Genese des Monotheismus

Wenn Du eine persönliche Abneigung gegen "just jene" Person der Geschichte hast, ok; aber solch einer Abneigung sollte man - so man historisch arbeiten will - keine allzu großen Auswirkungen auf die eigene Quellenkritik zugestehen. Ist das bei Dir der Fall? Ist das bei Dir nicht der Fall? Du weißt es am besten. Beantworte Dir die Frage einmal.

Hallo Chan, ich hab nochmal nachgedacht: Die Frage muss ich mir eigentlich auch selber stellen, denn ich habe eine Zuneigung zu „just jener Person der Geschichte“.


PS: Wollte mich übrigens mal bei jenem anonymen Bewerter bedanken, der eine (andere) tatsächliche Schwäche bei mir erkannt und benannt hat, aber trotzdem positiv bewertet hat!
 
Es geht übrigens nicht um irgendeine Person, sondern um just jene, die laut christlichem Glauben vom Herrn der Schöpfung zwecks Erlösung zu den Menschen gesandt wurde und sie am Ende der Tage auch richten wird. Ich verstehe absolut nicht, wie man sich unter diesem Aspekt mit den spinnenfadendünnen ´Zeugnissen´ zufriedengeben kann, die über diese angebliche Person hinterlassen sind, und diese ´Zeugnisse´ als hinreichendes Existenzdokument akzeptiert, wie du und Ravenik u.a. es anscheinend tun, vor allem, wenn man bedenkt, wie fälschungsfreudig das Christentum nachgewiesenermaßen war.
Allerdings war es nicht üblich, Beschimpfungen des Christentums und der Christen zu fälschen, wie sie bei Tacitus enthalten sind.

Ich kann das auch gerne belegen, z.B. anhand antiker Papyri für privaten Schutzzauber. Wenn es nicht als "religionsfeindlich" eingestuft werden könnte, würde ich mich auch auf die Hunderte von Zwangsregeln beziehen (z.B. wie weit in einer bestimmten Situation eine Tür geöffnet sein darf...), die das Judentum erarbeitet hat, um Gott wohlgefällig zu sein. Wir könnten auch über den Kybelekult reden, der viele Männer in Anlehnung an Attis zur Selbstkastration trieb, von denen manche das am nächsten Tag sicher bereuten. Wir könnten zudem über die Art und Weise reden, wie sich die christlichen Schulen in den ersten Jahrhunderten gegenseitig als "wilde Tiere" und Schlimmeres bezeichneten, also die emotionale Reife von Zwölfjährigen demonstrierte. Mein Urteil ist übrigens nicht wertend gemeint - es ist einfach evident, dass viele Denk- und Verhaltensweisen, die damals als normal galten, heute vorwiegend bei Borderline-Patienten und schizophrenen Patienten anzutreffen sind, d.h. sie gehen über den neurotischen Rahmen weit hinaus.

Das ist keine Wertung, sondern eine nüchterne Feststellung.
Dann stelle ich aber fest, dass viele Menschen heute auch nicht anders sind. Wenn Du auf antike Schutzzauber und Zwangsregeln verweist, dann verweise ich darauf, welche Blüte heutzutage Esoterik, insbesondere Astrologie, erlebt. Wenn Du auf den Kybelekult verweist, verweise ich darauf, was für dämliche (und oft lebensgefährliche) Mutproben manche heute machen. (Und so mancher bereut am nächsten Tag vermutlich auch, was er/sie in der vergangenen Nacht im Lustrausch und/oder in besoffenem Zustand gemacht hat.) Und wenn Du auf die Streitereien mit unterirdischem Umgangston verweist, dann schlage ich vor, Dich einmal etwas näher mit Innenpolitik, bevorzugt Wahlkämpfen und Presseaussendungen von Generalsekretariaten, zu beschäftigen. Da werden missliebige Personengruppen auch schon mal als "Heuschrecken" oder sonstiges Ungeziefer bezeichnet.
Natürlich trifft das nicht auf alle heutigen Menschen zu. Das tat es in der Antike aber auch nicht.

Nun, ich schrieb "polytheistische Regungen" und nicht "Polytheismus". Natürlich wurde mit Sophia keine separate Göttin offiziell neben Jahwe gestellt, aber die - ob wirklich allegorischen gemeinten, sei jetzt dahingestellt - Formulierungen in den Texten wären kaum erklärlich, wenn nicht zumindest unbewusst eine polytheistische Tendenz (Regung) bestanden hätte. Dafür spricht auch, dass es gerade die Sophia-Gestalt ist, deren wichtigste Züge das frühe Christentum über die Vermittlung von Philon von Alexandria auf Christus übertrug - das Motiv des JC als Gottesmittler entstammt dem Sophia-Konzept. Das kann ich dir gerne im Detail nachweisen.
Ich bitte darum.

Die damit entstandene innerchristliche Problematik, nämlich das spätere Trinitätskonzept, hat dem Christentum den Vorwurf des Polytheismus eingetragen (bekanntlich ein Hauptargument auch des Islam gegen die Christen). Dem Christentum ist es auch nicht wirklich gelungen, diesen Vorwurf zu entkräften.
Nur in den Augen seiner Gegner nicht.

Im 2. Jh. vuZ war Isis ein Orientierungspunkt für die Konzeption der Sophia. Jüdische Autoren hatten die diversen Isisaretalogien gut studiert und einiges daraus für Sophia adaptiert. Das überliefert auch Philon von Alexandria. Bestätigt wird das von Plutarch.
Wo soll das stehen? Zumindest in Plutarchs Schrift "Isis und Osiris" schreibt er lediglich, dass Typhon (also Seth) der Vater von Hierosolymos und Iudaios (also offensichtlich Stammvätern der Juden) gewesen sein soll, verwirft das aber als missglückten Versuch, das Judentum mit Seth zu verknüpfen - wobei er obendrein nicht einmal schreibt, dass Juden hinter diesem Verknüpfungsversuch standen. Aber wo bestätigt Plutarch, dass die Juden Sophia von Isis abgekupfert hätten?

Der Anteil der Isis, aber auch der Ma´at, an der jüdischen Sophia-Idee ist religionswissenschaftlich unumstritten.
Ob das wirklich so ist?

In Sachen Auferstehung gelten Mythen um folgende Figuren als Vorgänger:

Dumuzi, Attis, Adonis, Orpheus, Dionysos, Baal und Osiris.
Orpheus ist nicht auferstanden, sondern blieb zerrissen. Auch seine Gattin Eurydike konnte er nicht auferstehen lassen, sondern sie musste in der Unterwelt bleiben. Orpheus schaffte also eben nicht, was Jesus schaffen soll, nämlich Menschen vom Tod zu erlösen.

