Gehört die Entstehung der jüdischen Religion und Verfolgung der Juden zur mesopotamischen Hochkultur?

xanthippe

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Ich bin neu hier und möchte etwas mehr über die Antisemitische Verfolgung der Juden in vorislamischer Zeit und im Islam wissen.
 
a) es gibt Altertumswissenschaftler, die der Auffassung sind, dass die Etablierung des jüdischen Monotheismus mit der babylonischen Gefangenschaft zusammenhängt. Ich weiß nicht, inwieweit das opionio communis ist, aber wenn dem so ist, dann steht die Entstehung der jüdischen Religion in Zusammenhang mit Mesopotamien - aber natürlich gab es bereits Israeliten, die in die babylonische Gefangenschaft gerieten. Die Bibel erzählt uns die Geschichte so, als sei das Judentum bereits zuvor monotheistisch gewesen, trotzdem es immer wieder polytheistische Tendenzen gab, die aber natürlich verurteilt werden.
b) Antisemitismus ist eine Form des Rassismus, auch die Babylonier sprachen eine semitische Sprache und gleichwohl auch die Araber eine semitsche Sprache sprechen und wir den arabischen und islamischen Antisemitismus kennen (nicht alle Muslime sind Araber und nicht alle arabischen Antisemiten sind Muslime), ist der Begriff des Antisemitismus fehl am Platz. Einen Antijudaismus könnte man allenfalls konstatieren.
Ob eine antijudaistische Verfolgung, die als solche zu bezeichnen ist, vor dem römischen Kaiser Claudius belegt ist, weiß ich nicht.
c) du machst sehr breite Zeiträume auf, übern Daumen gepeilt mal eben 1.200 Jahre, die zwischen der babylonischen Gefangenschaft der jüdischen Eliten und dem Beginn des Islam.
 
139 v. Chr. wies der Praetor peregrinus Gnaeus Cornelius Hispanus die Juden aus Rom aus. 19 n. Chr. wies dann Kaiser Tiberius die Juden aus Rom aus.

In Alexandria kam es immer wieder zu antijüdischen Ausschreitungen.
 
a) es gibt Altertumswissenschaftler, die der Auffassung sind, dass die Etablierung des jüdischen Monotheismus mit der babylonischen Gefangenschaft zusammenhängt. Ich weiß nicht, inwieweit das opionio communis ist, aber wenn dem so ist, dann steht die Entstehung der jüdischen Religion in Zusammenhang mit Mesopotamien - aber natürlich gab es bereits Israeliten, die in die babylonische Gefangenschaft gerieten. Die Bibel erzählt uns die Geschichte so, als sei das Judentum bereits zuvor monotheistisch gewesen, trotzdem es immer wieder polytheistische Tendenzen gab, die aber natürlich verurteilt werden.
Ich kenne dazu die Darstellung JHWH sei ursprünglich "nur" ein Kriegsgott gewesen, und im Zuge der Kriege, quasi zum alleinigen Gott aufgestiegen.
 
Ich kenne dazu die Darstellung JHWH sei ursprünglich "nur" ein Kriegsgott gewesen, und im Zuge der Kriege, quasi zum alleinigen Gott aufgestiegen.
Rudolf Augstein:
Nahezu unbekannt ist der heutige wissenschaftliche Kenntnisstand über das jüdische Gottesbild, das bekanntlich auch Christen und Muslime übernommen haben. Jahwe, der Einzige und allerhöchste Schöpfer der Welt, war ursprünglich ein von Nomaden verehrter Berggott, der später die Göttin Ashera zur Frau nahm. Jahrhunderte lang verehrten auch die jüdischen Stämme mehrere Götter.

Rudolf Augstein: Jesus, Kunstfigur des Christentums

Bekanntermaßen hat Rudolf Augstein in seinem Magazin "DER SPIEGEL" zu Ostern seine Leserschaft mit Themen um Gott, Jesus und Glauben beglückt.
Mir ist aus den 1990er Jahren noch ein Beitrag Augsteins in Erinnerung, in welchem er Jahwe als Windgott* bezeichnete, welche mit einer weiblichen Göttin als Paar in Tempeln verehrt wurde.

Aber den Threadersteller wird das nicht weiterbringen.

Die Schwierigkeit ist, ein Kampf gegen Juden mit deren Rasse zu begründen. Es gab ja mehrere Ereignisse, bei welchen Juden sowohl mit der römischen Herrschaft aber auch anderen Völkern des Orients in Konflikt gerieten.
Mir bekannt sind:

Jüdischer Krieg – Wikipedia

Diasporaaufstand – Wikipedia

Bar-Kochba-Aufstand – Wikipedia

Für solche Ereignisse wird es verschiedene Ursachen gegegen haben:

  • Abschüttelung der römischen Herrschaft
  • Ehrgeiz von jüdischen Persönlichkeiten
  • wirtschaftliche Interessen
  • etc

*(könnte aber auch der Wettergott gewesen sein, bin mir da unsicher)
 
Ein paar Anmerkungen:
Zum Begriff "Antisemitismus":
Wurde erstmals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Synonym für Judenfeindlichkeit verwendet und war von Anfang an eigentlich dümmlich und daneben, weil ein Begriff aus der Sprachtheorie (Semiten = Sprecher einer semitischen Sprache, wie z.B. arabisch, aramäisch udgl.) mißbraucht wird. Auch für europäische Verhältnisse war er unpassend, da die meisten Juden dieser Zeit - neben ihren jeweiligen Nationalsprachen - "jiddisch" sprachen, welches sich (neben vielen anderen Einflüssen) vorwiegend aus dem Altdeutschen entwickelte.
Wiewohl sich der Begriff eingebürgert hat und als Fachbegriff für die neuere "rassisch" begründete Judenfeindlichkeit (im Gegensatz zum früher überwiegend religiös begründeten Anti-Judaismus) firmiert, scheint er im Bezug auf das das überwiegend semitisch sprechende Mesopotamien doch besonders fragwürdig. Warum nicht einfach "Judenfeindlichkeit", wär in diesem Zusammenhang doch klarer.

