George Armstrong Custer

Das sind so die Unterschiede zwischen Soll und Ist. Hochgerechnete Truppenstärken passen nie. Verläßlich sind bei sowas zumindest eingermaßen verläßlich, Verlustzahlen.

Bei irgendwo 550-750 Mann sind immer ein paar "Fußkranke", Deserteure, an Krankeheiten verstorbene usw.
 
Das sind so die Unterschiede zwischen Soll und Ist. Hochgerechnete Truppenstärken passen nie. Verläßlich sind bei sowas zumindest eingermaßen verläßlich, Verlustzahlen.

Bei irgendwo 550-750 Mann sind immer ein paar "Fußkranke", Deserteure, an Krankeheiten verstorbene usw.
...bzw. auf Fortbildung, Kur oder Mutterschaftsurlaub.

Wobei es wenige Ereignisse der militärischen Neuzeit gibt, die so akribisch dokumentiert wurden. In der National Geographic war mal ein Artikel über die Archäologischen Untersuchungen des Schlachtfeldes, bei der sogar die Stellen gefunden wurden an denen einzelne Soldaten fielen, teilweise sogar namentlich bekannt.

Anhand der gefundenen Patronenhülsen konnte sogar die Bewegung über das Feld festgestellt werden. Das war fast eine forensische Rekonstruktion. Leider habe ich diese Ausgabe nicht mehr zur Hand.

@ Ulan: Ich denke es gibt genauere Unterlagen dazu, bei denen die Teilnehmerzahlen konkreter genannt werden. Es gab noch Jahre nach der Schlacht Prozesse und Untersuchungen (z.B. von Reno betrieben) die sich damit befassten und bei denen die Überlebenden als Zeugen gerufen wurden. Da muss es genauere Daten geben. Such mal auf amerikanischen Seiten.
 
Dies scheint der noch aktuelle Custer-Thread zu sein und ich möchte keine Leichen aus dem Archiv zerren. Ich hoffe es ist in Ordnung wenn ich meine Frage hier ran hänge?

Mir geht es um Custers Truppenstärke in der Schlacht am Big Horn. Es wird eine Gesamtstärke von ca. 600 - 630 Mann mittlerweile angegeben. Bis zu 40 Scouts kamen wohl noch dazu und diese sind den Kompanien nicht zuordbar.

Es heisst z.B. hier:

BigCountry.de: Amerikanischer Bürgerkrieg, Gettysburg 1863 in Wort und Bild u.v.m.

Custer wäre mit 12 Kompanien ausmarschiert. Rechnerisch ergäbe dies eine Kompaniestärke von 50 Mann zuzügl. der Offiziere.

Am Big Horn teilte Custer seine Truppen auf. Benteen und Reno wurden mit je 3 Kompanien(gesamt 150 Mann zuzügl.Offiziere ?) losgeschickt, während Custer selber 5 Kompanien(gesamt 250 Mann zuzügl. Offiziere) führte.

Hier fällt bereits auf, dass lediglich 11 Kompanien aufgeteilt wurden und nicht 12.

Wenn ich nun die Verlustzahlen anschaue, dann sind Custers 5 Kompanien aufgerieben worden und umfassten 204 Tote. Von den angegebenen Stärkezahlen her müssten es jedoch mindestens 50 Mann mehr gewesen sein. Beziehungsweise müssten von der Gesamtstärke der Truppe demnach Reno und Benteen zusammen über mindestens 450 Mann verfügt haben.
Da Beide aber nur jeweils 3 Kompanien unterstellt bekamen, sollten sie eigentlich nur über jeweils 150 Mann zuzügl. der Offiziere verfügt haben.

Die fehlende(12te) Kompanie könnte ich mir ja noch als Versorgungs-/Nachschubkompanie vorstellen. Mit der Gesamtstärke von Custers Truppen verteilt auf die Kompanien, habe ich jedoch Verständnisprobleme.

Edit: Die 12.Kompanie(B), begleitete den Versorgungstross. Das hatte ich überlesen.
 
Das sind so die Unterschiede zwischen Soll und Ist. Hochgerechnete Truppenstärken passen nie. Verläßlich sind bei sowas zumindest eingermaßen verläßlich, Verlustzahlen.

Bei irgendwo 550-750 Mann sind immer ein paar "Fußkranke", Deserteure, an Krankeheiten verstorbene usw.


Die Sollstärke einer Kompanie der 7.US Cavalry lag bei 78 Mann.

