Gesinde-Dienstbücher

Artefakt

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Hallo Forum,

ich habe eine Frage zu den Gesinde-Dienstbüchern.

In einem Polizeibericht von 1880 steht:
" (Sie) kam am 12.09.1870, mit einem Dienstbuch versehen, nach Berlin, um in xxxx als Pflegerin zu arbeiten."

Wurden die Dienstbücher damals zentral registriert? (Das müssen ja tausende gewesen sein)

War es so, dass die Menschen, die damals in Berlin als Dienstleute arbeiten wollten, sich zunächst polizeiliche anmelden mussten und dabei die Dienstbücher vorzulegen hatten?
Wo wurden die Gesinde-Dienstbücher ausgegeben?
Gab es die für einen Groschen in Schreibwarenläden?

Oder hat, in dem Fall, die Polizei beim alten Arbeitgeber nachgefragt und der hatte in seinen Personalakten notiert, dass die Dame, als sie sich 1870 vorgestellt hat, ein Dienstbuch dabei gehabt hat?

Um weniger umständlich zu sein: Eine Polizeidienstelle in Schlesien fragte 1880 nach, wie sich eine bekannnte Betrügerin in der Vergangenheit in Berlin benommen hat.
Die Berliner Polizeibehörde antwortet, dass die FRau 1870 , mit Dienstbuch versehen, nach Berlin gekommen ist.
War das nun in den Meldeunterlagen archiviert, oder hat man den alten Arbeitgeber befragt?

Grüße
Arti
 
Das war eigentlich nix Weiteres als ein Arbeitsnachweis, quasi SV-Urkunde.

Hallo balticbirdy,

das waren damals kleine Hefte, in die die Arbeitgeber ihre Beurteilungen eingetragen haben. Ehrlichkeit, Pünklichkeit, Fleiß und natürlich, wann ein Arbeitsverhältnis begann und wann es endete.

Ich könnte mir vorstellen, dass die Polizeiu das bei Anmeldung sehen wollte und Leute, die ein mieses Zeugnis hatten, gleich abgewiesen hat.
Es geht um das JHahr 1870

- Oder bist du dir sicher, dass das nur die künftigen Arbeitgeber interessieret hat?

Ich weiß nicht, ob du vermutest-oder dir sicher bist.

Grüße Arti
 
Ich hab so ein Ding in den Familienunterlagen. Da steht nix Verfängliches drin, es war wohl eher für künftige Arbeitgeber als Zeugnis, man war pünktlich und nüchtern zur Stelle - das genügte.
 
Ich hab so ein Ding in den Familienunterlagen. Da steht nix Verfängliches drin, es war wohl eher für künftige Arbeitgeber als Zeugnis, man war pünktlich und nüchtern zur Stelle - das genügte.

Dann waren deine Vorfahren zuverlässige Leute.
Da konnte auch drinstehen, dass jemand wegen Zuspätkommens oder Diebstahls entlassen wurde.

- Arbeitgeber haben sich auch für Lücken interessiert. Das Dienstbuch sollte fortlaufend, lückenlos und einwandrei sein.

Zirkusunternehmer und Schausteller hatten Continuitenbücher. Da schrieben die Gemeinden rein, wie sich die Zirkusleute in ihrem Ort betragen haben.
Unter Umständen sagten Gemeinde "Nein. Nicht bei uns", wenn ihnen die Eintragungen nicht gefallen haben.

Grüße
Topi
 
Danke Lili,

das bringt mich weiter.
Damals lief ja alles über die Polizei.
Wie sonst hätten die später gewußt, dass die Frau 10 Jahre zuvor mit einem Dienstbuch nach Berlin gekommen ist

Der Link ist sehr interessant. Kannte ich noch nicht.

Es gibt einen Artikel im Internet:
Wie Tausend Andere Auch
drei schlesische Dienstmädche in Berlin
von Dietlinde Peters

Lesenswert, aber ich vermisse, wie so oft, die kleinen, praktischen Dinge.

Ich erforsche nun erstmal die Gesetze

Grüße
Arti
 
Damals lief ja alles über die Polizei.

Nur ein kleiner Hinweis: Bei Polizei muss man immer aufpassen, was genau gemeint ist.

