328 ---- 210mm: 129

Erläuterungen:
1941: 88mm-Produktion verlagert
1942: keine Daten
1943: komplett neues Programm: 100mm/128mmFlak/105mmSee/380mm


Produktionsdaten Granaten:
 

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und der Rest (Quelle USSBS E107 - siehe oben - HanomAG Hannover
 

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@ silesia

Erst einmal danke für die Statistiken – immerhin!

Ich möchte meinen Versuch der Interpretation aufteilen:

ad 1) Geschütze
ad 2) Granaten

Ich kenne die Erhebungs- und Verdichtungsgrundsätze der Statistiken nicht (statistical computations). Insbesondere kann ich mit den Angaben zu den „un-productive hours of man“ nichts anfangen. Daher nehme ich nur Bezug auf die statistischen Werte der „productive hours of man“.

Darüber hinaus muß ich mit Annahmen arbeiten, da das vorliegende Mengengerüst hierzu selbst nichts aussagt.

Annahmen:

1) Die Produktionsumstellung von 8,8 cm Geschützen auf Geschütze mit größerem Kaliber, könnte zu einer Veränderung des Werkzeugmaschinenparkes der Hanomag geführt haben. Eine Veränderung wäre dann eine Modernisierung (Stand 1940/1941). Wäre nur klärbar, über eine Auswertung der Nettoinvestitionen, Aktivaposition „Maschinen und Anlagen“.
2) Die Kaliberumstellung mag zwar technisch-technologische Probleme generiert haben, aber ich nehme an, dass die Arbeitszeit pro Geschütz nicht Kaliber abhängig war, sondern vielmehr, zugegeben mit einer gewissen Unschärfe behaftet, identisch blieb bzw. durch produktivere Werkzeugmaschinen (Stand 1940/41) kompensiert wurde.

Soweit d’accord?

Aus der Auswertung der Arbeitskräftestatistik w.o. war zu konstatieren, dass die statistische Variation ab 8/1939 relativ gering war ca. 10%. Weiter war zu konstatieren, dass die Kompensation der „men in the service of the Wehrmacht“ nicht durch „Frauenarbeit“ erfolgte, vielmehr nahm ab ca. 1944 der Frauenanteil an den Beschäftigten der Hanomag signifikant ab, sondern vielmehr durch POW’s und Civilian foreigners kompensiert wurde. Unterstellt, daß diese Arbeitergruppe pro Kopf unproduktiver war als deutsche Arbeiter, wäre das ein erstes Anzeichen einer Überkompensation.

Rechnet man die Geschützproduktion der Hanomag aus dieser Statistik zusammen, ergibt sich folgendes Bild:

1939 351
1940 587
1941 477
1942 k.A.
1943 484
1944 457

Diese Werte zeigen einen relativ konstanten Absatz an Geschützen der Hanomag (Ausnahme 1940, kurz vor der Produktionsumstellung, könnte dort auf einen fertigungstechnischen Höchststand bei der „alten“ Produktpalette hinweisen oder auf Sonderfaktoren die ich nicht kenne).

Das wäre ein zweites Zeichen für Überkompensation.

Ein drittes Anzeichen einer Überkompensation ist der Anstieg der Werte in der Spalte „Losses in production due to“. Weder die Ausfallzeiten wegen Alarmes noch die wegen „demage“ oder „sickness“ (<= hier allerdings erst späte statistische Erfassung) haben offensichtlich Einfluß auf das absolute Produktionsergebnis.

Da die Umstellung auf größere Kaliber bereits in 1940/41 erfolgte kann man m.E. einen Produktivitätsschub in 1943/44 nicht durch produktivere Werkzeugmaschinen in der Geschützproduktion der Hanomag erklären.

Was sich m.E. als Erklärungsansatz anböte, wäre ein verbesserter technologischer Ablauf und eine Straffung der Arbeitsorganisation für diese drei zu konstatierende Anzeichen einer Überkompensation.

Hinsichtlich der Hanomag vermag ich bei der Geschützproduktion kein „Rüstungswunder“ erkennen, da die absoluten Absatzzahlen konstant blieben, wohl aber ein „Produktivitätswunder“.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hinsichtlich der Hanomag vermag ich bei der Geschützproduktion kein „Rüstungswunder“ erkennen, da die absoluten Absatzzahlen konstant blieben, wohl aber ein „Produktivitätswunder“.

Das sehe ich auch so.

Zu den aufgeworfenen Fragen:

1. Werkzeugmaschinen:
Intensiv habe ich mich mit der Frage im Bereich der Luftrüstung beschäftigt, und dann dazu mit dem Werkzeugmaschinenproblem.

Alle Vergleiche mit GB/USA ergaben, dass der deutsche Werkzeugmaschinen-Einsatz "kleinteilig" war, was insbesondere an der Kennzahl Arbeitskräfte/Werkzeugmaschinen ablesbar war, rund das Doppelte in USA/GB.

Der "typisch deutsche" WZM-Einsatz kann wie folgt beschrieben werden: kleinere Aggregate, flexible Linien, größerer Personaleinsatz (in den Betrieben, nicht pro WZM!), fehlende Standardisierung (erst ab 1943), Engpässe in den Investitionen, höhere Rüstzeiten, kleinere "Linien", höhere Anpassungsaufwendungen, etc.

1942/44 wurde versucht, Umstellungen vorzunehmen, und einen Teil des WZM-Bedarfs der Rüstungswirtschaft durch Umsetzungen und ausgelagerte Produktion zu erreichen. Die "Economics of Scale" liefen hier gegen den Output des deutschen Reiches im Vergleich zu USA/GB.