3 Offiziere, 11 Unteroffiziere, 2 Schmieden, 1 Sattler, 1Fuhrmann und 60 Soldaten.

Dieses kann nicht die Iststärke beim ausrücken der 12 Kompanien unter Custer gewesen sein. Dennoch gehe ich davon aus, dass die Männer annähernd gleichmässig auf die Kompanien verteilt waren und inkl.der 3 Offiziere mindestens 50 Mann per Komp.ausmachten.

Von Verlusten während des Marsches(in welcher Form auch immer) ist nirgends etwas erwähnt und um die 50 Mann krank ist wohl auch nicht anzunehmen.

Wenn man davon ausgeht Custer hatte ebenfalls noch eine Reihe Scouts bei sich, dann entfallen auf die 5 Kompanien unter ihm noch weniger Männer und die Kompaniestärke lag bei nicht mal 40 Mann inkl. der Offiziere.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier ist eine Liste der Gefallenen:

http://files.usgwarchives.net/sd/military/big-horn.txt

Da wird auch aufgeführt, zu welcher Companie sie jeweils gehörten.

Die Sollstärke einer Kompanie der 7.US Cavalry lag bei 78 Mann.

3 Offiziere, 11 Unteroffiziere, 2 Schmieden, 1 Sattler, 1Fuhrmann und 60 Soldaten.

Dieses kann nicht die Iststärke beim ausrücken der 12 Kompanien unter Custer gewesen sein. Dennoch gehe ich davon aus, dass die Männer annähernd gleichmässig auf die Kompanien verteilt waren und inkl.der 3 Offiziere mindestens 50 Mann per Komp.ausmachten.
Es gibt keinen Grund warum sie gleichmäßig verteilt sein mussten. Es kann wie erwähnt, viele Gründe für Abwesenheiten geben.


Von Verlusten während des Marsches(in welcher Form auch immer) ist nirgends etwas erwähnt und um die 50 Mann krank ist wohl auch nicht anzunehmen.

Wenn man davon ausgeht Custer hatte ebenfalls noch eine Reihe Scouts bei sich, dann entfallen auf die 5 Kompanien unter ihm noch weniger Männer und die Kompaniestärke lag bei nicht mal 40 Mann inkl. der Offiziere.

Warum nicht? Du sprichst von der Zeit vor den Antibiotica oder sonstigen modernen Medikamenten. Im Krimkrieg, im amerikanischen Bürgerkrieg und noch im Cubakrieg gab es zeitweilig höhere Ausfälle durch Krankheiten als durch Kampfhandlungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier ist eine Liste der Gefallenen:

http://files.usgwarchives.net/sd/military/big-horn.txt

Da wird auch aufgeführt, zu welcher Companie sie jeweils gehörten.

Es gibt keinen Grund warum sie gleichmäßig verteilt sein mussten. Es kann wie erwähnt, viele Gründe für Abwesenheiten geben.




Warum nicht? Du sprichst von der Zeit vor den Antibiotica oder sonstigen modernen Medikamenten. Im Krimkrieg, im amerikanischen Bürgerkrieg und noch im Cubakrieg gab es zeitweilig höhere Ausfälle durch Krankheiten als durch Kampfhandlungen.


Wir reden vom Aufbruch in den Feldzug. Wenn einige der 12 Kompanien extrem unter dem angestrebten Soll gelegen hätten, dann wären sie eher auf die übrigen Kompanien aufgeteilt worden. Dies erleichtert bei gleicher Gesamtstärke die Organisation der Truppe. Deswegen gehe ich bei den 12 Kompanien die ausrückten davon aus, dass sie über annährend gleiche Iststärke verfügten. Wie es sich im Laufe des Feldzugs entwickelte ist eine andere Sache.
Die Gesamtstärke der Truppe von ca 600 Mann ist wohl weniger hochgerechnet nach der Sollstärke der Kompanien, sondern eher mittlerweile anhand der tatsächlich beteiligten Personen ermittelt worden.


Wenn allein die 7.Cavalry um die 50 Kranke aufwies, wie sollte dies denn hochgerechnet auf alle am Feldzug beteiligten US-Verbände aussehen? Die Armee hätte einen Tross von hunderten von Kranken mit sich geführt. Das hätte Epidemie Status gehabt.
 
Wir reden vom Aufbruch in den Feldzug. Wenn einige der 12 Kompanien extrem unter dem angestrebten Soll gelegen hätten, dann wären sie eher auf die übrigen Kompanien aufgeteilt worden. Dies erleichtert bei gleicher Gesamtstärke die Organisation der Truppe.
Warum? Wer gibt schon gerne Leute einer eingespielten Truppe ab? Es könnte zwar sein, es muss jedoch nicht.

