Gesellschaftliche Toleranz gegenüber Verwandschaftsehen

Zoki55

Aktives Mitglied
Ich habe mich schon häufiger gefragt warum in den früheren Jahrhunderten die Kirche nicht gegen die Verwandschaftsehen zwischen Leuten mit den gleichen Großeltern und Urgroßeltern vorgegangen ist.
 
Wen meinst du denn mit "die Kirche"? Und welchen Zeitraum meinst du mit "in den früheren Jahrhunderten"?
 
Ich habe mich schon häufiger gefragt warum in den früheren Jahrhunderten die Kirche nicht gegen die Verwandschaftsehen zwischen Leuten mit den gleichen Großeltern und Urgroßeltern vorgegangen ist.

Das wären Vettern und Cousinenehen. Soweit mir bekannt ist, waren nur Ehen in direkter Linie, also Geschwister, Eltern verboten. Cousinen/Großcousinenheiraten waren evtl. verpönt, sind aber vorgekommen. Wie Lili schon sagte, es kommt auf die Zeit und die Gegend an.
 
Das wären Vettern und Cousinenehen. Soweit mir bekannt ist, waren nur Ehen in direkter Linie, also Geschwister, Eltern verboten. Cousinen/Großcousinenheiraten waren evtl. verpönt, sind aber vorgekommen. Wie Lili schon sagte, es kommt auf die Zeit und die Gegend an.
Wenn wir von der katholischen Kirche sprechen, dann benötigt die Eheschließung zwischen Cousin und Cousine 1. Grades einen kirchlichen Dispens, ist also eigentlich nicht erlaubt, es sind aber Ausnahmen möglich.
 
Das wären Vettern und Cousinenehen. Soweit mir bekannt ist, waren nur Ehen in direkter Linie, also Geschwister, Eltern verboten.
Das ist die aktuelle zivilrechtliche Rechtslage in Deutschland und Österreich. Die römisch-katholische Kirche erließ aber viel weitergehende Eheverbote unter Verwandten, wobei es auch immer wieder Änderungen gab. Schon in der Antike wurde die Ehe in der Seitenlinie bis zum 7. Grad verboten und das immer wieder bekräftigt [z. B. Synode von Toledo 351, Papst Gregor I. (590-604), Papst Leo III. (795-816)], wobei es aber durchaus auch regionale Ausnahmen gab. Papst Innozenz III. (1198-1216) reduzierte es auf dem 4. Lateranischen Konzil 1215 auf den 4. Grad, was heute noch so gilt.
Allerdings konnte man von diesen Ehehindernissen dispensiert werden. Ob es dazu kam, hing vor allem davon ab, wie gut man zur Geistlichkeit stand ... Nach aktuellem Kirchenrecht ist ein Dispens in gerader Linie oder im 2. Grad der Seitenlinie ausgeschlossen.
 
Das wären Vettern und Cousinenehen. Soweit mir bekannt ist, waren nur Ehen in direkter Linie, also Geschwister, Eltern verboten. Cousinen/Großcousinenheiraten waren evtl. verpönt, sind aber vorgekommen. Wie Lili schon sagte, es kommt auf die Zeit und die Gegend an.

In der serbisch orthodoxen Kirche der ich selber angehöre dürfte ich nicht heiraten bis zum 7. Grad wobei die Cousine als Schwester zweiten Grades gilt. In weiten Teilen Serbiens ist es üblich die Kinder seines Onkels als Bruder und Schwestern zu titulieren. Gesellschaftlich ist Sex und Ehe unter Leuten der gleichen Großfamilie auch sehr verpönt. Soll im frühen Mittelalter auch in Westeuropa gegolten haben und dann immer weiter gelockert worden sein.

Was hat sich geändert das im 19. Jahrhundert mehr oder weniger alle miteinander sehr eng verwandt waren unter Europas Herrschaft.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist die aktuelle zivilrechtliche Rechtslage in Deutschland und Österreich. Die römisch-katholische Kirche erließ aber viel weitergehende Eheverbote unter Verwandten, wobei es auch immer wieder Änderungen gab. Schon in der Antike wurde die Ehe in der Seitenlinie bis zum 7. Grad verboten und das immer wieder bekräftigt [z. B. Synode von Toledo 351, Papst Gregor I. (590-604), Papst Leo III. (795-816)], wobei es aber durchaus auch regionale Ausnahmen gab. Papst Innozenz III. (1198-1216) reduzierte es auf dem 4. Lateranischen Konzil 1215 auf den 4. Grad, was heute noch so gilt.
Allerdings konnte man von diesen Ehehindernissen dispensiert werden. Ob es dazu kam, hing vor allem davon ab, wie gut man zur Geistlichkeit stand ... Nach aktuellem Kirchenrecht ist ein Dispens in gerader Linie oder im 2. Grad der Seitenlinie ausgeschlossen.

