In der Tat verliert sich die Geschichtsfrage, deren Verlust freilich in der Umfrage von Beginn an angelegt war; besser wär's das Thema in den Smalltalk zu verschieben. Wie dem auch, ich müßte mir jetzt selbst auf die Zunge beißen. Aber wenn ich überlege, daß sogar dort, wo es hier im Forum ursprünglich um eine historische Frage (Stichwort: Geschlechter in der Steinzeit) ging, die Geschlechtsdifferenz und ihre Klischees aktualisiert wurden, ist die Frage, ob das Thema überhaupt ohne Infragestellung der eigenen gesellschaftlichen Bedingungen diskutierbar sei; ob die eigene Einstellung zur Biologie der Geschlechter oder vielleicht präziser die eigene Identität nicht vielmehr das Maß des eigenen Standpunktes bestimmt, wobei diese Identität selbst nicht bedingungslos in Frage gestellt werden kann. Nun gut, ich lasse das einnmal dahingestellt und zitiere einfach aus einem Buch, das sich mir anbietet (allerdings ohne Bezug zur Frz. Rev. - aber auf den gibt es ja schon sehr kompetent Antworten):
In Leipzip wurde 1906 eine Doktorarbeit geschrieben mit dem Titel
"Die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit", deren Autor:
Alice Salomon ihre Begründung für niedrige Frauenlöhne schreibt sie, daß die Frau in der Regel die Fähigkeit hätte oder haben sollte, "von ihrer Erwerbsarbeit zu einem anderen Wirkungskreis überzugehen; und sie rechnet daher mit der Möglichkeit, daß die Ehe ihr eine Möglichkeit erschließen kann, die mit einem direkten Entgeld nicht beglichen zu werden pflegt. Diese Hoffnung dürfte [...] der Genügsamkeit mit einem unzureichenden Lohn zugrunde liegen." Es folgt eine weitere Begründung über den Vergleich verheirateter Frauen, die weniger flexibel seien, als "lohnherabsetzendes Moment", obzwar sie als Ehefrauen "rechtlich nicht in der Lage sind, ihren Wohnort zu wählen" und A. S. spricht gar als ganz erhebliche lohnbildende Wirkung - man lasse es sich auf der moralinen Zunge zergehen - von einer "Unbequemlichkeit" und "mangelden Elastizität weiblicher Berufsgruppen" - Und "diese Unbeweglichkeit der berufstätigen Frau" - die auch noch als "ein Ausfluß der provisorischen Beurteilung der Erwerbsarbeit seitens der Frau selbst" - wird wie folgt aufklärt: "Weibliche Beamte müssen billiger als männliche sein, wenn der Staat die aus ihrer schweren Ersetzbarkeit hervorgehenden Unbequemlichkeiten auf sich nehmen soll"; mehr noch: "Frauen anderer freier Berufsgruppen lassen dadurch, daß sie sich schwer zu einem Wechsel des Wohnortes entschließen, lohnerhöhende Konjunkturen oft unbenutzt." Dann folgt wieder ein Vergleich: "Die Frauenarbeit untersteht denselben Bedingungen wie die 'nicht freizügige Arbeit' [...]" Und dann schließlich: "Dazu kommt noch, daß die Frauen in ihren Lebensgewohnheiten tatsächlich bedürfnisloser zu sein plegen, und daß auch diese Differenz bei der Preisforderung und beim Preisgebot mit in Rechnung gesetzt zu werden pflegt."
Es klingt ein wenig ironisch wenn Alice Salomon eine gewisse Lohnsteigerung der Frauenarbeit für möglich hält, wobei ein "Rest des Lohnunterschiedes bestehen" bliebe, "der in etwa dem Bedürfnisprinzip Rechnung tragen würde" - ob sie bei Abfassung ihrer Doktorarbeit schon an eine verbesserte Ausbildung speziell im sozialen Erwerbsbereich dachte, geht aus der Zitation nicht bei Meineck leider nicht eindeutig hervor; auch nicht, ob sie darin schon implizit betont, daß es sich bei dieser Ausbildung für das soziale Ressort "um keinerlei Emanzipationsbestrebungen" handeln würde, sondern "lediglich darum, junge Mädchen und Frauen zu ernster Pflichterfüllung im Dienste der Gesamtheit heranzuziehen." (Menschik, S.43 f zitiert selbst nach nach H. Muthesius,
Alice Salomon. 1958, S.41; ansonsten nach J. Kuczynski, 1963:
Geschichte der Lage der Arbeiterin in Deutschland seit 1700) Für den historisierenden Gourmet sei noch der Kommentar von Jutta Menschik aus den 1970er Jahren hinzugefügt: in diesen Sozialberufen wie die „Arbeit mit sittlich gefährdeten Mädchen“, „Waisenpflege, Aufsicht von Ziehkindern“ oder „Säuglingspflege“ z. B. „durften Frauen unangefochten arbeiten und sind bis heute von Männern nicht verdrängt worden.“ (Menschik,
Gleichberechtigung oder Emanzipation? Frankfurt am Main: Fischer, 1973, S.43)
Ob solche Verhältnisse die Folie für Freuds Formel war, daß Anatomie eben Schicksal sei? (Freilich biologistisch - nämlich triebtheoretisch fundiert...) Oder hatte Alice gar Schopenhauer gelesen, der sich wünschte: „Hausfrauen sollte es geben und Mädchen, die es zu werden hoffen, und […] zur Häuslichkeit und Unterwürfigkeit erzogen“ ? (hier zit.:
http://www.oegkv.at/uploads/media/schierl.pdf ) Das sollte vor allem als Überleitung dienen, denn Schopenhauer schrieb auch: „Zu Pflegerinnen und Erzieherinnen unserer ersten Kindheit eignen die Weiber sich gerade dadurch, daß sie selbst kindisch, läppisch und kurzsichtig, mit Einem Worte, Zeit Lebens große Kinder sind: eine Art Mittelstufe, zwischen dem Kinde und dem Manne, als welcher der eigentliche Mensch ist.“ (zit. nach ebd.) Ein solches Frauenbild weist merkwürdiger Weise und trotz aller Diskontinuität - auf die Antike zurück.
Da der Bogen damit zu weit gespannt würde, Ende ich hier für heute. Oder auch nicht, denn habe ich überhaupt gar nicht geschrieben, warum ich die gefundenen Sätze der Salomon so bezeichnend finde? In den Zitaten wird die Ausrichtung auf die Ehe sehr betont; hier scheint ein Ideal vorzuliegen, dem zumindest die bürgerliche Frau nacheifern soll - auch wenn oder gerade weil es 'die Frau' - wie bemerkt, eigentlich nicht [mehr(?)] gibt?