Fritigern = Friþareiks?

Leider ist der gotische Kalender hier nur mit einem Schreibfehler überliefert:

·kg· þize ana Gutþiudai managaize marwtre jah Friþareikei[kei]s.

Mit dem Wikipedia-Artikel zu Fritigern kann ich nicht ganz anfreunden:

Mir scheint es doch so zu sein, dass hier aufgrund des Anlauts Fri- eine Verbindung zwischen beiden Namen gezogen wird, die nicht auf morphologischen Kriterien beruht.

Das zweite Problem, welches ich mit dem Artikel habe, ist folgende Äußerung:
"Das gotische Kalenderfragment nennt ihn Friþareiks[1], das mit dem deutschen Namen Friedrich gleichzusetzen wäre."
Wieso wäre? Aus historiolinguistischer Hinsicht ist Friedrich das zu erwartende Ergebnis einer völlig regulären Entwicklung aus dem germanischen Friþareiks.
 
Wenn ich das recht sehe, dann ist uns der Name Fritigern nur aus der
RES GESTAE A FINE CORNELI TACITI
des Ammianus Marcellinus überliefert. Dort wird er in Buch 31 als Fritigernus mehrfach genannt. Ammianus, der normalerweise das þ der gotischen Namen und das θ der griechischen Namen mit -th- wiedergibt, schreibt Fritigern immer schlicht mit -t-. Dies zumindest spricht gegen die Identifizierung Fritigerns mit Friþareiks.


Ob Fritigern Christ war, lässt sich seiner Schrift nicht sicher entnehmen, er schickt aber einen christlichen Presbyter zum Kaiser:

Et dum necessaria parabantur ad decernendum, Christiani ritus presbyter, ut ipsi appellant, missus a Fritigerno legatus cum aliis humilibus venit ad principis castra, susceptusque leniter eiusdem ductoris obtulit scripta petentis propalam ut sibi suisque, quos extorres patriis laribus rapidi ferarum gentium exegere discursus, habitanda Thracia sola eum pecore omni concederentur et frugibus: hoc impetrato spondentis perpetuam pacem.

Wenn dieser ihm Thrakien zugestehe, dann gäbe es ewigen Frieden.

Wir wissen also nicht, ob Fritigern Christ war oder ob er sich nur deshalb eines Christen bediente, weil dieser dieselben bzw. zumindest ähnliche Werte verkörperte wie Valens, der dem Arianismus zuneigte. Jedenfalls deutet nichts darauf hin, dass der Feldherr Fritigern ein christlicher Märtyrer gewesen wäre - genau das ist aber der marwtre bzw. martwre Friþareiks des gotischen Kalenders, der da am 23. Oktober gefeiert werden soll.

Insofern würde ich sagen, dass aus historiolinguistischen Gesichtspunkten alles gegen eine Gleichsetzung Fritigerns mit Friþareiks spricht und aus historischen Gesichtspunkten nichts für eine Gleichsetzung der beiden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Fritigern wird auch von anderen Autoren erwähnt, nämlich Zosimos (4. Buch seiner "Neuen Geschichte"), Socrates Scholasticus, Philostorgios und Sozomenos. Socrates schreibt ausdrücklich (4. Buch, 33. Kap. seiner "Kirchengeschichte"), dass Fritigern den Glauben seines Wohltäters Valens angenommen hat, nämlich den Arianismus. Sozomenos bestätigt das (6. Buch, 37. Kapitel seiner "Kirchengeschichte").
 
Fritigern wird auch von anderen Autoren erwähnt, nämlich Zosimos (4. Buch seiner "Neuen Geschichte"), Socrates Scholasticus, Philostorgios und Sozomenos.


Ja, stimmt, ich hab meinen Fehler inzwischen bemerkt und bin auf der Suche im Sozomenos. Dort habe ich ihn in Buch 6 Kapitel 37 als Φριτιγέρνης gefunden:

ἡγεῖτο δὲ τῶν μὲν ᾿Αθανάριχος, τῶν δὲ Φριτιγέρνης·
ἐπεὶ δὲ πρὸς ἀλλήλους ἐπολέμησαν, κακῶς πράξας ἐν τῇ μάχῃ Φριτιγέρνης ἐδεῖτο ῾Ρωμαίων βοηθεῖν αὐτῷ.

Hier wird einmal mehr deutlich: Das þ in Athanarich wird griechisch θ wiedergegeben, Fritigern dagegen hat diesen Laut nicht.
Die Stelle berichtet, dass die Goten sich in zwei Gruppen teilten und kämpften, Fritigern Hilfe bei den Römern suchte.

Socrates schreibt ausdrücklich (4. Buch, 33. Kap. seiner "Kirchengeschichte"), dass Fritigern den Glauben seines Wohltäters Valens angenommen hat, nämlich den Arianismus.

Leider ist das vierte Buch des Sokrates Scholasticus nicht online.


Sozomenos bestätigt das (6. Buch, 37. Kapitel seiner "Kirchengeschichte").

Offensichtlich benutzt Sozomenos den Scholasticus als seine Hauptreferenz. Insofern würde ich ihn nicht als Bestätigung sehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Jedenfalls deutet nichts darauf hin, dass der Feldherr Fritigern ein christlicher Märtyrer gewesen wäre - genau das ist aber der marwtre bzw. martwre Friþareiks des gotischen Kalenders, der da am 23. Oktober gefeiert werden soll.

Insofern würde ich sagen, dass aus historiolinguistischen Gesichtspunkten alles gegen eine Gleichsetzung Fritigerns mit Friþareiks spricht und aus historischen Gesichtspunkten nichts für eine Gleichsetzung der beiden.