In der serbisch orthodoxen Kirche der ich selber angehöre dürfte ich nicht heiraten bis zum 7. Grad wobei die Cousine als Schwester zweiten Grades gilt.

Das ist richtig kompliziert, mußte ich erst googeln Verwandtschaftsbeziehung ? Wikipedia

Ich frage mich allerdings, inwieweit die jeweiligen Kirchengesetze angewendet wurden oder überhaupt angewendet werden konnten, denn dazu benötigte man akribische Kirchenbuchführung.


In weiten Teilen Serbiens ist es üblich die Kinder seines Onkels als Bruder und Schwestern zu titulieren. Gesellschaftlich ist Sex und Ehe unter Leuten der gleichen Großfamilie auch sehr verpönt. Soll im frühen Mittelalter auch in Westeuropa gegolten haben und dann immer weiter gelockert worden sein.
Damit haben wir die Weisungen der serbisch-orthodoxen und der katholischen Kirche. Für die evangelische Kirche habe ich auf Anhieb nichts gefunden. Zum Vergleich fände ich entsprechende Regelungen in Judentum und Islam interessant.

Was hat sich geändert das im 19. Jahrhundert mehr oder weniger alle miteinander sehr eng verwandt waren unter Europas Herrschaft.

Adelshäuser und gewöhnliches Volk muß man wahrscheinlich getrennt betrachten.
 
Damit haben wir die Weisungen der serbisch-orthodoxen und der katholischen Kirche. Für die evangelische Kirche habe ich auf Anhieb nichts gefunden. Zum Vergleich fände ich entsprechende Regelungen in Judentum und Islam interessant.
Zu den Regelungen im Judentum bzgl. Sex unter Verwandten siehe Levitikus 18,6-18:
"Niemand von euch darf sich einer Blutsverwandten nähern, um ihre Scham zu entblößen. Ich bin der Herr. Die Scham deines Vaters, nämlich die Scham deiner Mutter, darfst du nicht entblößen. Sie ist deine Mutter, du darfst ihre Scham nicht entblößen. Die Scham der Frau deines Vaters darfst du nicht entblößen; sie ist die Scham deines Vaters. Die Scham deiner Schwester, einer Tochter deines Vaters oder einer Tochter deiner Mutter, darfst du nicht entblößen, sei sie im Haus oder außerhalb geboren. Die Scham einer Tochter deines Sohnes oder einer Tochter deiner Tochter darfst du nicht entblößen; denn ihre Scham ist deine eigene Scham. Die Scham der Tochter einer Frau deines Vaters darfst du nicht entblößen. Sie ist deinem Vater geboren, also deine Schwester; du darfst ihre Scham nicht entblößen. Die Scham einer Schwester deines Vaters darfst du nicht entblößen; denn sie ist mit deinem Vater leiblich verwandt. Die Scham der Schwester deiner Mutter darfst du nicht entblößen; denn sie ist mit deiner Mutter leiblich verwandt. Die Scham des Bruders deines Vaters darfst du nicht entblößen; du darfst dich seiner Frau nicht nähern; denn sie ist deine Tante. Die Scham deiner Schwiegertochter darfst du nicht entblößen. Sie ist die Frau deines Sohnes; du darfst ihre Scham nicht entblößen. Die Scham der Frau deines Bruders darfst du nicht entblößen; denn sie ist die Scham deines Bruders. Die Scham einer Frau und gleichzeitig die ihrer Tochter darfst du nicht entblößen; weder die Tochter ihres Sohnes noch die Tochter ihrer Tochter darfst du nehmen, um ihre Scham zu entblößen. Sie sind leiblich verwandt, es wäre Blutschande. Du darfst neben einer Frau nicht auch noch deren Schwester heiraten; du würdest sie zur Nebenbuhlerin machen, wenn du zu Lebzeiten der Frau die Scham ihrer Schwester entblößt."
Weiters Levitikus 20,11-12:
"Ein Mann, der mit der Frau seines Vaters schläft, hat die Scham seines Vaters entblößt. Beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen. Schläft einer mit seiner Schwiegertochter, so werden beide mit dem Tod bestraft. Sie haben eine schändliche Tat begangen, ihr Blut soll auf sie kommen."
Wier es heutzutage vom Judentum bzw. den verschiedenen jüdischen Strömungen gehandhabt wird, weiß ich nicht.

