Eine wichtige Frage, die mich auch Anfang des Jahres beschäftigt hatte und ich will meine Überlegungen dazu angesichts der Frage daher einmal zur Diskussion stellen; zuvor will ich bemerken, insofern man den geposteten Links folgt, die Gegenaufklärung historisch auf die Spätaufklärung folgt. Ich lese gerade in einem Review Essay (Hans Reiss, 1999) nach, daß z. B.
Johann Gottlieb Fichte einst einen Artikel gegen die Unterdrückung der Gedankenfreiheit in Europa geschrieben hatte, eine Haltung die zum Ende des 19. Jhs. aufgegeben hatte. Da in der Ausgangsfrage ein gewisser Burke erwähnt wurde:
Justus Möser wurde, wie ich demselben Review Essay entnehme, als ein deutscher Burke bezeichnet und gilt als bedeutender Kritiker der Aufklärung. Und da Metternich erwähnt wurde, sei auf seinen Berater hingewiesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Gentz;, der Burkes ins deutsche Übersetzt hatte (und wohl auch kommentiert oder mit einer Einleitung versehen hatte; und da Haller erwähnt wurde:
Johann David Michaelis ? Wikipedia
Mein Verdacht, den ich gerne zur Diskussion stellen möchte, ist allerdings, daß die Gegenaufklärung ältere Ursprünge hat:
Ich muß zugeben, daß ich mich mit der Einführung des Begriffs [Gegenaufklärung; siehe
http://www.geschichtsforum.de/622463-post16.html] sehr weit aus dem Fenster gelehnt habe. Es ist sozusagen eine grundlegende Zurücknahme der Aufklärung, die aber auch im Kantischen Aufklärungsprogress gewissermaßen durchscheint - ein reaktionärer Prozess, den man auch - Nietzsche paraphrasierend - als Umwertung aller aufklärerischen Werte ansprechen könnte (vgl. auch Stichwort "Dialektik der Aufklärung").
Wie dem auch sei, irgendwie erscheint es mir als ein immer wieder auftauchendes Phänomen kultureller Dekadenz, daß eine diffuse Angst vor dem Sittenverfall entsteht, hier: auch im Kreise der Berliner Mittwochgesellschaft:
James Klein (1989) zitiert z. B. einen Juristen, der es besser fand, die niederen Stände in "sinnvollen Irrtümern" verharren zu lassen, da deren Aufklärung als "isolierte Wahrheit" keine Effekt hätte; oder einen gewissen Svarez, der die Ansicht vertrat, daß die Moralität des gemeinen Volkes auf Überzeugungen gründe, die unsicher, zweifelhaft, oder komplett falsch wären, und Aufklärung deren Motiv zum ethischen guten Verhalten entziehen würde. ...
Der Name des erst genannten Juristen lautet
Ernst Ferndinand Klein; ich habe bei Wikipedia geschaut, aber dort findet man zu seiner merkwürdigen Auffassung eines "sinnvollen Irrtums", demnach eine isolierte Wahrheit wenig nutzen und Überzeugungskraft haätte, während Irrtümer hingegen dem öffentlichen Wohl manchmal dienlicher seien.
Der andere genannte ist
Karl Gottlieb von Suarez, der auch der Lehrer von Friedrich Wilhelm III war, hatte mit der Revision des "Allgemeinen Preußischen Landrechts" zu tun. Aber auch hier lese ich im entsprechenden Wikipedia-Artikel nichts, was meinen Verdacht bestätigen könnte, daß er sich einer Art Gegenaufklärung zuordnen ließe, obwohl er beispielsweise die Idee hatte, daß die Aufklärung eines Zensors bedürfe.
Nichts desto weniger fällt es mir schwer meinen Verdacht aufzugeben. Schließlich gab es wohl einige Stimmen innerhalb der Berliner Mittwochsgesellschaft (auch Mendelssohn selbst), die für eine Begrenzung der Aufklärung eintraten. Auch sahen sich diese zwar wörtlich als "Freunde der Aufklärung", aber sie trafen sich in diesem Club wohl auch, um ihre Pflicht als gut gesinnte Patrioten zu erfüllen (so etwa Moehsen nach James Schmidt, der aus einer Arbeit von Ludwig Keller über Die BM zitiert und ins englische übersetzt).
Mein Argument läuft auf die Priorität des Patriotismus als nationalistische Tendenz gegenüber aufklärerischen Ziele hinaus, was ich als gegenaufklärerisch ansehe würde.