Deswegen gehe ich bei den 12 Kompanien die ausrückten davon aus, dass sie über annährend gleiche Iststärke verfügten. Wie es sich im Laufe des Feldzugs entwickelte ist eine andere Sache.
Die Gesamtstärke der Truppe von ca 600 Mann ist wohl weniger hochgerechnet nach der Sollstärke der Kompanien, sondern eher mittlerweile anhand der tatsächlich beteiligten Personen ermittelt worden.
Das ist spekulativ und man kann das doch bestimmt alles nachlesen.

Wenn allein die 7.Cavalry um die 50 Kranke aufwies, wie sollte dies denn hochgerechnet auf alle am Feldzug beteiligten US-Verbände aussehen? Die Armee hätte einen Tross von hunderten von Kranken mit sich geführt. Das hätte Epidemie Status gehabt.

Das ist aber gerade Typisch für diese Zeit.

Im Krimkrieg hatte die Russische Armee von ca. 720.000 Mann, fast 90.000 Tote durch Krankheit. Wie viele werden zu einem bestimmten Zeitpunkt krank gewesen sein um eine solche Mortalität zu erreichen? Bei ihren Gegner waren es nicht viel weniger, bei den Briten ca. 16.000 von 250.000 Mann, bei den Franzosen 60.000 von 400.000. Die Spanier haben 1859-60 in Marokko fast 4000 Mann verloren, die Meisten durch die Cholera. Im Amerikanischen Bürgerkrieg sind Tausende am Thyphus gestorben, chronischer Durchfall und Ruhr hat praktisch alle Soldaten früher oder später erwischt (http://www.civilwarhome.com/civilwarmedicine.htm) :

About half of the deaths from disease during the Civil War were caused by intestinal disorders, mainly typhoid fever, diarrhea, and dysentery. The remainder died from pneumonia and tuberculosis. Camps populated by young soldiers who had never before been exposed to a large variety of common contagious diseases were plagued by outbreaks of measles, chickenpox, mumps, and whooping cough.
The culprit in most cases of wartime illness, however, was the shocking filth of the army camp itself. An inspector in late 1861 found most Federal camps 'littered with refuse, food, and other rubbish, sometimes in an offensive state of decomposition; slops deposited in pits within the camp limits or thrown out of broadcast; heaps of manure and offal close to the camp." As a result, bacteria and viruses spread through the camp like wildfire. Bowel disorders constituted the soldiers' most common complaint. The Union army reported that more than 995 out of every 1,000 men eventually contracted chronic diarrhea or dysentery during the war; the Confederates fared no better.
Typhoid fever was even more devastating. Perhaps one-quarter of noncombat deaths in the Confederacy resulted from this disease, caused by the consumption of food or water contaminated by salmonella bacteria. Epidemics of malaria spread through camps located next to stagnant swamps teeming with anopheles mosquito. Although treatment with quinine reduced fatalities, malaria nevertheless struck approximately one quarter of all servicemen; the Union army alone reported one million cases of it during the course of the war. Poor diet and exposure to the elements only added to the burden. A simple cold often developed into pneumonia, which was the third leading killer disease of the war, after typhoid and dysentery.


Du kannst über jeden Krieg der damaligen Zeit nachlesen und feststellen, dass die enorme Krankenstände hatten. Man muss bedenken, dass die damals ihr Trinkwasser direkt aus den Flüssen geschöpft haben an denen sie lagerten und neben denen ihre Latrinen waren (falls sie welche hatten). ich kann mir also gut vorstellen, dass 50 Mann von 700 zu krank waren, um in die Schlacht zu ziehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es sind ja nicht nur die unerwähnten Kranken, alle die beurlaubten, die zu spät kommen, die Unlustigen, denen die Füße wehtun und die nicht reiten können, Deserteure werden auch als "anwesend" gezählt, so Peinlichkeiten wie vergessene Gruppen auf Wache kommen ja nun bei allen Armeen vor.
Sowas kann eine Truppe schon mal locker halbieren, wenns hochkommt.
Und der Marsch zum little Bighorn war lang, da hat ein Mannschaftsdienstgrad sehr viel Zeit, die Lust auf einen Kampf zu verlieren .....(und sich einen ungefährlichen Platz zu organisieren)
 
Anhand der gefundenen Patronenhülsen konnte sogar die Bewegung über das Feld festgestellt werden. Das war fast eine forensische Rekonstruktion. Leider habe ich diese Ausgabe nicht mehr zur Hand.

Einer der Meilensteine der Schlachtfeldforschung... mittlerweile kam ja auch aus Deutschland einiges dazu.
 
