Hallo liebe Geschichtsfreunde,
ein schönes Forum habt ihr hier, eine wirklich gelungene Abwechslung zu den sonstigen Geschichtswerken und ein tolles Portal, um zu diskutieren. Ich habe mir die vergangenen zwei Wochen sehr viele Beiträge hier angeschaut und bin erfreut über die Fachmännigkeit, mit der an die Fragen herangegangen wird.
Doch genug Lobhudelei. Ich möchte euch ein kleines Szenario vorstellen und euch bitten, das ganze auf die theoretische Möglichkeit seiner Existenz zu überprüfen (ich rede nicht von Wahrscheinlichkeit). Es geht darum, das Szenario zu analysieren und alle historischen und/oder gesellschaftlichen Faktoren zu finden, die das ganze unmöglich machen. Konstruktive Kritik wäre also mein größter Wunsch, aber was schlechteres scheint man hier ja nicht zu bekommen
Im zweiten Schritt würde ich das Szenario gerne so variieren, dass es zu einer Möglichkeit wird. Auch dort wäre ich wirklich dankbar um jede Hilfe.
Die verwendeten Quellen sind im Wesentlichen angegeben, ansonsten wäre noch Wikipedia zu nennen und die Aussagen der Angestellten bzw. Texttafeln des städtischen Museums in Worms. Unbelegte Passagen gehen hoffe ich deutlich aus dem Text hervor, an undeutlicher Stelle hab ich es kenntlich gemacht.
Genug Vorgeplänkel, hier also das Szenario:
Wir schreiben das Jahr 1020 und befinden uns im Kloster Hersfeld an der Fulda. Im Fokus steht ein junger Fischer, geboren im Jahr 1000 als Sohn eines Hörigen, der, selbst als Höriger geboren, sein Leben lang als Fischer für das Kloster gearbeitet hat und als Ausgleich Unterkunft und Verpflegung bekam (Fischereiaktivitäten des Klosters belegt durch Angelika Lampens ''Fischerei und Fischhandel im Mittelalter''). Nun wuchs der Sohnemann in engem Kontakt zum Kloster auf und erlebte die zahlreichen Freizügigkeiten einiger Mönche (den Abt Bernhard (985 – 1005 eingeschlossen), die schon seit dem Vorgängerabt Gotzbert (970–985) immer stärker Gestalt angenommen hatten. Bernhard und auch andere Geistliche erzählen dem Jungen von den Vorzügen eines edlen Lebensstils und weitreichender Privatländereien.
Nach 1005 wehte im Kloster Hersfeld ein anderer Wind. Abt Godehard wurde von Kaiser Heinrich II. eingesetzt, um die verkommene Abtei zu reformieren, was ihm letztenlich bis zu seinem Abtritt 1012 recht gut gelang. Circa 50 Mönche verließen die heiligen Mauern.
Unter Godehards Nachfolger erhielt die Abtei 1015 und 1016 nicht zu unterschätzende Schenkungen seitens des Kaisers, wodurch ihr Wohlstand enorme Stärkung fand. Unser junger Fischer, der das Handwerk von seinem Vater folgsam erlernt und gemeistert hat, muss im Jahre 1018 dessen Tod verkraften.
Nun, im Jahre 1020, wendet sich der mittlerweile Erwachsene an Abt Arnold (Godehards Nachfolger 1012 – 1031), immernoch erfüllt von den beschönigenden Worten der abtrünnigen Priester von einst. Obwohl es dem Zeitgeist widerspricht (siehe dazu Otto Borsts ''Alltag im Mittelalter''), sehnt er sich nach der Ferne, nach Eigenständigkeit in seinem Gewerbe und nach relativem Besitz.
Abt Arnold, ein gütiger und seines Amtes würdiger Geistlicher, ist zuerst nicht gewillt, irgendwelchen Bitten des Jünglings nachzugeben, erinnert sich jedoch an einige Faktoren, sodass in seinem Kopf ein Konzept zugunsten des Klosters entsteht:
Arnold denkt sich also folgendes: Ich schicke den Jungen und einige weitere Hilfskräfte mit einer Botschaft runter nach Worms und übergebe ihn der Obhut des Bischofs, damit sie den Wiederaufbau des Domes als Arbeitskraft vorantreiben. Eine solche Geste verschafft mir Ansehen beim Wormser Bistum und somit einen Vorteil gegenüber Fulda, das die Bauarbeiten in keiner Weise unterstützt.