rassisch begründet:
In vieltausendjähriger Geschichte haben die Völkerschaften Mesopotamiens (und angrenzender Gebiete) häufig gegeneinander Krieg geführt, sich abgeschlachtet und gegenseitig zu heherrschen versucht. Dabei hat man den jeweils anderen sicherlich alles Schlechte nachgesagt, weil das ja die eigenen Soldaten beim Mordbrennen moralisch unterstützt ("geht eh nur gegen die Bösen"), aber dass dies in besonderer Weise gegen die Israeliten gerichtet war, ist zumindest mir nicht bekannt. Menschenfeindlich war man diesbezüglich eher gegen alle, die nicht so taten, wie man wollte.

religiös motiviert:
Diverse Völkerschaften hatten zwar jeweils ihre eigenen Götter (und jeweils einen ganzen Himmel davon), allerdings werden diese einander - weil meist vorgestellte Inkarnationen von Naturgewalten - oft ähnlich und/oder ident gewesen sein. Übernahme fremder Gottheiten in die eigene Götterwelt war keine Seltenheit, wobei auch die Gottheiten und Kulte der Unterworfenen oft recht gut wegkamen. Assimilation in andere Kulturen wurde durch die Religion nicht verhindert, ab und an vielleicht sogar gefördert.
Der sich entwickelnde israelitische Monotheismus war allerdings für derartige Götterhandels-Prozesse ein Hindernis. Ein einziger und allmächtiger Gott ließ sich weder ins eigene Pantheon übernehmen, noch konnte er Gesellschaft durch einen fremden Gott gebrauchen; der Allmachtsanspruch machte ihn einfach nicht verhandelbar und damit wurden langfristig auch "Religionskriege" erst denkbar.
Insofern machte erst der Monotheismus Israeliten zu einer besonders schwierigen Spezies für Nachbarn, Eroberer und Oberherrn, die sich diese religiöse Widerspenstigkeit aus ihrer Logik nur schwer erklären konnten.
 
Danke für die ausführliche Information. Die Judenfeindlichkeit der Christen konnte ich mir erklären, nur den Antijudaismus der muslimischen Völker nicht. Zumal die jüdische Religion älter ist, als der Islam. Für Fachleute habe ich das Thema etwas unsachlich angefangen, aber ich wollte nicht einen judenfeindlichen Eindruck erwecken.
Vielen Dank.
 
Weiß jetzt nicht.
Meine obigen Äußerungen bezogen sich auf vorchristliche (und damit logischerweise auch vorislamische) Zeiten. Darum jetzt noch ein "islamischer" Nachtrag (auch wenn das andere hier sicher besser könnten). Noch ein Hinweis: Zu Judentum und Islam gibt es hier auch schon existierende Threads (welche genau: Keine Ahnung mehr; bitte selber suchen und nachlesen).

Meiner Meinung nach (kein irgendwie ausgewiesener Experte zu diesem Thema; bitte Goldwaagen zuhause lassen!) war die jüdisch-muslimische Beziehung - vor allem, wenn man sie mit der christlich-jüdischen vergleicht, eher "harmonisch". Rein theologisch fallen Juden und Christen islamisch unter "Buchreligionen": Also deutlich besser als Heiden (glauben ja prinzipiell an denselben Gott), aber natürlich nicht "rechtgläubig" - haben halt die letzten religiösen Twists nicht mitbekommen und glauben damit irgendwie "falsch" (aber nicht ganz). Beide Religionsgruppen wurden damit in der islamischen Welt zwar nicht gerade freundlich behandelt, aber in Normalzeiten nicht besonders drangsaliert und eher in Ruhe gelassen - bei allen Nachteilen, die man mit der "falschen" Religion natürlich immer hatte.
Pogrome gabs in der islamischen Welt natürlich auch, aber meist verweist der Hintergrund auf nicht rein religiöse, sondern zusätzlich politische Motive (im bekannten Pogrom von Granada spielte die Tatsache, dass ein jüdischer Mitbürger die Rolle des Wesirs - also salopp formuliert des "Regierungschefs" - innehatte, sicher nicht nur eine theologische Rolle; im christlichen Europa findent sich eine entsprechende Machtstellung für Andersgläubige während dieser Zeiten übrigens wohl kaum).
Ohne zweifellos existierende Mißstände jetzt beschönigen zu wollen: Hätte ich mir als Jude im Mittelalter/früher Neuzeit ein Heimatland aussuchen können: Ich hätte wahrscheinlich ein islamisches gewählt und kein christliches.

Verändert hat sich diese Situation erst im zwanzigsten Jahrhundert mit der jüdischen Landnahme in Palästina. Jüdischerseits gerne als "Alija" also als Rück- und Heimkehr ins verheißene Land betitelt, gipfelte deren Entwicklung aus palästinensischer Brille gesehen in der "Nakba" (arabisch etwa "Katastrophe") von 1948. Diese Ereignisse haben in der arabischen Welt (oder: "Naher Osten"/"Westasien") zu Empörung und zu einem Gefühl der Entrechtung geführt, das auch einen neuen Antisemitismus in dieser Weltgegend begünstigt hat.
Dieser wäre eigentlich - zumindest ich sehe das so - vorwiegend nicht religiös oder rassisch determiniert, sondern vornehmlich gegen die Politik des Staates Israel gerichtet - also im Grunde antiisraelisch; allerdings vermischt er sich sich häufig mit Topi und Memes des klassischen europäischen Antisemitismus (Zumindest in dieser Hinsicht ist Europa ideengeschichtlich noch durchaus wirkmächtig!) und wird - über seinen eigentlichen Hintergrund hinaus - zur diffusen und oft auch manifesten Judenfeindlichkeit, die sich nicht nur da, sondern auch dort äußert.

