Cécile

Aktives Mitglied
Hallo zusammen,

auch wenn ich Militärhistorisch nicht so sehr interessiert bin, so kam doch neulich die Frage in mir auf: war es quasi ein Todesurteil wenn man zum Gasselaufen verurteilt wurde?
Ich meine - gibt es Untersuchungen darüber wie viele Verurteilte unmittelbar oder in Folge dessen starben oder irreperable physische (von den psychischen will ich ja garnicht anfangen) Schäden davontrugen?
Auch wenn es ja "nur" als körperliche Züchtigung gedacht war (denke ich zumindest mal) war man ja damals quasi machtlos was innere Verletzungen/Blutungen anging oder eben Entzündungen von offenen Wunden und sowas konnte doch leicht dabei passieren, oder? Oder konnten/sollten die Offiziere das ganze abbrechen wenn sie bemerkten, dass es der Delinquent es wahrscheinlich nicht überleben würde?


Bin gespannt auf euere Antworten! Vielen Dank :)

Cécile
 
  • Morchen, Überlebenschance hatte man bei 1maligen Durchlauf. Spießrutenlaufen und/oder Kielholen war oft tödlich. Beim Spießen zu 100%. Siehe Link. Gruß Osmond http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/1311392 Zitat: Der Spießrutenlauf geht vermutlich auf das „Recht der langen Spieße“ oder das Lanzengericht der Landsknechte zurück. Kam es zu unehrenhaften oder besonders schweren Straftaten, die die Ehre des gesamten Landsknechts-Fähnleins oder -Regiments befleckten, so traten der Provost oder Profoss als öffentlicher Ankläger und die Landsknechtsgemeinde als Richter auf. Die Landsknechtsgemeinde bestimmte drei Gruppen, die unabhängig voneinander ein Urteil empfahlen: Freispruch, Gnadenspruch oder Todesurteil. Während der Profoss das Todesurteil begründete, konnte der Angeklagte seine Unschuld beteuern oder um Gnade flehen. Traten die Landsknechte für das Todesurteil ein, so begaben sie sich an die Hinrichtungsstätte und bildeten dort in Ost-West-Richtung eine Gasse, an deren Seiten die Spießträger sich in zwei fest geschlossenen Dreierreihen aufstellten. Ließ ein Spießträger eine Lücke um den Todeskandidaten entrinnen zu lassen, so drohte jenem, an dessen Stelle durch die Gasse laufen zu müssen. Am Ende der Gasse standen die Fähnriche mit den gesenkten, in Unehre gefallenen Fahnen. Der Verurteilte musste vor seinen Kameraden bekennen, dass er ihnen deren Urteil verzeihe. Dreimal durchschritt der „arme Mann“ begleitet vom Provost nun die Gasse, um von seinen Kameraden Abschied zu nehmen und sie um Verzeihung für seine Schandtat zu bitten, dann rollten die Fähnriche die Fahnen ein und stießen sie umgekehrt in den Boden, der Provost schlug dem Sünder dreimal auf die Schulter, der Todgeweihte betrat die Gasse und marschierte auf die Fahnen zu. Richter und Henker waren in diesem Fall die Landsknechte selbst, die mit den zustoßenden Spießen die Schandtat straften und damit die Ehre der Fahne wieder herstellen konnten.
Im Zeitalter des Absolutismus wurde der Spießrutenlauf zum festen Bestandteil der Disziplinargewalt. Unter Aufsicht von Offizieren bildeten ein oder mehrere hundert Soldaten mit vorgestelltem Gewehr eine etwa zwei Meter breite Gasse, die der bis zum Gürtel entblößte Verurteilte mit auf der Brust zusammengebundenen Händen mehrmals langsam bei Trommelschlag durchschreiten musste. Hierbei erhielt er von jedem Soldaten mit einer Hasel- oder Weidenrute (Spieß- oder Spitzrute) einen Schlag auf den Rücken. Bei der preußischen Kavallerie wurden bis 1752 statt der Ruten Steigbügelriemen (daher Steigriemenlaufen) verwendet. Um den Verurteilten am schnellen Gehen zu hindern, schritt ein Unteroffizier voraus, der ihm eine Säbelspitze vor die Brust hielt.
Ein sechsmaliges Spießrutenlaufen durch 300 Mann an drei Tagen mit Überschlagen je eines Tags wurde der Todesstrafe gleich geachtet und hatte auch gewöhnlich den Tod zur Folge. Konnte der Verurteilte nicht mehr gehen, so wurde er auf Stroh gelegt und erhielt dann die festgesetzte Anzahl von Streichen. Um „sich den Schmerz zu verbeißen“, hielt der Verurteilte beim Spießrutenlaufen eine Bleikugel zwischen den Zähnen.
· Spießrutenlaufen. In: Meyers Konversations-Lexikon. Bd. 15, 4. Aufl. Leipzig: Bibliographisches Institut, 1885–1892, S. 145.
 
