Führten die Montagsdemos zum Mauerfall?

Sinälou

Neues Mitglied
Hallo, ich hab gelesen dass die Montagsdemos sozusagen ein wegbereiter zum mauerfall waren, Ich denke, dass dadurch die Unzufriedenheit klar wurde... der Mauerfall kam für mich v.a. durch die Wirkung von Außen zustande (also u.A. durch Gorbatschow). stimmt das? :D
 
Das ist ein wenig komplizierter. Die Montagsdemos waren dafür mitverantwortlich, dass sich in der DDR eine breite Masse an Bürgern außerhalb der dafür staatlich vorhergesehenen Strukturen plötzlich politisch am meinungsbildenen Prozess beteiligte. Ob sie allerdings die Mauer wirklich zum Wanken hätten bringen können? Auch die Ereignisse in der Sowjetunion, in Polen und Ungarn taten ihr Übriges, um die Macht der DDR und ihres Grenzregimes zu erschüttern. Zunächst, als Genscher in der Prager Botschaft - die voller Flüchtlinge war - diesen die Ausreise in die Bundesrepublik garantierte, dann als in Ungarn Grenzer DDR-Bürgern die Ausreise nach Österreich erlaubten. Schließlich machte Schabowski wohl einen Fehler, als er eine für die Nacht geplante Nachricht schon am Abend bekannt gab, die dann über das Westfernsehen ausgestrahlt wurde, was dann schließlich dazu führte, dass die Grenzbeamten an den Berliner Grenzübergängen plötzlich mit ungeduldigen Mengen an neugierigen Ostberlinern konfrontiert waren, die "ma kieken" wollten. Die DDR-Führung versuchte dann noch mal, die Fäden wieder in die Hand zu bekommen, die Mauer wieder zu schließen, aber das gelang ihr nicht mehr. Hätte auch brenzlig werden können.
 
Das war wirklich ein echter Witz der Geschichte, dass eine Grenze die so viele Menschenleben gekostet hatte, durch eine falsche Antwort, auf die Frage eines Journalisten plötzlich aufging. Schabowski hat nicht im Traum daran gedacht, was er auf dieser Pressekonferenz für eine Lawine ins Rollen gebracht hat. Gorbatschow wusste gar nichts von den Vorgängen an der Mauer und muss ziemlich verärgert reagiert haben, als er davon erfuhr, dass die DDR die Grenze aufgemacht hatte, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen.
Es war allerdings für uns ein großes Glück, dass zu dieser Zeit ein Mann wie Gorbatschow an der Spitze der S.U. stand. Seine Vorgänger hätten wahrscheinlich die Panzer rollen lassen und die friedliche Revolution blutig niederschlagen lassen. Vermutlich wäre dann auch die Revolution zu Ende gewesen, da es der DDR-Bevölkerung nicht schlecht genug ging ,um dafür ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Dazu braucht es meist eine große Hungersnot und bitterste Armut, was in der DDR nicht der Fall war.
Mit der Öffnung der Mauer hatte die DDR-Regierung ihr einziges Druckmittel für Verhandlungen über finanzielle Hilfe mit der Bundesrepublik aus der Hand gegeben. Damit war sie automatisch am Ende.
Es bedurfte mehrerer Komponenten, die glücklicherweise in dieser Zeit zusammentrafen um den Mauerfall möglich zu machen.
 
Also könnte man sagen, dass die Montagsdemos sozusagen der letzte schliff war? bzw. das die ganzen vorfälle zuvor die menschen so motiviert hat, das sie nun wirklich den mut und die kraft hatten was zu verändern mit diesen großen demos?
 
Das war wirklich ein echter Witz der Geschichte, dass eine Grenze die so viele Menschenleben gekostet hatte, durch eine falsche Antwort, auf die Frage eines Journalisten plötzlich aufging.
Das zeigt, dass das System in sich ausgehöhlt war. Nicht einmal deren Vertreter waren sich mehr sicher... Zum Glück!

Also könnte man sagen, dass die Montagsdemos sozusagen der letzte schliff war? bzw. das die ganzen vorfälle zuvor die menschen so motiviert hat, das sie nun wirklich den mut und die kraft hatten was zu verändern mit diesen großen demos?
Ganz wichtig war, dass die Sowjetunion ihre Besatzungszone "freigegeben" hat. Ansonsten hätten sowjetische Panzer alles niedergewalzt, wie '53. Dann kamen die Flüchtlinge über Ungarn. Dem stand die DDR-Führung unvorbereitet und hilflos gegenüber. Sie hätte natürlich jede Reise nach Ungarn verbieten können, aber das traute sie sich bereits nicht mehr. Die Welt schaute zu und selbst innerhalb der SED war vielen klar, so geht es nicht weiter. Die Montagsdemos waren dann die Stimme, die überdeutliche Artikulation dessen, was "alle" dachten.
 
Vor einigen Jahren ging eine Meldung durch die Presse, dass die Maueröffnung schon einige Zeit vor dieser Pressekonferenz beschlossen wurde, und Ost-Berlin schon "im geheimen" West-Berlin in Kenntnis gesetzt hatte, damit man sich im Westen vorbereiten konnte.