Das ist bemerkenswert, weil die WZM-Ausstattung in den USA 1939 geringer (!) war als die des deutschen Reiches, und durch die US-Schwerpunktlegung hier mit Beginn der Hochrüstung sozusagen die Voraussetzung zum "Überflügeln" gelegt worden ist. Zugespitzt: "Fordismus" gegen kleinteilige Produktion.

Ein Teil des "Rüstungswunders" ist damit ein "Produktivitätswunder", dieses wiederum durch die Maßnahmen von Todt und Speer zur radikalen Bewirtschaftung des WZM-Parks im Deutschen Reich.

2. 1939/43 sind die Produktions-Ineffizienzen durch dauernde Umstellungen geprägt. Dazu die "Belegschaftswechsel" mit Abzügen in die Wehrmacht und Verlust qualifizierter Arbeitskräfte.

Zum Vergleich Skoda, Geschütze > 75mm
1943: 1544 = 4% der Gesamtproduktion, 1944: 4316 = 8% der Gesamtproduktion
Quelle: USSBS E101-European War-Munitions Division-Ordnance Industry Report
Dagegen war Hanomag "Hobbyfertigung" und Verschleuderung von WZM-Kapazitäten in der Geschützfertigung.

Monatsproduktion 88/105/128mm Flak im Reich:
1941: 199
1942: 348
1943: 571
1944: 682
(man beachte hier die Kapazitätsbindungen, verursacht durch den Bombenkrieg!)

Reichsweit war diese "Diversifizierung" auf viele Standorte zunächst ein Vorteil, nämlich "Imunisierung" gegen den Bombenkrieg der Alliierten. Es wandelte sich Ende 1944 zum Nachteil, nämlich mit dem Kollaps des Transportwesens, die logistische Schlagader für die breite Standortverteilung.

Hier deutet nichts auf ein Rüstungswunder durch die Mobilisierung von Frauen. Viel größer, allerdings mit sinkenden Arbeitsproduktivitäten, dürfte der Beitrag aus der Ziehung von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen zur Rüstungsproduktion gewesen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
In Ergänzung zu #17

ad 2) "shell productions" der Hanomag.

Die Granatenproduktion der Hanomag konsolediert sich nach einem signifikanten Anstieg 1940 gegenüber 1939 (Mo bilisierungseffekt [?]) auf gleichbleibenden Niveau bis ca Mitte 1943, um dann ab ca. der zweiten Hälfte 1943 stetig anzusteigen. Das temporäre Absinken des Absatzes wird von den seinerzeitigen Statistikern als das Ergebnins von von "bomber raids" interpretiert. Dieser Interpretationsansatz ist prima facie nicht von der Hand zu weisen, da er eine Korrelation zu den statistischen Aussagen der "demage" im gleichen Zeitraum hat.

Auch hier gibt es im Zusammenhang mit der Eingangsfrage keinen Zusammenhang zwischen der wachsenden Zahl der "men in the service of the Wehrmacht" der Hanomag und deren Ersetzung durch Frauenarbeit.

Vielmehr ist zu konstatieren, daß die Kompensation auch hier durch POW's und "civilian foreigners", zahlenmäßig (absolute Werte) erfolgte, zu unterstellen ist auch hierbei, die geringere Produktivität dieser Arbeitergruppe.

Stellt sich die Frage der Quelle dieser Überkompensation. Die Quelle sehe ich nicht in einer Verbesserung der Produktivität der WZM, dazu gibt es in der greifbaren Literatur keinerlei Hinweise, bliebe inbezug auf die Hanomag nur Auswertung unternehmenshistorischer Daten, ich denke aber, das würde zu keinem anderen Bild führen.

Ergo, die Produktivität des betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktors Arbeit sinkt, der bw Produktionsfaktor Betriebsmittel und Werkstoffe bleibt m.E. konstant, damit wäre aus bw Sicht nur der Produktionsfaktor Management die Variable. Dieser bw Produktionsfaktor unterliegt aber einer hohen vw "Metasteuerung".

Also wäre die Quelle dieser Überkompensation aus empirischer Sicht, der schmalen Basis der empirischen Daten bei der Fa. Hanomag eingedenk, dort zu suchen.

W.o. hast Du, silesia, schon einige Erklärungsansätze geliefert:
- Produktionsstraffung => Standardisierung und Verringerung der Produktionspalette
- Normierung => vw Ausrichtung und Vereinheitlichung der Produktionstiefen
- vw Bewirtschaftung der bw Ressourcen (Produktionsfaktoren) => hier
kriegszwangswirtschaftliche Regulierung der bw Produktionsfaktoren

Das wäre mein Fazit, dieses auf schmaler wirtschafthistorisch empirischer Basis ("Hanomag-Daten") stehnden Exkurses.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehr schöne Analyse!

Bzgl. der schmalen Datenbasis: nach meinem Eindruck würde sich das Bild in den (Rüstungs-End-)Fertigungsbetrieben wiederholen, mit zu vernachlässigenden Abweichungen.

Etwas anders sieht es aus, wenn man die "Branche" wechselt. Dazu habe ich Statistiken von Wagenführ, aus der Reichsgruppe Industrie und später Mitglied in den USSBS-Kommissionen als Sachverständiger.

Ganz bestimmte Branchen, so Maschinenbau, weisen signifikant höhere Frauenquoten auf, und diese Bereiche sogen die Mobilisierung (s.o. Gesamtzahlen) überproportional auf.
 
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