Geheimer Rat

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Geheymer Rath

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Hallo,

Bei der Beschäftigung mit den sächsischen Fürstentümern im heutigen Thüringen bin ich mehrfach darauf gestoßen, dass verschieden Persönlichkeiten zu Geheimen Räten ernannt worden. Prominentestes Beispiel ist da sicherlich Goethe. Der Wikipedia-Artikel hat mich zu diesem Thema schon etwas erleuchtet, allerdings ist mir immer noch nicht klar, wie die Verwaltung so eines Fürstenhofes im 18./19. Jahrhundert nun von Statten ging und welche Aufgaben bspsw. ein Regierungs- oder Justizrat hatte. Vielleicht kann ja jemand in diesem Forum mir da nähere Erläuterungen und/oder Quellen dazu geben. Vielen Dank schonmal im voraus.
 
Einen Überblick über den Verwaltunsaufbau Sachsens (Schaubilder nebst Erläuterungen) kannst Du bei Reiner Gross, "Geschichte Sachsen", finden:
- um 1720: Seite 133;
- um 1800: Seite 164;
- um 1900: Seite 240.
 
Kleine Kabinettsausstellung im Thüringer Hauptstaatsarchiv in Weimar

Also im Moment läuft in Weimar im Stadtschloss die Ausstellung "Ereignis Weimar" über die Zeit von der Geburt Hz. Carl Augusts (1757) bis zum Tod seiner Mutter Anna Amalia (1807), die ich sehr empfehlen kann.
Es gibt eine interessante Animation über den Vorgängerbau, die Wilhelmsburg, die 1774 brannte => Schlossneubau. Über 500 Exponate in einer guten Konzeption, finde ich.
Klassik Stiftung Weimar : Ereignis Weimar

Um Verwaltung geht es in der Ausstellung natürlich in einem Bruchteil.
In diesem Zusammenhang viel interessanter: Es gibt kostenlos im Thüringer Staatshauptarchiv in Weimar im Marstallgebäude (im Seiteneingang) eine kleine Kabinettsausstellung mit einigen Vitrinen zu genau diesem Thema zu sehen: „Goethe im Conseil – Eine Session des Geheimen Consiliums am 17. Februar 1779“
Thüringer Staatsarchive - Ausstellung
Dabei wird eine einzelne Sitzung dieses Gremiums mit 50 TOPs nachvollzogen. Allerdings sind nur 19 TOPs durch Originaldokumente bzw. Faksimiles zu sehen.
Ich habe mir einige Notizen gemacht, die ich hier kurz knapp wiedergebe (von dem was nicht auf der Seite des ThStHA eh schon steht):

Es herrschte noch das sog. Kollegialitätsprinzip und kein Ressortprinzip, das erst ab 1815 mit der Einführung der Staatsminsterien Einzug hielt.
D.h. nach einer offenen Aussprache es gab eine Mehrheitsabstimmung, der der Herzog zustimmen musste und die dann alle nach außen vertreten mussten. Goethe war entgegen seiner Kompetenz als Jurist insbesondere für die Finanzen zuständig (siehe auch Bearbeitung).

Die Abfolge der TOPs war gegliedert in folgende Bereiche:

A: Angelegenheiten der Mitglieder des fürstlichen Hauses und auswärtige Politik, Beziehung zu Kaiser und Reich
B: Militär
C: Uni Jena (gemeinschaftlich verwaltet mit den 4 ernestinischen Erhalterstaaten zu der Zeit: S-W-E, S-C-S, S-G, S-M müssten dies sein:grübel: [ohne das jetzt nachzusehen])
D: Rechts-, Gerichts-, Lehnwesen, innere Landesverwaltung, Ämtersachen
E: Finanzwesen, Forst, Bauwesen
F: Geistliches, Kirche und Schule
G: Steuersachen, Landstände
H: Beamten-, Diener- und Gnadensachen