Im Koran behandelt die 4. Sure, 22-23, den Inzest:
"Und heiratet nicht Frauen, die eure Väter geheiratet hatten, es sei denn bereits zuvor geschehen. Siehe, es ist eine Schande und ein Abscheu und ein übler Weg. Verwehrt sind euch eure Mütter, eure Töchter, eure Schwestern, eure Vatersschwestern und Mutterschwestern, eure Bruderstöchter und Schwestertöchter, eure Nährmütter und Milchschwestern und die Mütter eurer Frauen und eure Stieftöchter, die in eurem Schutze sind, von euern Frauen, die ihr heimsuchtet. Habt ihr sie jedoch noch nicht heimgesucht, so ist's keine Sünde. Ferner die Ehefrauen eurer Söhne aus euern Lenden; und nicht sollt ihr zwei Schwestern zusammen haben, es sei denn bereits geschehen. Siehe, Allah ist verzeihend und barmherzig."
Die Hadithen sollen noch weitere Verbote enthalten.
 
Adelshäuser und gewöhnliches Volk muß man wahrscheinlich getrennt betrachten.
Generell war im 18.Jh. ein Dispens bei Cousins und Cousinen nötig. Als Beispiel hätte ich die Ehe von Carl Theodor von Pfalz-Sulzbach und Elisabeth Augusta von Pfalz-Sulzbach.

Elisabeth Augusta war eine Enkelin von Kurfürst Karl Philipp(1661-1743).

Elisabeth Augusta und Carl Theodor hatten in Herzog Theodor Eustach (1659-1729) von Pfalz-Sulzbach einen gemeinsamen Großvater.
Kurfürstin Elisabeth Augusta (1721-1794) war die Tochter der Pfalz-Neuburger Prinzessin Elisabeth Auguste (1693-1728), die wiederum die Tochter von Kurfürst Karl Philipp war.

Die Ehe wurde vom kurfürstlichen Großvater der Elisabeth Augusta wegen dem Tod seines favorisierten Verwandten Erbprinz und Pfalzgraf Joseph Karl von Pfalz-Sulzbach (1694-1729) für nötig erachtet.
Zum einen wollte man das Erbe im Hause Wittelsbach behalten, zum anderen war die Erbschaft in Jülich und Berg sonst in Gefahr, weil dort die Vererbung über die weibliche Linie lief.
Es gab also gute politische Gründe für diese Ehe, was offensichtlich die Zeitgenossen über die nahe Verwandtschaft hinweg sehen ließ. Ich habe jedenfalls noch keine entsprechenden Bemerkungen eines spöttischen Naserümpfens deswegen von Zeitgenossen gelesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
In England war die Heirat zwischen Cousin und Cousine rechtlich möglich, seit Heinrich VIII ein entsprechendes Gesetz erlassen hat. Jedenfalls glaube ich, daß dieser es war. Eine weitere Besonderheit, die mir spotan zum Thema einfällt war, daß es bis 1907 gesetzlich für einen Witwer verboten war, die Schwester der verstorbenen Ehefrau zu heiraten, bei der Witwe des verstorbenen Bruders, war es bis 1921 anscheinend weiterhin verboten. Dabei wäre aber anzumerken, daß diese Verbote bis zur entsprechenden Gesetzgebung 1835, eher großzügig ausgelegt wurden.

In Schottland waren solche Verbindungen schon seit 1567 verboten, und das wurde auch je nachdem von den zuständigen "Behörden" nicht großzügig ausgelegt. Es geht zu weit hier das etwas komplizierte Eherecht, und die Zuständigkeiten auseinander zu nehmen, also belasse ich es dabei zu sagen, daß Eheschließungen zwischen Blutsverwandten verboten waren, und auch in Fällen in denen ein schwägerliches Verhältnis vermutet wurde, eine offizielle Eheschließung verweigert werden konnte. Dabei denke ich an einen Fall aus dem 17. Jahrhundert, in dem eine junge Frau verdächtig wurde in der Vergangenheit ein außereheliches Verhältnis mit dem Onkel ihres Bräutigams gehabt zu haben. So weit ich mich erinnere, hat der zuständige Kirchenrat die Eheschließung verhindert, da durch die mutmaßliche Affäre ein verwandtschaftliches Verhältnis zwischen Braut und Bräutigam bestehen konnte.
 
Zurück
Oben