Es geht im übrigen nicht um Eins-zu-eins-Übernahmen fremder Mytheme, sondern ums Prinzip.
Wenn man weit genug abstrahiert und nur irgendwelche "Prinzipien" herausgreift, wird man zwischen allem und jedem irgendwelche Parallelen finden und sie dann als "Beweise" für Beeinflussungen werten können. Es hat auch schon einmal ein Autor, dessen Name mir entfallen ist, behauptet, Jesus wäre Caesar gewesen, und das u. a. damit begründet, dass beide eines gewaltsamen Todes starben, Caesar mit Gallien zu tun hatte und Jesus mit Galiläa (diese Namensähnlichkeit kann natürlich unmöglich Zufall sein!) und, wenn ich nicht irre, sogar damit, dass beide Flüsse überquerten (den Rubicon bzw. den Jordan).

Ich zitiere auf die Schnelle Justin, Apol. 1,20 ff.
Justin weist in diesem Zitat lediglich darauf hin, dass das, was die Heiden am Christentum absurd finden, gar nicht so viel anders ist als das, was in ihren eigenen Mythen vorkommt. Es geht ihm also darum, den christlichen Glauben gegen heidnischen Spott zu verteidigen. Daraus kann man aber noch keine Beeinflussung ableiten.
Im Übrigen hinken seine Vergleiche zum Teil: Z. B. wurde Perseus keineswegs von einer Jungfrau geboren, sondern Zeus verwandelte sich in einen goldenen Regen und schlief in dieser Form mit Danae, es kam also durchaus zu einem körperlichen Akt.
 
Ich bitte um Nachsicht dafür, dass ich auf Antworten nur mit zeitlicher Verzögerung eingehen kann. Hier erst mal die fällige Antwort auf Raveniks Einwände gegen die Fiktionalisierungs-These.

@Ravenik:

Wo ist der Sinn des Ganzen? Wieso sollte jemand eine Jesus-Figur erfinden? So etwas macht höchstens dann Sinn, wenn eine religiöse Bewegung schon lange existiert und das Wissen um ihre Ursprünge verloren gegangen ist.

Ich betone, dass es sich bei der Jesusmythos-Vermutung um eine reine Hypothese handelt, die ebenso wenig belegbar ist wie die Annahme der Historizität. Vertreten wird die Hypothese seit fast zweihundert Jahren. Bruno Bauer hatte das Rad ins Rollen gebracht. Seitdem haben sich Dutzende von Wissenschaftlern, darunter auch Theologen aus dem christlichen Lager, diese These angeschlossen. International wird diese Strömung heute "Mythicists" genannt und hat eine relativ kleine, aber wachsende akademische Anhängerschaft. Das Bekenntnis zu dieser Hypothese ist akademischen Karrieren, speziell im theologisch-religionswissenschaftlichen Bereich, übrigens nicht gerade förderlich.

Mögliche Hintergründe der Entstehung der historischen Fiktion:

+ Um 100 vuZ war Joshua Ben Pandira der Anführer einer jüdischen Gruppierung, eventuell der ebionitischen. Dem Talmud zufolge (Gemara, ´Sepher Toldoth Jeshu´) wurde er vom Sanhedrin beschuldigt, die ägyptische Zauberkunst zu beherrschen (er war in Ägypten in Mysterien eingeweiht worden), und am Abend eines Passahfestes gesteinigt und dann aufgehängt. Das geschah in Lydda unter der Regierung von Alexander Jannaeus (106-79 vuZ).

+ Im Buch Sacharia tritt ein Hoherpriester namens Joshua auf, der zum König gekrönt wird und als "Zweig" (oder "Sprössling") figuriert. Die Symbolik dieser Bezeichnung ist unklar, könnte aber mit der symbolischen Bedeutung zu tun haben, die dem Zweig in den Mythen von Attis, Mithras und Apollo zukommt. So wäre auch dieser Joshua als Ausgangspunkt eines messianischen Joshua-Mythos denkbar. In Deuteronomium 18,15 wird von ´Moses´ eine Führergestalt prophezeit, die von der Apg mit Jesus identifiziert wird. Von den Juden wurde sie aber eine Zeitlang auf Joshua bezogen, der dem ´Moses´ als Führer der Israeliten nachfolgte.

Philon von Alexandria schrieb:

Mose hatte das Gottesvolk noch nicht dahin bringen können, wo es eigentlich hinkommen mußte; dafür erwies sich erst Josua als der rechte Führer.

Den Namen "Joshua" umwehte im Judentum und allgemein bei den Semiten schon lange vor der Zeitenwende ein besonderer, quasi messianischer Nimbus (Joshua = Retter). Er hatte im Judentum kultisches Potential, das sich die Erfinder eines neuen Mythos zunutze machen konnten. Möglicherweise hatte eine jüdische Gruppierung also irgendwann im 1. Jh. uZ das Bedürfnis verspürt, den messianischen Nimbus des Joshua Ben Pandira oder des Priesters Joshua auf eine zunächst allegorisch gedachte Auferstehungs-Figur namens Joshua in einem Passions-Mysteriendrama zu übertragen (zum Thema Allegorie weiter unten). Die spätere Umwandlung in Erzählungen, ergänzt mit Vorgeschichten zur Passion, könnte mit einer Unterdrückungssituation dieser ´Christen´ zusammenhängen - Texte zu lesen war unauffälliger als die Veranstaltung von Dramen. Manche Passagen der Passionsgeschichte (der ursprüngliche Kern) wirken daher seltsam unerzählerisch, aber typisch dramenhaft (Begründung bei Anfrage). Dieser Prozess wäre eine Analogie zu der Entstehung der jüdischen Thora-Texte, die das kultische Vakuum zu füllen hatten, welches die Zerstörung des Jerusalemer Tempels hinterlassen hatte.

Ob und inwieweit die christlichen Autoren schon beim Entwurf des dramatischen Passions-Kerns bewusst eine allegorische Darstellung anstrebten, lässt sich nicht sagen. Sicher war das von Philon auf die Thora-Exegese übertragene allegorische Konzept in jenen Zeiten vielen Autoren geläufig. In Gal 4,21 wendet ´Paulus´ diese Sicht, eventuell durch Philon angeregt, auf die Abrahamstory an, indem er die beiden Frauen, mit denen Abraham Kinder hatte, als Gleichnisse interpretiert (für das "geknechtete" Jerusalem und das "himmlische" Jerusalem). Natürlich sind das subjektive Phantasien, die mit den Intentionen der jüdischen Autoren kaum etwa zu tun haben. Wie auch immer: Die Abraham- und Moses-Geschichten gelten trotz ihrer Detailliertheit heute als mythisch. Nichts spricht dagegen, auch von den Autoren der Evangelien anzunehmen, dass sie - wie die jüdischen Kollegen - durch eine detailfreudige pseudohistorische Darstellung den Glauben des Publikums an ihr Idol sicherzustellen gedachten.