Ich habe den Bericht hierrüber gesehen und fand ihn interessant. Es ist anhand dieser gezielten Suche nach Ausrüstungsgegenständen der Soldaten in einem bekannten Schlachtgebiet möglich, die einzelnen Phasen eines Kampfes nachzuvollziehen. Wie in diesem Fall, kann es auch neue Theorien hervorbringen über das Verhalten Custers am Big Horn.

Dennoch ist es leider keine so zuverlässige Variante der Recherche, denn es besteht heutzutage leider immer die Möglichkeit, dass ein bekanntes Schlachtengebiet bereits durch viele mit Metalldedektoren ausgerüstete Privatsammler abgegrast wurde. Bevor Historiker die Möglichkeit bekommen systematisch erarbeitete und markierte Fundorte/Fundteile analysieren zu können, wird dadurch ein zuverlässiges Ergebnis evtl. unmöglich gemacht.
 
Evtl. schon bekannt, aber hier findet man eine Liste der Soldaten der 7th Cavalry und ihre "Rolle" während der Schlacht am Bighorn ... und da fällt schon auf, dass einige nicht bei der Truppe waren (z.B. auch James Abos: confined, awaiting trial for desertion ... es war wohl auch so, dass eine Abteilung ein Depot - Powder River Depot - bewachte).

http://www.littlebighorn.info/Cavalry/NameA.htm
 
Ich habe den Bericht hierrüber gesehen und fand ihn interessant. Es ist anhand dieser gezielten Suche nach Ausrüstungsgegenständen der Soldaten in einem bekannten Schlachtgebiet möglich, die einzelnen Phasen eines Kampfes nachzuvollziehen. Wie in diesem Fall, kann es auch neue Theorien hervorbringen über das Verhalten Custers am Big Horn.

Dennoch ist es leider keine so zuverlässige Variante der Recherche, denn es besteht heutzutage leider immer die Möglichkeit, dass ein bekanntes Schlachtengebiet bereits durch viele mit Metalldedektoren ausgerüstete Privatsammler abgegrast wurde. Bevor Historiker die Möglichkeit bekommen systematisch erarbeitete und markierte Fundorte/Fundteile analysieren zu können, wird dadurch ein zuverlässiges Ergebnis evtl. unmöglich gemacht.

Das Schlachtfeld stand bis 1983 unter Denkmalschutz, seit wann weiß ich nicht.Der Denkmalschutz hat das Gelände bis dahin vor Trophäenjägern bewahrt.

1983 gab es ein Präriefeuer,welches das Schlachtfeld von Büschen und Unterholz bis auf die Wurzeln befreite/freilegte. Dann durften erst die Archäologen ran. Das Team brauchte mehrere Jahre menschliche Überreste und Artefakte, sowie Patronen, Patronenhülsen und Teile der Feuerwaffen auszugraben.

Ergebnis der Auswertung : "heilloses Chaos" , die Lage der Objekte zeigte, das viele Soldaten rannten und dabei ziellos (?) um sich schossen,anstatt aus dem Stand zu schiessen.

Nach Aussagen von Lakota,Sioux und Cheyenne sind Custers Leute gerannt "wie eine panische Büffelherde" und sie hätten um sich geschossen " wie Betrunkene,in den Boden und in die Luft". Einige behaupten,die Soldaten hätten sich in Panik sogar gegenseitig erschossen. :grübel:
 
Ich hab noch was: Das Team fand Kugeln und Patronenhülsen, die sie insgesamt 205 Feuerwaffen zuordnen konnten.
81 davon gehörten zu Custers Kampftruppe. Die bekanntsete ist der Colt_Revolver. Insgeamt verfügten die Soldaten während des Gefechts 250 Waffen. Das Team hatte hinweise auf ein Drittel davon gefunden. Auf dieser Grundlage wurde berechnet, das die 124 Waffen , die man den Indianern zurechnen konnte, für insgeamt 400 Waffen stehen mussten, die während des Gefechts von ihnen benutzt wurden. Das sind beweisbare Angaben über die Anzahl der Feuerwaffen ,die sich gegen Custer im Einsatz befanden.

Die Hälfte davon waren wohl Winchester-Repetiergewehre. Diese mussten erst nach 16 Schuss nachgeladen werden.

Das Kavallerieregiment war hingegen nur mit Springfield-Einzelladern Kaliber 45 ausgerüstet, denen die US-ARMY den Vorzug vor REpetiergewehren gab. So sollte Munition gespart und zielgerichteter geschossen werden.

Die Indianer besaßen also im Nahkampf mit ihren Schnellfeuerwaffen klare Vorteile.
 
