Gelochte Münzen und keltische Schädeltrophäen nach Diodor

Hermundure

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Hallo zusammen,

ich möchte in diesem Zusammenhang einmal Diodor von Sizilien (90-30 v. Chr.) ins Spiel bringen. Die Bewohner links des Rheins nennt er Gallier und jene rechts des Rheins vom herkynischen Wald bis zum Ozean - Kelten. Worauf ich hinaus will ist, dass er das "Kopf"-Ritual der Gallier/Kelten minutiös beschreibt. Die abgeschlagenen Köpfe der Feinde wurden als Ehrenzeichen an die Wand genagelt. Er schreibt auch, dass die Häupter von gefallenen feindlichen Edelleuten gesalbt, in ein Kästchen verwahrt und diese von Zeit zu Zeit stolz präsentiert wurden. Auch Tacitus schreibt, dass die Germanen nach der Schlacht die Köpfe der toten Römer an die Bäume nagelten. Wir erinnern uns - Varus sein Kopf wurde von Arminius zu Marbod gesandt, welcher diesen an Augustus weiter gab. Genagelte Schädel jener Zeit wurden archäologisch auch schon ausgegraben (Kobern-Gondorf; Andernach). Dieser "Schädelkult" lässt sich nun erstmals auch an augusteischen Münzen nachweisen. Stand noch vor Jahren das Lugdunum I As aus Sanne/Sachsen-Anhalt mit VAR-Gegenstempel ohne Gegenstück alleine da (Meller S. 268; 2001), gibt es mittlerweile eine weitere Münze aus dieser Epoche - ein plattierter Gaius-Lucius Denar aus Frienstedt/Thüringen. Auffällig ist, dass bei beiden Münzen der Kopf des Kaiser Augustus zentral mit einem nagelähnlichen Gegenstand durchschlagen wurde. Beide Fundorte liegen - wen wundert es, wie die Germanicus-Münzen auch, zwischen Weser und Elbe. Im Opfermoor in Niederdorla wurden an der Westgrenze zum Heiligtum zur Zeitenwende zudem menschliche Schädelteile geopfert (Schädel-Amulette).

https://ru-sorokin.livejournal.com/298456.html

Aus Kalkriese gibt es kein einziges Stück, welches zentral (kultisch?) durchlocht worden ist.


Grüße
 

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@Hermundure
Im Gegensatz zu dem Denar aus Frienstedt scheint mir das As aus Sanne allerdings in einer Weise gelocht, welche denken lässt, dass das kaiserliche Konterfei dabei nicht zwingend im Ziel des Nagelnden gestanden haben könnte, da die Auswölbung auf Augustus Wange darauf hindeutet, dass der Einschlag von der anderen Münzseite erfolgt sein müsste.
 
Ich bin in puncto römischer Münzen gänzlich unbewandert. Was wird denn auf der Rückseite (?) des Lugdunum I As aus Sanne dargestellt?
Auf den unbedarften ersten Blick scheint mir durch die mittige Lochung dieses Motiv nicht “zerstört“. Dem Einschlag zufolge könnte dieses, auf was auch immer angebracht, auch die beabsichtigt (?) anschauliche Seite der Münze gewesen sein.
Eine Interpretation im Sinne keltischen Schädelkultes in Anlehnung an schriftliche Quellen erscheint mir als eine Möglichkeit unter anderen: Verzierung an Kleidung oder im/am Haus, Halsschmuck, Talisman, aufgefädelt am Leib getragene Sparbüchse, ...
Angesichts der Individualität menschlicher Verhaltensweisen ist manches sicher höchstspekulativ aber auch nicht gänzlich abwegig. Beim Denar sicher anreizender als beim As vielleicht ja auch so was wie eine Motivation à la Käpt'n Ahab: “Wer zuerst die nächste plünderbare Vorratsgrube findet, dem gehört der Denar!“
 
@Hermundure
Im Gegensatz zu dem Denar aus Frienstedt scheint mir das As aus Sanne allerdings in einer Weise gelocht, welche denken lässt, dass das kaiserliche Konterfei dabei nicht zwingend im Ziel des Nagelnden gestanden haben könnte, da die Auswölbung auf Augustus Wange darauf hindeutet, dass der Einschlag von der anderen Münzseite erfolgt sein müsste.
Den Zusammenhang zur Diodorstelle sehe ich auch nicht gegeben. Da hat halt jemand Münzen gelocht, entweder, um sie als Schmuck zu tragen oder aber um sie an einem Draht aufzuhängen.
 