In seinem Schreiben an Burchard bittet der Abt darum, dass dem jungen Fischer nach getaner Arbeit ein Gut an der großen oder kleinen Fischerweide (heute Straßenzüge der Stadt) verpachtet werde gegen einen festzulegenden Naturalbetrag, den der Fischer selbstverständlich nach Ablauf des Jahres zahlen würde. Er versichert dem Bischof, dass er die Erfüllung dieser Bitte ein klares Zeichen für ihn wäre, optimistisch in die Zukunft der beiden geistlichen Regimenter zu blicken. Die übrigen Gesandten des Abtes sollten nach der Bauarbeit zurückkehren und ihm Kunde von der Reaktion des Bischofs bringen. Auf diese Weise verwendet er den jungen Fischer als Symbol der Partnerschaft, verliert keine weiteren Männer, da diese ja mit einem festgelegten Zweck zurückkehren und er verbessert seine Machtposition, ohne dem aufrichtigen Fischer seinen Wunsch abschlagen zu müssen.
Also macht sich unser Fischer mit den Gesandten auf, den Weg nach Worms zu finden (was immerhin ca. 160 km Luftlinie sind...meinen Berechnungen zufolge).
Ende des Szenarios
Ich danke jedem, der sich die Mühe macht, mir zu helfen und diesen Text zu lesen.
Mit freundlichen Grüßen
Howl
ein schönes Forum habt ihr hier, eine wirklich gelungene Abwechslung zu den sonstigen Geschichtswerken und ein tolles Portal, um zu diskutieren. Ich habe mir die vergangenen zwei Wochen sehr viele Beiträge hier angeschaut und bin erfreut über die Fachmännigkeit, mit der an die Fragen herangegangen wird.
Doch genug Lobhudelei. Ich möchte euch ein kleines Szenario vorstellen und euch bitten, das ganze auf die theoretische Möglichkeit seiner Existenz zu überprüfen (ich rede nicht von Wahrscheinlichkeit). Es geht darum, das Szenario zu analysieren und alle historischen und/oder gesellschaftlichen Faktoren zu finden, die das ganze unmöglich machen. Konstruktive Kritik wäre also mein größter Wunsch, aber was schlechteres scheint man hier ja nicht zu bekommen
Im zweiten Schritt würde ich das Szenario gerne so variieren, dass es zu einer Möglichkeit wird. Auch dort wäre ich wirklich dankbar um jede Hilfe.
Die verwendeten Quellen sind im Wesentlichen angegeben, ansonsten wäre noch Wikipedia zu nennen und die Aussagen der Angestellten bzw. Texttafeln des städtischen Museums in Worms. Unbelegte Passagen gehen hoffe ich deutlich aus dem Text hervor, an undeutlicher Stelle hab ich es kenntlich gemacht.
Genug Vorgeplänkel, hier also das Szenario:
Wir schreiben das Jahr 1020 und befinden uns im Kloster Hersfeld an der Fulda. Im Fokus steht ein junger Fischer, geboren im Jahr 1000 als Sohn eines Hörigen, der, selbst als Höriger geboren, sein Leben lang als Fischer für das Kloster gearbeitet hat und als Ausgleich Unterkunft und Verpflegung bekam (Fischereiaktivitäten des Klosters belegt durch Angelika Lampens ''Fischerei und Fischhandel im Mittelalter''). Nun wuchs der Sohnemann in engem Kontakt zum Kloster auf und erlebte die zahlreichen Freizügigkeiten einiger Mönche (den Abt Bernhard (985 – 1005 eingeschlossen), die schon seit dem Vorgängerabt Gotzbert (970–985) immer stärker Gestalt angenommen hatten. Bernhard und auch andere Geistliche erzählen dem Jungen von den Vorzügen eines edlen Lebensstils und weitreichender Privatländereien.
Nach 1005 wehte im Kloster Hersfeld ein anderer Wind. Abt Godehard wurde von Kaiser Heinrich II. eingesetzt, um die verkommene Abtei zu reformieren, was ihm letztenlich bis zu seinem Abtritt 1012 recht gut gelang. Circa 50 Mönche verließen die heiligen Mauern.