Die Hälfte davon waren wohl Winchester-Repetiergewehre. Diese mussten erst nach 16 Schuss nachgeladen werden.
Die Indianer besaßen also im Nahkampf mit ihren Schnellfeuerwaffen klare Vorteile.

Bei Wiki geht man von 20% mehrschüssigen Repetiergewehren verschiedener Hersteller auf Indianerseite aus.
Ich hab vom Thema Null Ahnung, glaube mich aber daran erinnern zu können,
das man den Vorteil der Indianer mal bei der Überzahl der von ihnen verwendeten Gewehre, hauptsächlich älteren Baujahrs aber mit höherer Reichweite und Treffsicherheit sah.
Ist das jetzt durch die Schlachtfelduntersuchung als völlig überholt anzusehen?
 
Bei Wiki geht man von 20% mehrschüssigen Repetiergewehren verschiedener Hersteller auf Indianerseite aus.
Ich hab vom Thema Null Ahnung, glaube mich aber daran erinnern zu können,
das man den Vorteil der Indianer mal bei der Überzahl der von ihnen verwendeten Gewehre, hauptsächlich älteren Baujahrs aber mit höherer Reichweite und Treffsicherheit sah.
Ist das jetzt durch die Schlachtfelduntersuchung als völlig überholt anzusehen?

Die Angabe von 20% Repetiergewehranteil auf Seiten der Lakota habe ich im Wikipedia-Artikel nicht gesehen. Die Zahlen, egal wie hoch oder niedrig diese ausfallen, sind ohnehin Schätzungen und unterliegen zudem auf US-Seite teilweise bestimmten Prämissen.


Allerdings ist zu den 20% anzumerken, daß selbst wenn dieser Anteil den Tatsachen entspräche, nur ca die Hälfte der Lakota mit Schußwaffen irgendeiner Art ausgerüstet waren, von denen dann geschätzte 20% Repetierwaffen gewesen sein sollen.


Die Angabe, daß ca 50% der Lakota Schußwaffen besaßen, ist übrigens bei Wikipedia auch zu finden:
at least half of the Indian warriors were armed only with bows and "many arrows," making this the primary weapon.
Weiterhin bei Joseph M. Marshall III, The Day the World Ended at Little Bighorn, New York 2006, S. 102:


It was not until about 1840 onward that the Lakota began acquiring firearms little by litte, mostly by trade. … acquiring it was never easy. [...]
By 1876, it is likely than [sic] more than half of all Lakota males had at least one firearm of some kind, and a few were lucky to have more than one.
Bei diesen Schußwaffen war vom Vorderlader über Pistolen bis zum Repetiergewehr alles mögliche vertreten. Insbesondere beim Einsatz von Repetiergewehren war die Beschaffung von Munition ein Problem für die Indianer, zumal – wenn ich mich richtig erinnere – der Verkauf dieser Gewehre sowie auch der passenden Munition an Indianer seinerzeit illegal war.


Aufgrund der Unterschiedlichkeit der vorhandenen Schußwaffen entsteht da ebenfalls ein Nachteil, da sich auf Seiten der Lakota jemand, der seine Munition verschossen hatte, nicht ohne Weiteres mal eben ein paar Schuß Munition leihen konnte. Bei der Armee war die Bewaffnung natürlich homogen.


Marshall (a.a.O., S. 103) weist dazu auch auf taktische Überlegungen bei den Lakota hin:
Gall had two basic reasons for having several of his warriors dismount and take deliberate aim: one, to take better advantage of marksmanship skills, and two, to conserve ammunition by making every shot count. The greatest advantage of a repeating rifle is the rate of fire … without having to pause to reload. That advantage is useful as long as there is sufficient ammunition.


Because of the shortage of ammunition, many warriors held their fire until they were close at range, thereby increasing the odds for a hit. This tactic was employed by warriors with pistols; percussion muzzle-loading rifles; or the various kinds of single-shot, heavy-calibre rifles.
Ebenso wird beschrieben, daß Custers Einheit sich zwar auf einem Hügel verschanzte, gegen diese Stellung jedoch Bogenschützen eingesetzt wurden, die Pfeile im Bogen verschossen, die also von oben auf die Soldaten herunterkamen.


Was ich bei der englischen Wikipedia finde, sind zum einen Verweise darauf, daß Repetiergewehre damals eine geringere Reichweite besaßen als zb die einschüssigen Springfield-Gewehre, mit denen die Armee ausgerüstet war. Das gilt auch für Vorderlader, zumal wenn an Pulver gespart werden muß. Die Springfields haben aber auch eine größere Reichweite als Pfeil und Bogen.