Bekanntlich war dieses Publikum in jener Zeit in permanenter Erwartung eines politisch-religiösen Erretters (Messias). Dieser Erretter musste natürlich aus Fleisch und Blut sein, also ein historischer Mensch. Daher war es für die Etablierung und Ausweitung eines frisch gebackenen Mysterienkultes sehr produktiv, die Fiktion eines Menschen mit Namen Joshua (= Retter) zu erarbeiten, der zwar realiter nie erschienen war, per Projektion in vergangene Jahrzehnte einem erlösungssüchtigen Publikum aber glaubhaft gemacht werden konnte. Da die frühesten Evangelien mindestens vierzig Jahre nach dem angeblichen Tod des Idols entstanden, war das Risiko gering, dass noch jemand lebte, der sich an die angeblichen Vorfälle ganz und gar nicht erinnern konnte.

Außerdem ist das Christentum nun einmal stark auf Jesus und seine Erlöserfunktion ausgerichtet. Wenn Jesus nicht von Anfang an vorhanden war, wie soll dann das Christentum anfangs ausgesehen haben? Es kommen doch nicht einfach irgendwelche Leute zusammen, beschließen, dass sie fortan eine religiöse Bewegung sein wollen, lassen sich sogar verachten und verfolgen, aber welche Glaubensinhalte sie eigentlich haben, überlegen sie sich erst ein paar Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte später.

So war es natürlich nicht. Die konzeptuellen Grundgedanken lagen im Judentum (Erlösung durch einen irdischen Messias) und in der Gnosis (Erlösung durch ein Erlöser-Äon) sowie in der Saoschjant-Idee des Zoroastrismus schon vor. Die ersten Christen konnten sich dessen bedienen, so wie sie sich generell im altorientalischen Religions-Supermarkt bedienten, um ihren Joshua mit den gewünschten Attributen auszustatten (= Synkretismus).

Wenn von den Christen ursprünglich Attis oder Osiris verehrt wurde, wieso hätten ihn die Christen dann später durch einen erfundenen Jesus ersetzen sollen statt einfach weiterhin Attis oder Osiris zu verehren?

Missverständnis... Natürlich hat nie ein Christ Osiris o.a. verehrt (und ich habe das nie auch nur ansatzweise so dargestellt). Von diesen Göttern übernahmen die Christen aber wichtige Aspekte für ihr eigenes Idol (= Synkretismus). Grund: Der Kult musste in einer heftigen Konkurrenzsituation neben anderen Kulten bestehen. Um durchsetzungsfähig zu sein, empfahl es sich, das, was die anderen Göttern attraktiv machte, zu adaptieren, freilich in einer möglichst originellen Art. Im heutigen Kreativbereich wird das genauso praktiziert - jeder Popstar kupfert bei erfolgreichen Vorgängern ab und setzt seine persönliche Note obendrauf. Ich verweise auch auf den schon zitierten Justin-Text, der zeigt, wie marketingbewusst die frühen Christen waren.

Ich bezweifle, dass ein Autor oder gar Fälscher Ende des 2. Jhdts. das so überzeugend hinbekommen hätte.
Nur zwei Beispiele:
In Kap. 13 der Apostelgeschichte wird der Prokonsul Sergius Paulus von Zypern erwähnt. In Kap. 18 der Apostelgeschichte über den Aufenthalt von Paulus in Korinth werden sowohl der Prokonsul von Achaea namens Gallio als auch die Vertreibung von Juden aus Rom durch Claudius erwähnt. Für beide Prokonsuln und die Vertreibung gibt es auch außerbiblische Belege.

Die Entstehung der Apg wird von Radikalkritikern nicht ans Ende des 2. Jhd., sondern zwischen 125 und 150 angesetzt. Über die Apg haben sich seit Bruno Bauer schon so viele ´mythizistische´ Religionswissenschaftler den Kopf zerbrochen und dabei jede Silbe fünf oder zehn Mal umgedreht, dass ich nicht glaube, dass sie die von dir genannten Punkte übersehen haben. Ich werde aber bei Gelegenheit einen mir (emailtechnisch) bekannten Radikalkritiker darauf ansprechen. Dass dein Einwand keine zwingende Widerlegungskraft hat, ist dir - wie ich deine Formulierungen verstehe - ohnehin bewusst.

Um herauszufinden, wer zur fraglichen Zeit jeweils Statthalter war, hätte der Verfasser also vermutlich ein offizielles Archiv in Rom oder der jeweiligen Provinzhauptstadt konsultieren müssen.

Da die Apg wahrscheinlich in Rom abgefasst wurde, sehe ich darin kein Problem.
 
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Jesus Jesus hieß ist kein Argument für irgendeine mythische Herkunft Jesus, dass war damals ein durchaus weit verbreiteter Name und Barnabas (der Rebell und nicht der Apostel) wird auch ihn älteren Bibeln Jesus Barnabas genannt.

Das die christliche Gnosis vor der uns bekannten "orthodox-katholischen" oder Judenchristlichen bestanden haben soll ist durch nichts belegt.

Die Konkurrenz des Christentums waren auch nicht alte Kulte wie der Osiriskult sondern das helenische Judentum oder die Neoplatonisten. Mit beiden gab es sehr starke Auseinandersetzungen nicht zuletzt rekrutierten sich die ersten "europäischen" Christen aus diesem Umfeld. Auch natürlich viele übernommene Aspekte, wobei das Christentum mit seiner Öffnung zu den nicht von Geburt an Juden nach Paulus viel radikaler war, als das helenistische Judentum.

Auch bleiben am Ende viele Pararelen des Christentums zu den heidnischen Kulten sehr unklar. Deine Definition von Auferstehung ist sehr weit gefasst, genauso wie Jungfrauengeburt (die übrigens in der Bibel nicht den zentralen Platz einnimmt wie das heute so dargestellt wird, es ist ein Wunder unter vielen und einige Evangelisten wissen davon nichts und die Jungfrauengeburt, widerspricht sich auch mit der Geschichte im Tempel mit 12 Jahren).