Ein Schelm, wer denkt, Europa hätte jetzt seine jahrhundertelang gepflegten und "kultivierten" Ressentiments endlich glücklich in eine neue Weltgegend exportiert...
 
Pogrome gabs in der islamischen Welt natürlich auch, aber meist verweist der Hintergrund auf nicht rein religiöse, sondern zusätzlich politische Motive (im bekannten Pogrom von Granada spielte die Tatsache, dass ein jüdischer Mitbürger die Rolle des Wesirs - also salopp formuliert des "Regierungschefs" - innehatte, sicher nicht nur eine theologische Rolle; im christlichen Europa findent sich eine entsprechende Machtstellung für Andersgläubige während dieser Zeiten übrigens wohl kaum).

Unqualifizierte, laienhafte Bemerkung von meiner Seite:

Der "Regierungschef" ist sehr wahrscheinlich etwas übrtrieben:

"In al-Andalus, the Umayyad Caliphs of Córdoba appointed a varying number of viziers, as heads of departments in the bureaucracy, ministers with specific tasks, and royal councillors; at one point, in 1008, there were as many as 29 viziers at the same time. Unlike the Islamic east, the senior office of the Umayyad state was that of the chamberlain (hajib).[13] "


Bei einem "Wesir" scheint es sich bei den Umayyaden eher um einen Kreis von Beratern und salopp gesagt, vielleicht "Ressortchefs" gehandelt zu haben, als um einen faktischen Regierungschef.

Sofern es modern gesprochen um "Ressorts" gehen konnte, würde ich es durchaus für denkbar halten, dass die Themen die die Rechte und Bräuche der geduldeten "Buchreligionen" betrafen, möglicherweise ein solches gebildet haben könnten.
Sollte das der Fall gewesen sein, wäre es wahrscheinlich konsequent gewesen diesen Bereich mit Angehörigen dieser Gruppen zu besetze, einfach weil die sich da am besten auskannten, in diesem Fall hätte allerdings der damit befasste Wesir durchaus vor allem theologische und religionsrechtliche Fragen und Praktiken zu bearbeiten gehabt, nicht unbedingt darüber hinausgehende weltliche Politik.

Sofern "Wesir" möglicherweise auch einfach als hochrangiger "Berater" ohne fest geregelte Kompetenzen verstanden werden kann würde ich meinen, dass man Äquivalente dazu durchaus auch im christlichen Europa des Mittelalters finden würde.


Meiner Meinung nach (kein irgendwie ausgewiesener Experte zu diesem Thema; bitte Goldwaagen zuhause lassen!) war die jüdisch-muslimische Beziehung - vor allem, wenn man sie mit der christlich-jüdischen vergleicht, eher "harmonisch". Rein theologisch fallen Juden und Christen islamisch unter "Buchreligionen"
Rein theologisch betrachtet genossen Juden und Christen unter muslimischer Herrschaft als Buchreligionen religiöse Toleranz, aber das ist ja an und für sich keine gänzlich neue Erfindung gewesen.
Rein theologisch betrachtet, genossen im europäischen Mittelalter auch die Juden, als bereits vorhandene Religion, aus der sich das Christentum erst entwickelte und mit der der Religionsstifter des Christentums selbst eng verbandelt war eine entsprechende Toleranz.
Rein theologisch konnte man ja genau so argumentieren, dass aus christlicher Perspektive die Juden eigentlich religiös grundsätzlich auf dem richtigen Weg gewesen seien und aber einfach ihren "Messias" nicht erkannt und deswegen ein paar Entwicklungen verpasst hatten.

Ich denke, wenn man sich über die tatsächlichen Verhältnisse unterhält, was die Möglichkeiten für jüdische Personen angeht, kommt man, was das Mittelalter betrifft, mit der rein theologischen Argumentation nicht viel weiter.

Der Vorstellung, dass es Juden zumindest in den von Muslimen beherrschten Gebieten in Europa und angrenzend an Europa wahrscheinlich in der Praxis etwas besser ging, als im Christlichen Europa, würde ich mich zwar anschließen wollen, aber nicht auf Grund theoretischer theologischer Spitzfindigkeiten, sondern aus dem ganz einfachen banalen Grund, dass die muslimischen Gebiete im Gegensatz zu den Christlichen in der Regeln Teile von in kurzer Zeit zusammeneroberten Großreichen waren, deren Bewohner zunächst fast alle eine andere Religion hatten, als ihre neuen Herrscher.
Die Muslimischen Herrscher standen in der Praxis lange vor dem Problem, bei einem religiös sehr heterogenen Herrschaftsraum, in ihrern Machtstrukturen seh anfällig für religiöse Unruhen zu sein, weil zu große Unzufriedenheit der nichtmuslimischen Bewohner sonst das Potential hatte zur Rebellion und zum Abfall ganzer Provinzen zu führen.
Also waren die muslimischen Herrscher lange bereits um ihrer selbst Willen dazu gezwungen ihre Politik auch an praktischen Leitlinien zu orientieren, die darauf zielten theoretisch bestehende "Toleranz" (Das Wort Toleranz immer mit Vorbehalt, immerhin ließen sich die muslimischen Herrscher das genau so bezahlen, wie die Christlichen) in der Praxis tatsächlich auch zu gwähren.
Wahrscheinlich zum Teil (aber das ist nur Mutmaßung von mir, die ich ad hoch nicht nachweisen kann, dazu müsste man sich vor allem die Persischen Reiche und später das Mogulreich näher anschauen) sogar über den theologischen Ansatz hinausgehend gegenüber Religionen, die keine "Buchreligionen" im klassischen Sinne waren.
Und diese Regierungspraxis wird sich im Fortschreiten der Zeit auch später in der sich weiter entwickelnden Rechtspraxis tradiert haben, obwohl in einigen Gebieten, die mit der Zeit ganz überwiegend muslimisch wurden, die praktische Notwendigkeit daran festzuhalten sukzessive entfiel.

