Das 3. Reich, war sicherlich kein Musterstaat! Da sind wir und doch wohl alle einig! Die Sache, mit dem Befehlsnotstand, wurde ja, wie ich geschrieben habe, häufig angeführt, um persönliche Verantwortung abzuwälzen.
Was insbesondere bei der SS, natürlich ein Witz ist bzw. war.
Da diese als Parteiarmee, natürlich mit den Befehlen der Führung einverstanden war bzw. sein musste.
Speziell die Sippenhaft, war ein Mittel, um jede Form von unbotmäßigem Verhalten oder Widerstand zu unterdrücken! Es mag sein, dass ein Mensch alleine genug Mut hat, für etwas die Verantwortung zu übernehmen oder die Konsequenzen zu tragen. Es sieht aber ganz anders aus wenn, diese Konsequenzen, auch Brüdern, Schwestern, Onkeln oder Tanten drohen.
Die Nazis, haben gezeigt, dass sie solche Dinge tun. Somit hatte die Sippenhaft schon mal ihren Zweck erfüllt.
Auch wenn, es Männer geschafft haben, sich für gewissen Dingen zu drücken, ist es schlimm genug, dass es genügend Leute gab, die dabei freiwillig und zum Teil sogar begeistert mitgemacht haben. Umso mehr verdienen diejenigen, unsere Anerkennung, die trotz der Risiken bereit waren, sich gegen das System zu stellen.
Die deutsche Militärjustiz war knallhart. Es sind in der deutschen Wehrmacht mehr als 40 mal (!) so viele Todesurteile gegen eigene Soldaten gefällt worden, als alle West-Alliierten zusammen.
Offiziere, die Befehle nicht befolgten, mussten damit rechnen, abgesetzt, degradiert oder gar hingerichtet zu werden.
Hans Graf von Sponneck hatte im Winter 1941/42 die Halbinsel Kertsch geräumt, weil seine Einheiten die Einkesselung drohte. Sponneck hatte die Räumung befohlen, ohne dazu die Erlaubnis von Manstein einzuholen, und er hatte nach Funkspruch die Funkstellen abgebaut, dass ihn kein Gegenbefehl erreichen konnte.
Sponnecks Ungehorsam hatte keinerlei negative Folgen-Im Gegenteil! Er konnte durch rechtzeitige Räumung der Einkesselung entgehen. Sponnecks Einheit blieb der Ostfront erhalten, sein Rückzug erleichterte Manstein einen erfolgreichen Gegenangriff. Graf Sponneck hat nach Lage der Dinge militärisch vollkommen richtig gehandelt. Hätte er den Haltebefehl befolgt, wäre seine Einheit aufgerieben worden. So hatte er seine Einheit gerettet und den erfolgreichen Gegenstoß ermöglicht- aber er hatte einen persönlichen Befehl Hitlers verweigert.
Dafür wurde er vor ein Kriegsgericht gestellt. Entlastende Beweismittel wurden nicht zugelassen, und Sponneck musste während der ganzen Verhandlungsdauer stehen. Er wurde zum Tode verurteilt, sein Vermögen beschlagnahmt und seine Familie in Sippenhaft genommen. Hitler wandelte das Todesurteil in 6 Jahre Festungshaft um.
Graf Sponneck saß jahrelang in einem Militärgefängnis. Obwohl es keinerlei Verbindungen zu den Verschwörern des 20. Juli 1944 gab, wurde Sponneck kurzerhand in Haft erschossen.
1943 drohte die Ostfront nach Stalingrad völlig zusammenzubrechen. Während der Kämpfe um Charkow verweigerte SS-Gruppenführer Paul Hauser den Haltebefehl und ließ die Stadt räumen. Hauser trug mit seinem Ungehorsam dazu bei, dass Manstein eine erfolgreiche Gegenoffensive starten konnte, und Charkow wurde zurückerobert und die Ostfront stabilisiert.
Hauser ließ Hitler aber seinen Ungehorsam durchgehen. Die Sippenhaft hielt niemanden "bei der Stange". Es wurde lediglich der Gehorsam von Offizieren dadurch erzwungen, dass das NS-Regime kurzerhand ihre Familien als Geiseln nahm. Sippenhaft war also purer Terror, reine Willkür!
In der deutschen Wehrmacht wurden Befehle befolgt, auch sinnlose Befehle, auch Terrorbefehle.
Die Wehrmacht sah sich in der Tradition der preußischen Armee. Auch in der preußischen Armee war der Befehl heilig, Befehle waren zu befolgen, nicht zu diskutieren. Der Befehlsnotstand hatte aber Grenzen, jeder Offizier lernte auf der Kriegsschule, dass der Befehlsnotstand dort seine Grenzen fand, wo der Befehl vollkommen unsinnig war. Von einem Offizier, dem ein Vorgesetzter befahl, aus dem Fenster zu springen, erwartete man nicht, ihn zu befolgen.