Das muss ich nun korrigieren, Sozomenos berichtet vom Märtyrertum des Fritigern:

κατ' ἐκεῖνο δὲ καιροῦ πλῆθος τῶν ὑπὸ Φριτιγέρνην διὰ Χριστὸν μαρτυροῦντες ἀνῃρέθησαν.

Insofern kann man aus historischen Gründen nicht mehr völlig ausschließen, das im gotischen Kalenderfragment evtl. doch Fritigern gemeint wäre, allerdings ist das alles noch ein wenig dürftig, um so eine Gleichsetzung zu wagen. Vom linguistischen Standpunkt aus hat sich dagegen der Grund für die Zurückweisung der Gleichsetzung gefestigt.
 
Ob Fritigern Christ war, lässt sich seiner Schrift nicht sicher entnehmen, er schickt aber einen christlichen Presbyter zum Kaiser:

Et dum necessaria parabantur ad decernendum, Christiani ritus presbyter, ut ipsi appellant, missus a Fritigerno legatus cum aliis humilibus venit ad principis castra,

Bei Sozomenos erfahren wir dann auch, dass es sich bei dem Presbyter um niemand geringeren als Wulfila handelte:

ταύτης δὲ τῆς πρεσβείας ἄρξαι Οὐλφίλαν τὸν τοῦ ἔθνους ἐπίσκοπον·

Wobei sich nach Sozomenos die Goten erst danach in die Haare bekamen, bei Ammianus Marcellinus, den ich hier für glaubwürdiger halte (Zeitgenosse, Soldat), waren die Goten schon in zwei sich bekämpfende Gruppen geteilt, als Fritigern Wulfila als seinen Botschafter losschickte.
 
Das muss ich nun korrigieren, Sozomenos berichtet vom Märtyrertum des Fritigern:

κατ' ἐκεῖνο δὲ καιροῦ πλῆθος τῶν ὑπὸ Φριτιγέρνην διὰ Χριστὸν μαρτυροῦντες ἀνῃρέθησαν.
Man merkt, mein Altgriechisch ist nicht mehr das beste, aber besagt die Stelle nicht nur, dass etliche der Leute des Fritigern den Märtyrertod starben?
 
??????????????????????????
Warum bitte soll einer Friedger genannt werden, wenn er Friedrich heißt? Oder umgekehrt?
Frid/t (i) ger (n) und Frid/t ri (j)(ch)k
sind 2 verschiedene Namen
Nur die erste Silbe ist gleich, die 2. ist einmal ger = Speer/Lanze und rijk= ?????
Zwei verschiedene Namen, die in etlichen germanischen Sprachen vorkommen und das häufig. Das die jemand, auch sprachfremdes, verwechselt haben könnte, ist unwahrscheinlich
 
Da hast du Recht, nicht von Fritigern, sondern von seinen Leuten ist hier die Rede. Es gibt einfach Uhrzeiten, da sollte man woanders sein, als vor dem Rechner.
 
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Warum bitte soll einer Friedger genannt werden, wenn er Friedrich heißt? Oder umgekehrt?
Frid/t (i) ger (n) und Frid/t ri (j)(ch)k
sind 2 verschiedene Namen
Nur die erste Silbe ist gleich, die 2. ist einmal ger = Speer/Lanze und rijk= ?????
Zwei verschiedene Namen, die in etlichen germanischen Sprachen vorkommen und das häufig. Das die jemand, auch sprachfremdes, verwechselt haben könnte, ist unwahrscheinlich

Die erste Silbe ist eben nicht gleich. Unser deutsches <d> geht auf das germanische <þ> zurück, das germanische <d> wird im Deutschen regelmäßig zu <t> und das germanische <t> wird im Deutschen regelmäßig zu <ts/z>.

germ. - dt.
b, d, g > p, t, k
þ > d
t > ts/z


Mir scheint es doch so zu sein, dass hier aufgrund des Anlauts Fri- eine Verbindung zwischen beiden Namen gezogen wird, die nicht auf morphologischen Kriterien beruht.

Morpheme sind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten in einem Wort, es gibt Flexionsmorpheme oder grammatische Morpheme, und lexikalische Morpheme z.B.
Morphem|e - während das Grundmorphem Morphem gleich bleibt, ist das e ein grammatisches Morphem, welches in diesem Falle - das können wir aber nur kontextuell erschließen - den Akkusativ Plural markiert. Es könnte auch einen veralteten Dativ Singular anzeigen (dem Morphem|e) oder den Nominativ, Genitiv, Akkusativ Plural.
Morpheme sind nicht mit Silben gleichzusetzen:
Mor-phe-me, aber Morphem|e - die Morphemgrenze kann also auch mitten in der Silbe sein.

Nach diesem kleinen Exkurs in die Morphologie zurück zu Fritigern bzw. Friedrich.
Wie wir gesehen haben, ist Fritigern, bei dem ich nicht weiß, ob und wie man ihn morphologisch segmentieren kann, nach den Regeln der Minimalpaarbildung mit Friþareik(ei)s nicht gleichzusetzen, da wir hier in die lexikalischen Morpheme friþa ('Friede'?) und reiks ('König') segmentieren können.
 
Kleiner Nachtrag: Fritigern wird natürlich auch bei Iordanes erwähnt.

Den mir bekannten Quellen lässt sich jedenfalls nichts über sein Ende entnehmen, er wird einfach nicht mehr erwähnt. Er verlor in den Jahren nach Adrianopel offenbar seine Bedeutung, bei Iordanes wird Athanarich gar als sein Nachfolger bezeichnet.
 
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