Die Christlichen Herrscher Europas standen vor anderen Herausforderungen, weil zumindest ab dem Hochmittelalter ihre Herrschaftsgebiete religiös zunehmend einigermaßen homogen wurden, so dass die jüdische Bevölkerung als geduldete, religiös abweichende Gruppe sehr viel kleiner war, als die Gruppen geduldeter religiöser Abweichler in den von muslimischen Fürsten beherrschten Gebieten, während hier schon deutlich länger die Religion des Großteils der Bevölkerung die gleiche war, wie die der Herrscher.
Das heißt, dass es wahrscheinlich, anders als in den Großreichen der muslimischen Herrscher die praktische Notwendigkeit die theologische unterlegte Toleranz auch tatsächlich in politische Praxis zu überführen, nicht in dem Maße gegeben hat, weil bei den meisten christlichen Fürsten von Seiten der Untertanen (bei denen, die erst neuerlich zum Christentum übergetreten waren und in deren Herrschaftsbereich sich das bei der Bevölkerung noch nicht unbedingt durchgesetzt hatte mag das anders gewesen sein) in der Regel keine Aufstände und Unruhen zu erwarten waren, wenn sie sich an die theologisch bestehenden Toleranzgebote nicht hielten, einfach, weil die religiöse Minderheit in ihrem Herrschaftsbereich oftmals einfach zu klein war um ernsthaft Ärger zu machen.
Vielmehr dürften sie vor der umgekehrten Problematik gestanden haben, dass sie ihre Herrschaft möglicherweise gefährdeten, wenn sie intolerante Wallungen und Ressentiments innerhalb der christlichen Einwohnerschaft behinderten, weil sie sich dadurch möglicherweise deren Zorn zuziehen konnten und der Zorn der großen christlichen Mehrheit in diesen Gebieten war für die Herrscher gefährlicher als der der verschwindend geringen religiösen Minderheiten.


Ich denke nicht, dass sich, was die Thematik der jüdischen Belange angeht, unterschiedliche Möglichkeits- und Freiheitsräume so besonders stark aus den theologischen Traditionen der regional herrschenden Religionsgemeinschaft herleiten lassen, weil die muslimischen und die christlichen theologischen Auffassungen, was die Toleranz von Juden angeht im Mittelalter, meines Erachtens ziemlich ähnlich waren.
Ich würde behaupten wollen, reale Unterschiede ergaben sich mehr daraus, dass multiethnische und multireligiöse Großreiche auf der Praktischen Ebene eines gewissen Maßes an Toleranzpolitik bedürfen, um nicht auseinander zu fallen, während das in kleineren homogeneren Räumen in dieser Form praktisch nicht notwendig ist und in Extremsituationen (wenn die Mehrheit die Einschränkung der Rechte von Minderheiten oder noch weitergehendes feindliches Verhalten gegen die Minderheiten verlangt) aus der herschaftstechnischen Perspektive sogar gefährlich sein kann (wenngleich Toleranzpolitik und zurückweisen intoleranter Ansinnen gerade dann moralisch angebracht wäre).
 
Zuletzt bearbeitet:
ad Shinigami:
Bin geneigt der Argumentation näherzutreten. Insbesonders auf die in einem Nebensatz angesprochene Bedeutung von "Wesiren" möchte ich nicht extra beharren (wie oben angesprochen bin ich auf diesem Gebiet mit wenig/keiner Expertise ausgestattet).
Auch die angesprochene Herleitung der unterschiedlichen Behandlung jüdischer Bevölkerungsteile aus der jeweiligen internen Herrschafts- und Machtlogik christlicher und islamischer Reiche ist nachvollziehbar (Und natürlich reicht eine rein theologisch fundierte Begründung - das war allerdings auch nicht gemeint - hier nicht aus). Allerdings zweifle ich auch an dieser Erklärung als einzigen Entscheidungsgrund für diametral unterschiedliche Minderheitenpolitiken. Nimmt man als Beispiel Spanien, so folgt auf eine recht lange Phase religiöser Toleranz (besseres Wort vielleicht: weitgehende Duldung religiöser Minderheiten und nicht die nicht ganz durchgängig) unter muslimisch/arabisch/berberischer Herrschaft eine recht scharfe Wendung unter den neuen christlich/aragonesisch/kastillischen Oberherrn, die in der Zwangskonvertierung und /oder Ausweisung ganzer Bevölkerungsteile mündet. Läßt sich das wirklich ganz unter "interne Herrschaftslogiken" subsumieren ?
 
Also waren die muslimischen Herrscher lange bereits um ihrer selbst Willen dazu gezwungen ihre Politik auch an praktischen Leitlinien zu orientieren, die darauf zielten theoretisch bestehende "Toleranz" (Das Wort Toleranz immer mit Vorbehalt, immerhin ließen sich die muslimischen Herrscher das genau so bezahlen, wie die Christlichen) in der Praxis tatsächlich auch zu gwähren.
Wahrscheinlich zum Teil (aber das ist nur Mutmaßung von mir, die ich ad hoch nicht nachweisen kann, dazu müsste man sich vor allem die Persischen Reiche und später das Mogulreich näher anschauen) sogar über den theologischen Ansatz hinausgehend gegenüber Religionen, die keine "Buchreligionen" im klassischen Sinne waren.
Die Zoroastrier und in Indien sogar die Hindus wurden pragmatisch auch als "Leute des Buches" eingeordnet, obwohl das besonders im Fall des Hinduismus schon seeeehr großzügig ist.
 