Ich müsste mal schauen, ob man auch zum Spießrutenlaufen "begnadigt" werden konnte und wie das Verhältnis von Spießrutenlauf und Erschießung als Strafe zueinander war.:grübel: Kennt da vielleicht jemand dazu Urteile, die das behellen?
 
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auch wenn ich Militärhistorisch nicht so sehr interessiert bin, so kam doch neulich die Frage in mir auf: war es quasi ein Todesurteil wenn man zum Gasselaufen verurteilt wurde?
Ich denke mal nicht. Gassenlaufen war zumindest in Preußen eine Strafe die hauptsächlich zu Friedenszeiten angewandt wurde. Im Krieg wurden Soldaten bei entsprechenden Vergehen meist einfach aufgeknüpft. Es gibt einen interessanten Brief von Friedrich Wilhelm I. an Generalleutnant Prinz Georg von Hessen-Kassel von 1725: Beurlaubte Soldaten des Regiments No. 10 trugen teilweise bäuerliche Kleidungsstücke zu ihrer Uniform. Wer nicht die vollständige Regimentsmontierung trug hatte mit folgenden Strafen zu rechnen: Auf den 1. Verstoß stand 10 mal Gassenlaufen, auf den 2. Verstoß 20mal Gassenlaufen und auf den 3. Verstoß 30mal Gassenlaufen. Alle weiteren Verstöße sollten mit 70mal Gassenlaufen und 2 Jahren Festungsarbeit bestraft werden. Die Delinquenten mussten durch 200 Mann laufen.[1] Muth gibt an, dass ein Delinquent in der preußischen Armee an einem Tag maximal 8mal Gassenlaufen durfte und mehr als 30mal in der Regel tödliche Folgen hatte.[2] Man scheint es also nicht unbedingt auf den Tod der Delinquenten abgesehen zu haben. Zu den dauerhaften Folgen des Gassenlaufens müsste ich nochmal recherchieren. Wäre aber auch seltsam seine Soldaten im Frieden zu Krüppeln schlagen zu lassen. ... Die Soldaten müssen ja danach weiterhin schön für ihren Fürsten arbeiten (erinnert mich irgendwie an Wir sind Kaiser :D). Ich tippe mal darauf, dass sich die Sache ähnlich verhält wie die Strafpraxis bei Deserteuren, ergo dass Gassenlaufen wohl nur bei Wiederholungstätern schlimmste Folgen hatte. Die 70mal Gassenlaufen + Festungsarbeit hören sich eher nach Abschreckung an. Überleben könnte man die 70mal wohl nur mit Pausen. 9 Tage am Stück jeweils 8mal Gassenlaufen hört sich nicht sehr gesundheitsförderlich an.

[1] Jürgen Kloosterhuis: Bauern, Bürger und Soldaten. Quellen zur Sozialisation des Militärsystems im preußischen Westfalen 1713-1803. Regesten, Münster 1992, S. 239.
[2]Jörg Muth: Flucht aus dem militärischen Alltag. Ursachen und individuelle Ausprägung der Desertion in der Armee Friedrichs des Großen, Freiburg i.Br. 2003, S. 110.
 
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Alle weiteren Verstöße sollten mit 70mal Gassenlaufen und 2 Jahren Festungsarbeit bestraft werden. Die Delinquenten mussten durch 200 Mann laufen.[1]
Naja, wenn es eine Todesstrafe gewesen wäre, dann hätte man sich das mit der Festungsarbeit auch schenken können.

Ich frage mich dabei aber auch, hatten die nichts anderes zu tun? 200 Mann so oft mit einer Bestrafung zu beschäftigen scheint mir aber auch nicht gerade rationell. Könnte nicht so eine Häufung vom Gasselaufen den Zuschauer auch abstumpfen, statt ihn zu formen/erziehen?
 
Ich frage mich dabei aber auch, hatten die nichts anderes zu tun? 200 Mann so oft mit einer Bestrafung zu beschäftigen scheint mir aber auch nicht gerade rationell. Könnte nicht so eine Häufung vom Gasselaufen den Zuschauer auch abstumpfen, statt ihn zu formen/erziehen?