...Diodor von Sizilien [...] Die Bewohner links des Rheins nennt er Gallier und jene rechts des Rheins vom herkynischen Wald bis zum Ozean - Kelten.
Das stimmt so, wie hier dargestellt, nicht. Diodor kannte Caesars Schriften - der ja neben dem lateinischen Galli auch das keltische bzw. griechische Celtae/Keltoi - qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur - verwendete.
Diodor verwendet beide Begriffe sowohl links als auch rechts des Rheins. So schreibt er z.B., dass Herkules Alesia gegründet habe, als er die Keltike besuchte:

κατὰ δὲ τὴν Ἡρακλέους ἐπὶ Γηρυόνην στρατείαν, καταντήσαντος εἰς τὴν Κελτικὴν αὐτοῦ καὶ πόλιν Ἀλησίαν ἐν ταύτῃ κτίσαντος,...

Den Namen Gallier bzw. Galater erklärt Diodor mit diesem Besuch. Herkules habe eine junge, schöne Tochter eines keltischen Herrschers gefreit, die bisher alle Männer als unwürdig abgelehnt hatte, weil sie stärker war, als die bisherigen Bewerber (sie muss so eine Art Brunhilde gewesen sein), mit ihr bekam er einen Sohn namens Galates, von dem die Gallier bzw. Galater ihren Namen erhielten (nachdem er die benachbarten Stämme unterworfen hatte).

μιγεῖσα δὲ τῷ Ἡρακλεῖ ἐγέννησεν υἱὸν ὀνόματι Γαλάτην, πολὺ προέχοντα τῶν ὁμοεθνῶν ἀρετῇ τε ψυχῆς καὶ ῥώμῃ σώματος. ἀνδρωθεὶς δὲ τὴν ἡλικίαν καὶ διαδεξάμενος τὴν πατρῴαν βασιλείαν, πολλὴν μὲν τῆς προσοριζούσης χώρας κατεκτήσατο, μεγάλας δὲ πράξεις πολεμικὰς συνετέλεσε. περιβόητος δὲ γενόμενος ἐπ᾽ ἀνδρείᾳ τοὺς ὑφ᾽ αὑτὸν τεταγμένους ὠνόμασεν ἀφ᾽ ἑαυτοῦ Γαλάτας: ἀφ᾽ ὧν ἡ σύμπασα Γαλατία προσηγορεύθη.
Diese Legende taucht auch bei anderen antiken Autoren auf, mit Apollon statt Herkules etc.
Dann schreibt Diodor, dass viele große Flüsse durch Gallien fließen - πολλῶν δὲ καὶ μεγάλων ποταμῶν ῥεόντων διὰ τῆς Γαλατίας - und nennt als Beispiele Rhône (Rhodanus, Ῥοδανός), Donau (Δανούβιος) und Rhein (Ῥῆνος), den Caesar, der ein Gott genannt wird, überbrückte, um die Gallier auf der anderen Seite zu unterwerfen:

ὃν ἐν τοῖς καθ᾽ ἡμᾶς χρόνοις Καῖσαρ ὁ κληθεὶς θεὸς ἔζευξε παραδόξως, καὶ περαιώσας πεζῇ τὴν δύναμιν ἐχειρώσατο τοὺς πέραν κατοικοῦντας αὐτοῦ Γαλάτας.​

Über weitere schiffbare Flüsse in der Keltike zu schreiben, erspart sich Diodor ausdrücklich:

πολλοὶ δὲ καὶ ἄλλοι πλωτοὶ ποταμοὶ κατὰ τὴν Κελτικήν εἰσι, περὶ ὧν μακρὸν ἂν εἴη γράφειν.​
 
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