Unqualifizierte, laienhafte Bemerkung von meiner Seite:

Der "Regierungschef" ist sehr wahrscheinlich etwas übrtrieben:

"In al-Andalus, the Umayyad Caliphs of Córdoba appointed a varying number of viziers, as heads of departments in the bureaucracy, ministers with specific tasks, and royal councillors; at one point, in 1008, there were as many as 29 viziers at the same time. Unlike the Islamic east, the senior office of the Umayyad state was that of the chamberlain (hajib).[13] "


Bei einem "Wesir" scheint es sich bei den Umayyaden eher um einen Kreis von Beratern und salopp gesagt, vielleicht "Ressortchefs" gehandelt zu haben, als um einen faktischen Regierungschef.
Das Pogrom von Granada fand 1066 statt, das Kalifat von Córdoba bestand seit 1008 de facto, 1031 de iure nicht mehr. 1013 hatten sich die Ziriden von Granada in Ilbîra, dass sie von ihrem umayyadischen Kalifasprätendenten erhielten, festgesetzt, sie verlegten die Hauptstadt von Ilbîra nach Garnâta al-Yahûd (Granada). Bâdis ibn Zîrî holte sich aus Málaga den jüdischen Gewürzhändler Shelomo Ibn Nagrila, der später den Titel ha-Nagid (hebr. der Fürst) trug, dieser wurde zum dhu-l-wazîratayn, zum 'Inhaber beider Ministerämter', zum Minister der Feder und des Schwertes, sprich, er war oberster General und Diplomat von Bâdis. Also Shelomo strab, beerbte ihn sen Sohn Jehosef ibn Nagrila.

Von Jehosef ibn Nagrila wird überliefert, er habe den Thronfolger Buluggîn ibn Bâdis ermordet (bei einem Weingelage vergiftet) und sich mit dem Kleinkönig von Almería verschworen, daraufhin sei es zum Pogrom von Granada gekommen. Ich persönlich halte das für nachträglich angeheftet.

Die Zoroastrier und in Indien sogar die Hindus wurden pragmatisch auch als "Leute des Buches" eingeordnet, obwohl das besonders im Fall des Hinduismus schon seeeehr großzügig ist.
Als die Portugiesen in Calicut landeten, sollen sie Hindutempel für christliche Kirchen, die Statuen für Heiligenstatuen gehalten haben.
 
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Vielen Dank für die interessanten Ausführungen zu meiner Frage. Ich habe nach weiterer Suche zu diesem Thema das mich beschäftigt, auf der Seite socialnet eine Buchrezension zu einem Buch eines algerischen Religionswissenschaftlers gefunden. Das Buch heißt: Die Juden im Koran; von Abdel Ourghi;
Die Rezension ist sehr gut gegliedert und das Thema was mich beschäftigt, wird im Buch sehr ausführlich beschrieben. Nach diesen Ausführungen ist der arabische Antijudaismus schon seit der Entstehung des Korans und auch schon zu Lebzeiten Mohammeds vorhandenen gewesen. Ich werde dieses Buch lesen, um Begründung zu finden.
 
Viel Spaß; bitte nach Lektüre um deine Meinung.

PS:
Falls du sie überlesen haben solltest, die nicht ganz so freundliche Rezension in der taz:
 
Die mesopotamischen Einflüsse auf den Pentateuch sind unbestreitbar, ich hab das in einem anderen Thread schon erwähnt: Sintflunt und Arche gibt es in vielfältiger Form in sum. & akk. Erzählungen, etwa die Königslisten. Dort war das auch ein natürliches Phänomen, zu der Zeit konnten langanhaltende Regenergüsse sogar dazu führen, dass der Eufrat sein Flussbett dauerhaft verlegt und somit Überflutungen auslöst. In Palästina? Gab es so ein Phänomen überhaupt nie. Die Nilschwemme bildete das bedeutendste Ereignis des ägpt. Jahres und dennoch gibt es von dort keine derartigen Erzählungen.
Nach Gen 2 entspringen in Eden Eufrat und Tigris. Die Menschen werden aus Lehm geformt damit sie für die Götter arbeiten, ist ebenso ein vielfältig rezipierter mesop. Mythos. Abraham kam aus Ur in Chaldäa, Hesekiel nennt Babylon auch das Land der Chaldäer.

Wie auch immer, in jedem Fall kann man den biblischen Monotheismus nur in der Auseinandersetzung mit der altorientalischen Gesellschaftsordnung und Tempelpraxis richtig einordnen. Die Götter oder im Fall der Ägypter besonders der Herrscher wurden an ihren Statuen und Tempelanlagen verehrt, die Bibel verbietet nun ganz genau das und besonders die Goldgötzen. Die Tempel waren alles andere als karitative Organisationen.
Das paradiesische Eden, die naive nackte Eva sind eine einzigartige Versuchung, ich habe das auch schon erwähnt, das ich das für einen einzigartige Möglichkeit halte in die (babylonische) Tempelsklaverei zu geraten. Hierodulen, Tempelhuren und Tempelsklaven, für die war der Gott dem sie zu dienen hatten womöglich das schlimmste Gräuel. Wie schön der Hieros Gamos, die Vereinigung des Herrschers oder Hohenpriesters mit einer ausgesuchten jungfräulichen Priesterin für alle außer ihn waren sei auch dahingestellt. Aus dieser Perspektive war der jüdisch-christliche Monotheismus und die Kirche vielleicht sogar tatsächlich für viele ein Segen.

Baruch schrieb:
2,24 Doch wir hörten nicht auf deine Weisung, dem König von Babel untertan zu sein. Da hast du deine Worte in Kraft gesetzt, die du durch deine Diener, die Propheten, gesprochen hast, dass man die Gebeine unserer Könige und die Gebeine unserer Väter aus ihrer Grabstätte holen werde.