Das was wir gemeinhin als Polizei kennen, also die Leute mit Uniform, Blaulicht und Sirene (früher Pickelhaube und Säbel wie der Wachtmeister Dimpfelmoser im Räuber Hotzenplotz :D ) ist nicht alles, was man unter Polizei verstehen kann. Das ist der sog. Polizeivollzugsdienst.

Daneben gibt es noch die Polizeibehörden, z. B Kreispolizeibehörden oder Ortspolizeibehörden. Letztere sind z. B. die Gemeinden. Deshalb gibt es ein "polizeiliches Führungszeugnis" auch nicht auf der nächsten Polizeiinspektion, sondern bei der Gemeinde.

Ich würde jetzt mal vermuten, dass für die Überprüfung der Dienstbücher des Gesindes nicht der Herr Gendarm zuständig war, sondern die gemeindliche Ortspolizeibehörde.

Zumindest haben die Berufsgenossenschaften (da kann ich mich jetzt ein wenig besser aus) bei Arbeitsunfällen früher oft die lokalen Ortspolizeibehörden um Amtshilfe gebeten und Sachverhalte vor Ort ermitteln lassen. Da waren die Ortspolizeibehörden also in sozialversicherungsrechtliche Angelegenheiten eingebunden. Mit der eigentlichen Polizeiarbeit ("für Recht und Ordnung sorgte die Gendarmerie und für Gerechtgkeit das königlich bayerische Amtsgericht..." :)) hat das aber nichts zu tun.

Man muss also immer im Einzelfall schauen, welche Polizei jeweils gemeint ist. Einen ersten Einblick gibt Wiki, wobei man das nicht direkt auf die historischen Verhältnisse übertragen kann.

Polizei ? Wikipedia

Polizeibehörde ? Wikipedia


Wie sonst hätten die später gewußt, dass die Frau 10 Jahre zuvor mit einem Dienstbuch nach Berlin gekommen ist

Wenn nach einer Betrügerin gefahndet wird, dann findet die Polizei (jetzt also die "richtige") sowas schon raus. Da wird das Opfer befragt, der Arbeitgeber etc...

Viele Grüße

Bernd

P. S. Hier sind auf Seite 6 unten auch mal kurz die Ortspolizeibehörden erwähnt. Man kann sehen, dass für arbeitsrechtliche Fragen etc. nicht die eigentliche Polizei zuständig war.

http://www.handbucharbeitsrecht.de/...tsrechts/Die_Geschichte_des_Arbeitsrechts.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Cephalotus,

ich habe gelesen, dass die Gesinde-Polizei für die Kontrolle der Gesindebücher zuständig war.
Hab aber bisher nicht daran gezweifelt, dass die verschiedenen Polizeistränge oben zusammengelaufen sind.

Meine Güte, da kommt was auf mich zu. Wahrscheinlich auch noch verschiedene Regelungen, in verschiedenen Ländern.
Vor 1871 gab es wohl auch verschiedene Gesindeordnungen.
Die Brauereibesitzer in Bayern hatten eine, es gab eine für das Hauspersonal, eine für das Hofpersonal.

Da ich ja nicht wissenschaftlich arbeite (mur eine Frage habe) , genügt es mir voll und zu erfahrenganz, wie es 1870 in Preußen war.

Ich arbeite mich mal durch, nehme eure Hinweise ernst und poste dann, wenn ich

a) mehr weiß
oder
b) total verwirrt bin

Grüße
Arti
 
In Meyers Konversationslexikon stand 1888:

.................In den meisten deutschen Staaten bestehen entweder allgemeine, das Gesindewesen im Bereich des ganzen Landes regelnde, oder besondere, nur für einzelne Bezirke oder Städte gültige Anordnungen, Gesindeordnungen genannt; auch sind vielfach Gesindezeugnisbücher eingeführt, die bei der Ortspolizei hinterlegt werden, und in welche die Dienstherrschaft abgehenden Dienstboten ihr Zeugnis einträgt.......

Das Gesindezeugnisbuch wurde also bei der Ortspolizei nicht nur vorgelegt, sondern sogar abgegeben - und musste dann, nach Ende des Dienstverhältnisses abgeholt werden.


Grüße
Arti
 
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