Unter Godehards Nachfolger erhielt die Abtei 1015 und 1016 nicht zu unterschätzende Schenkungen seitens des Kaisers, wodurch ihr Wohlstand enorme Stärkung fand. Unser junger Fischer, der das Handwerk von seinem Vater folgsam erlernt und gemeistert hat, muss im Jahre 1018 dessen Tod verkraften.
Nun, im Jahre 1020, wendet sich der mittlerweile Erwachsene an Abt Arnold (Godehards Nachfolger 1012 – 1031), immernoch erfüllt von den beschönigenden Worten der abtrünnigen Priester von einst. Obwohl es dem Zeitgeist widerspricht (siehe dazu Otto Borsts ''Alltag im Mittelalter''), sehnt er sich nach der Ferne, nach Eigenständigkeit in seinem Gewerbe und nach relativem Besitz.
Abt Arnold, ein gütiger und seines Amtes würdiger Geistlicher, ist zuerst nicht gewillt, irgendwelchen Bitten des Jünglings nachzugeben, erinnert sich jedoch an einige Faktoren, sodass in seinem Kopf ein Konzept zugunsten des Klosters entsteht:
- Die permanenten Streitigkeiten zwischen Hersfeld und dem Kloster Fulda (die sich von den Gründungstagen beider Klöster über einen Fischereistreit 979 bis zur Begrenzung des hersfeldischen Jagdrechts in jüngster Vergangenheit zogen) machten Arnold willig für alle Aktionen, die seiner Abtei einen Vorteil verschaffen könnten.
- Die Schenkungen des Kaisers haben Hersfeld derartigen Reichtum eingebracht, dass ein einzelner Fischer kein allzu großer Verlust ist.
- Abt Arnold unterhält zur Zeit diplomatische Beziehungen zu Bischof Burchard, dem vorsitzenden Geistlichen der Stadt Worms. ( !!! Achtung: Hier fingiere ich !!! Diese These kann ich nicht belegen und wenn sie mir jemand stichhaltig widerlegen kann, dann sei derjenige höflichst darum gebeten!!)
- Der Wormser Dom hatte 1020 schwere Schäden durch mangelnde Statik erlitten und bedurfte dringender Reparaturen. (Das ist wiederum belegt)
Arnold denkt sich also folgendes: Ich schicke den Jungen und einige weitere Hilfskräfte mit einer Botschaft runter nach Worms und übergebe ihn der Obhut des Bischofs, damit sie den Wiederaufbau des Domes als Arbeitskraft vorantreiben. Eine solche Geste verschafft mir Ansehen beim Wormser Bistum und somit einen Vorteil gegenüber Fulda, das die Bauarbeiten in keiner Weise unterstützt.
In seinem Schreiben an Burchard bittet der Abt darum, dass dem jungen Fischer nach getaner Arbeit ein Gut an der großen oder kleinen Fischerweide (heute Straßenzüge der Stadt) verpachtet werde gegen einen festzulegenden Naturalbetrag, den der Fischer selbstverständlich nach Ablauf des Jahres zahlen würde. Er versichert dem Bischof, dass er die Erfüllung dieser Bitte ein klares Zeichen für ihn wäre, optimistisch in die Zukunft der beiden geistlichen Regimenter zu blicken. Die übrigen Gesandten des Abtes sollten nach der Bauarbeit zurückkehren und ihm Kunde von der Reaktion des Bischofs bringen. Auf diese Weise verwendet er den jungen Fischer als Symbol der Partnerschaft, verliert keine weiteren Männer, da diese ja mit einem festgelegten Zweck zurückkehren und er verbessert seine Machtposition, ohne dem aufrichtigen Fischer seinen Wunsch abschlagen zu müssen.
Also macht sich unser Fischer mit den Gesandten auf, den Weg nach Worms zu finden (was immerhin ca. 160 km Luftlinie sind...meinen Berechnungen zufolge).
Ende des Szenarios
Ich danke jedem, der sich die Mühe macht, mir zu helfen und diesen Text zu lesen.
Mit freundlichen Grüßen
Howl