Wie sagte Mao 200 Jahre später: "Bestrafe einen, erziehe hundert."





Wer bitte ist dieses Morchen, das du dauernd ansprichst??? :grübel:
 
Ich frage mich dabei aber auch, hatten die nichts anderes zu tun? 200 Mann so oft mit einer Bestrafung zu beschäftigen scheint mir aber auch nicht gerade rationell. Könnte nicht so eine Häufung vom Gasselaufen den Zuschauer auch abstumpfen, statt ihn zu formen/erziehen?
Rein rechnerisch bräuchte es bei 8mal Gassenlaufen als Maximum pro Person pro Tag gar nicht mal so viele Delinquenten um eine Garnison ganzjährig zu beschäftigen. Ich kenne leider keine Daten dazu wie oft Gassenlaufen im durchschnittlich im Jahr verhängt wurde, würde aber mal nicht von übermäßig hohen Werten ausgehen.
 
Rein rechnerisch bräuchte es bei 8mal Gassenlaufen als Maximum pro Person pro Tag gar nicht mal so viele Delinquenten um eine Garnison ganzjährig zu beschäftigen. Ich kenne leider keine Daten dazu wie oft Gassenlaufen im durchschnittlich im Jahr verhängt wurde, würde aber mal nicht von übermäßig hohen Werten ausgehen.
Es taucht jedenfalls als Strafe immer mal wieder in den Quellen auf. Im Vergleich zu Gliederabtrennen und dergleichen wurde das sicher noch als human damals empfunden.

Es heißt ja immer wieder, wenn ich mich recht entsinne, dass 5-6 Leute z.B. gemeinschaftlich versucht hätten zu desertieren und dann wurde allen die Strafe aufgebrummt. Bei solchen Fällen war das entsprechende Regiment ja wirklich lange beschäftigt.

Leibeszüchtigung generell war jedenfalls so üblich in den Strafkatalogen, dass sich damals keiner darüber aufgeregt haben wird (außer vielleicht der Delinquent).

Ich hatte mich eben auch schon gefragt, ob es nicht usus gewesen sein mochte, die hohe Strafe zu verhängen, dann nach einigen Gängen aber aus den von uns beschriebenen Gründen (Opfer ein Krüppel und unbrauchbar danach, Truppe zu lange beschäftigt) abzubrechen.

Bei den Reichstruppen war jedenfalls Gasselaufen auch während des Siebenjährigen Krieges üblich.
 
Mal wieder der Blick vom feuchten Rand des Kontinents:

In der Royal Navy war das Gasselaufen während des 18. Jahrhunderts auch ein Mittel der Sanktionierung von Fehlverhalten. Gegen Ende des 18. Jh. wurde es verboten - Der Link sagt 1813: Re: "Run the gauntlet": a bit more

Es war besonders zum Ende des Jahrhunderts hin keine häufige Strafe mehr. Wenn, dann wurde es aber angewandt, um "Kameradenstraftaten" wie z. B. Diebstahl zu sanktionieren. Dann wurde der Übeltäter auch gerechterweise von den Geschädigten bestraft. Ein sehr strenger Kommandant, der regelmäßig und heftig die Peitsche schwingen ließ, hat während dreier Jahre in den 1790ern genau einmal den Spießrutenlauf verhängt - tatsächlich gegen einen Knilch, der die Seekisten seiner Kameraden ausgeräumt hatte. Der Mann ist immerhin nicht daran gestorben. Was m. W. Royal Navy und die Preußen gemein hatten, ist, dass man nach Möglichkeit vermieden hat, hoch qualifiziertes Personal hinzurichten oder dauerhaft zu versehren - dazu hatte man einfach zu viel in den Kerl investiert und Ersatz war schwer zu beschaffen. Was im Umkehrschluß heißen KÖNNTE, dass sich die Mortalitätsrate bei solchen Strafen antiproportional zu Ausbildungsstand und Ersatzverfügbarkeit verhalten hat.:still: Die Marine hat in der Regel (schwachsinnige Einzelkommandanten außen vor!) - außer bei Kapitaldelikten, Meuterei oder Hochverrat - so bestraft, dass es zwar ordentlich weh tat, gleichzeitig aber peinlich genau darauf geachtet, dass z. B. beim Peitschen keine lebenswichtigen Organe geschädigt wurden. Der Schiffsarzt (und m. W. in den Landstreitkräften ebenfalls der Regimentsarzt) durfte den Vollzug der Strafe jederzeit unterbrechen, wenn das Leben des Delinquenten gefährdet war. Wenn der Mann dann später wieder aufgepäppelt worden war, gabs die Fortsetzung. Warum sollte für einen aufwändig dressierten Musketier wesentlich anderes gegolten haben? (Wobei natürlich ein Marineoffizier sehr viel humaner, gebildeter, berechnender und vernünftiger war & ist als so ein Krautjunker in Flecktarn :devil:)
 
Naja, wenn es eine Todesstrafe gewesen wäre, dann hätte man sich das mit der Festungsarbeit auch schenken können.