Nach reichlicher Suche habe ich noch immer nicht Isis mit einer Jungfrauengeburt verbinden konnte und ein Professor für Altantike und auch ein Professor für Antike wusste davon nichts.

Eine Frage die sich mir stellt ist auch wie Sophia von den Juden übernommen wurde, wann und unter welchem Namen??? Der griechische Name sagt eigentlich aus, dass es nur in der hellenistischen Zeit sein kann.
 
Das Jesus Jesus hieß ist kein Argument für irgendeine mythische Herkunft Jesus, dass war damals ein durchaus weit verbreiteter Name und Barnabas (der Rebell und nicht der Apostel) wird auch ihn älteren Bibeln Jesus Barnabas genannt.

Hier liegt wohl eine Verwechslung vor?

Barnabas, der Paulusbegleiter, mit Barabbas (Jesus Barabbas), dem Rebellen?
 
@zoki55:
Das die christliche Gnosis vor der uns bekannten "orthodox-katholischen" oder Judenchristlichen bestanden haben soll ist durch nichts belegt.

In der Tat, und das habe ich in anderen Beiträgen auch öfters erwähnt. Allerdings ist das Gegenteil - ein Christentum vor der Gnosis - auch nicht belegbar. Die Katholiken haben bei der Beseitigung von Spuren der Konkurrenzreligion (aus der sie evt. hervorgingen) für die Zeit vor 140 eben ganze Arbeit geleistet. Es geht mir in meinem Text wohlgemerkt um eine hypothetische Rekonstruktion der Christentumgenese. Da die Gnosis um 140 schon eine ausgereifte Gestalt hatte (z.B. bei Marcion und Valentinus), kann man eine vorlaufende Entwicklungszeit von mindestens 50 Jahren locker ansetzen. So gesehen, wäre ein Einfluss auf das Christentum denkbar, wenn man seine Entstehung relativ spät datiert, z.B. ab 100.

Die Konkurrenz des Christentums waren auch nicht alte Kulte wie der Osiriskult sondern das helenische Judentum oder die Neoplatonisten

Das trifft so nicht zu. Die Christen mussten sehr wohl mit anderen Kulten konkurrieren, was ja auch der Grund für die vielen Übernahmen aus diesen Kulten war (hast du das Justin-Zitata nicht gelesen?). Die Rivalität reicht bis ins 4. Jh., als die Christen es für nötig befanden, den Geburtstag ihres Idols auf die Wintersonnenwende zu verlegen, also auf den 25. Dezember und damit auf den Geburtstage der Kultgötter Mithras und Horus. So wurde der wichtigste Feiertag dieser Kulte für das Christentum annektiert und den anderen Göttern das Wasser abgegraben. Die Juden waren ohnehin keine Konkurrenz. Der philosophische Neuplatonismus wiederum war als Nicht-Religion keine Konkurrenz, sondern ein geistiger Maßstab, an dem sich die Theologie zu messen hatte, um den Ansprüchen des hellenistischen Publikums zu genügen. Aus diesem Grund fand ab Justin (150) eine systematische Synthese christlicher Kerngedanken mit platonischen Kategorien statt. Natürlich hatte der Hellenismus schon auf dem Weg über die Logostheorie von Philon von Alexandria Einzug ins frühe christliche Denken (Evangelien, vor allem Johannes) gehalten.

Auch bleiben am Ende viele Pararelen des Christentums zu den heidnischen Kulten sehr unklar.

Etwas konkreter bitte. Welche Parallelen sind unklar?

Deine Definition von Auferstehung ist sehr weit gefasst

Ich habe sie aber nicht definiert. Im in Frage stehenden Zusammenhang bedeutet "Auferstehung" entweder das Wiedererwachen des Gottes vom Tod zum Leben oder seine Rückkehr aus der Unterwelt.

...genauso wie Jungfrauengeburt (die übrigens in der Bibel nicht den zentralen Platz einnimmt wie das heute so dargestellt wird, es ist ein Wunder unter vielen und einige Evangelisten wissen davon nichts ...

Bei Matthäus gibt es einen klaren Hinweis auf Jungfrauengeburt. Er zitiert in Mt 1,23 die Verheißung von Jes 7,14:

22 Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht:
23 »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns.
24 Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.
25 Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Da Justin auf die christliche Jungfrauengeburt eingeht, war zu seiner Zeit diese Lehre schon auf breiter Front im Schwange.

Nach reichlicher Suche habe ich noch immer nicht Isis mit einer Jungfrauengeburt verbinden konnte und ein Professor für Altantike und auch ein Professor für Antike wusste davon nichts

Es gab im Alexandria ab dem 2. Jh. vuZ einen Isis-Sarapis-Kult, der sich bis nach Rom verbreitete und der wohl populärste Kult seiner Zeit war. Er feierte im Isistempel in Alexandria die Geburt des Gottes Aion-Sarapis durch seine Mutter Isis in jedem Januar, wobei rituelle Sprüche die Isis als Jungfrau bezeichnen. Der Kult selbst ist eine Synthese ägyptischer und hellenistischer Religion. In die Aion- bzw. Sarapisgestalt war auch die Horusfigur eingegangen (in früheren Mythen der Sohn von Isis).

Eine Frage die sich mir stellt ist auch wie Sophia von den Juden übernommen wurde, wann und unter welchem Namen??? Der griechische Name sagt eigentlich aus, dass es nur in der hellenistischen Zeit sein kann

"Sophia" (griech. Weisheit) wurde nicht übernommen, sondern ist der Name der allegorischen Gottesmittlerin der jüdischen Weisheitslehre. Der entsprechende Text ("Buch der Weisheit") wurde höchstwahrscheinlich in Alexandria im 1. Jh. vuZ von einem Juden verfasst, der sowohl im Brennpunkt der ägyptischen Isismysterien wie der hellenistischen Logosphilosophie lebte und deren Einflüsse natürlich verarbeitete. Auf diese Weise verband er das Logoskonzept mit der Figur der Isis, welche, wie Sophia, über die Natur herrscht und den Menschen Rettung bringt. Über Philons davon angeregte jüdische Logoslehre fand das Konzept Jahrzehnte später - vermittelt über Evangelienautoren - Eingang ins christliche Denken. Auf diese Weise stecken in der Christusfigur auch Gene der Isis.