Zum anderen finden sich Verweise in Richtung der Legendenbildung, zb hinsichtlich der angeblich häufig versagenden Springfields die Anmerkung, daß dies bei keinem anderen Einsatz in derartiger Häufigkeit auftrat, wie es am Little Bighorn der Fall gewesen sein soll. Dies soll durch Überhitzung der Gewehre zustande gekommen sein. Der Artikel enthält allerdings die Information, daß durch die archäologischen Grabungen festgestellt wurde, daß der Anteil der Munition, die aufgrund der Überhitzung als unbrauchbar aus den Gewehren herausgekratzt wurde, bei 3,4% bzw 2,7% liegt (der erste Wert betrifft das Gefecht von Custer, der zweite das von Reno-Benteen). Dies deutet ebenfalls darauf hin, daß mit diesem Argument das unerklärliche Versagen von Custer bzw der unerklärliche Sieg der Lakota zurechtgebogen werden sollte.


Marshall (a.a.O., S.103) schreibt dazu:


Of continued special interest to historians is the number of repeating rifles … used against the Seventh cavalry. That number, based on records kept by officials of the Indian Bureau, is mostly conjecture and dubious at best. Due to altering here and there to appease the anger of those in the army and the government searching for a more logical reason behind the decisive defeat of the Seventh, the Indian Bureau's figures are skewed.
 
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Was ich bei der englischen Wikipedia finde, sind zum einen Verweise darauf, daß Repetiergewehre damals eine geringere Reichweite besaßen als zb die einschüssigen Springfield-Gewehre, mit denen die Armee ausgerüstet war. Das gilt auch für Vorderlader, zumal wenn an Pulver gespart werden muß. Die Springfields haben aber auch eine größere Reichweite als Pfeil und Bogen.

Die ersten Henry- und Winchester Gewehre waren für die .44 Randfeuerpatrone ausgelegt. Das Springfield Ordonanzgewehr verschoss die 44-70-404 Zentralfeuerpatrone (auch 45-70 Government genannt).

Der Kaliber war dabei praktisch derselbe, konstruktionsbedingt war die zweite Patrone um ein vielfaches stärker.

Bei der Randfeuerpatrone besteht der Boden aus einem dünnen Blech das mit der Zündmasse gefüllt wird. Der Schlagbolzen verformt das Blech und zündet die Patrone. Dieses funkioniert zwar relativ zuverlässig und ist einfach herzustellen, begrenzt aber deutlich die Pulvermenge, da der dünne Boden nicht viel aushält. Aus diesem Grund wird dieses System später nur noch für Kleinkaliber verwendet (bis heute 22 l.r.). Es ist das älteste funktionierende System einer in sich geschlossenen Metallpatrone.

Die .44 Rimfire wurde auch für Revolver verwendet und diese doppelte Verwendbarkeit machte sie im Westen sehr beliebt. Die balistischen Qualitäten sind aber miserabel.

Die 45-70 Government hat dagegen einen dicken Boden mit einem Zündhütchen in der Mitte. Es war eine starke Patrone mit relativ hoher Geschossgeschwindigkeit und Reichweite. Sie ist bis heute noch recht beliebt für die Jagd.

Die gezogenen Springfield-Vorderlader im Minie-System verschossen eine Kugel (bzw. ein Expansionsgeschoss) in einen größeren Kaliber aber ohne Patrone, die auch eine hohe Reichweite und Genauigkeit aufwies.

.44 Henry ? Wikipedia

.45-70 Government ? Wikipedia


Zum anderen finden sich Verweise in Richtung der Legendenbildung, zb hinsichtlich der angeblich häufig versagenden Springfields die Anmerkung, daß dies bei keinem anderen Einsatz in derartiger Häufigkeit auftrat, wie es am Little Bighorn der Fall gewesen sein soll. Dies soll durch Überhitzung der Gewehre zustande gekommen sein. Der Artikel enthält allerdings die Information, daß durch die archäologischen Grabungen festgestellt wurde, daß der Anteil der Munition, die aufgrund der Überhitzung als unbrauchbar aus den Gewehren herausgekratzt wurde, bei 3,4% bzw 2,7% liegt (der erste Wert betrifft das Gefecht von Custer, der zweite das von Reno-Benteen). Dies deutet ebenfalls darauf hin, daß mit diesem Argument das unerklärliche Versagen von Custer bzw der unerklärliche Sieg der Lakota zurechtgebogen werden sollte.
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das ist zwar richtig, die Legende der Anfälligkeit der Springfield-Hinterlader hatte aber einen realen Grund:

Nach Einführung metallischer Einheitspatronen, nach dem Bürgerkrieg, stiegen dadurch die Kosten für die Munition erheblich. Zusammen mit den Reduzierten Militärbudgets, resultierte dieses in einer deutlichen Verringerung der Häufigkeit der Schiessübungen. Ergo blieben die Patronen länger in Ihren Verpackungen und auch in den Ledertaschen der Soldaten.