Die Berliner Mauer fiel in der Nacht von Donnerstag, dem 9. November, auf Freitag, den 10. November 1989, nach über 28 Jahren ihrer Existenz. Die Vorbereitung einer von Seiten der DDR-Regierung kontrollierten Öffnung der Mauer begannen bereits im Oktober 1989: Walter Momper, damals Regierender Bürgermeister von West-Berlin, wusste nach eigenen Angaben seit dem 29. Oktober davon aus einem Gespräch mit Ost-Berlins SED-Chef Günter Schabowski und Ost-Berlins Oberbürgermeister Erhard Krack und traf seinerseits entsprechende Vorbereitungen für eine Öffnung der Mauer im Dezember 1989.[18]

aus: Berliner Mauer ? Wikipedia

El Quijote hat bereits die den Montagsdemos vorangehenden Ereignisse angesprochen: in der Sowjetunion weht ein etwas anderer Wind mit Michael Gorbatschow als noch in den frühen 80er Jahren. Zur Erinnerung: in den frühen 80er Jahren wurde im kommunistischen Polen als Reaktion auf Reformbemühungen das Kriegsrecht ausgerufen (Kriegsrecht in Polen 1981?1983 ? Wikipedia).

Im übrigen gab es außerhalb des sowjetischen Machtbereiches im kommunistischen China auch eine Reformbewegung, die brutal unterdrückt wurde: Tian?anmen-Massaker ? Wikipedia

Auch bei den Montagsdemos in Leipzig waren Polizei- und Militärkräfte angetreten. "Wir" im Westen befürchteten, dass es auch dort eine "chinesische Lösung" geben könnte.

Einige Monate nach dem Mauerfall und kurz vor der Wiedervereinigung habe ich mit einem Studenten aus Ostberlin gesprochen, der im Sommer 1989 als Zeitsoldat der NVA mit Dienstgrad Unteroffizier (oder Fahnenjunker?) mit seiner Einheit in Leipzig war. Er sagte mir, dass im Falle eines Befehls zum Eingreifen gegen die Demonstranten die Soldaten sich geweigert hätten, und "es als erstes ihren Politoffizier erwischt hätte".
 
Also könnte man sagen, dass die Montagsdemos sozusagen der letzte schliff war? ...

@Sinälou

So könnte man es formulieren.

M.E. war der alles entscheidende Punkt hierbei, die Abkehr der UdSSR von der Breshenew-Doktrin.

Breschnew-Doktrin ? Wikipedia

Sinatra-Doktrin ? Wikipedia

Für die DDR-Führung war das besonders fatal, da die DDR keine nationale legitimatorische Grundlage besaß, w.z.B. Polen oder Ungarn.

Die "Montagsdemo's" waren gleichsam die Folie, die den inneren Machtzerfall (Machterosion) der DDR-Führung vor dem Hintergrund dieser Abkehr der "Schutzmacht" von ihrer seit 1968 geltenden Doktrin widerspiegelte (w.o. hat Rurik das schon deutlich angeführt).

M.
 
Vor einigen Jahren ging eine Meldung durch die Presse, dass die Maueröffnung schon einige Zeit vor dieser Pressekonferenz beschlossen wurde, und Ost-Berlin schon "im geheimen" West-Berlin in Kenntnis gesetzt hatte, damit man sich im Westen vorbereiten konnte.

Wie soll dann diese Vorbereitung ausgesehen haben?
Ich glaube das nicht.

Gruss, muheijo
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie soll dann diese Vorbereitung ausgesehen haben?
Ich glaube das nicht.

Gruss, muheijo

hier sind einige Presseartikel dazu:


[...]einestages: Wie sahen Ihre Pläne aus?

Rommerskirchen: Die ganze Stadt musste vorbereitet werden. Wenn die Menschen aus Ost-Berlin kommen, dann müssen sie Bahn fahren können und zwar umsonst, brauchen Stadtpläne, Parkplätze und Bahnpläne. Die Berliner Verkehrsgesellschaft hat letztlich ihren Smog-Notfallplan aus der Schublade geholt, um deutlich mehr Menschen transportieren zu können. Natürlich mussten wir auch die Besucher vorbereiten, wenn sie nach 40 Jahren Sozialismus auf die andere Seite der Mauer kommen. Der Springer-Verlag erhielt den Auftrag, Informationszeitungen zu drucken. Wir wollten diese Leute so gut es ging vor Abzockern schützen und sie richtig an die Hand nehmen. Ich wollte Fehler vermeiden.[...]

aus: West-Berlin und der Mauerfall - "Das war keine Überraschung für uns" - SPIEGEL ONLINE

"Gibt sonst ein Gedränge": Maueröffnung wochenlang vorbereitet - N24.de

Deutschland: Berlins Senat war auf den Mauerfall 1989 vorbereitet - badische-zeitung.de


Wenn ich mich an die entsprechende Presseberichterstattung der Zeit richtig erinnere, gab es in den ersten Tagen das Kuriosum, dass bei der Ausreise aus der DDR in die Bundesrepublik gewisse Verkehrsstaus dadurch entstanden, dass die Kontrolle bei der Einreise (in die Bundesrepublik) länger dauerte als die Kontrolle bei der Ausreise (aus der DDR). Die ostdeutschen Grenzkontrolleure sind dann bei ihren westdeutschen Kollegen aufgetaucht und haben nachgefragt, ob diese ein wenig schneller kontrollieren könnten.:rofl:
 
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