@epicharm:

Die Entstehung der Apg wird von Radikalkritikern nicht ans Ende des 2. Jhd., sondern zwischen 125 und 150 angesetzt

Mich würde interessieren, wie eine solche Datierung zu begründen ist?
Die Radikalkritik interpretiert die Apg als klerikale Gegenschrift zu den zunächst von Marcion herausgegebenen ursprünglichen Paulus-Briefen, was auch die inhaltlichen Widersprüche zwischen Apg und den (auch heute überlieferten) Briefen erklärt. Dazu passt, dass die Paulusbriefe in der Apg nicht erwähnt werden. Damit wäre die Datierung um 140 herum anzusetzen, da Marcion die Paulusbriefe um 140 herausgab. Die Briefe in ihrer heutigen Gestalt sind laut Radikalkritik spätere Überarbeitungen der gnostischen Paulusbriefe, was den gnostischen Anteil in ihnen - der nicht gänzlich getilgt wurde - erklärt.
 
 
 
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Nur, um nochmal auf die Missinterpretation von Justinus dem Märtyrer hinzuweisen:

Chan schreibt:
Die Christen mussten sehr wohl mit anderen Kulten konkurrieren, was ja auch der Grund für die vielen Übernahmen aus diesen Kulten war (hast du das Justin-Zitata nicht gelesen?)

Justin weist in diesem Zitat lediglich darauf hin, dass das, was die Heiden am Christentum absurd finden, gar nicht so viel anders ist als das, was in ihren eigenen Mythen vorkommt. Es geht ihm also darum, den christlichen Glauben gegen heidnischen Spott zu verteidigen. Daraus kann man aber noch keine Beeinflussung ableiten.

Kann man wirklich nicht. Sonst müsste man geanuso der Meinung sein, dass die christlichen Lehren zur anderen Hälfte aus der griechischen Philosophie abgekupfert worden seien - siehe Apologie I 18ff.
 
Das trifft so nicht zu. Die Christen mussten sehr wohl mit anderen Kulten konkurrieren, was ja auch der Grund für die vielen Übernahmen aus diesen Kulten war (hast du das Justin-Zitata nicht gelesen?).
Gerade wenn man mit anderen Kulten konkurrieren muss, ist es eigentlich nötig, sich abzugrenzen, statt die Konkurrenz einfach zu imitieren. So wie die Heiden das Christentum verachteten, gab es auch christlicherseits genügend Versuche, das Heidentum lächerlich zu machen, siehe z. B. Arnobius den Älteren, der genüsslich über diverse heidnische Kulte und Weltanschauungen herzog.
 
Die Radikalkritik interpretiert die Apg als klerikale Gegenschrift zu den zunächst von Marcion herausgegebenen ursprünglichen Paulus-Briefen,... 

Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage.

Nun gut. Das LkEv ist erstmals bei Markion erwähnt, die Apg erstmals bei Justin. Dennoch, meine ich, ist die klassische Datierung mit 90 – 100 nC die plausiblere. Als Schrift gegen Markion (zu welchem Anlass auch immer) gibt sich mir die Apg nicht zu erkennen. Ich meine, dass sie (wie G. Theißen vorschlägt) kurz nach der Ermordung Domitians verfasst wurde. Zu einer Zeit also, in der christlicherseits noch die Hoffnung bestand, sich mit der römischen Staatsmacht arrangieren zu können.

Dass die Paulusbriefe in der Apg nicht erwähnt sind, ist am plausibelsten damit zu erklären, dass sie der Autor nicht gekannt hat, was für den Fall einer frühen Datierung wahrscheinlicher ist als für eine späte.
 
Mir ist nach wie vor nicht plausibel, warum man in Gegnerschaft zu den Paulusbriefen die Apostelgeschichte mit Paulus als positiven Protagonisten hätte erfinden sollen.
 
Mir ist nach wie vor nicht plausibel, warum man in Gegnerschaft zu den Paulusbriefen die Apostelgeschichte mit Paulus als positiven Protagonisten hätte erfinden sollen.

Das sehe ich auch so.

Die Fachwelt ist sich doch weitgehend einig, dass es Markion gewesen war, der den lukanischen Evangelientext und jene Paulusbriefe, die er für echt hielt, von allen auf das AT verweisenden Inhalten, in denen er spätere Hinzufügungen vermutete, befreien wollte.
 
@zoki55:


In der Tat, und das habe ich in anderen Beiträgen auch öfters erwähnt. Allerdings ist das Gegenteil - ein Christentum vor der Gnosis - auch nicht belegbar. Die Katholiken haben bei der Beseitigung von Spuren der Konkurrenzreligion (aus der sie evt. hervorgingen) für die Zeit vor 140 eben ganze Arbeit geleistet.

Nach dieser Theorie wäre eine historische Überprüfung oder Diskussion unmöglich. Somit was nutzt dann diese Hypothese, wenn du alle Beweise dafür vernichtet haben willst. :grübel:

Übrigens dir ist schon bewusst, dass das Christentum auch außerhalb des römischen Reiches sich ausgebreitet hat und ich schätzte nicht, dass die armenische oder äthiopischen Christen mehr gnostische Elemente erhalten haben.

@zoki55: Es geht mir in meinem Text wohlgemerkt um eine hypothetische Rekonstruktion der Christentumgenese. Da die Gnosis um 140 schon eine ausgereifte Gestalt hatte (z.B. bei Marcion und Valentinus), kann man eine vorlaufende Entwicklungszeit von mindestens 50 Jahren locker ansetzen. So gesehen, wäre ein Einfluss auf das Christentum denkbar, wenn man seine Entstehung relativ spät datiert, z.B. ab 100.

Ja wenn und wenn wir da sind, ist die Frage wie diese Gnosis ausgesehen hat, wenn es nicht von Haus aus viele verschiedene Gruppierungen gewesen sind.



@zoki55Das trifft so nicht zu. Die Christen mussten sehr wohl mit anderen Kulten konkurrieren, was ja auch der Grund für die vielen Übernahmen aus diesen Kulten war (hast du das Justin-Zitata nicht gelesen?). 

Ravenik hat doch eine sehr Antwort auf Justin gegeben. Die ersten Christen waren Juden und die ersten nichtjüdischen Christen rekrutierten sich aus den Gottesfürchtigen. Also mit Leuten die sowieso vom alten Kult nichts mehr hielten. Mit dem Helenismus waren die alten Götter ja im Rückzug. Jedenfalls in ihrer usrprünglichen Form.

@zoki55Die Rivalität reicht bis ins 4. Jh., als die Christen es für nötig befanden, den Geburtstag ihres Idols auf die Wintersonnenwende zu verlegen, also auf den 25. Dezember und damit auf den Geburtstage der Kultgötter Mithras und Horus.