Die Ledermonturen waren mit korrosiven Salzen gegerbt, von denen die Patronen nach einiger Zeit angegriffen wurden und rauhe Oberflächen bekamen. Aus diesem Grund, und nicht wegen Überhitzung, blieben die Hülsen öfters in den Gewehrkammern stecken. Gelegentlich Riss der Boden ab und der vordere Teil blieb drin und liess sich dann nicht einmal mit dem Ladestock entfernen.

Bei guter Pflege (Patronen säubern, Kammer fetten) musste dieses nicht unweigerlich passieren, das Springfieldgewehr wurde aber tatsächlich einmal umgeändert um das entfernen verkanteter Hülsen zu erleichtern. Es war also kein gelegentliches Problem. Dass es am Little Big Horn häufiger als sonst geschah, ist unwahrscheinlich und wohl tatsächlich eine Legende.

Dieses passiert übrigens nicht nur bei den Amerikanern. Durch diese Korrosion entstand an der Oberfläche auch Kupfervitriol, was an anderer Stelle (müsste ich jetzt suchen, ich glaube es war im Burenkrieg) zu der Legendebildung über "vergiftete" Patronen führte.

Die geringere Übung führte übrigens auch zu den öfters erwähnten lausigen Schiesskünsten vieler US-Kavalleristen durch die Ihre größere Reichweite wieder negativ ausgeglichen wurde.

Der Rückgang in der Schiessausbildung wird auch in anderen Armeen zu dieser Zeit festgestellt, z.B. bei den Briten, die erst nach dem Burenkrieg ihren Standard wieder gehoben haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke erst mal.

Die Angabe von 20% Repetiergewehranteil auf Seiten der Lakota habe ich im Wikipedia-Artikel nicht gesehen. Die Zahlen, egal wie hoch oder niedrig diese ausfallen, sind ohnehin Schätzungen und unterliegen zudem auf US-Seite teilweise bestimmten Prämissen.
Steht weiter unter in der deutschen Wiki bei Waffen. Wobei das dann dort noch als "taktischer Vorteil" beschrieben wird.
 
Philbrick, Last Stand, behauptet aufgrund der archäologischen Untersuchungen nach 1983, also nach dem Brand auf dem Schlachtfeld, dass auf indianischer Seite 43 Typen von Schusswaffen gefunden worden seien, darunter der Anteil an Repetiergewehren auf ca. 300 geschätzt wurde.
 
Noch ein Anmerkung zu den Schusswaffen, die die Kavallerie verwendete: Der Colt Single Action und die Springfield 1873 waren die Waffen, die an die Soldaten ausgegeben wurden. Es war ihnen jedoch durchaus erlaubt, eigene Waffen mitzuführen. Custer selbst hatte zwei Revolver, die wahrscheinlich vom Typ Webley British Bulldog (Double Action) waren, außerdem ein Remington Gewehr. Das ging bis runter zum einfachen Soldaten (ein Henry Bailey hatte z.B. eine einschüssige Schrotflinte, andere verwendeten Sharps Gewehre).

Genaueres hier: Battle of Little Bighorn: Were the Weapons the Deciding Factor

"Although most of the men drew the standard-issue weapons, it was their prerogative to purchase their own arms. George Custer carried a Remington .50-caliber sporting rifle with octagonal barrel and two revolvers that were not standard issue–possibly Webley British Bulldog, double-action, white-handled revolvers. Captain Thomas A. French of Company M carried a .50-caliber Springfield that his men called 'Long Tom.' Sergeant John Ryan, also of Company M, used a .45-caliber, 15-pound Sharps telescopic rifle, specially made for him. Private Henry A. Bailey of Company I had a preference for a Dexter Smith, breechloading, single-barreled shotgun."
 
Philbrick, Last Stand, behauptet aufgrund der archäologischen Untersuchungen nach 1983, also nach dem Brand auf dem Schlachtfeld, dass auf indianischer Seite 43 Typen von Schusswaffen gefunden worden seien, darunter der Anteil an Repetiergewehren auf ca. 300 geschätzt wurde.