Baruch 6 bzw Brief des Jeremias schrieb:
6,3 Nun werdet ihr in Babel Götterbilder aus Silber, Gold und Holz sehen, die man auf den Schultern trägt und die den Völkern Furcht einflößen.
6,7 Ein Handwerker hat ihnen eine glatte Zunge angefertigt; sie selbst wurden mit Gold und Silber überzogen; doch sind sie Fälschungen und können nicht reden.
6,8 Wie für ein Mädchen, das Schmuck liebt, nimmt man Gold
6,9 und fertigt Kronen für die Häupter ihrer Götter. Manchmal nehmen aber die Priester Gold und Silber heimlich von ihren Göttern weg und verwenden es für sich selber; sie geben davon auch den Dirnen in der Kammer.

6,42 Die Frauen aber sitzen, mit Schnüren umwunden, an den Wegen und lassen Kleie in Rauch aufgehen.
6,43 Sobald nun eine aus ihrer Mitte von einem Vorübergehenden mitgenommen worden ist und sich ihm hingegeben hat, schmäht sie ihre Nachbarin, weil diese nicht gleich ihr für würdig befunden und ihre Schnur noch nicht zerrissen wurde.

Für JHWH kein Götzenbild... denn er wird selbst als König herrschen:

6,58 Besser ist darum ein König, der seine Stärke zeigt, besser ein nützliches Hausgerät, das der Besitzer brauchen kann, als solche trügerischen Götter; besser im Haus eine Tür, die das, was drinnen ist, schützt, als solche trügerischen Götter; besser im Königspalast eine hölzerne Säule als solche trügerischen Götter.

Wer weiß, vielleicht waren es auch Herrscher die erkannt haben, dass der Götzendienst für ihre Person abträglich ist und bei diesem Monotheismus handelt es sich um einen fehlgegangen oder nicht vollendeten Versuch sich selbst zu vergöttern.

Judit schrieb:
3,8 Doch er ließ alle ihre Kulthöhen zerstören und ihre Götterhaine umhauen. Ihm war die Macht gegeben, alle Götter der Erde zu vernichten. Alle Völker sollten nur Nebukadnezzar verehren und alle Stämme und Nationen ihn als Gott anrufen.

6,2 Gibt es denn überhaupt einen Gott außer Nebukadnezzar?

Das würde dann zeitlich auch sehr gut zusammenpassen, denn wie der Don (Quijote) schon erwähnt hat entstand der Monotheismus mit hoher Wahrscheinlichkeit im Exil.
Das wäre in der Geschichte alles andere als das erste Mal gewesen, von Sargons Akkad bis in die altbabylonische Zeit (Hammurabi) verstanden sich auch die Könige "von Sumer und Akkad" als Götter. In Ägypten war das durchwegs der Fall auch wenn die Ausprägung durch die Wirren stark variierte und da sehe ich einen bedeutenden Zusammenhang den das AT dokumentiert: wie eben jene ägyptische theokratische Sakralherrschaft nach dem Niedergang des Neuen Reichs langsam nach Mesopotamien wandert bzw den Versuch das zu imitieren.

»Die Epoche der Restauration unter Nehemia und Esra war die Geburtsstunde des Judentums« (H. Donner, Geschichte Israels, 431)
Esra und Nehemia waren persische Priester und "Reichskommissare" die nach Jerusalem gesandt wurden. Durch die sog. Priesterschriftliche Redaktion nimmt "die Tora" bzw. Enneateuch (Gen-2Kön) dann auch bereits grob die Endgestalt an, die letzte große Bearbeitung im Pentateuchmodell. Esra wird somit oft als Autor der Bücher Mose bezeichnet.
Der Begriff Tora ist dabei zu dem Zeitpunkt anachronistisch, erstmals ca. 190 v. Chr erwähnt Sir 38,34–39,1 den Gottesfürchtigen der »der das Gesetz (=Tora) des Höchsten erforscht, die Weisheit der Vorfahren ergründet und sich mit den Weissagungen beschäftigt«, erst ca. 117 v. Chr. »Gesetz, Propheten und den übrigen Büchern der Väter« (SirProl 10) und »Gesetz, Prophezeiungen und die sonstigen Bücher« (SirProl 25), Dan 9,2 »die Bücher«, 1 Makk 12,9 »die heiligen Bücher« und 2 Makk 8,23 »die Heilige Schrift«. Dabei ist umstritten ob es sich dabei um ein "biblisches Selbstverständnis" gehandelt hat, der Begriff Tora bezeichnete jedenfalls noch keinen fixierten Textbestand, die Bezeichnung Kanon für diese Bücher wird erst von Athanasius 367 n. verwendet, Josephus erwähnt aber bereits die "Heiligen Bücher", "die Bücher der Gesetzgebung der Juden". Die Frage nach der endgültigen Fixierung der Tora ist ebenfalls umstritten, Jonachan ben Zakkai entkommt 70 n. Chr. im Jüdischen Krieg aus Jerusalem und sammelt in Jamnia/Javne Schüler um sich und gilt als Begründer des rabbinischen Judentums, begünstigt wird das durch die endgültige Zerstörung Qumrans 68 n., denn darum setzt sich die masoretische Tradition durch. Eine endgültige Textfixierung ist aber zu dem Zeitpunkt mit Sicherheit nicht gegeben. Die ältesten Handschriften der Hebräischen Bibel stammen übrigens erst aus dem 9. Jh, der Schreiber Mosche ben Ascher gibt selbst 895. n. Chr. an, lt. wiki von manchen Forschern jüngst eher in das 11. Jh datiert, E. Zenger, C. Frevel u.a. Einleitung i. d. AT erwähnt davon nichts (aktuelle 9. Ed 2016). Die Griechischen und Lateinischen Kodizes sind hingegen beträchtlich älter, Codex Vaticanus, Alexandrinus, Sinaiticus u.a. 3./4. Jh.