Ich frage mich dabei aber auch, hatten die nichts anderes zu tun? 200 Mann so oft mit einer Bestrafung zu beschäftigen scheint mir aber auch nicht gerade rationell. Könnte nicht so eine Häufung vom Gasselaufen den Zuschauer auch abstumpfen, statt ihn zu formen/erziehen?

Besser als Todesstrafe ist doch, den Verurteilten noch ein wenig arbeiten zu lassen. Das ist ja nicht neu.

Und meinst Du, durch die Hinrichtungen sollte jemand geformt oder erzogen werden? Es geht doch vor allem um Abschreckung, und die funktioniert auch nicht.
 
Und meinst Du, durch die Hinrichtungen sollte jemand geformt oder erzogen werden? Es geht doch vor allem um Abschreckung, und die funktioniert auch nicht.

so is es:

Bei schlimmeren Vergehen wie Feigheit vor dem Feind, Meuterei des gesamten Regiments, unnötiger Kapitulation oder Verlust der Fahne, wurden Kollektivstrafen ähnlich denen in der Antike verhängt: Wenn gantze Trouppen im Felde ihre Devoir nicht thun, sondern flüchtig werden, hat der Offizier, so an der Flucht schuldig, das Leben verwürcket (...). Die gemeinen Soldaten aber sol von den Schuldigen der zehnde aufgehenckt, die übrigen aber ausser dem Lager allein zu liegen, (...), auch das Lager, bis sie ihr Verbrechen durch männliche Thaten gebüsset, zu reinigen angehalten werden.
Üblicher waren die Leib- bzw. Körperstrafen, wie das Eselreiten oder das
Spießruten- bzw. Gassenlaufen. Der Delinquent musste durch eine Gasse von sich gegenüberstehenden Soldaten, bis zu 100 Mann auf jeder Seite, laufen, die mit eingeweichten Haselstecken auf ihn einschlugen. Um ihn daran zu hindern, die Gasse zu schnell zu durchqueren, schritt ein Sergeant mit umgekehrtem Spieß vor ihm her. Dass die Soldaten auch richtig zuschlugen, überprüften andere Offiziere, die hinter den Reihenauf und ab gingen. Je nach Schwere des Vergehens konnte dieser Vorgang mehrmals wiederholt werden. Welche Wirkung eine solche Bestrafung auf die beteiligten Soldaten hatte, wird anhand eines Zeitzeugendokuments deutlich: „Da mussten wir zusehen, wie man sie [die Deserteure] durch die lange Gasse auf und ab Spießruten laufen ließ, bis sie atemlos hinsackten – und des folgenden Tages aufs neue dran mussten, die Kleider ihnen vom zerhackten Rücken runtergerissen und wiederfrisch drauflosgehauen
wurde, bis die Fetzen geronnenen Bluts ihnen über die Hosen hinabhingen“.
Das Gassenlaufen wurde bei Fahnenflucht oder wie im beschriebenen Fall bei Desertion als Standardstrafe verhängt, kam aber auch bei Trunkenheit oder Meuterei zur Anwendung. Eine wirkliche Abschreckung hat aber auch dieses Verfahren, trotz sicherlich vorhandener psychologischer Wirkung, nicht gezeigt.
 
Bei den Reichstruppen war jedenfalls Gasselaufen auch während des Siebenjährigen Krieges üblich.
Auch auf dem Feldzug in Feindnähe? Das "in Kriegszeiten" bezog sich vorallem auf diese Situation, da es quasi die Standardsituation ist, in der sich die Tagebuchschreiber aus der preußischen Armee befinden.
 
Bei schlimmeren Vergehen wie Feigheit vor dem Feind, Meuterei des gesamten Regiments, unnötiger Kapitulation oder Verlust der Fahne, wurden Kollektivstrafen ähnlich denen in der Antike verhängt:

Gab es nicht im WK I französische Einheiten , aus denen jeder 10. Mann wegen og. Vorkommnisse erschossen wurde ? " pour encourageur les autres......." Liegt noch keine 100 Jahre zurück . Keinesfalls Antike.....
 
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