In den Punkten A, C und H war das Geh. Cons. die einzige und damit oberste Instanz.
Für die anderen Punkte wurde ihr Fälle vorgelegt, die einer besonderen Entscheidung bedurften oder zur Kenntnis gebracht werden sollten. Auch hier war das Geh. Cons. die oberste Instanz - es bearbeitete aber nur ausgewählte und nicht alle Fälle wie aus den Bereichen A, C und H. Die Zahl der TOP, an deren Vorgang Goethe von 1776-85 mitgearbeitet hat beträgt über 10.000.
Für die anderen Punkte gab es untergeordnete Behörden:
B - Kriegskommission
D - die getrennten Regierungen für die Fsm. Weimar und Eisenach
E - die Kammern
F - Konsistorien
G - Landschaftskasse-Direktorien

Die Bearbeitung der Punkte erfolgte in 3 Stufen:
1. Referieren (einer trug das Problem vor – heute macht das im Kabinett der dafür zuständige Fachminister i.d.R.)
2. Votieren
3. Resolvieren (heute würde man sagen: beschliessen)

Nach der Entscheidung wurden sie an den Geh. Referendar, der die Verbindung zur Geheimen Kammer herstellte, weitergeleitet bzw. zur Bearbeitung weitergereicht.
Von den 50 TOPs waren nach 3 Tagen:
18 Vorgänge erledigt (dem Hz. zur Unterschrift vorgelegt und damit ausgefertigt z.B.), 10 an Behörden weitergeleitet, 22 unregistriert zur Kenntnis genommen und ad acta gelegt.

Dies bedeutet, dass auf einzelnen Dokumenten zu den TOPs die Paraphen (Namenskürzel) vom Herzog und seinen Ratsmitgliedern zu sehen sind (z.B. CA oder JWG) bzw. kurze Vermerke wie accdeo G. (ich trete bei Goethe = ich stimme zu).
Erstaunlich für mich war mit welcher Akribie und Ordnung schon damals die Verwaltung gehandhabt wurde.
Goethe war zog sich vor seiner 1. Italienreise aus den administrativen Geschäften zurück. Allerdings blieb er weiterhin nominelles Mitglied und beeinflusste durch Eingaben, Voten, Protokolle indriekt die getroffenen Entscheidungen bis er sich nach 1815 „vollständig“ um Kunst und Wissenschaft „kümmerte“.

Die 50 TOPs vom 17.2.1779 spiegeln eine breite Palette wieder:
von Glückwünschen zur Geburt der Tochter von fremden Herrschern und der Stadt über die Wahl eines neuen Prorektors, 2 neue Stellen am Hofgericht in Jena, einer Strafe wegen eines Tabakdiebstahles, einer Innungsaufnahme, einer Heiratserlaubnis für einen Soldaten, Ernennung eines Amtadvokaten, der Besoldung eines Gärtners, Befreiung der Witwe eines Oberförsters von der Personensteuer bis hin zu der Feststellung, dass die Bilanz des Hofmarschalls fehlt usw.

Ich hoffe damit ist ein Einblick gegeben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nachtrag

Also als ich heute in der Bibo war, habe ich im Ausstellungskatalog der o.g. Ausstellung Ereignis Weimar nachgelesen.

Ich habe mir eine Kopie von einem Organigramm der Behördenstruktur gemacht des Hzm. S-W-E bis 1815 gemacht. Wenn Du Dich anmeldest, Geheymer Rat und mir per PN (persönliche Nachricht) Deine Emailadresse mitteilst, kann ich Dir eine gescannte A4-Seite schicken.

Also was vielleicht nicht so herausgekommen ist, dass das Geh. Cons. natürlich ein empfehlendes Beratungsorgan war und der Herzog (Carl August zu Goethes Zeiten) dann seine Entscheidung traf.

Literatur dazu die im Katalog als Quelle geführt wird, die schon relativ speziell zu sein scheint, aber genau auf die Frage passt:

1. Fritz Hartung: Das Großherzogtum Sachsen unter der Regentschaft Carl Augusts 1775-1828, Weimar 1923.

2. Ulrich Heß: Geheimer Rat und Kabinett in den ernstinischen Staaten Thüringens - Organisation, Geschäftsgang und Personalgeschichte der obersten Regierungssphäre im Zeitalter des Absolutismus, Weimar 1962.
(Veröffentlichung des Thüringer Landeshauptarchivs Weimar, 6)

3. U. Heß und H. Dahl: Goethes amtliche Schriften; 4 Bde, Weimar 1950-87.
 
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