Unter dem Patriarchat der Familie des R. Hillel (2.–3. Jh. n. Chr.) führten die sozialen und religionsgesetzlichen Herausforderungen des röm. Reiches zu einer »auswählenden Redaktion und literarischen Fixierung der sogenannten ›mündlichen Tora‹, der (religions) gesetzlichen Überlieferungen, die man als verbindlich festgelegt wissen wollte« (J. Maier). Diese »tannaitische« (pharisäisch-rabbinische) Lehrtradition basierte auf einer Auslegung und Aktualisierung der Tora in der Halacha (»Weg«), der übrigen Schriften in ausgestaltenden »Erzählungen« (Haggada) und wurde in der Mischna (»Lehre«) zusammengestellt. Die weiteren Lehrdiskussionen der folgenden Rabbinen-Generation (»Amoräer«) wurde in der Gemara (»Vollendung, erlernte Tradition«) kodifiziert und abschließend (im 3.–6. Jh. n. Chr.) mit der Mischna zum babylonischen und Jerusalemer Talmud (»Studium«) komponiert.

Also um 200 n. entsteht um den Kreis von Rabbi Hillel in Javne eine erste autoritative, redigierte Sammlung religiöser Gesetze, die Mischna, eine mündliche Tora ggü. dem schriftlichen TaNaKh, sie wird von der Gemara kommentiert und bildet zusammen damit den Talmud. Der Jerusalemer Talmud ist eine kürzere Fassung des Babylonischen Talmuds (meine engl. Ausgabe des Talmud zählt über 9000 Seiten und ist nicht vollständig! Dabei ist der Talmud bloß eine von vielen rabbinischen Büchersammlungen >sefaria.org erstklassiges Online-Tool).

Das sind wohl wichtige Klarstellungen, eine Judenverfolgung kann es nicht vor dem Judentum gegeben haben, aber wo setzt man das an? Die eingangs zitierte Ansicht ist vielleicht die am weitesten verbreitete, aber das war ein langer Prozess.

Im Hellenismus haben sich zumindest die Juden selbst mit Sicherheit bedrängt gefühlt, die Makkabäerbücher zeichnen ein grausiges Schreckensbild. Wenn Antiochos IV. die sieben Kinder vor der Mutter einem nach dem andern Hände und Füße abschlägt, damit sie hilflos sind wenn sie in einer Pfanne lebend gebraten werden weil sie kein Schweinefleisch essen ist das wohl als religiös motiviert zu betrachten. Die Darstellung gilt als übertrieben aber dokumentiert immerhin sicherlich die Wahrhehmung von jüdischer Seite. In der Diaspora hatten sie generell oft Schwierigkeiten wie schon Alexandria erwähnt wurde, ich weiß nicht ob das etwas wirklich außergewöhnliches ist, oder nicht doch häufiger der Fall für geschlossene Enklaven von Fremden in einer Stadt.

So, Zeichenlimit, der "König der Juden" Jesus, Jüdischer Krieg, Bar Kochba ist wohl schwer das nicht "Anti-Judäisch", "Anti-Jüdisch" zu bezeichnen, aber ein Krieg gegen Franzosen ist nunmal "Anti-Französisch", was den Unterschied macht ist, ob es religiös motiviert ist, damit wären wir wieder dabei was eigentlich die jüdische Religion ist.
 
Wer weiß, vielleicht waren es auch Herrscher die erkannt haben, dass der Götzendienst für ihre Person abträglich ist und bei diesem Monotheismus handelt es sich um einen fehlgegangen oder nicht vollendeten Versuch sich selbst zu vergöttern.

3,8 Doch er ließ alle ihre Kulthöhen zerstören und ihre Götterhaine umhauen. Ihm war die Macht gegeben, alle Götter der Erde zu vernichten. Alle Völker sollten nur Nebukadnezzar verehren und alle Stämme und Nationen ihn als Gott anrufen.

6,2 Gibt es denn überhaupt einen Gott außer Nebukadnezzar?
Ist das wirklich zeitgenössisch belegt? Den "Assyrerkönig Nebukadnezzar" aus dem Buch Judit hätte ich ja eher mit dem Makedonenkönig des Alexanderromans verglichen, also einer frei ausgestalteten Figur, die lose auf einer bekannten historischen Persönlichkeit basiert.
 
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Ist das wirklich zeitgenössisch belegt? Den "Assyrerkönig Nebukadnezzar" aus dem Buch Judit hätte ich ja eher mit dem Makedonenkönig des Alexanderromans verglichen, also einer frei ausgestalteten Figur, die lose auf einer bekannten historischen Persönlichkeit basiert.
Fällt mir von Nebukadnezzar nichts ein, in seinen Texten die ich kenne verwendet er nicht den Gottestitel für sich wie das die assyr. Herrscher öfter taten. Aber auch wenn das jemand erfindet dann nicht aus Jux und Tollerei, sondern dann hat es wohl einen Grund.