Du meinst eher Sol Invictus denn Mithras Geburtstag ist nicht überliefert und Horus Geburt wird im Sommer gefeiert und kann auch Aufgrund des ägyptischen Kalendars auch nicht direkt vom ägyptischen in unsere Zeitrechnung übertragen werden. Ägyptischer Kalender ? Wikipedia.

@zoki55 So wurde der wichtigste Feiertag dieser Kulte für das Christentum annektiert und den anderen Göttern das Wasser abgegraben.

Das selbe Datum gräbt doch niemanden das Wasser ab.

@zoki55 Die Juden waren ohnehin keine Konkurrenz. Der philosophische Neuplatonismus wiederum war als Nicht-Religion keine Konkurrenz, sondern ein geistiger Maßstab, an dem sich die Theologie zu messen hatte, um den Ansprüchen des hellenistischen Publikums zu genügen.

Im Römischen Reich gab es 6-7 Millionen Juden, die meisten sprachen nicht mehr eine semitische Sprache wie hebräisch oder aramäisch Zuhause. Das hellenistische Judentum hat Missioniert. Der Grund für nicht noch mehr Erfolg war es, dass die Leute auch die nationale jüdische Identität wie auch die Bräuche übernehmen sollten und das sich am Ende auch eine andere Strömung des Judentums durchgesetzt hat.

Der Neoplatonismus hatte Konzepte wie Seele und Schöpfung als Ideenwelt, dass sind durchaus Charakteristika einer Religion.


@zoki55Etwas konkreter bitte. Welche Parallelen sind unklar?

Orpheus wurde ja schon von Ravenik angemerkt stieg als Lebender in die Unterwelt, dass ist was anderes als eine Auferstehung.



@zoki55Ich habe sie aber nicht definiert. Im in Frage stehenden Zusammenhang bedeutet "Auferstehung" entweder das Wiedererwachen des Gottes vom Tod zum Leben oder seine Rückkehr aus der Unterwelt.

Da gibt es ja die Probleme es gibt Ähnlichkeiten aber viele Unterschiede. Immerhin wird zwischen Herkules und Jesus auch Gemeinsamkeiten gesucht. Doch beim genaueren Hinsehen gibt es ja Unterschiede. Zeus macht Herkules zu Gott was er vorher nicht war. Osiris lebt ja weiterhin in der Unterwelt nach dem er von Isis zusammengeschraubt wurde.

Natürlich ist auch ein Aspekt das jede Religion bestimmte Fragen der Menschheit aus ihrer Sicht beantworten will, da gehört der Tod dazu, die Christen müssen also nicht unbedingt Osiris e.t.c als Vorbild genommen haben um darauf zu kommen. Vor allem wenn man davon ausgeht dass ein historischer den in der Lehre den Pharisäern ähnlicher Jesus dies selbst gelehrt hat.

@zoki55 Bei Matthäus gibt es einen klaren Hinweis auf Jungfrauengeburt. Er zitiert in Mt 1,23 die Verheißung von Jes 7,14:

Einer von vielen Wundergeschichten in der Bibel.


@zoki55 Es gab im Alexandria ab dem 2. Jh. vuZ einen Isis-Sarapis-Kult, der sich bis nach Rom verbreitete und der wohl populärste Kult seiner Zeit war. Er feierte im Isistempel in Alexandria die Geburt des Gottes Aion-Sarapis durch seine Mutter Isis in jedem Januar, wobei rituelle Sprüche die Isis als Jungfrau bezeichnen. Der Kult selbst ist eine Synthese ägyptischer und hellenistischer Religion. In die Aion- bzw. Sarapisgestalt war auch die Horusfigur eingegangen (in früheren Mythen der Sohn von Isis).

In der englischen Wikipedia wird nur von einer Gleichsetzung von Osiris und Sarapis gesprochen damit wäre Isis nicht seine Mutter sondern Frau kannst dazu eine Quelle reinschreiben.



@zoki55 Die Radikalkritik interpretiert die Apg als klerikale Gegenschrift zu den zunächst von Marcion herausgegebenen ursprünglichen Paulus-Briefen, was auch die inhaltlichen Widersprüche zwischen Apg und den (auch heute überlieferten) Briefen erklärt.

Dann hätte man Paulus aber auch ganz verschwinden lassen können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Radikalkritik interpretiert die Apg als klerikale Gegenschrift zu den zunächst von Marcion herausgegebenen ursprünglichen Paulus-Briefen, was auch die inhaltlichen Widersprüche zwischen Apg und den (auch heute überlieferten) Briefen erklärt. Dazu passt, dass die Paulusbriefe in der Apg nicht erwähnt werden.
Wieso sollten denn die Paulusbriefe in der Apostelgeschichte erwähnt werden? Die Apostelgeschichte ist keine Paulus-Biographie und schon gar nicht ein Paulus-Werke-Verzeichnis.
 
Die ersten Christen waren Juden und die ersten nichtjüdischen Christen rekrutierten sich aus den Gottesfürchtigen. Also mit Leuten die sowieso vom alten Kult nichts mehr hielten. Mit dem Hellenismus waren die alten Götter ja im Rückzug. Jedenfalls in ihrer ursprünglichen Form.

Es geht mir vor allem um den hervorgehobenen Teil. Es wäre mir völlig neu, dass mit den Hellenismus die alten Götter im Rückzug gewesen wäre, dass also das Christentum oder meinetwegen auch die Gnósis durch den Hellenismus irgendwie befördert worden wären. Etwas anderes ist die durch die Hellenismus auch verbreitete Philosophie, die auf das Christentum natürlich einen Einfluss gehabt haben dürfte.
Aber der Hellenismus beschreibt ja an für sich eine Hellenisierung der einheimischen, nichtgriechischen Kulturen. Etwa die Verschmelzung von Zeus und Amun zu Zeus Amun, eine Hinwendung zum griechischen Kunststil etc.