Eigeninitiative, Verantwortungsfreudigkeit und selbstständiges Denken hatten aber auch einen relativ hohen Stellenwert. Man ehrte bei Preußens Kommandeure, die genug Rückgrat hatten, notfalls einen Befehl zu verweigern: Da war das Beispiel des (literarischen) Prinzen von Homburg. Der hatte dem "Großen Kurfürsten" den Gehorsam verweigert, aber die Schlacht von Fehrbellin gewonnen.
Dann war da das Beispiel eines York von Wartenburg. Der hatte nicht erst den König vorher gefragt, sondern auf eigene Initiative 1813 die Konvention von Tauroggen mit dem russischen General Diebitsch geschlossen. Der Prinz von Homburg oder York von Wartenburg hatten den Gehorsam verweigert, aber gerade durch Eigeninitiative Brandenburg-Preußen gerettet.
Die Wehrmacht war recht modern geführt. Entscheidungs- und Verantwortungsfreudigkeit wurde gefördert, Offiziere hatten einen relativ hohen Ermessensspielraum, Offiziere und Unteroffiziere waren so ausgebildet, dass jeder grundsätzlich den nächst höheren Rang ausüben konnte.
Die Erfolge der Wehrmacht 1939-1941 waren nicht zuletzt darauf zurückzuführen.
An der Ostfront mischte Hitler sich ständig ein, seit Ende 1941 gab er nur noch starre Haltebefehle aus.
Selbstständig denkende Offiziere waren da nicht mehr gefragt- nur noch willige Befehlsempfänger.
Die Sippenhaft war nichts, als purer Terror. Familienangehörige wurden als Geiseln genommen, um dadurch noch radikaler und menschenverachtender zu garantieren, dass Befehle blind befolgt wurden, selbst wenn sie unsinnig oder verbrecherisch waren. In der Regel wurden Befehle auch befolgt.
Ein Offizier oder Soldat, der einen Befehl verweigerte, riskierte nicht nur sein eigenes Leben, Karriere und Vermögen, sondern auch das seiner Familie.
Vor diesem Hintergrund schien die Berufung auf Befehlsnotstand als perfekte Ausrede. In einem Staat wie dem 3. Reich musste man sich eben fügen. Hitler hatte mal gesagt, dass er für alles die Verantwortung übernimmt.
Der Befehlsnotstand war die Standard-Ausrede all der kleinen "Tötungs-Arbeiter", die sich nicht mehr herausreden konnten, weil sie mit eigenen Händen gemordet hatten. All die kleinen "Scharführer", Blockführer, Rapportführer sie hatten nur Befehle befolgt, wenn sie nicht Juden die letzten Habseligkeiten geklaut hätten, hätten es andere getan, die Juden brauchten sie nicht mehr, und wenn sie keine Juden umgebracht hätten, wären sie selbst ins KZ gekommen.
Die Berufung auf Befehlsnotstand war im Grunde nichts, als der erbärmliche Versuch sich herauszureden und jegliche Verantwortung zurückzuweisen.
Das Nazireich war vom ersten bis zum letzten Tag eine menschenverachtende Diktatur. Eine Diktatur, die auch gnadenlos gegen das eigene Volk vorging. Zuletzt wurden Menschen ins KZ verschleppt, weil sie einen Witz erzählt, "Feindsender" gehört oder am Endsieg gezweifelt hatten.
Es wird aber niemand zufällig Massenmörder, das eigene Gewissen musste jeder eigenhändig totschlagen. Viele Soldaten an der Ostfront wurden Zeugen von Verbrechen, wurden darin verwickelt. Alle die so etwas sahen, wurden indirekt zu Komplizen. Es ist ein verständliches Phänomen, dass man, wenn man Zeuge von großem Unrecht wird, das man nicht verhindern kann, das man das Unrecht verdrängt.
Der Holocaust war ein arbeitsteiliges Projekt, und es brauchte dazu keine "Überzeugungstäter".
Kriegsverbrecher und Massenmörder wurde und wird man aber nicht zufällig. Liest man Berichte von Tätern und Täterinnen wie Rudolf Höss, Maria Mandl oder Irma Grese könnte man den Eindruck haben, die Leute sind irgendwie durch tragische Umstände zur falschen Zeit, am falschen Ort gelandet und sie hatten nur Befehle befolgt.
Das waren aber Entschuldigungen von Tätern, die man bildlich gesprochen mit beiden Händen im Mustopf, mit der blutigen Tatwaffe in den blutbeschmierten Händen inflagranti auf frischer Tat erwischt hat.
Die Mittel, sie "bei der Stange zu halten" waren: Schnaps, Zigaretten, ein Anteil an der Beute, Macht, Beförderung, eine Uniform und das Recht über Leben und Tod.
Die erzählten aber der Welt, man habe sie durch Sippenhaft und Konzentrationslager "bei der Stange" gehalten. Hätten sie es nicht getan, dann wären sie selbst ins KZ gekommen, sie seien sozusagen mit vorgehaltener Pistole zum Mord genötigt worden.