@ Tib. Gabinius
Tib. Gabinius schrieb:
Mangelndes Interesse und / oder mangelnde Macht.
Ich denke diese Antwort ist zu vereinfacht. Wenn man sich die spezifische Situation des Jahres 260 ansieht, erkennt man, dass Postumus Handlungsalternativen hatte wie kaum ein Usurpator vor und nach ihm. Normalerweise war der finale Konflikt (Marsch auf Rom) zwischen dem Usurpator und Amtsinhaber inhärent. Ein Usurpator, der nicht die Auseinandersetzung mit dem Amtsinhaber suchte, verlor seine Glaubwürdigkeit, die Folge war seine Ermordung. Postumus befand sich in einer ungleich günstigeren Position, da er von der Reichsregierung, die praktisch an allen Grenzen Abwehrschlachten zu führen hatte, nichts zu befürchten hatte. Mehr noch: Ein die Rheingrenze und Britannien stabilisierender Postumus war im Vergleich zu den plündernden Germanenstämmen auch für Gallienus das kleinere Übel. So bestand bis zum großen Konflikt des Jahres 265, abgesehen von einem Kleinkrieg um die Alpenpässe, eine Art unausgesprochenes Stillhalteabkommen. Der Frieden von 265 verwandelte dann das heimliche Stillhalteabkommen in eine erklärte Waffenruhe. Somit musste Postumus gar nicht nach Rom marschieren, da sich ihm, wie schon erwähnt, sich eine Chance bot, die kein Usurpator vor ihm hatte: Er konnte die Grenzverteiligung in dem von ihm kontrollierten Machtbereich in die Hand nehmen, konnte der Bevölkerung Sieghaftigkeit und Kaisernähe demonstrieren sowie mit von ihm geprägten Münzen propangieren und seine regionale Ausgangsbasis konsolidieren.
Tib. Gabinius schrieb:
War es zu Anfang nicht. Postumus schlug viele Schlachten gegen Gallienus, und verlor auch einige. Letztlich blieb aber dem wirklichen Kaiser nichts anderes übrig, als zu dulden, was dort geschah. Zumal dieses Sonderreich auch erfolgreich die Grenze hielt.
Ich denke, man muss unterscheiden zwischen der Anerkennung durch die Reichsregierung und die der Bewohner des Gallischen Sonderreiches. Zur Reichsregierung habe ich ja oben einiges geschrieben, also bis zur großen Auseinandersetzung des Jahres 265, sind außer einem Kleinkrieg um die Alpenpässe, keine weiteren Auseinandersetzungen überliefert. Zwar kann die Unterstützung der lokalen Zivilbevölkerung für das Reich des Postumus, anders als in Palmyra, nicht nachgewiesen, aber vermutet werden. Der Westen dürfte, anders als der Osten, der eine regionale kulturelle Identität und gemeinsame religiöse Überzeugungen bewahrt hatte, dieses nicht besessen haben. Auch bestanden dynastische und verwandtschaftliche Verflechtungen zwischen lokalen Eliten, wie sie im Osten typisch waren, im Raume des Gallischen Sonderreiches nicht. Auch die Münzprägung der gallischen Kaiser, in ihrer mehr als konventionellen Ausrichtung, lässt nicht erkennen, dass die Herrscher auf eine regionalistisch-seperatistische Karte gespielt hatten. Wenn die gallischen Kaiser Unterstützung von der Zivilbevölkerung und besonders von Eliten erhielten, so dann hauptsächlich als dank für ihren Abwehrerfolg über eindringende Barbaren. Die funktionale Rechtfertigung für das gallische Regime war die stabilisierte Rheingrenze. Selbstverständlich gab es auch noch andere Motive, das Sonderreich zu akzeptieren. Besonders die Angebote an die Zivilbevölkerung (Kaisernähe) und die Eliten (Partizipation)sind in ihrer Bedeutung nicht zu überschätzen. Im gallischen Machtbereich war Kaisernähe viel leichter zu vermitteln als im schier endlosen Imperium Romanum. Und die lokalen Führungsschichten waren in ihrem Bestreben, in die Reichselite aufzurücken, nun nicht mehr der Konkurrenz der Italiker aufgesetzt.