Was die Diskussion der "geklauten" Mytheme angeht: Ich lese gerade ein leider etwas esoterisch angehauchtes Buch über Hopi-Mythen. Was aus diesem Buch deutlich wird, ist, dass die Mythen - zumindest bis vor etwa 50 Jahren - noch lebendig sind (bzw. waren) und daher auch einem gewissen Wandel unterworfen (etwa wenn Plastik vorkommt, Menschen verschiedener Hautfarbe, oder Orte, die außerhalb des traditionellen Sichtbereichs der Hopi liegen, wie Nord- und Südpol, Europa, Lateinamerika und Alaska...).
Die erste Geschichte in diesem Buch der Hopi ist das, was ich die Hopi-Genesis nennen möchte. Darin wird von der Erschaffung der Welt berichtet, die deutliche Parallelen, aber eben auch deutliche Unterschiede zur jüdisch-christlichen Genesis aufweist. Sowohl was die Erschaffung der Welt angeht, durch den Schöpfergott Taiowa, der wiederum einen weiteren Gott (Suoknang) schafft, der die Welt ordnet und der die Spinnenfrau schafft, welche - aus Lehm - die ersten Menschen formt. Die zwei Enkel der Spinnenfrau geben der Erde schließlich ihre Gestalt bzw. sorgen für das Wetter und sitzen an Nord- und Südpol, wo sie die Drehung der Weltkugel in Ordnung halten (dies halte ich für eine relativ rezente Hinzufügung, der Herausgeber des Buches sieht in diesem Teil des Schöpfungberichts eher die Bestätigung für die den Hopi-Mythen innewohnende Wahrheit, der modernes Wissen auf geheimnisvolle Weise vorausgewusst habe).
Schließlich wird die Welt aufgrund der Schlechtigkeit der Menschen mehrfach zerstört (Parallele zur Sintflut: Erste Zerstörung durch Feuer, zweite Zerstörung durch Erdbeben, dritte und vorläufig letzte Zerstörung durch Wasser, die kommende Zerstörung wird durch Eis sein), weshalb wir, dem Hopi-Mythos zufolge, bereits in der vierten Welt leben. Die fünfte Welt solle bald anbrechen, da nur noch ein geringer Teil der Menschheit sich an die Anweisungen Taiowas und Suoknangs hält. (Die benachbarten Navajo, die jedoch einer anderen Sprachfamilie angehören, die ursprünglich aus Westkanada stammt, glauben im Übrigen ebenfalls, in der vierten Welt zu leben, erwarten die fünfte Welt allerdings erst in ca. 400 Jahren, ob es sich hier um eine zufällige Parallele handelt oder gegenseitigen Einfluss, vermag ich nicht zu sagen).
Langer Rede - kurzer Sinn: Religiöse Mythen, die sich um Schöpfung, Geburt, Tod, Leben nach dem Tod etc. drehen, können durchaus sehr ähnlich sein bzw. das ist z.T. sogar zu erwarten, ohne dass es sich um "Plagiate" voneinander handelt.
 
@Ravenik:

Mein Urteil ist übrigens nicht wertend gemeint - es ist einfach evident, dass viele Denk- und Verhaltensweisen, die damals als normal galten, heute vorwiegend bei Borderline-Patienten und schizophrenen Patienten anzutreffen sind, d.h. sie gehen über den neurotischen Rahmen weit hinaus.

Dann stelle ich aber fest, dass viele Menschen heute auch nicht anders sind. Wenn Du auf antike Schutzzauber und Zwangsregeln verweist, dann verweise ich darauf, welche Blüte heutzutage Esoterik, insbesondere Astrologie, erlebt.

Heutige Magiegläubigkeit ist nur ein fader Aufguss der antiken. Die Individuen wurden damals in eine von magischen Vorstellungen komplett durchtränkte Gesellschaft hineingeboren und sogen diese Vorstellungen mit der Muttermilch auf. Was du ansprichst, ist eine marginale Erscheinung, die für die Gesellschaft im ganzen überhaupt nicht relevant ist. Außerdem sind den heutigen Magiegläubigen die Kriterien der Aufklärung in der Regel gut vertraut, sie kennen also ein alternatives Weltbild, an dem sie ihr eigenes messen können und an das sie auch gar nicht rundum ablehnen, sondern nur für unvollständig halten.

Mit der antiken Geistesverfassung lässt sich das absolut nicht auf eine Ebene stellen.

Wenn Du auf den Kybelekult verweist, verweise ich darauf, was für dämliche (und oft lebensgefährliche) Mutproben manche heute machen.

Auch hier vergleichst du Äpfel mit Rosinen. Sich im Zustand eines hochgepushten religiösen Enthusiasmus die Hoden abschneiden - das war doch keine Mutprobe...

Und wenn Du auf die Streitereien mit unterirdischem Umgangston verweist, dann schlage ich vor, Dich einmal etwas näher mit Innenpolitik, bevorzugt Wahlkämpfen und Presseaussendungen von Generalsekretariaten, zu beschäftigen. Da werden missliebige Personengruppen auch schon mal als "Heuschrecken" oder sonstiges Ungeziefer bezeichnet.

Ist mir durchaus bekannt. Auch da sehe ich keine Analogie. In deinem Beispiel geht es um eine oberflächliche und rein auf Publikumswirksamkeit abzielende Rhetorik ohne tiefere Emotionalität. Das Verhältnis zwischen den christlichen Gruppen hatte eine ganz andere Dimension, eine implizit und auch explizit viel gewalttätigere.

Es geht im übrigen nicht um Eins-zu-eins-Übernahmen fremder Mytheme, sondern ums Prinzip.

Wenn man weit genug abstrahiert und nur irgendwelche "Prinzipien" herausgreift, wird man zwischen allem und jedem irgendwelche Parallelen finden und sie dann als "Beweise" für Beeinflussungen werten können.

Da unterschätzt du den synkretistischen Faktor in den Religionsbildungen aber gewaltig. Der Begriff "Synkretismus" gehört in der Religionswissenschaft zum Standardrepertoire von Darstellungen und Analysen. Im Fall der Jahwe-Gestalt z.B. lässt sich die synkretistische Entwicklung einer Gottesidee gut zeigen. Auch die griechischen Götter sind durch das Überstülpen orientalischer Götter und Göttinnen über unbedeutende lokale Kleingottheiten entstanden. Es gibt viele weitere Beispiele, für welche mir gerade die Zeit fehlt. Einige habe ich in früheren Beiträgen aber schon wiederholt genannt.

Es hat auch schon einmal ein Autor, dessen Name mir entfallen ist, behauptet, Jesus wäre Caesar gewesen, und das u. a. damit begründet, dass beide eines gewaltsamen Todes starben, Caesar mit Gallien zu tun hatte und Jesus mit Galiläa (diese Namensähnlichkeit kann natürlich unmöglich Zufall sein!) und, wenn ich nicht irre, sogar damit, dass beide Flüsse überquerten (den Rubicon bzw. den Jordan).