Das Buch Judit entspricht im Stil dem antiken Roman (E. Zenger). Griechisch dürfte die Originalsprache gewesen sein, es weisen auch einige Elemente in die Zeit des Hellenismus. Holofernes und Bagoas sind persische Namen, Gouverneure werden als Satrapen bezeichnet, was Assyrer und Babylonier nicht taten. Die Assyrer aus 16,3 sind in 16,10 plötzlich Perser und Meder. Judit ist eine starke und selbstständig handelnde Heldin, Darstellung von Frauen in dieser Art gab es bei den Griechen schon seit Homer häufig, im Alten Orient, bei Assyrern, Babyloniern und Persern gibt es das nicht, im AT sind da noch Mirjam (Ex), Debora (Ri), Jaël (Ri).
Achior hat wiederum nicht nur im Namen eindeutige Parallelen zum Weisen Ahiqar, dem Siegelbewahrer und Berater Sanheribs und Assarhaddons.
Den Geschichtsabriss Israels den er Holofernes gibt erzählt von Diaspora, Rückkehr und Wiedereinweihung des Tempels, also persische Zeit, aber auch von einer Versammlung und Heiligung, was als stichhaltiges Indiz gewertet wird, dass sich das in Wirklichkeit auf die Makkabäerzeit 164 v. nach der Entweihung durch Antiochos bezieht. Die pers. Provinz Jehud hatte nicht die Ausdehnung Judäa "vom Bergland bis in die Jesreel-Ebene", die in 2,28-3,8 dargelegte Situation an der phönizischen Küste entspricht dem 2. Jh. v.
Neben einer Reihe weiterer biblischer und außerbiblischer literarkritischer Bezüge hat etwa Holofernes starken Anklang bei Goliat, der "die Schlachtreihen des lebendigen Gottes verhöhnt" (1 Sam 17,26) und ebenso den Kopf verliert.
Der Alexanderzug ebenso wie die Bedrohung Griechenlands durch Xerxes und vieles andere lassen sich in der Erzählung wiederfinden. Die Unterredung Xerxes mit dem Spartanerkönig Demaratos nach der Überquerung des Hellesponts in Herodots Historien entspricht etwa Achiors Ansprache vor Holofernes.

Kommt auch manchmal vor, dass bibl. Angaben bodenlos erscheinen und sich dennoch bestätigt gefunden haben, sei bloß der Seher Bileam aus der Richterzeit erwähnt, den man ganz klar in vmtl. einer Prophetenschule in Deir 'Alla des 9. Jh. bestätigt gefunden hat, spektakulärer Fund.
Die aus Nebukadnezzars Hofstaat in 2 Kön 25 und Jer 39 erwähnten Nergal-Sageser, Obermagier, und Nebosaradan, Oberster der Leibwache sind mit hoher Wahrscheinlichkeit außerbibl. belegt (ANET 307f)

In dem Zusammenhang fällt mir auch (Pseudo-)Aristoteles de mundo (Über die Welt) ein:

398 schrieb:
Vielmehr müssen wir uns das Walten Gottes ähnlich dem des Großkönigs vorstellen. War doch der Hofstaat des Kambyses, des Xerxes und des Dareios in so großartiger Weise eingerichtet, daß er den Gipfel der Hoheit und Erhabenheit erreichte. Der Herrscher selbst thronte, wie man berichtet in Susa oder Ekbatana, für jedermann unsichtbar, in einem wunderbaren Palaste, dessen Inneres von Gold, Elektron und Elfenbein strahlte. Da gab es viele Torgebäude, nach dem andern, und viele Vorhöfe, die durch viele Stadien voneinander getrennt waren; eherne Tore und mächtige Mauern schützten das Ganze. Dazu waren die vornehmsten und erprobtesten Männer berufen, die einen in der unmittelbaren Umgebung des Königs als seine Lanzenträger und seine Bedienung, andere als Wächter der einzelnen Höfe, als Torhüter und sogenannte Horcher, auf daß der König selbst, der Herr und Gott - denn so ward er angeredet - alles sähe und alles hörte. Gesondert von diesen waren andere angestellt, Verwalter der Staatseinkünfte, Anführer im Kriege und auf der Jagd, Empfänger der dargebrachten Geschenke und Beamte für alle übrigen Geschäfte, die der Bedarf des königlichen Haushaltes mit sich bringt.

Und die gesamte Herrschaft über Asien, die gen Abend bis zum Hellespont, gen Morgen bis zum Indus reichte, hatten unter sich Feldherren, Statthalter und Könige nach Völkern verteilt - auch sie Knechte des Großkönigs, denen wieder andere wie Dauerläufer, Späher, Boten, Wächter und Wärter der Feuerzeichen untergeordnet waren.

Und außerdem Rainer Maria Rilkes Gedicht über den Karnak-Tempel in Theben:

keiner las
so Offenbares je in einem Buche-,
(was hülfts, daß ich nach einem Namen suche):
das Unermeßliche kam in das Maß

der Opferung.- Oh sieh, was ist Besitz,
solang er nicht versteht, sich darzubringen?
Die Dinge gehen vorüber. Hülf den Dingen
in ihrem Gang. Daß nicht aus einem Ritz

dein Leben rinne. Sondern immerzu
sei du der Geber. Maultier drängt und Kuh
zur Stelle, wo des Königs Ebenbild,
der Gott, wie ein gestilltes Kind, gestillt

hinnimmt und lächelt. Seinem Heiligtume
geht nie der Atem aus. Er nimmt und nimmt,
und doch ist solche Milderung bestimmt,
daß die Prinzessin die Papyros-Blume
oft nur umfaßt, statt sie zu brechen.-

Hier
sind alle Opfer-Gänge unterbrochen,
der Sonntag rafft sich auf, die langen Wochen
verstehn ihn nicht. Da schleppen Mensch und Tier
abseits Gewinne, die der Gott nicht weiß.
Geschäft, mags schwierig sein, es ist bezwinglich;
man übts und übts; die Erde wird erschwinglich,-
wer aber nun den Preis giebt, der giebt preis.
 
Fällt mir von Nebukadnezzar nichts ein, in seinen Texten die ich kenne verwendet er nicht den Gottestitel für sich wie das die assyr. Herrscher öfter taten. Aber auch wenn das jemand erfindet dann nicht aus Jux und Tollerei, sondern dann hat es wohl einen Grund.
Naja, im konkreten Fall geht es ja darum, dass keiner der anderen Götter imstande war, sein Volk zu retten, während JHWH dies sogar durch die Hand einer Frau gelang. Der Grund dürfte also in der Aussageabsicht des Buchs Judit zu suchen sein, nicht in der realen Persönlichkeit Nebukadnezzars, der zur Entstehungszeit des Werkes ja auch schon mehrere hundert Jahre tot war.
 
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