Tja, auch da haben wir ja wieder das 'magische' Wort --- *geschätzt*... :pfeif:

Ich habe mich wg der Zahlen gerade durch einige Internetseiten gewühlt - es wird auch nicht klarer oder eindeutiger. Die Ziffern der am Gefecht beteiligten bzw im Lager vorhandenen Krieger sind abenteuerlich in den Differenzen; übrigens auch die zur Zahl der Personen im Lager insgesamt.

Hier eine Auswahl:

Schlacht am Little Bighorn ? Wikipedia

Schätzungen in der Vergangenheit sind oft weit übertrieben gewesen und gingen bis zu 7000 Kriegern. Heute wird vielfach angenommen, dass das Indianerdorf in seiner anzunehmenden Ausdehnung nicht mehr als 1000 bis maximal 2500 Krieger umfasste.
Battle of the Little Bighorn - Wikipedia, the free encyclopedia


Historian James Donovan, states that when Custer asked Gerard his estimate on the opposition, he estimated the force at between 1,500 to 2,500 warriors.[15]
How the Battle of Little Bighorn Was Won | History & Archaeology | Smithsonian Magazine

[FONT=Arial, sans-serif]
... 700 lodges between them. The other circles might have totaled 500 to 600 lodges. That would suggest as many as 6,000 to 7,000 people in all, a third of them men or boys of fighting age.
[/FONT]

Auch auf einer weiteren Seite neben Wikipedia.de wurde die Zahl der Krieger mit 1.000 angegeben.
Gestern habe ich auf einer Seite (leider nicht abgespeichert) Angaben über die Zahl der vorhandenen Krieger gefunden, die von den überlebenden Offizieren der 7. Kavallerie genannt wurden: da war soweit ich mich erinnere eine Spanne von 3.000 bis 7.000 Kriegern vorhanden. Diese Werte dienen jedoch offenbar eher der Legendenbildung.

Üblicherweise wird eine Bewohnerzahl von ca 5 pro Lodge angenommen; davon 1 bis 2 Männer. In allen Altersstufen, also auch Personen, die aufgrund ihres Alters als Kombattanten nicht in Frage kommen. Das hieße bei 1.200 bis 1.300 Lodges (siehe Angabe Smithsonian Mag) und ca 1,5 Männern pro Lodge müßten ungefähr 1.800 Männer im Lager gewesen sein. Nimmt man von der Gesamtbewohnerzahl 7.000 ein Drittel als im kampffähigen Alter an, liegt man allerdings bei 2.300.

Dh daß die Angabe von einem Drittel Männer im kampffähigen Alter sehr hoch geschätzt ist. Das sehe ich auch so, auch wenn im Lager Zuzug von bereits bestehenden Reservationen zu verzeichnen war und junge Männer entweder einzeln oder in Kleingruppen die Reservationen verlassen und sich dem Lager angeschlossen hatten.

Nehmen wir also die hohe Angabe von einem Drittel Kämpfer bei 7.000 Bewohnern - also abgerundet 2.300. Diese sollen ja zu ca 50% über Schußwaffen verfügt haben, das wären 1.150 - davon 20% in Besitz von Repetiergewehren: da sind 230.
Geht man von 1.800 Männern aus, läge die Zahl der Repetiergewehre bei dieser Rechnung bei 180; bei den Zahlen aus Wikipedia zwischen 150 und 250.

Die von Philbrick genannte Schätzung von 300 Repetierwaffen liegt dann gut über der zu erwartenden Zahl, und zwar je nach zugrunde gelegten Zahlen zwischen ca 16 und 50% über der zu erwartenden Zahl. Bei dem "Ausreißerwert" von 1.000 kampffähigen Männern wäre die Philbrickschätzung sogar um zwei Drittel zu hoch angesetzt.

Nimmt man andererseits an, daß - siehe Beitrag von Papa Leo - auch Soldaten sich auf eigene Kosten mit Repetiergewehren ausgerüstet hatten, wäre uU auf beiden Seiten eine recht gleiche Zahl dieser Waffen vorhanden gewesen (siehe Wikipedia.en-Zahlen), so daß das Argument der bewaffnungsmäßigen Unterlegenheit der Einheiten dann ebenfalls Legende wäre.

Bleibt - siehe Bdaians Beitrag - der Umstand des eingeschränkten Schießtrainings bei der Armee. Das stellt allerdings einen erheblichen Nachteil dar, da auf Seiten der Lakota sehr geübte Schützen der Regelfall waren, zumal beim Einsatz von Pfeil und Bogen, aber durch das regelmäßige Jagen auch beim Einsatz von Gewehren Übung gegeben war.
 
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