Tib. Gabinius schrieb:
Angesichts des raschen Verfalls nach Postumus' Tod und dem Untergang nur wenige Zeit danach eine seltsame Frage.
Dennoch waren die oben genannten Punkt nicht Hinreichend für ein dauerhaftes Überleben des Gallischen Sonderreiches. Man muss feststellen, dass der quasi-souveräne Machtbereich des Postumus und seiner Nachfolger keine Chance hatte, zu einem politischen Verband aufzusteigen. In allen Bereichen, ob Recht, Kultur, Religion, Ideologie, politische und soziale Institutionen waren die Kategorien, die den gallischen Kaisern zur Verfügung standen und derer sie sich Bedienten, die des Imperium Romanum. Die Existenzberechtigung des Gallischen Sonderreiches schwand in dem Maße dahin, wie das Imperium Romanum die Sicherheit seiner Grenzen wieder aus eigener Macht garantieren konnte. Die Finale Auseinandersetzung war schließlich unausweichlich.
Tib. Gabinius schrieb:
Wozu nützlich? der Vergleich bietet sich an, da beide ein Sonderreich zu fast dem gleichen Zeitpunkt errichteten. Während Odaenathus aber weiter eine gewisse Treue zu Rom hielt, bestand diese bei Postumus eher aus mangelndem Interesse. Während Odaenathus mehrfach von Gallienus geehrt und betitelt wurde, lebte man mit dem Sonderreich im Norden eher in einer Art Notfrieden
Auch starb Postumus, weil er seinen Leuten verbot zu plündern (verlor also die Kontrolle über sie) während Odaenathus ermordet wurde, was durchaus auch politisch motiviert sein konnte oder vielleicht auch gar keinen Sinn hatte...
Der Bruch der Nordwestprovinzen mit Rom verlief, trotz allen evidenten Parallelen, unter anderen Vorzeichen als im Osten. Während Postumus mit Beacht den offenen Aufstand mit Rom kalkulierte, vermied Odenathus sorgsam jeden Anschein der Rivalität mit dem römischen Kaiser. Postumus nutzte die sich während dieser Zeit überschlagenden Ereignisse im Reich für einen berechneten Coup. Der erste Dominostein in einer lagen Kette war die Niederlage Valerians gegen die Sassaniden (260). Unmittelbare Folge dieser Niederlage war die Usurpation des Ingenuus in Pannonien, die wiederum Gallienus zwang, die Rheingrenze zu verlassen und dem Usurpator entgegenzuziehen. Mit dem unmündigen, unter der Obhut des Prätorianerpräfekten Silvanus, zurückgelassenen Caesar und Sohn (Salonius) des Gallienus, verwandelte sich die germanische Grenze in ein Machtvakuum, in das Franken, Alemannen und Juthungen einfielen, das Dekumatland einnahmen und bis Gallien und Norditalien vordrangen. Der militärische Oberbefehlshaber am Rhein, Postumus, errang einen Sieg über plündernde Franken und sprach seinen Soldaten die zurückeroberte Beute zu. Als hierauf Silvanus einschritt und die Rückgabe der Beute an die Opfer verlangte, brach unter den Truppen Aufruhr aus. Dass die Truppen Postumus als Kaiser ausriefen, war nur folgerichtig.... Postumus scheute also, anders als Odenathus, nicht davor zurück, den Bruch mit Rom zu vollziehen. Die Vorraussetzungen der Machtergreifung des Postumus sind freilich nicht mit denen Bedingungen des Odenathus zu vergleichen. Anders als im Osten war in Germanien mit Salonius ein Angehöriger der kaiserlichen Familie präsent. Zumal Salonius im Caesarenrang stand. Somit war die Verleihung außerordentlicher Befugnisse und Soldervollmachten nicht zu erwarten, zumal der Sieg des Postumus über die Franken nicht mit dem des Odenathus über die Perser zu vergleichen war. Nüchtern betrachtet, hatte Postumus, wollte er das Heft des Handelns an sich bringen, keine alternative zur Usurpation.