Diese Theorie stellst du teilweise unzutreffend dar, wenn du schreibst"... Jesus wäre Caesar gewesen". Francesco Carotta behauptet lediglich, dass die Struktur der Biografie des Iulius Caesar das strukturelle Muster für eine fiktiven Jesus-Biografie bildete, und zwar aufgrund von nicht wenigen Parallelen, die in beiden Vitas gesehen werden können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese Theorie stellst du teilweise unzutreffend dar, wenn du schreibst"... Jesus wäre Caesar gewesen". Francesco Carotta behauptet lediglich, dass die Struktur der Biografie des Iulius Caesar das strukturelle Muster für eine fiktiven Jesus-Biografie bildete, und zwar aufgrund von nicht wenigen Parallelen, die in beiden Vitas gesehen werden können.

Die da wären?
Obwohl... beantworte die Frage lieber dort:
http://www.geschichtsforum.de/f28/carotta-caesar-jesus-32740/
 
@Ravenik:

Dafür spricht auch, dass es gerade die Sophia-Gestalt ist, deren wichtigste Züge das frühe Christentum über die Vermittlung von Philon von Alexandria auf Christus übertrug - das Motiv des JC als Gottesmittler entstammt dem Sophia-Konzept. Das kann ich dir gerne im Detail nachweisen.
Ich bitte darum.

Falls das Folgende nicht genügt, können wir das, wiederum gerne, vertiefen.

Vor dem Hintergrund der synkretistischen Herkunft der Weisheit (chockma, sophia) von den altorientalischen Göttinnen Astarte, Isis und Maat erklärt sich das analoge Verhältnis der Weisheit zur Tora (Gesetz). Während Astarte (als Aschera, Gefährtin von Jahwe) das Vorbild für das innige Verhältnis von Jahwe und Weisheit (Geliebte Gottes, Throngefährtin) ist, geben Isis und Maat das Modell für die schöpferisch-ordnende Macht der Sophia ab. Isis hat z.B. den astronomischen Kosmos geschaffen, Maat repräsentiert hauptsächlich die urzeitliche Ordnung, die Gerechtigkeit und das Gesetz. Zudem ist sie die Tochter des Sonnengottes Re, was Philos Bezeichnung der Sophia als "Tochter Gottes" entspricht.

Im Zuge der Hellenisierung des frühesten Christentums wurden die Züge der Sophia auf die Jesusfigur übertragen. Die Schritte waren im einzelnen:

Philo spaltete die Sophia der Weisheitsbücher auf in eine menschenferne Sophia der himmlischen Welt und einen Logos der irdischen Welt, den er "Sohn Gottes" nannte und dem allein er das zeugende Prinzip zuordnete. Als Vermittler zwischen Gott und Menschen fungierte jetzt nicht mehr "Frau Weisheit", sondern ein maskulines Prinzip. Er belegte die Sophia mit Bezeichnungen, die er der Isis-Verehrung entnahm (Erstling, Tochter Gottes, die Älteste, die Erstgeborene und der Anfang) und gab dem von der Sophia getrennten Logos Bezeichnungen wie Sohn Gottes, der Älteste, der Anfang und Erstgeborener Gottes.

Die diese Gedanken aufnehmenden Frühchristen statteten ihren präexistenten Christus mit den entsprechenden Attributen aus: Sohn Gottes, der Älteste, der Anfang und Erstgeborene Gottes.

Gemäß der konzeptuellen Herkunft des Christus von der Sophia (= Gesetz) konnte Paulus also vom "Gesetz Christi" sprechen.

Beispieltexte:

Aus einer Isis-Hymne:

(Inscriptiones Graecae 12, 5, 739)

Ich bin des Kronos älteste Tochter.
Ich habe die Erde vom Himmel getrennt.
Ich habe den Sternen ihren Weg gewiesen.
Ich habe den Lauf der Sonne und des Mondes bestimmt.
Ich habe die Werke der Seefahrt erfunden. Ich bin in den Strahlen der Sonne.
Ich begleite den Weg der Sonne.
Wenn es mir gefällt, wird zu Ende gehen, was enden soll.
Mir gehorcht alles.

Die Selbstaussagen der Sophia verwenden wie die Isis-Hymnen die Ich-Form und haben auch inhaltliche Parallelen. Dass die weisheitlichen Verse durch die Isis-Hymnen direkt inspiriert wurden, gehört zum religionswissenschaftlichen Standardwissen.

Sir 24,3:

Ich ging aus dem Mund des Höchsten hervor
und wie Nebel umhüllte ich die Erde.
Ich wohnte in den Höhen,
auf einer Wolkensäule stand mein Thron.
Über die Fluten des Meeres und über alles Land,
über alle Völker und Nationen hatte ich Macht.

Dass Philon von Alexandria sich an die weisheitliche Literatur anlehnte, ist ebenfalls unumstrittenes Faktum für die Religionswissenschaft.

Spec. Leg. I § 40:

Die Weisheit hingegen ist nicht nach der Art des Lichtes ein Werkzeug des Sehens, sondern sieht sich auch selbst. Diese ist das urbildliche Licht Gottes, dessen Nachahmung und Bild die Sonne ist.

Freilich transformiert Philon, ganz und gar kein Feminist, die weibliche Sophia in einen männlichen Logos (was die christliche Übertragung des Philon-Logos auf Jesus natürlich erleichtert hat):

De fuga et inventione 50:

Die Tochter Gottes, die Weisheit, ist männlicher Natur und Vater, insofern sie in den Wesen Belehrung, Wissen, Einsicht sowie gute und lobenswerte Taten sät und erzeugt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Freilich transformiert Philon, ganz und gar kein Feminist, die weibliche Sophia in einen männlichen Logos (was die christliche Übertragung des Philon-Logos auf Jesus natürlich erleichtert hat):

Das grammatische Geschlecht hat allerdings mit dem biologischen Geschlecht nichts zu tun.
 
@El Quichote:
Freilich transformiert Philon, ganz und gar kein Feminist, die weibliche Sophia in einen männlichen Logos (was die christliche Übertragung des Philon-Logos auf Jesus natürlich erleichtert hat)
Das grammatische Geschlecht hat allerdings mit dem biologischen Geschlecht nichts zu tun.
 
Es geht Philon aber nicht um das grammatische, sondern um das ´biologische´ Geschlecht. Für ihn war allein der Mann zeugungsfähig, also musste auch das Geschlecht des Logos, wie das des jüdische Gottes, als männlich gedacht sein, da diesem Logos Erzeugerfunktionen eigen sind, denn er "sät und erzeugt"...

... in den Wesen Belehrung, Wissen, Einsicht sowie gute und lobenswerte Taten...

Der Logos ist ein zeugendes Prinzip und für Philon damit notwendig männlich.
 
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